S 22 SO 101/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
22
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 22 SO 101/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit wird um die Übernahme der Kosten für eine 24-Stunden- Assistenz in Form eines persönlichen Budgets geführt.

Die 1956 geborene Klägerin ist seit Mai 2009 in der Pflegestufe III eingestuft. Sie erhält Pflegegeld nach Maßgabe dieser Einstufung von der Pflegekasse (Anerkenntnis der DAK vom 3.Juni 2010 im Verfahren S 19 P 56/10). Daneben wurde ein zusätzlicher Betreuungsbetrag anerkannt (Bescheid der DAK vom 5. November 2009), Rechnungen über zusätzliche Betreuungsleistungen hat die Klägerin jedoch bei der Pflegekasse seit 2010 nicht eingereicht (Schreiben der DAK an die Beklagte vom 12. September 2013). Für die Klägerin ist ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G, B und H festgestellt.

Die Klägerin bezieht Einkünfte aus einer Rente wegen Erwerbsminderung (394,11 EUR), aus einer Witwenrente (373,92 EUR) sowie aus einer Witwenpension (63,99 EUR). Nach den Angaben im Antragsformular vom 1. November 2010 lebt die in einer Mietwohnung (A-Straße, in A-Stadt), für die im November 2010 Unterkunftsaufwendungen in Höhe von insgesamt 285 EUR angefallen sind. Ob sie diese Wohnung alleine bewohnt oder ob dort auch der 1962 geborene Herr C., lebt, ist zwischen den Beteiligten strittig. Zu den Mietaufwendungen bewilligte das Landratsamt Wohngeld in Höhe von 38 EUR monatlich (Bescheid vom 22. Juli 2010). Auf die Klägerin ist ein Fahrzeug (Baujahr 1989) zugelassen und versichert (DAV Versicherungsbestätigung Nr. xxxxxxx)

Am 16. Oktober 2010 beantragte die Klägerin Leistungen für eine 24-Stunden-Assistenz als persönliches Budget für die Zeit ab Mai 2009 beim Beklagten. Zum Umfang der beantragten Leistungen führte sie aus, dass sie zwei Vollzeitkräfte und mindestens acht geringfügig beschäftigte Assistenten zu einem Stundenlohn von 15,87 EUR, zuzüglich Nacht-, Sonn-und Feiertagszuschlägen benötige. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2010 benannte die Klägerin 15 Pflegekräfte durch Angabe von Namen und Wohnort, mit deren Hilfe sie ihre Pflege bestreite. Die Bezahlung hätten die Pflegekräfte gestundet.

In der Folge (Schreiben vom 5. Januar 2011und vom 6. April 2011) forderte der Beklagte die Klägerin auf, Nachweise zu den tatsächlichen Aufwendungen für die eingesetzten Assistenzkräfte vorzulegen. Weil die Klägerin Pflegegeld von der Pflegeversicherung beziehe, scheide weiteres Pflegegeld im Rahmen der Hilfe zur Pflege aus. Allerdings könnten die angemessenen Aufwendungen der Pflegepersonen übernommen werden, wenn diese nachgewiesen würden. Darüber hinaus sei es zur Feststellung des Pflegebedarfs auch erforderlich, das MdK - Gutachten aus dem Jahr 2009 sowie weiterer Unterlagen vorzulegen, welche zur Gewährung der Pflegestufe III geführt hatten.

Die Klägerin legte weitere Unterlagen vor, insbesondere eine Bescheinigung über einen häuslichen Pflegeeinsatz des BRK vom 28. Januar 2011 beharrte im Übrigen darauf, dass sie den notwendigen Bedarf für eine 24 Stunden-Assistenz ausreichend nachgewiesen habe.

Der Antrag der Klägerin wurde am 12. Dezember 2010 vom Beklagten abgewiesen. Der Beklagte begründete dies zum einen damit, dass für die Vergangenheit eine Leistungserbringung nicht möglich sei. Für die Zeit ab Antragstellung lehnte der Beklagte die Leistungen ab, weil der Hilfebedarf nicht nachgewiesen sei und außerdem angeforderte Unterlagen nicht vorgelegt wurden.

Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos. Die Regierung von Oberbayern wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2013 als unbegründet zurück. Dagegen richtet sich die vorliegende Klage. Im Klageverfahren hat die Klägerin Aufschreibungen über die Einsatzzeiten der von ihr eingesetzten Pflegekräfte vorgelegt. Einer Aufforderung des Gerichts (Verfügung vom 8. Dezember 2014), die Arbeitsverträge, Beitrags- und Anmeldungsnachweise für die Sozialversicherung ggf. auch bei der Knappschaft oder Lohnsteueranmeldungen zum Finanzamt vorzulegen, ist die Klägerin nicht nachgekommen. Das Gericht hat von sich aus der Klägerin einen Prozesskostenhilfeantrag zugesandt (Verfügung vom 23. September 2013), mit der Bitte, diesen auszufüllen und einen zur Vertretung bereiten Anwalt zu benennen. Auch hierauf hat die Klägerin nicht reagiert.

Das Gericht hat den Bezirk Oberbayern als den für Leistungen der Eingliederungshilfe zuständigen Sozialhilfeträger zum Verfahren beigeladen (Beschluss vom 23. September 2013). Dieser hat mitgeteilt (Schreiben vom 30. Oktober 2013), dass ihm der Leistungsantrag der Klägerin von der Beklagten zugeleitet worden ist und er Eingliederungshilfe im Umfang von 2,5 Stunden täglich erbringen würde, die Klägerin jedoch mitgeteilt habe (Schreiben vom 25. November 2012), dass sie eine isolierte Bewilligung von Eingliederungshilfe ablehne.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 15. Januar 2013 zu verpflichten, die Kostenübernahme für eine 24- Stunden - Assistenz in Form eines persönlichen Budgets zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Klage anzuweisen.

Er hält seine Entscheidung für richtig und verweist zur Begründung auf die Ausführungen der Regierung von Oberbayern im Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2013.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens von Dr. D., zur Frage des Umfangs des Pflegebedarfs. Weil die Klägerin eine Begutachtung in der häuslichen Umgebung abgelehnte, wurde das Gutachten (1. Januar 2015) auf Grundlage der Gerichts- und Verwaltungsakte, sowie der vom Sachverständigen bereits in anderen gerichtlichen Verfahren (S 19 P 56/10 und S 7 SB 88/10) über die Klägerin gewonnenen Erkenntnisse erstattet. Der Gutachter stellte fest, dass die Klägerin an einer schweren Zwangsstörung mit Zwangshandlungen, verbunden mit depressiven Symptomen und Angststörungen, chronischer Müdigkeit und an einem chronischem Schmerzsyndrom leidet. Es bestehe der Verdacht auf eine schwere dissoziative Bewegungsstörungen mit Gehbehinderung und erheblich eingeschränkter Beweglichkeit der oberen Extremitäten. Im Übrigen lägen Bluthochdruck, chronische Magenschleimhautentzündung/Refluxösophagitis, Inkontinenz, COPD mit bronchialer Hyperreagibilität und psychisch ausgelösten Erstickungsanfällen sowie ein Restless-Leg-Syndrom vor. Der grundpflegerische Hilfebedarf entspreche der Pflegestufe III. Abgesehen vom Anlegen und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe, Hilfe beim Herrichten und Eingeben der Medikamente sowie beim Blutdruckmessen seien keine speziellen verrichtungsbezogenen Pflegemaßnahmen erforderlich. Der Hilfebedarf der Klägerin, für "andere Verrichtungen" im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 2 Alt 3 SGB XII belaufe sich auf 122 Minuten täglich. Ein Bedarf für Eingliederungshilfeleistungen bestehe im Umfang von 2 Stunden und 39 Minuten täglich. Die Notwendigkeit für eine Pflegebereitschaft rund um die Uhr sei nicht gegeben. Die Klägerin könne vielmehr einige Stunden am Tage alleingelassen werden. Im Ergebnis sei im Falle der Klägerin primär die Ausschöpfung einer zumutbaren psychotherapeutischen Behandlung indiziert. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweiserhebung wird auf das Gutachten Bezug genommen.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen. Zu Ergänzung des Tatbestandes wird hierauf sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht durfte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beteiligten haben hierzu ihr Einverständnis gegeben.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat für die Zeit seit Mai 2009 bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts keinen Anspruch auf Leistungen für eine 24 Stundenassistenz im Rahmen eines persönlichen Budgets.

