L 8 AL 3052/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 3727/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3052/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Anspruch auf Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von bis zu 6 Wochen entsteht auch dann, wenn der Arbeitslose zu einem Zeitpunkt erkrankt, zu dem er sich mit Zustimmung der Agentur für Arbeit außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhält. Die Leistungsfortzahlung ist in diesem Fall auch nicht auf den Zeitraum der ursprünglich genehmigten Ortsabwesenheit beschränkt.
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.03.2018 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

Tatbestand:

Der Kläger wehrt sich gegen die Aufhebung von bewilligtem Arbeitslosengeld wegen einer Erkrankung während einer genehmigten Ortsabwesenheit in Polen.

Nachdem das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund Befristung zum 15.04.2017 hin endete, beantragte der Kläger bereits am 26.01.2017 mit Wirkung zum 16.04.2017 Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 08.03.2017 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 23.04.2017 für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen und mit einem täglichen Leistungsbetrag von 45,23 EUR. Für den Zeitraum vom 16.04.2017 bis 22.04.2017 wurde ein Anspruch verneint, weil das Arbeitslosengeld aufgrund einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitssuchendmeldung ruhe.

Die Beklagte genehmigte auf Antrag des Klägers diesem am 26.07.2017 fernmündlich eine Ortsabwesenheit für die Zeit vom 11.08.2017 bis 31.08.2017 und übermittelte ihm eine Einladung im Sinne des § 309 SGB III für Montag, den 04.09.2017. Der Kläger teilte per E-Mail vom 03.09.2017, die von der Beklagten am selben Tag empfangen und am 22.09.2017 an die zuständige Sachbearbeiterin weitergeleitet wurde, mit, dass er den Termin wegen Krankheit nicht wahrnehmen könne. Am 11.09.2017 sprach ein Bekannter des Klägers bei der Beklagten vor und teilte mit, dass dieser einen Unfall in Polen gehabt habe, er arbeitsunfähig bis zum 15.09.2017 sei und bis dahin in Polen verbleiben werde.

Mit Bescheid vom 13.09.2017 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 01.09.2017 auf, weil die Verfügbarkeit entfallen sei. Der Kläger legte hiergegen am 11.10.2017 Widerspruch ein, den er damit begründete, er sei am 29.08.2017 im Rahmen seiner genehmigten Ortsabwesenheit in Polen bei einer Bergwanderung gestürzt und habe sich Arm und Bein seiner rechten Körperseite verletzt. Auch sein Handy sei zu Bruch gegangen. Am nächsten Tag habe man ihn zu einer privaten Reha-Praxis zur Erstversorgung gebracht. Die Behandlung dort habe bis 03.09.2017 gedauert. Ab diesem Zeitpunkt sei er wieder transportfähig gewesen und zu seinem Wohnsitz in Polen verbracht worden. Ab Montag den 04.09.2017 habe er bei einer Hausarztpraxis in Polen weitere Behandlung bis 30.09.2017 erfahren und sei, nachdem sich eine Verbesserung eingestellt habe, am Sonntag, den 01.10.2017, nach Deutschland zurückgereist, worauf er sofort am darauffolgenden Montag bei der Beklagten vorstellig geworden sei. Leider sei bei dem Unfall sein Mobiltelefon kaputtgegangen und auch die Nummer der Arbeitsagentur sei aus Polen nicht erreichbar gewesen. Auch E-Mail habe nicht funktioniert, weshalb er seinen Bekannten in K. angerufen und diesen gebeten habe die Agentur für Arbeit zu informieren, was dieser auch getan habe. Mit dem Widerspruchsschreiben legte der Kläger Unterlagen über die medizinische Versorgung in Polen, im Einzelnen eine Bescheinigung des Physiotherapeuten, Spezialisten für Sportrehabilitation und Chiropraktikers U. vom 06.10.2017 über die dort durchgeführten medizinischen Leistungen, sowie Arztbriefe des Facharztes für Anästhesiologie und Intensivtherapie S. vom 04.09.2017 mit der Diagnose einer Entzündung des oberen Gelenkkopfes und einer bis zum 15.09.2017 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit sowie der Fachärztin für Familienmedizin M. vom 15.09.2017 mit der Diagnose einer Erkrankung von Weichteilgewebe infolge von Beanspruchung, Überlastung und Druckstellen und einer bis zum 30.09.2016 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit (in einer späteren Berichtigung der Ärztin M. auf 30.09.2017 korrigiert) vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 02.11.2017 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und sich zu deren Begründung auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren gestützt. Ergänzend hat er darauf hingewiesen, dass er sich bei der Beklagten bereits am 03.09.2017 per E-Mail gemeldet und keine Antwort hierauf erhalten habe.

