L 7 AS 354/20 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 5 AS 561/20 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 354/20 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Das vereinfachte Verfahren für den Zugang zu sozialer Sicherung aus Anlass der COVID-19-Pandemie ist bei im März 2020 erfolgter Ablehnung eines Antrags auf Leistungen ab Dezember 2019 nicht anwendbar, auch wenn im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen erst ab März 2020 begehrt werden.
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 31. März 2020 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Im Streit ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) II ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen eines Dritten.

Die 1983 geborene Antragstellerin ist Mutter von 2018 geborenen Zwillingen (Y ... und X ...). Deren Vater ist der 1981 geborene W ... (Geburtsurkunden v. 2018). Herr W ... (W.) ist weiterhin Vater des 2010 geborenen V ... (Geburtsurkunde v. 2010).

Die Antragstellerin bezog von Oktober 2018 bis Februar 2019 Mutterschaftsgeld und Zuschüsse hierzu (vgl. Bescheid v. 31.01.2019 nach dem BEEG) und vom 23.04. bis 22.12.2019 Alg (Bescheid v. 16.05.2019, Bescheinigung v. 19.12.2019).

W. wurde für Januar bis November 2019 Elterngeld bewilligt (Bescheid v. 24.01.2019). Er ist Kindergeldberechtigter für die drei vorgenannten Kinder (Bescheid v. 06.02.2019). Seit Januar 2020 ist W. wieder bei seinem bisherigen Arbeitgeber für 24 Stunden wöchentlich und einem Bruttogehalt von 2.057,14 EUR monatlich beschäftigt (Arbeitsvertrag v. 14.01.2013, Änderungsvertrag v. 12.09.2016, Verdienstbescheinigung für Januar 2020: Netto-Verdienst = 1.462,13 EUR).

Die Antragstellerin und W. sind jeweils Inhaber getrennter Giro- und Extra-Konten bei der U ... AG. Das Extra-Konto von W. (Nummer:.) wies am 30.12.2019 ein Guthaben von 44.643,14 EUR auf (Kontoauszug 2019 v. 30.12.2019).

W. verfügt bei der T ... Lebensversicherungs-AG (T ...) über eine (Lebens-) Versicherung (T ... StartPolice, Nr ..., Nachtrag zum 01.10.2019), die nicht zulagebegünstigt nach § 10a EStG ist, bei der es sich nicht um eine Basisrentenversicherung handelt und deren Rückkaufswert zum 31.12.2019 insgesamt 5.284,23 EUR bei bis zum 25.02.2020 geleisteten Beiträgen von 7.309,56 EUR betrug (Auskunft v. 25.02.2020).

W. verfügt weiterhin bei der S ... AG (S ...) über eine fondsgebundene Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung und Leistung bei Tod vor Rentenbeginn (Versicherungs-Nr ..., Nachtrag ab 01.11.2019), deren Rückkaufwert zum 31.12.2019 insgesamt 3.657,98 EUR (Berufungsunfähigkeitsversicherung) und Fondsanteilswert zum vorgenannten Zeitpunkt insgesamt 2.911,04 EUR betrugen (Auskunft v. 25.02.2020).

Die Antragstellerin, W., deren gemeinsamen Kinder und zeitweise das weitere Kind von W. nutzen eine allein von W. gemietete 3-Raum-Wohnung, für die insgesamt 510,- EUR (350,- EUR Grundmiete + 160,- EUR Vorauszahlungen für Betriebskosten, einschließlich zentraler Warmwasserversorgung und Heizung) monatlich zu zahlen sind (Mietvertrag v. 28.08.2015; Betriebskostenabrechnung v. 29.03.2019).