1. Anspruchszeitraum für die Zeit von Mai 2009 bis Oktober 2010:

a) Eine Leistungsgewährung für die Zeit vor Antragstellung (16. Oktober 201 bzw. Eingang beim Beklagten am 26. Oktober 2010) scheitert bereits an § 18 SGB XII. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen der Sozialhilfe gewährt, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für eine Leistung vorliegen. Kenntnis i.S.v. § 18 Abs. 1 SGB XII setzt die positive Kenntnis aller Tatsachen voraus, die den Leistungsträger in die Lage versetzen, die Leistung zu erbringen (Coseriu in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl., § 18, Rn. 12). Auf welche Weise und vom wem er Kenntnis erhält, ist unerheblich. Es ist auch nicht erforderlich, dass die Behörde bereits Kenntnis von der konkreten Höhe oder vom genauen Umfang der Leistung hat (BSG, Urteil vom 02.02.2012, Az.: B 8 SO 5/10 R). Für das Einsetzen der Sozialhilfe genügt es, wenn die Behörde Kenntnis vom Bedarfsfall als solchem hat, d.h. ihr der Bedarf und auch die Hilfebedürftigkeit bekannt werden (BSG, Urteil vom 10.11.2011, Az.: B 8 SO 18/10 R). Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte erstmals durch den Antrag der Klägerin vom 16. Oktober 2010 Kenntnis vom möglichen Sozialhilfebedarf der Klägerin erhalten. Ein Ersatz von Aufwendungen bzw. Leistungen für einen vorangegangenen Zeitraum scheidet daher ohne weiteres aus.

b) Darüber hinaus scheidet eine rückwirkende Bewilligung von Leistungen als Persönliches Budget, unabhängig von § 18 SGB XII, auch aus Gründen aus, die in der Besonderheit dieser Leistungsform liegen. Ein Persönliches Budget wird auf der Basis des individuell festgestellten Bedarfs im Rahmen einer Zielvereinbarung gewährt § 17 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) i.V.m. § 4 Budgetverordnung (BudgetVO). Diese Zielvereinbarung enthält Regelungen hinsichtlich der individuellen Förder- und Leistungsziele, die erforderlichen Nachweise für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs sowie für die Qualitätssicherung. Für die Bewilligung des Persönlichen Budgets setzt § 3 Abs. 5 BudgetVO zwingend den Abschluss der Zielvereinbarung im Sinne des § 4 BudgetV voraus. Ausdrücklich heißt es dort (§ 3 Abs. 5 Satz 1 BudgetV), dass der zuständige Träger den Bewilligungsbescheid erst erlässt, wenn eine Zielvereinbarung im Sinne von § 4 BudgetV abgeschlossen ist. Allein in der Zielvereinbarung kann der individuelle Bedarf festgestellt und klar definiert werden. Die Zielvereinbarung ist damit wesentlicher Bestandteil der Bewilligung eines Persönlichen Budgets (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. Mai 2013 - L 18 SO 74/12). Eine Zielvereinbarung kann ihrer Funktion nach nicht rückwirkend nachgeholt werden, so dass auch aus diesem Grund kein Anspruch auf Leistungen für die Vergangenheit besteht.

