S 5 KR 1364/14

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 5 KR 1364/14
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 73,51 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. August 2010 zu zahlen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Berufung wird zugelassen. 4. Der Streitwert wird auf 73,51 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Vergütungsanspruches der Klägerin aus der Behandlung eines bei der Beklagten versicherten Mitglieds streitig; im Einzelnen ein Betrag in Höhe von 73,51 EUR. Insbesondere streiten die Beteiligten darüber, ob die (ambulante) Behandlung des Versicherten § 115a SGB V (nachstationäre Behandlung) oder § 116b Abs. 2 SGB V (ambulante Behandlung seltener Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen; sog. hochspezialisierte Leistungen) unterfällt.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Ferner ist die Klägerin zur Erbringung ambulanter Behandlungsleistungen nach § 116b SGB V zugelassen. Das bei der Beklagten versicherte Mitglied B. G. (Versicherter) war bei der Klägerin in der Zeit vom 03. November 2009 bis 04. November 2009 sowie vom 18. November 2009 bis 19. November 2009 in vollstationärer Behandlung (jeweils Durchführung eines Behandlungszyklus einer Chemotherapie). Ferner behandelte die Klägerin den Versicherten am 11. November 2009 und 25. November ambulant (Vorbereitung und Verabreichung einer Infusion). Diese ambulante Behandlung stellte die Klägerin am 14. Juli 2010 in Rechnung (Rechnungsbetrag in Höhe von 73,51 EUR). Die Beklagte verweigerte die Zahlung dieser Vergütung.

Die Klägerin hat hierauf am 12. August 2011 beim Sozialgericht Klage erhoben. Die ambulan-ten Leistungen seien gesondert im Rahmen des § 116b SGB V zu vergüten. Bei der Behandlung im Rahmen des § 116b SGB V handele es sich bereits nicht um eine Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 SGB V. Zudem habe die Beklagte keine Prüfung nach § 275 SGB V durchgeführt. Sie sei daher mit sämtlichen Einwendungen ausgeschlossen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 73,51 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. August 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die abgerechneten ambulanten Leistungen sei nicht gesondert im Rahmen des § 116b SGB V zu vergüten. Vielmehr habe eine nachstationäre Behandlung im Sinne des § 115a SGB V vorgelegen. Andernfalls sei eine unzulässige Doppelfinanzierung gegeben. § 275 Abs. 1c SGB V sei auf ambulante Behandlungen im Krankenhaus nicht anwendbar. Auch habe die Klägerin in anderen gleichartigen Behandlungsfällen bereits mitgeteilt, dass ein medizinischer Zusammenhang zwischen der ambulanten Behandlung und der stationären Behandlung bestehe und keine weiteren Unterlagen übersendet.

Mit Beschluss vom 12. November 2012 hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das Verfahren vor dem Bundessozialgericht B 1 KR 51/12 R angeordnet. Das Gericht hat das Verfahren am 20. Juni 2014 wieder aufgerufen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakte des Gerichts und die Patientenakte der Klägerin Bezug genommen, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind. Ferner wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Die von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis erhobene echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist zulässig. Die Klage eines Krankenhausträgers - wie der Klägerin - auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - Az.: B 1 KN 3/08 KR R m.w.N., nach juris). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch mit 73,51 EUR beziffert.

Die Klage ist auch begründet.

Rechtsgrundlage ist § 116b Abs. 5 SGB V in der Fassung vom 28.5.2008 (gültig vom 01. Juli 2008 bis 31. Dezember 2011; BGBl I 2008, 874) i.V.m. § 2 der vertraglichen Regelung der Landeskrankenhausgesellschaft mit der Beklagten ("Vereinbarung über die Abrechnung und Vergütung der ambulanten Behandlung im Krankenhaus gemäß § 116b SGB V).

Hiernach hat die Klägerin Anspruch auf die in diesem Verfahren geltend gemachte Vergütung in Höhe von 73,51 EUR.

Nach § 116b Abs. 2 SGB V ist ein zugelassenes Krankenhaus zur ambulanten Behandlung der in dem Katalog nach § 116b Abs. 3 und 4 SGB V genannten hochspezialisierten Leistungen, seltenen Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen berechtigt, wenn und soweit es im Rahmen der Krankenhausplanung des Landes auf Antrag des Kran-kenhausträgers unter Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation dazu be-stimmt worden ist. Zum Katalog der erfassten Erkrankungen gehören nach § 116b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V auch die Diagnostik und Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen.

1.

Die Klägerin war zur Erbringung ambulanter Leistungen nach § 116b Abs. 2 SGB V zugelassen. Der Versicherte wurde bei der Klägerin aufgrund einer onkologischen Erkrankung im Sinne des § 116b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V behandelt. Dies ist zwischen den Beteiligten unstrittig. Ferner zwischen den Beteiligten unstrittig, dass zwischen der stationären und ambulanten Behandlung des Versicherten ein inhaltlicher Zusammenhang bestand.

2.

Die ambulante Behandlung des Versicherten stellt auch keine (nachstationäre) Krankenhausbehandlung im Sinne des § 115a Abs. 1 Nr. 2 SGB V dar.

a.