Am 18.12.2019 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Ihr "PARTNER" gehe wieder arbeiten, da sie 2019 keine Anstellung bekommen habe und die Zwillinge aufgrund verzögerter Entwicklungen noch nicht betreuungsfähig seien (handschriftlich ausgefülltes Zusatzblatt - Antragsbegründung - v. 10.01.2020). Nach Aufforderungen des Antragsgegners (Schreiben v. 16.01.2020 und 13.02.2020) teilte die Antragstellerin Tatsachen zu W. mit und legte Unterlagen von ihm vor. Dabei bezeichnete sie ihn stets als "Lebensgefährten" bzw. "LEBENSGEFÄHRTEN" (E-Mail v. 24.01.2020, handschriftliche Notiz v. 06.02.2020 und E-Mail v. 27.02.2020).

Der Antragsgegner lehnte den Antrag ab (Bescheid v. 13.03.2020). Die Antragstellerin sei nicht hilfebedürftig, da sie über ein verwertbares Gesamtvermögen von 47.343,32 EUR (1.776,86 EUR Girokonto + 29,83 EUR Extra-Konto der Antragstellerin zuzüglich 605,75 EUR Girokonto + 44.930,94 EUR Extra-Konto des W.) verfüge, welches die Vermögensfreibeträge von 14.100,- EUR übersteige. Nach Verbrauch des die Freibeträge übersteigenden Vermögens könne der Antrag erneuert werden.

Dagegen legte am 20.03.2020 ein Rechtsanwalt einer von der Antragstellerin bevollmächtigten Anwaltskanzlei (Bevollmächtigter; Vollmacht v. 20.03.2020) "namens und in Vollmacht unserer Mandantin" Widerspruch ein, in dessen Begründung stets im Singular von "Mandantin" die Rede ist (Widerspruchsschreiben v. 20.03.2020). Die "Mandantin" bewohne mit einer dritten Person eine Wohnung in Wohngemeinschaft. Sie "und die weiteren Mitbewohner" würden keinen gemeinsamen Haushalt führen und nicht gemeinsam wirtschaften. Zwischen "ihnen" bestehe auch kein wechselseitiger Wille, füreinander einzustehen. Es sei völlig lebensfremd, dass die "Mandantin" auf Unterhaltsleistungen verwiesen werden soll, auf die sie keinen Anspruch habe. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen (Bl. 167 "Aktensegment" der vom Antragsgegner vorlegten "eAkte").

Am selben Tag hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Leipzig mit nahezu inhaltlich identisch begründetem Schreiben (Antragsschrift v. 20.03.2020) für die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz "ab Rechtshängigkeit" sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und seine Beiordnung beantragt. In einer handschriftlichen Anmerkung zur PKH-Erklärung vom 19.03.2020 hat die Antragstellerin W. als "PARTNER" bezeichnet.

Das SG hat neben dem Antragsgegner nur die Antragstellerin als Beteiligte aufgenommen und sowohl den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz als auch den PKH-Antrag abgelehnt (Beschlüsse v. 31.03.2020). Für eine einstweilige Anordnung sei kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden, da die Antragstellerin nicht hilfebedürftig sei. W. sei ihr Partner, da mehrere gesetzliche Vermutungstatbestände vorlägen, die durch den Vortrag der Antragstellerin weder ausgeräumt noch in Zweifel gezogen worden seien. Akten und Vortrag würden das Bild einer "klassischen" Familie, welche füreinander da sein will, zeichnen. Demnach seien Einkommen und vor allem Vermögen des W. heranzuziehen. Der Gesamtfreibetrag für das Vermögen der fünfköpfigen Bedarfsgemeinschaft betrage insgesamt 14.850,- EUR und sei um mehr als ungefähr das Dreifache überstiegen. PKH sei nicht zu bewilligen, da es der Antragstellerin zumutbar sei, eigenes Vermögen einzusetzen. Beide Beschlüsse vom 31.03.2020 wurden der Antragstellerin am 01.04.2020 zugestellt.