2. Anspruchszeitraum für die Zeit nach Antragstellung:

Auch für die Zeit ab Antragstellung (16. Oktober 2010) bis zur Entscheidung des Gerichts hat die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege, weder im Rahmen eines Persönlichen Budgets (nachfolgend a) noch als isolierte Leistungen der Hilfe zur Pflege (nachfolgend b) nachgewiesen.

a) Leistungen für eine 24- Stundenbetreuung scheiden ohne weiteres aus, weil kein Bedarf in diesem Umfang besteht. Dies steht fest aufgrund des Gutachtens vom 1. Januar 2015 des gerichtlichen Sachverständigen Dr. D. Nach dessen überzeugenden Ausführungen leidet die Klägerin nicht Erkrankungen oder Entwicklungen, die eine ständige Beaufsichtigung erfordern. Sie kann Notrufsignale absetzten oder sich sonst bemerkbar machen (Seite 28 des Gutachtens). Insgesamt kann die Klägerin einige Stunden am Tag alleine gelassen werden (Seite 34 des Gutachtens). Damit ist die Notwendigkeit einer 24 - Stundenpflege nicht dargetan.

b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Leistungen in der Form eines Persönlichen Budgets, in einem geringeren Umfang als 24 Stunden. Der Beklagte durfte vielmehr das Budgetverfahren abbrechen und den Antrag der Klägerin ablehnen.

aa) Die Klägerin hat die von ihr begehrten Leistungen in Form der Gewährung als persönliches Budget beantragt. Gerade diese Leistungsform scheint ihr so wichtig zu sein, dass sie (vgl. Schreiben der DAK an die Beklagte vom 12. September 2013) keine Leistungen nach § 45 b Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und auch keine (isolierten) Leistungen der Eingliederungshilfe in Anspruch genommen hat. In beiden Fällen ist der Einsatz der bewilligten Geldmittel ausdrücklich durch das Gesetz (§ 45b Abs. 1 Satz 6 SGB XI) bzw durch das Bewilligungsverfahren von vorneherein zweckgebunden. Demgegenüber wird das Pflegegeld (§ 37 SGB XI) unabhängig davon gewährt wird, ob und in welcher Höhe dem Pflegebedürftigen tatsächlich Aufwendungen für die Sicherstellung der Pflege entstanden sind. Einziges Korrektiv sind hier die regelmäßigen Beratungseinsätze (§ 37 Abs. 3 SGB XI) durch die die Qualität der Pflege sichergestellt werden soll. Das Gericht hat daher den Eindruck, dass die Klägerin wegen dieser weitgehenden Verfügungsfreiheit beim Pflegegeld in Bezug auf die Hilfe zur Pflege im Rahmen eines Persönlichen Budgets eine unzutreffende Vorstellung entwickelt hat und daher davon ausgeht, dass auch diese Leistungen quasi zur freien Verwendung stehen. Die Budgetleistung wäre aber im Fall der Klägerin jedenfalls hinsichtlich erforderlicher Teilbudgets aus Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe und Leistungen der Behandlungspflege keine Pauschale. Sie wäre vielmehr strikt durch den festzustellenden Bedarf der Teilleistungen limitiert. Das Persönliche Budget stellt es dem Budgetnehmer auch nicht frei, die Geldleistung nach Gutdünken zu verwenden. Tatsächlich muss die Nachweisführung für die Verwendung der Zahlung für die budgetfähigen Bedarfe zwischen dem Leistungsberechtigten und der budgetverantwortlichen Stelle in der Zielvereinbarung ausdrücklich geregelt und im Weiteren vom Budgetnehmer auch eingehalten werden (§ 4 Satz 2 Nr 2 BudgetVO).

bb) Dies vorausgeschickt ist folgenden festzustellen:

(1) Die im Falle der Klägerin in Frage kommenden Leistungen sind dem Grunde nach budgetfähig. Für Leistungen der Eingliederungshilfe ist dies in § 57 SGB XII geregelt. § 61 Abs. 2 Satz 3 SGB XII bestimmt, dass auch Leistungen der Hilfe zur Pflege als Teil eines trägerübergreifenden Budgets erbracht werden können. § 2 Abs. 2 SGB V erklärt dasselbe für die die Leistungen der Krankenversicherung und § 35a SGB XI ermöglicht es der Pflegekasse, das Pflegegeld (§ 37 SGB XI) in ein Persönliches Budget einzubringen. Alle im Streitfall denkbaren Sozialleistungen wären daher grundsätzlich budgetfähig.