Der Kläger hat sich bei der Beklagten auch für die folgende Zeit bis einschließlich 15.11.2017 arbeitsunfähig gemeldet. Zum 16.11.2017 hat er eine selbständige Tätigkeit aufgenommen und sich aus dem Leistungsbezug abgemeldet.

Das SG hat die den Kläger in Deutschland behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Dr. Ma., hat in seinem Arztbrief vom 16.10.2017 aufgrund der einmaligen Vorstellung des Klägers am selben Tag einen Zustand nach supracondylärer Humerusfraktur rechts und eine aktivierte Ellengelenksarthrose rechts diagnostiziert. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Sm. hat in seiner Stellungnahme vom 14.01.2018 über die Behandlung des Klägers infolge des Sturzes im Urlaub im September 2017 berichtet und unter anderem sein Schreiben vom 13.10.2017 an die Beklagte vorgelegt, in welchem er dargelegt hat, dass er zunächst ohne Berücksichtigung der polnischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine Erst- Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem 02.10.2017 ausgestellt habe und nunmehr dies korrigiert und eine Folgebescheinigung bereits ab dem 16.09.2017 ausgestellt habe. Er hat dem Kläger Arbeitsunfähigkeit bis zum 15.11.2017 bescheinigt.

Das SG hat mit Urteil vom 26.03.2018 die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben, soweit diese darin die Bewilligung von Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 01.09.2017 bis 09.10.2017 aufgehoben hat, und hat im Übrigen die Klage abgewiesen. Anspruch auf Arbeitslosengeld habe grundsätzlich nur, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehe. Von diesem Erfordernis sei aber der Arbeitslose im Falle einer Erkrankung vorübergehend befreit. Wer während des Bezugs von Arbeitslosengeld infolge Krankheit unverschuldet arbeitsunfähig werde, behalte für die Dauer von 6 Wochen seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 146 Abs. 1 S. 1 SGB III). Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitslose zu einem Zeitpunkt erkranke, indem er sich mit Zustimmung der Agentur für Arbeit außerhalb des so genannten zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalte. Auch in einer solchen Konstellation dauere die Leistungsfortzahlung 6 Wochen und sei nicht auf die Zeit der ursprünglich genehmigten Ortsabwesenheit beschränkt. Denn bei Arbeitsunfähigkeit bestehe keine so genannte Residenzpflicht, so bereits das BSG in seinem Urteil vom 25.07.1985 (7 RAr 74/84, in juris). Gemessen hieran habe der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld über den 31.08.2017 hinaus fortbestanden, obwohl der Kläger sich weiterhin in Polen aufgehalten und die Beklagte seiner Ortsabwesenheit nur bis zum 31.08.2017 zugestimmt habe. Nach Überzeugung der Kammer sei er ab dem 29.08.2017 bis zur Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit am 16.11.2017 durchgehend arbeitsunfähig gewesen. Dies stehe aufgrund der Berichte der Praxis U., der polnischen Ärzte, des Orthopäden Dr. Ma. und des Allgemeinmediziners Sm. und deren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu Überzeugung der Kammer fest. Nicht zu beanstanden sei dagegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 10.10.2017. Denn ausgehend von einem Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 29.08.2017 habe mit Ablauf des 09.10.2017 die 6-wöchige Leistungsfortzahlung geendet.