Am 30.04.2020 hat die Antragstellerin beim erkennenden Gericht mit einem Schreiben Beschwerde "gegen den Beschluss vom 31.03.2020" eingelegt (Beschwerdeschrift v. 30.04.2020). Es sei völlig lebensfremd, die Antragstellerin auf Unterhaltsleistungen zu verweisen, auf die sie keinen Anspruch habe. Das SG habe die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Sachvortrags überspannt. Einer abgegebenen eidesstattlichen Versicherung komme entscheidende Bedeutung zu. Der Antragstellerin habe ebenso PKH zugestanden, da auch insoweit das SG die Anforderungen überspannt habe.

Der Senat hat aufgrund dieser Beschwerdeschrift Verfahren unter den Aktenzeichen L 7 AS 354/20 B ER und L 7 AS 355/20 B PKH erfasst.

Die - im Beschwerdeverfahren keinen Antrag stellende - Antragstellerin beantragt sinngemäß (vgl. Antragsschrift v. 20.03.2020), den Beschluss des SG Leipzig vom 31.03.2020 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihr ab Rechtshängigkeit des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz einstweilig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des W. zu erbringen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerdebegründung wiederhole lediglich den Vortrag im Antragsverfahren, ohne sich mit der Begründung des SG auseinanderzusetzen. Eine eidesstattliche Versicherung läge ihm nicht vor und würde am Ergebnis nichts ändern, da mehrere Vermutungstatbestände für eine Partnerschaft erfüllt und nicht widerlegt seien. Die Gesamtwürdigung aller Umstände spreche für das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft.

II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.

Gegenstand des Verfahrens ist der Beschluss vom 31.03.2020 über die Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz vom 20.03.2020 und der Bescheid des Antragsgegners vom 13.03.2020 über die Ablehnung des Leistungsantrags der Antragstellerin vom 18.12.2019.

Beteiligt am Verfahren ist neben dem Antragsgegner allein die Antragstellerin (§ 69 Nr. 1 SGG; zum Sprachgebrauch bei § 86b SGG vgl. z.B. Pitz in: jurisPK-SGG, § 69 Rn. 2), da allen Schreiben ihres Bevollmächtigten seit dem 20.03.2020 keine Hinweise für eine Auslegung des Antragsbegehrens für weitere Personen, die mit der Antragstellerin in einem Haushalt leben, zu entnehmen sind. Damit scheidet insbesondere die Einbeziehung der beiden eigenen, minderjährigen Kinder der Antragstellerin als Beteiligte des Verfahrens aus (zur Einbeziehung von Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft vgl. letztens BSG v. 30.10.2019 - B 14 AS 2/19 R - Rn. 11 m.w.N. und hier insb. BSG v. 30.01.2019 - B 14 AS 12/18 R - Rn. 10 ff.).

Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen und damit statthaft (§ 172 Abs. 1 SGG), da in der Hauptsache der Wert des Beschwerdegegenstands 750,00 EUR übersteigt und deswegen die Berufung keiner Zulassung bedürfte (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstands im Hauptsacheverfahren richtet sich danach, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt, wobei bei einer Geldleistung der Wert des Beschwerdegegenstands nach dem Geldbetrag zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 4 Abs. 1 ZPO) zu berechnen ist, um den unmittelbar gestritten wird (stRspr, vgl. nur BSG v. 23.07.2015 - B 8 SO 58/14 B - Rn. 6 m.w.N.). Das SG hat der Antragstellerin einstweilig "bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsachverfahrens ab Rechtshängigkeit" Alg II versagt (Antragsschrift v. 20.03.2020). Nach dem Gesamtzusammenhang der Beschwerdeschrift gegen den dieses Antragsbegehren (§ 123 SGG) ablehnenden Beschluss vom 13.03.2020 verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Da bereits der vom Alg II umfasste Regelbedarf (§ 19 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 SGB II) seit Januar 2020 für eine alleinstehende Person 432,- EUR monatlich beträgt (§ 20 Abs. 1a, Abs. 2 Satz 1 SGB II, § 28, § 28a, § 40 SGB XII, RBSF 2020 v. 15.10.2019, BGBl. I 1452) und der Bedarf der Antragstellerin nach den glaubhaft gemachten Tatsachen nicht durch eigenes zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen gedeckt ist (§ 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II), ist die Beschwerde statthaft.

Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet, da das SG im Ergebnis zu Recht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt hat. Dabei ist das SG insbesondere mit überzeugender und zutreffender Begründung vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 Buchst. c, Abs. 3a SGB II) zwischen der Antragstellerin und W. ausgegangen. Da die Beschwerdeschrift insoweit überwiegend nur Teile des Vorbringens im Antragsverfahren wiederholt, wird von einer ebenso wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (142 Abs. 2 Satz 3 SGG) und lediglich ergänzend hierzu Folgendes ausgeführt:

Die Antragstellerin ist bereits nach eigenem Vorbringen erwerbsfähig (vgl. S. 2 des Hauptantrags v. 10.01.2020 und § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 SGB II), ohne dass hierzu entgegenstehende Hinweistatsachen vorgetragen oder erkennbar sind. Die von der Antragstellerin angegebenen Einschränkungen ihrer Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt durch Betreuung ihrer leiblichen Kinder (vgl. Antragsbegründung v. 10.01.2020) betrifft nicht ihre Erwerbsfähigkeit, sondern die ihr zumutbare Arbeit (vgl. insb. § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II).

Selbst bei geringsten Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines materiell-rechtlichen Anspruchs (Anordnungsanspruchs, vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sowie zu den rechtlichen Maßstäben unter Einbeziehung der Rechtsprechung des BVerfG z.B. Burkiczak in: jurisPK-SGG, § 86b SGG Rn. 49 ff., 324 ff., 399 ff. und Krodel in: BeckOK-SGG, § 86b Rn. 67 ff.) gehört W. der Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin an, da er mit ihr als Partner in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und für einander einzustehen (sog. Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft, vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II), was bei Vorliegen einer der Tatbestände des § 7 Abs. 3a SGB II vermutet wird (zu den rechtlichen Maßstäben hierzu vgl. nur BSG v. 12.10.2016 - B 4 AS 60/15 R - Rn. 25 f. m.w.N. sowie aus der Senatsrechtsprechung z.B. Sächs. LSG v. 10.09.2009 - L 7 AS 414/09 B ER - juris Rn. 54 ff. und 07.01.2011 - L 7 AS 115/09 - juris Rn. 31 ff.).

Ein Zusammenleben in einer Wohnung (vgl. hierzu z.B. BSG v. 23.08.2012 - B 4 AS 34/12 R - Rn. 22) liegt auch nach dem Vorbringen der Antragstellerin vor.

Das Zusammenleben in einem Haushalt setzt das Leben in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus, wobei dieser Begriff in Abgrenzung zur alleinigen Wohngemeinschaft dadurch gekennzeichnet wird, dass die Mitglieder der Gemeinschaft nicht nur vorübergehend in einer Wohnung leben, sondern einen gemeinsamen Haushalt in der Weise führen, dass sie aus einem "Topf" wirtschaften (vgl. nur BSG v. 12.10.2016 - B 4 AS 60/15 R - Rn. 25 m.w.N.). Hierzu hat das SG hinreichende Gründe dargelegt (vgl. Beschluss v. 31.03.2020, S. 6 Abs. 2), wogegen die Antragstellerin nichts vorbrachte.

Nichts anderes gilt für die Darlegungen des SG zum Vorliegen mehrerer Tatbestände des § 7 Abs. 3a SGB II. Aus welchen Gründen diese Vermutungswirkung widerlegt sein soll, bringt die Antragstellerin nicht ansatzweise vor. Im Gegenteil spricht sie selbst noch anwaltlich vertreten im gerichtlichen Verfahren von W. als ihrem "Partner" (vgl. Zusatzerklärung zu 5. der PKH-Erklärung v. 19.03.2020).