(2) Die Leistungserbringung im Rahmen eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets erfolgt allerdings nur unter bestimmten formalen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen bzw. Rahmenbedingungen, die hier nicht erfüllt sind (vgl. § 17 Abs. 2 und Abs. 4 SGB IX und § 4 Budgetverordnung). Das Persönliche Budget wird auf der Grundlage der nach § 10 Abs. 1 SGB IX getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann (§ 17 Abs. 3 Satz 3 SGB IX). Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten (§17 Abs. 3 Satz 4 SGB IX). Diese Feststellungen sind von der Klägerin gegenüber dem Beklagten nicht ermöglicht worden. Der Beklagte war mit den von der Klägerin vorgelegten Nachweisen schon nicht im Stande festzustellen, ob bzw. in welchem Umfang hier tatsächlich Leistungen durch Pflegekräfte erbracht werden und hierdurch Kosten entstehen, die nach § 17 Abs. 3 Satz 3 SGB IX wenigstens dem Grundsatz nach für eine Berücksichtigung im Rahmen eines Persönlichen Budgets in Frage kommen. Die Klägerin hat insbesondere keine hinreichenden Nachweise zur Beurteilung der Rechtsverhältnisse der von ihr eingesetzten Assistenten erbracht. Außer Stundenlisten wurden keine Arbeitsverträge oder sonstigen Vereinbarung mit den Assistenten eingereicht. Mit den vorgelegten Unterlagen war es nicht einmal möglich zu entscheiden, ob die von Klägerin eingesetzten Assistenten sog. "Pflegepersonen" nach § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind, für die nur ein angemessener Aufwendungsersatz bzw. Beihilfen (§ 65 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB XII) in Frage kommen, oder ob es sich um "besondere Pflegekräfte" i.S.v. § 65 Abs. 1 S. 2 SGB XII handelt.

(3) Im Bereich des Persönlichen Budgets hat sich die Stellung des Leistungsberechtigten gegenüber einem herkömmlichen Verwaltungsverfahren verändert. Er wird weniger als Adressat hoheitlicher Verfügungen, sondern als "Kunde" bzw. Partner einer sozialen Dienstleistung angesehen, der als "Koproduzent" bei der Entstehung des "Verfahrensproduktes" mitwirken soll (vgl. Pitschas in FS 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, S. 765, 767 ff). Durch seine Handlungsbeiträge und seine persönliche Mitwirkung soll der Bürger als Partner der Verwaltung im "aktivierenden Sozialstaat" fungieren. Unterbleibt aber sein Handlungsbeitrag, ist die Verwaltung nicht gehalten, das weitere Verfahren fortzusetzen, insbesondere weitere Träger von Budgetanteilen einzubeziehen sondern darf die Leistung als Budget bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen ablehnen.

c) Auch als isolierte Leistung der Hilfe zur Pflege besteht kein Anspruch gegen den Beklagten für die Zeit nach Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts.

aa) Unstreitig ist die Klägerin pflegebedürftig im Sinne von § 61 SGB XII. Sie bedarf für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer in erheblichem Maße der Hilfe. Dies ist im Hinblick auf die wiederkehrenden Verrichtungen nach § 61 Abs. 1, Abs. 5 SGB XII bzw. § 14 Abs. 4 SGB XI durch die bindenden (§ 62 SGB XII) Feststellungen der Pflegekasse und auch durch das Gutachten des Dr. D. (1. Januar 2015) geklärt.

bb) Welche Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII im Einzelfall zu gewähren sind und in welchen Umfang dies zu geschehen hat sowie das Verhältnis dieser Leistungen zu den Leistungen anderer Träger ist in den §§ 61 ff. SGB XII näher geregelt. Die Hilfe zur Pflege umfasst u.a. und insbesondere die häusliche Pflege, deren Einzelheiten in den §§ 64 bis 66 SGB XII geregelt sind. Nach Maßgabe dieser Vorschriften ergibt sich hieraus im oben bezeichneten Streitzeitraum jedoch kein Anspruch der Klägerin. Dies folgt aus § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB XII.