Gegen das der Beklagten am 04.04.2018 und dem Kläger am 09.04.2018 zugestellte Urteil hat erstere am 17.04.2018 und letzterer am 09.05.2018 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Der Kläger hat vorgetragen, auch die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 10.10.2017 sei rechtswidrig, weil der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit, für die der Anspruch auf Krankengeld zuerkannt sei, gemäß § 146 Abs. 1 Nr. 2 SGB III ruhe und die Beklagte somit die Bewilligung von Arbeitslosengeld auch für diesen Zeitraum nicht aufheben könne.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.03.2018 abzuändern und den Bescheid vom 13.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2017 insgesamt aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.03.2018 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, durch die Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall solle kein eigenständiger Anspruch auf Arbeitslosengeld konstituiert werden, sondern der Arbeitslose lediglich so gestellt werden, als ob er nicht arbeitsunfähig wäre. Es sei deshalb zu prüfen, ob ein Anspruch auf Arbeitslosengeld auch ohne die Erkrankung, also auch bei einem gesunden Arbeitslosen, bestehen würde. Im Falle einer genehmigten Ortsabwesenheit bestehe ein Leistungsanspruch aber nur für deren Dauer. Die Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall müsse dementsprechend zwangsläufig mit der genehmigten Ortsabwesenheit enden. Durch die Auslegung durch das SG in der angefochtenen Entscheidung werde dagegen eine eigenständige Anspruchsgrundlage für Zeiten, für die ein Anspruch gerade nicht bestehe, geschaffen. Dies gehe über die in § 146 SGB III aufgestellte Fiktion hinaus. Die Beklagte sehe sich in ihrer Rechtsauffassung auch durch die besonderen Regelungen des SGB V bei Auslandserkrankungen bestätigt. Nur solange sich der Versicherte nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit Zustimmung der Krankenkasse im Ausland aufhalte, würde kein Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld eintreten. Diese Ruhensvorschrift solle während eines Auslandsaufenthalts Leistungen ausschließen, die entweder im Ausland nicht erbracht werden könnten (Sachleistung) oder bei denen sich die Anspruchsvoraussetzungen bei einem Auslandsaufenthalt nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen und prüfen lassen würden (Krankengeld). Die vom SG zitierte Rechtsprechung des BSG sei noch zu § 105b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ergangen. Zwar sei nach der Begründung zum Gesetzentwurf § 105b AFG im Wesentlichen in § 126 SGB III übernommen worden. Gleichwohl habe das SGB III bezüglich des Begriffs der Arbeitslosigkeit eine neue inhaltliche Ausrichtung erfahren und den Begriff der Verfügbarkeit in den Begriff der Arbeitslosigkeit integriert. Der Gesetzgeber habe damit die arbeitsförderungsrechtlichen Grundsätze weiterentwickelt und verdeutlicht, dass die Leistungen der Beklagten in erster Linie die Risiken des Arbeitsmarktes abzudecken hätten. Dies verbiete nach Auffassung der Beklagten eine Auslegung im Sinne der erstinstanzlichen Entscheidung. Im Übrigen sei die für den Kläger zuständige Krankenkasse, die AOK Baden-Württemberg, zum Rechtsstreit notwendig beizuladen.

Mit Beschluss vom 30.11.2018 ist auf Antrag der Beteiligten im Hinblick auf die beim BSG unter dem Aktenzeichen B 11 AL 52/18 B (in juris) anhängige Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 20.07.2018 (L 12 AL 1928/17, nicht veröffentlicht) das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden. Nachdem die Nichtzulassungsbeschwerde vom BSG mit Beschluss vom 15.11.2018 (a.a.O.) als unzulässig verworfen worden ist, ist das hier gegenständliche Verfahren unter dem Aktenzeichen L 8 AL 3052/19 weitergeführt worden.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 17.03.2020 und der Kläger mit Schriftsatz vom 24.03.2020 jeweils das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Prozessakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Beteiligten sind gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft, da der jeweilige Beschwerdegegenstand (Beklagter: 39 Tage nach dem Urteil des SG noch zu zahlendes Arbeitslosengeld x 45,23 EUR täglicher Leistungsbetrag = 1.763,97 EUR; Kläger: 37 Tage, für die dieser Arbeitslosengeld geltend macht, aber nach dem Urteil des SG nicht erhält x 45,23 EUR = 1.673,51 EUR) 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Die auch im Übrigen zulässigen, insbesondere nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerechten Berufungen, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet, sind aber unbegründet.