Entgegen der Behauptung ihres Bevollmächtigten erfolgte in beiden gerichtlichen Verfahren auch nie die Vorlage einer Versicherung an Eides statt, sondern nur eine entsprechende Ankündigung und dies auch nur in Bezug auf mangelndes zu berücksichtigendes eigenes Vermögen der Antragstellerin (vgl. Antragsschrift v. 20.03.2020, S. 1), was nicht im Streit steht. Soweit der Bevollmächtigte der Antragstellerin nunmehr auf eine vermeintlich abgegebene Versicherung an Eides statt wegen eines nicht bestehenden Anspruchs auf Unterhaltsleistungen verweist (vgl. Beschwerdeschrift, S. 2), bleibt offen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen damit glaubhaft gemacht werden sollen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB X), da weder der Antragsgegner noch das SG auf tatsächliche Unterhaltszahlungen (vgl. auch § 9 Abs. 1 SGB II: "erhält") des W. abstellten. Davon abgesehen bemisst sich die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Partners bei Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft nicht nach dem Unterhaltsrecht (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II und hierzu nur Karl in: jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 9 Rn. 61, 66 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung des BSG und BVerfG; zu Zusammenhängen zwischen Existenzsicherungsrecht und Familienrecht in diesem Kontext vgl. weiterhin nur Behrend, jM 2014, 22, 25).

Daher kann dahinstehen, ob und inwieweit W. der Antragstellerin zum Unterhalt verpflichtet ist, nachdem sie die gemeinsamen Kinder betreue und deswegen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne (vgl. hierzu § 1615l Abs. 2 Satz 2 ff. BGB).

Aufgrund der Zugehörigkeit des W. zur Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin ist sein zu berücksichtigendes Einkommen (§§ 11 ff. SGB II) und Vermögen (§ 12 SGB II) bei ihr bedarfsdeckend zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 3 Satz 1, § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II), wobei er selbst als hilfebedürftig gilt, soweit der gesamte Bedarf der Bedarfsgemeinschaft nicht aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II).

Dahinstehen kann, ob und inwieweit alle drei Kinder des W. zur Bedarfsgemeinschaft gehören (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II, zur sog. temporären Bedarfsgemeinschaft vgl. z.B. BSG v. 11.07.2019 - B 14 AS 23/18 R - Rn. 11) sowie die Höhe des - nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen (insb. Arbeitsentgelt des W. und Kindergeld für die drei Kinder) - gedeckten (Gesamt-) Bedarfs, da selbst bei Annahme einer fünfköpfigen Bedarfsgemeinschaft ein angenommener Gesamtbedarf von 2096,- EUR monatlich (Regelbedarfe von insgesamt 1586,- EUR + Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, vgl. insb. § 20 Abs. 4, § 23 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II; für weitere Bedarfe mangelt es an einem glaubhaft gemachten Vortrag) allein durch den Wert des zu berücksichtigenden Extra-Kontos von W. bei der U ... gedeckt wäre.

Bei dem Guthaben auf dem Extra-Konto von W. bei der U ... (Nummer:.) handelt es sich um verwertbares Vermögen (§ 9 Abs. 1 SGB II).