(1) Danach werden Leistungen nach § 65 Abs. 1 SGB XII insoweit nicht erbracht, als Pflegebedürftige in der Lage sind, zweckentsprechende Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften in Anspruch zu nehmen. Dies ist eine Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes der Subsidiarität der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Vorrang vor den Leistungen nach § 65 Abs. 1 SGB XII haben insbesondere die Pflegesachleistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung (§ 36 SGB XI). Diese dienen demselben Zweck wie die Leistungen nach § 65 Abs. 1 SGB XII, sind also "zweckentsprechend" im Sinne von § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB XII.

(2) Eine Ausnahme von diesem Nachrang der Sozialhilfe besteht nur, wenn der Pflegebedürftige seine Pflege durch "von ihm beschäftigte besondere Pflegekräfte", also im sogenannten Arbeitgebermodell, sicherstellt (§ 66 Abs. 4 S. 2 SGB XII). In diesem Fall kann der Pflegebedürftige nicht auf die Inanspruchnahme von Sachleistungen der Pflegeversicherung verwiesen werden. Dieser Ausnahmefall greift vorliegend jedoch nicht ein, da die Klägerin die sie pflegenden Personen jedenfalls nicht als Arbeitgeberin beschäftigt hat. Die Klägerin hat, trotz ausdrücklicher Aufforderung durch das Gericht, keine Arbeitsverträge vorgelegt, in denen die für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Regelungen über Entlohnung, Urlaubsansprüche etc. geregelt sind. Vor allem wurden auch keine Anmeldungen zur Sozialversicherung bzw. bei der Minijob-Zentrale oder beim Finanzamt nachgewiesen. Zu diesen Anmeldungen wäre sie als Arbeitgeberin verpflichtet gewesen, hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge auch unabhängig von eventuellen Gehaltsstundungen. Beschäftigungsverhältnisse zu den eingesetzten Assistenten lassen sich daher bei dieser Nachweiselage nicht feststellen.

(3) Damit verbleibt es bei dem Vorrang der Pflegesachleistungen nach dem SGB XI. Nur sofern der Bedarf der Klägerin durch Sachleistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckt hätte werden können, wäre überhaupt noch ein Anspruch auf ergänzende Leistungen der Hilfe zur Pflege denkbar. Dagegen spricht aber bereits, dass in den periodischen Pflegeeinsätzen nach § 37 Abs. 3 SGB XI jeweils die Sicherstellung der Pflege bescheinigt worden ist. Zudem würde dieser Anspruch voraussetzen, dass zunächst die Sachleistungen der Pflegeversicherung voll ausgeschöpft werden (vgl. Meßling, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 66 SGB XII Rn. 41), da nur so der Nachrang der Sozialhilfe umfassend sichergestellt werden kann. Bis zur Entscheidung des Gerichts hat die Klägerin aber überhaupt keine Sachleistungen der Pflegeversicherung bezogen. Vielmehr hat sie von der Pflegekasse durchgängig nur Pflegegeld in Anspruch genommen. Fiktiv aufstockende Leistungen sind daher in diesem Fall nicht zu errechnen und zu gewähren (vgl. hierzu Meßling a.a.O. § 66 SGB XII, Rn. 41.1). Im Ergebnis besteht daher gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf isolierte Leistungen der Hilfe zur Pflege.

3. Es besteht schließlich für das Gericht auch kein Anlass, den Beigeladenen zu isolierten Leistungen der Eingliederungshilfe zu verurteilen. Der Beklagte hat der Klägerin entsprechende Leistungen bereits angeboten, was die Klägerin dann jedoch abgelehnt hat.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

5. Gegen dieses Urteil besteht die Möglichkeit der Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht nach Maßgabe der unten aufgeführten Rechtsbehelfsbelehrung.
Rechtskraft
Aus
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