Streitgegenständlich ist vorliegend der Bescheid vom 13.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2017, mit welchem die Beklagte das dem Kläger bewilligte Arbeitslosengeld ab dem 01.09.2017 aufgehoben hat. Zu Recht hat das SG auf die vom Kläger erhobene, statthafte Anfechtungsklage hin die streitgegenständlichen Bescheide insoweit aufgehoben, als Arbeitslosengeld auch für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis 09.10.2017 aufgehoben worden ist und hat die Klage darüber hinaus abgewiesen.

Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld zum 01.09.2017 ist § 48 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Zwar handelt es sich bei dem Bewilligungsbescheid vom 08.03.2017 um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist aber erst mit Ablauf der 6-wöchigen Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit zum 10.10.2017 eingetreten. Denn dem Kläger stand Arbeitslosengeld auch für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis 09.10.2017 zu.

Gemäß § 137 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer 1. arbeitslos ist, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Diese Voraussetzungen haben beim Kläger auch im Zeitraum vom 01.09.2017 bis 09.10.2017 vorgelegen. Der Kläger hat sich am 26.01.2017 mit Wirkung zum 16.04.2017 persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (§ 137 Abs. 1 Nr. 2, § 141 Abs. 1 SGB III). Eine Unterbrechung im Sinne des § 141 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB III mit der Folge, dass die Wirkung der Meldung erloschen wäre, ist im hier interessierenden Zeitraum nicht eingetreten. Der Kläger hat aufgrund seines vom 16.04.2015 bis zum 15.04.2017 andauernden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses als Hausmeister bei der Z. gGmbH innerhalb der Rahmenfrist des § 143 Abs. 1 SGB III (hier: 16.04.2015 bis 15.04.2017) mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und damit auch die Anwartschaftszeit gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 3, 142 S. 1 SGB III erfüllt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Der Kläger war aber auch bis einschließlich 09.10.2017 arbeitslos im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Denn er stand nicht in einem Beschäftigungsverhältnis (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), bemühte sich die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen, § 138 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) und stand darüber hinaus den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung (Verfügbarkeit, § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III).

Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht nach § 138 Abs. 5 SGB III zur Verfügung, wer 1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, 2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, 3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nr. 1 anzunehmen und auszuüben, und 4. bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. Während die Voraussetzungen nach 3. und 4. beim Kläger unstreitig vorlagen, war er zwar im Anschluss an seine genehmigte Ortsabwesenheit in Polen (11.08.2017 bis einschließlich 31.08.2017) aufgrund seiner beim Sturz bei einer Bergwanderung zugezogenen Verletzungen nicht mehr im Sinne des § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III objektiv verfügbar und aufgrund der bis 01.10.2017 in Polen (und anschließend an seinem Heimatort in Deutschland) durchgeführten Heilbehandlung auch nicht im Sinne des § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III erreichbar.

Dies war indes gemäß § 146 Abs. 1 S. 1 SGB III für die Dauer von 6 Wochen und damit bis einschließlich 09.10.2017 für seinen Leistungsanspruch unschädlich. Danach verliert, wer während des Bezugs von Arbeitslosengeld infolge Krankheit unverschuldet arbeitsunfähig oder während des Bezugs von Arbeitslosengeld auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt wird, dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung mit einer Dauer von bis zu 6 Wochen (Leistungsfortzahlung). Der Zweck der Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit besteht dabei weder in einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des erkrankten Arbeitslosen noch in einer Entlastung der für die Zahlung des Krankengeldes zuständigen Krankenkasse, sondern darin, Leistungsberechtigten wie Leistungsverpflichteten bei kurzfristigen Erkrankungen die "Unzuträglichkeit" zu ersparen, dass an Stelle der Beklagten eine Krankenkasse Krankengeld in der gleichen Höhe wie die bisher gewährte Leistung wegen Arbeitslosigkeit zu zahlen hat (BSG, Urteil vom 07.02.2002 – B 7 AL 28/01 R –, in juris).