Nach § 115a Abs. 1 Nr. 2 SGB V kann das Krankenhaus bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um im Anschluss an eine vollstationäre Krankenhausbehandlung den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen (nachstationäre Behandlung). Die nachstationäre Behandlung darf grundsätzlich sieben Behandlungstage innerhalb von 14 Tagen Beendigung der stationären Krankenhausbehandlung nicht überschreiten (§ 115a Abs. 2 Satz 2 SGB V). Eine nachstationäre Behandlung im Sinne des § 115a SGB V führt nur im begrenzten Rahmen zu einer neben der DRG-Fallpauschale (für die vorangegangene vollstationäre Behandlung) zu gewährenden Vergütung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 KHEntfG).

Sie begründet auch nicht die Möglichkeit eine abweichende DRG-Fallpauschale zu berechnen. Die Fallpauschalen vergüten vielmehr - wie dargelegt - grundsätzlich die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall. Sie wirken sich nur dadurch auf das Recht der Abrechnung nachstationärer Behandlungen aus, dass sie deren zusätzliche Vergütung lediglich insoweit zulassen, als die Summe aus den stationären Belegungstagen und den vor- und nachstationären Behandlungstagen die Grenzverweildauer der Fallpauschale übersteigt. Soweit dies nicht der Fall ist, deckt die Fallpauschale für die allgemeinen voll- und teilstationären Krankenhausleistungen auch die einzubeziehenden vor- und nachstationären Behandlungen mit ab (BSG, Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR 51/12 R –, BSGE 114, 209-217, SozR 4-2500 § 115a Nr 2, Rn. 12).

Die nachstationäre Behandlung nach § 115a SGB V ist eine Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V (vgl. auch BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 13 S. 69 f; ferner: BSG SozR 4-2500 § 115a Nr. 1 Rz. 10 – "stationäre Behandlung im weiteren Sinne"). § 115a SGB V schließt in der Konsequenz die Abrechnung der (ambulanten) Krankenhausbehandlung als vertragsärztliche Leistung aus. Es würde ansonsten für die bereits mit der Fallpauschale gegenüber dem Krankenhaus abgegoltene Leistung erneut Honorar aus der vertragsärztlichen Vergütung gezahlt, an dem das Krankenhaus über § 120 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V partizipieren würde. Der vom Gesetz beabsichtigte Kostendämpfungseffekt würde damit gerade nicht eintreten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 14/12 R –, SozR 4-2500 § 116 Nr 9, juris, Rn. 19; vgl. auch BSG, Urteil vom 19. April 2016 – B 1 KR 23/15 R –, BSGE 121, 94-100, SozR 4-2500 § 115b Nr 6). D.h., liegt eine Krankenhausbehandlung (im Sinne des § 39 SGB V) vor, kann diese nicht – auch nicht teilweise – im Wege der vertragsärztlichen Vergütung gesondert abgerechnet werden.

b.

Vorliegend handelte es sich bei den ambulanten Behandlungen des Versicherten am 11. November 2009 und am 25. November 2009 bereits nicht um Krankenhausbehandlungen im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V.

Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115a SGB V) sowie ambulant (§ 115b SGB V) erbracht. Die ambulante Erbringung hochspezialisierter Leistungen nach § 116b Abs. 2 SGB V wird jedoch in § 39 SGB V nicht als Teil der Krankenhausbehandlung aufgeführt. Vielmehr handelt es sich bei der Behandlung im Sinne § 116b SGB V um eine stationsersetzende Behandlung, weshalb § 116b SGB V auch außerhalb des Rahmens des § 39 SGB V steht (vgl. Noftz in: Hauck/Noftz, SGB V, § 39 Rn. 39, 44; vgl. auch BSG NZS 2008, 147, 149). § 116b SGB V etabliert einen "sektorenverbindenden Versorgungsbereich", in dem Krankenhausärzte und niedergelassene Fachärzte unter gleichen Qualifikationsvoraussetzungen und einheitlichen Bedingungen die Versorgung der Patienten mit besonderen Krankheitsverläufen oder seltenen Erkrankungen sowie bestimmte Leistungen, u.a. auch hochspezialisierte Leistungen, erbringen können (Köhler-Hohmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 116b SGB V, Rn. 18 m.w.N.; ferner: Wahl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 39 SGB V, Rn. 42, mit weiteren Nachweisen).

Mangels Vorliegen einer Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 SGB V kommt eine Zuordnung der ambulanten Behandlungen des Versicherten zur (vorrangigen, vgl. oben Ziff. 2a) nachstationären Behandlung im Rahmen des § 115a SGB V nicht in Betracht. § 115a SGB V setzt unter anderem das Vorliegen einer Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V voraus. Hieran fehlt es jedoch vorliegend.

3.

Auf Fragen der Abrechnungsprüfung des § 275 SGB V kam es vorliegend daher nicht mehr an.

4.

Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist, ihrem Antrag entsprechend, mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen (vgl. auch BSG, Urteil vom 19. April 2007 - Az.: B 3 KR 10/06 R, nach juris). Die rechtliche Grundlage hierzu findet sich in dem auf landesrechtlicher Ebene geschlossenen Vertrag (§ 9) i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). § 197a SGG ist anzuwenden, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Dies ist vorliegend der Fall, da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den Versicherten, Leistungsempfängern oder sonstigen in § 183 SGG genannten Personengruppen gehören. Nach § 154 Abs. 1 VwGO trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert in der Hauptsache ist nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen des Gerichts zu bestimmen (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG. Der Streitwert entspricht vorliegend der eingeklagten Hauptforderung.

6.

Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
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