Eine Ausnahme von der Vermögensberücksichtigung nach § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB II (in der ab dem 28.03.2020 geltenden Fassung, vgl. Art. 1, Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes v. 27.03.2020, BGBl. I 575, 579 (Sozialschutz-Paket); lediglich die Überschrift des § 67 SGB II ändernd Art. 13 Nr. 2 des Gesetzes v. 20.05.2020, BGBl. I 1055, 1058 (Sozialschutz-Paket II)) liegt nicht vor, da der Bewilligungszeitraum nicht in der Zeit vom 01.03.2020 bis 30.06.2020 beginnt (§ 67 Abs. 1 SGB II). Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 18.12.2019 wirkt auf den 01.12.2019 zurück (§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II), wobei von der Antragstellerin wohl ein Leistungsbeginn erst nach dem Ende des Alg-Bezugs zum 22.12.2019 begehrt wurde (vgl. Hauptantrag v. 10.01.2020: Tag der Antragstellung "18.12.2019 z. 24.12.2019"), was zulässig ist (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II, vgl. nur Silbermann in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 37 Rn. 44). Bei einem beabsichtigten Leistungsbeginn im Dezember 2019 ist die Sonderregelung des § 67 SGB II weder nach dem Wortlaut des § 67 Abs. 1 SGB II noch nach dem Sinn und Zweck des § 67 Abs. 2 SGB II (vgl. hierzu BT-Drucks. 19/18107, S. 24 f.) anwendbar, da weder der Leistungsantrag aus Anlass der COVID-19-Pandemie gestellt wurde noch der Antragsgegner Schwierigkeiten hatte, das Vermögen von W. zu prüfen. Dem steht auch nicht das Antragsbegehren im einstweiligen Rechtsschutz ("ab Rechtshängigkeit, vgl. Antragsschrift v. 20.03.2020) entgegen, da dies nicht den Beginn des Bewilligungszeitraums i.S.d. § 67 Abs. 1 SGB II, sondern das Bestehen eines Anordnungsanspruchs betrifft (zu den Voraussetzungen für die Annahme eines Anordnungsgrunds für Leistungen für einen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der Vergangenheit liegenden Zeitraum vgl. ausführlicher z.B. Sächs. LSG v. 04.04.2016 - L 7 AS 1277/15 B ER - juris Rn. 35 f. und 11.09.2017 - L 7 AS 595/17 B ER - juris Rn. 21 ff., jeweils m.w.N. aus der Rspr. des Senats). Daher kann dahinstehen, ob § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch nach § 67 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht gilt (zum Begriff des erheblichen Vermögens vgl. z.B. Groth in: jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 67 Rn. 21 ff.) und ob sich § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB II im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zumindest auf die Annahme eines Anordnungsgrunds auswirkt (so z.B. Burkiczak, NJW 2020, 1180, 1181).

Tatsachen für eine Ausnahme von der Berücksichtigung des vorgenannten Guthabens nach § 9 Abs. 3 SGB II sind weder vorgetragen noch erkennbar. Insbesondere genügt für die Annahme einer besondere Härte (§ 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II, vgl. hierzu z.B. BSG v. 20.02.2014 - B 14 AS 10/13 R - Rn. 45) nicht der allgemein gehaltene Hinweis auf dessen Verwendung für eine von W. "zukünftigen geplanten Selbständigkeit" (vgl. Schreiben des Bevollmächtigten der Antragstellerin v. 31.03.2020, S. 2).

Der zu berücksichtigende Wert dieses Vermögens (44.643,14 EUR, vgl. Kontoauszug 2019 v. 30.12.2019) würde selbst bei Zurechnung sämtlicher Freibeträge nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 4 SGB II für alle fünf in Betracht kommenden Personen einer Bedarfsgemeinschaft bei W. (zur Zurechnung der Freibeträge innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft bei Unterscheidung zwischen Partnern und minderjährigen Kindern vgl. einerseits z.B. Formann in: jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 12 Rn. 246, 251 und andererseits z.B. Lange in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 12 Rn. 52, 54) immer noch ca. 20.000,- EUR betragen (44.643,14 EUR - 24.600,- EUR [5.850,- EUR + 5.400,- EUR + 3 x 3.100,- EUR + 5 x 750,- EUR]). Damit kann der vorgenannte, angenommene Gesamtbedarf seit Dezember 2019 gedeckt werden, ohne dass es auf bedarfsdeckendes Einkommen und die Berücksichtigung weiteren Vermögens des W. (Lebens- bzw. Rentenversicherung bei der T ... und S ...) ankommt. Tatsachen für einen tatsächlichen Verbrauch des hier allein berücksichtigten Vermögens seit Januar 2020 sind weder vorgetragen noch erkennbar. Ein sog. fiktiver Vermögensverbrauch wird nicht berücksichtigt (vgl nur BSG v. 25.04.2018 - B 14 AS 15/17 R - Rn. 20 f. m.w.N.). Davon abgesehen würde er sich noch nicht auswirken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist ausgeschlossen (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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