Entgegen der Auffassung der Beklagten findet § 146 SGB III vorliegend Anwendung. So hat bereits das BSG in dem vom SG zitierten Urteil vom 25.07.1985 (a.a.O.) zu der Vorgängernorm des § 146 Abs. 1 S. 1 SGB III entschieden, dass bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit während eines genehmigten Auslandsaufenthalts der Anspruch auf Leistungsfortzahlung im Krankheitsfalle nicht mit Ablauf der ursprünglich genehmigten Ortsabwesenheit endet, sondern vielmehr ein Anspruch auf Leistungsfortzahlung für die volle Dauer von 6 Wochen der Arbeitsunfähigkeit besteht. Im Anschluss an diese Entscheidung findet nach wohl einhelliger Auffassung in Rechtsprechung (so LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.06.2005 – L 8 AL 217/04 –, in juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.07.2018 – L 12 AL 1928/17 –, nicht veröffentlicht) und Literatur (Aubel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. (Stand: 15.01.2019), § 146 Rn. 45; Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB, 10/19, § 146 SGB III Rn. 32; Jakob in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 6. Aufl. 2017, § 146 Rn. 4; Winkler in: Gagel, SGB II / SGB III, Werk¬stand: 76. EL März 2020, § 146 SGB III Rn. 33; Böttiger in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, 3. Aufl. 2019, § 146 Rn. 3) § 146 Abs. 1 S. 1 SGB III auch dann Anwendung, wenn der Arbeitslose zu einem Zeitpunkt erkrankt, in welchem er sich mit Zustimmung der Agentur für Arbeit außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhält. Die Leistungsfortzahlung ist in einem solchen Fall nicht auf die Zeit der ursprünglich genehmigten Ortsabwesenheit beschränkt. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten findet weder im Gesetzeswortlaut und -systematik noch in der Ratio der Vorschrift eine Stütze.

Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass die Vorschrift nicht etwa einen eigenständigen Anspruch auf Arbeitslosengeld konstituiert, sondern, wie die Formulierung " ... verliert dadurch nicht " deutlich macht, einen kausalen Zusammenhang zwischen der Arbeitsunfähigkeit und dem Entfall von Anspruchsvoraussetzungen fordert. Von der unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit oder der stationären Behandlung auf Kosten der Krankenkasse abgesehen, müssen deshalb für eine Leistungsfortzahlung nach § 146 Abs. 1 S. 1 SGB III alle Voraussetzungen für die Zahlung von Arbeitslosengeld fortbestehen. Insoweit sind indes nur die von der Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen unabhängigen Voraussetzungen gemeint, namentlich die Arbeitsbereitschaft (subjektive Verfügbarkeit) im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 3 SGB III im Rahmen des gesundheitlichen Leistungsvermögens (Aubel, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Demgegenüber entfallen in den von § 146 Abs. 1 SGB III erfassten Fällen ¬– nicht zuletzt wegen des maßgeblichen Arbeitsunfähigkeitsbegriffs (so bereits BSG, a.a.O.) – zwangsläufig die objektive Verfügbarkeit in Bezug auf das Arbeitenkönnen (§ 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 SGB III) und die Fähigkeit, die nach § 138 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB III geforderten Eigenbemühungen vorzunehmen. Aufgrund dessen muss der arbeitsunfähige Arbeitslose aber auch nicht mehr im Sinne von § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III erreichbar sein, so dass ein Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs während der Arbeitsunfähigkeit der Leistungsfortzahlung nach § 146 Abs. 1 SGB III auch nicht entgegenstehen kann.

Diese entscheidenden Gesichtspunkte hat bereits das BSG in sein Urteil vom 25.07.1985 (a.a.O.) zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift in § 105b Abs. 1 S. 1 AFG in der Fassung vom 20.12.1991 herausgearbeitet und hierauf gestützt entschieden, dass, wenn ein Arbeitsloser während eines berechtigten Aufenthalts außerhalb des Nahbereichs des damaligen Arbeitsamtes infolge Krankheit arbeitsunfähig wird und sich weiterhin während seiner Erkrankung dort über den genehmigten Zeitraum der Ortsabwesenheit hinaus aufhält, dies dem Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 105b AFG nicht entgegensteht. Das BSG hat hierzu wörtlich ausgeführt (a.a.O.):

"Wenn § 105b AFG bestimmt, Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit führe während des Bezugs von Alg nicht zum Verlust der Leistung bis zu der dort vorgesehenen Dauer, so bedeutet dies nicht, wie das LSG meint, die Vorschrift fingiere die Verfügbarkeit. Vielmehr geht sie davon aus, daß ein Anspruch auf Alg trotz fehlender Verfügbarkeit besteht (so auch Hennig/Kühl/Heuer, AFG, § 103 Erl 2a). Zwar schließt eine Arbeitsunfähigkeit nicht schon begriffsnotwendig die Verfügbarkeit aus. Verfügbarkeit besteht zB dann, wenn der arbeitsunfähige Versicherte eine seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechende Beschäftigung sucht. Eine einmal eingetretene Arbeitsunfähigkeit endet weder dadurch, daß der Versicherte in der Lage ist, einer anderen Erwerbstätigkeit nachzugehen, noch dann, wenn er zur Aufnahme einer anderen Beschäftigung bereit ist, solange die Arbeitsvermittlung zu keinem Erfolg geführt hat (BSG SozR 4100 § 158 Nr 6). Im Hinblick darauf, daß der § 105b AFG an den Bezug von Alg bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit anknüpft, ist jedoch bei der Beurteilung der Frage, ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt, nicht die zuletzt ausgeübte Tätigkeit zugrunde zu legen, sondern der Tätigkeitsbereich, der für eine Vermittlung des Arbeitslosen in Betracht kommt (so auch Hennig/Kühl/Heuer aaO; Nr 3.3. des Rundschreibens der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Bundesanstalt für Arbeit vom 20. November 1980, abgedruckt bei Schmitz/Specke/Picard, AFG, 2. Aufl, Stand: 1. April 1981, Übergangsverlautbarungen S 163). Dies bedeutet aber, daß fehlende Verfügbarkeit und Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 105b AFG identisch sind. Diese Bestimmung geht davon aus, daß der arbeitsunfähige Arbeitslose insoweit nicht in der Lage ist, eine längere als kurzzeitige zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben und dadurch gemäß § 103 Abs 1 Nr 1 AFG der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht. Dies wiederum hat zur Folge, daß dem Arbeitslosen nicht zugemutet werden kann, trotz der fehlenden Verfügbarkeit gemäß § 103 Abs 1 Nr 1 AFG der Residenzpflicht gemäß § 103 Abs 1 Nr 3 AFG nachzukommen.

Mit der Residenzpflicht soll eine sofortige Vermittelbarkeit erreicht werden. Diesem Zweck steht jedoch im allgemeinen die fehlende Leistungsfähigkeit des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitslosen entgegen. So hat dann auch die Beklagte in ihrem Runderlaß vom 5. Dezember 1980 (Dienstblatt 301/80 Nr 5.3 Abs 1) keine Bedenken gegen eine Leistungsfortzahlung, wenn sich ein im Inland arbeitsunfähig erkrankter Leistungsempfänger während des Bezugs von Alg gemäß § 105b AFG ins Ausland begeben will, sofern die jeweils zuständige Krankenkasse in vergleichbaren Fällen das Krankengeld weiterzahlt. Es kommt danach nicht darauf an, ob der arbeitsunfähige Leistungsempfänger die Residenzpflicht gemäß § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG erfüllt. Wenn von einem Leistungsempfänger, der sich bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am Wohnort aufhält, nicht verlangt wird, dort zu bleiben, um seiner Residenzpflicht zu genügen, obwohl er reisefähig und damit auch in der Lage ist, das Arbeitsamt aufzusuchen, muß dies erst recht für Arbeitslose gelten, die während des Bezugs von Alg im Ausland, dh außerhalb des Nahbereichs des Arbeitsamts, erkranken. Ein solcher Arbeitsloser ist uU nicht reisefähig, muß den Arzt wechseln und gefährdet womöglich seine Gesundung, wenn er trotz der Arbeitsunfähigkeit die Heimreise antritt."

Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat auch hinsichtlich der nunmehr Anwendung findenden Regelung des § 146 SGB III an. Es liegen keine Gründe vor, weshalb die zitierte Rechtsprechung des BSG nicht auch für die inhaltsgleiche Regelung des § 146 SGB III Anwendung finden sollte. Insbesondere gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 146 Abs. 1 S. 1 SGB III im Vergleich zu § 105b AFG für die hier streitige Frage enger fassen wollte. So wird in der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Reformgesetz - AFRG vom 24.03.1997, BGBl. I S. 594), aufgrund dessen Art. 1 das SGB III an Stelle des AFG getreten ist, zu § 126 SGB III (welcher durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 mit Wirkung vom 01.04.2012 ohne inhaltliche Änderung geschlechtergerecht gefasst und zum heutigen § 146 SGB III gemacht worden ist) ausgeführt:

"Die Vorschrift entspricht im wesentlichen dem geltenden Recht (§ 105b AFG). In Angleichung an § 3 Abs. 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes sind die Regelungen zum Beratungsmodell beim Abbruch einer Schwangerschaft eingefügt worden"

(BT-Drucksache 13/4941, S. 177, Art. 1 zu § 126 - Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit). Damit sprechen sowohl die inhaltlich in den hier interessierenden Punkten unverändert gebliebene Regelung wie auch der ausdrückliche gesetzgeberische Wille, wie er in der Gesetzesbegründung Niederschlag gefunden hat, gegen die von der Beklagten vertretene Auffassung, wonach § 146 SGB III eine andere Zielrichtung habe als die Vorgängervorschrift in § 105b AFG, und deshalb die zu letzterer Norm ergangene Rechtsprechung des BSG nicht mehr für die Auslegung herangezogen werden könne. Die Argumentation der Beklagten, das SGB III habe eine inhaltliche Neuausrichtung erfahren, da der Gesetzgeber arbeitsförderungsrechtliche Grundsätze weiterentwickelt und damit verdeutlicht habe, dass die Leistungen der Beklagten in erster Linie die Risiken des Arbeitsmarktes abzudecken hätten, lässt die tragenden Erwägungen des BSG (a.a.O.) für die dortige Ablehnung einer Beschränkung der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall auf die Zeit der ursprünglich genehmigten Ortsabwesenheit außer Acht. Denn das BSG hat entscheidend darauf abgestellt, dass fehlende Verfügbarkeit und Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 105b AFG identisch sind – was in gleicher Weise Geltung für die Rechtslage nach dem SGB III beansprucht – und deshalb dem Arbeitslosen nicht zugemutet werden kann, trotz der fehlenden Verfügbarkeit aufgrund Arbeitsunfähigkeit der Residenzpflicht gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG, an deren Stelle die in § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III in Verbindung mit der Erreichbarkeit-Anordnung normierte Voraussetzung der Erreichbarkeit getreten ist, nachzukommen (so BSG, a.a.O.). Angesichts dessen, dass die in § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG normierte Residenzpflicht in § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III in Verbindung mit der Erreichbarkeits-Anordnung durch die Fähigkeit, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten, ersetzt worden und die Residenzpflicht damit entfallen ist, der Gesetzgeber mithin die Anforderungen an die Erreichbarkeit sogar reduziert hat, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine Neubewertung der (Un-)Zumutbarkeit. Vor diesem Hintergrund vermag die Argumentation der Beklagten von vornherein nicht durchzudringen.

Der weiteren Argumentation der Beklagten, durch die Auslegung, wie sie das SG in der angefochtenen Entscheidung vorgenommen habe, werde eine eigenständige Anspruchsgrundlage für Zeiten, für die ein Anspruch auf Arbeitslosengeld gerade nicht bestehe, geschaffen, ist durch die Entscheidung des BSG (a.a.O.) von vornherein der Boden entzogen. Durch § 146 SGB III wird auch im Falle des Eintretens von Arbeitsunfähigkeit bei genehmigter Ortsabwesenheit und des Vorliegens von Arbeitsunfähigkeit über die genehmigte Ortsabwesenheit hinaus kein eigenständiger Arbeitslosengeldanspruch geschaffen. Vielmehr entfällt nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) in den von § 146 Abs. 1 SGB III erfassten Fällen ¬ das Erfordernis der objektiven Verfügbarkeit in Bezug auf das Arbeitenkönnen und die Fähigkeit, die geforderten Eigenbemühungen vorzunehmen zu müssen und konsequenterweise aufgrund dessen die Erreichbarkeit im Sinne von § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III, so dass dem aufgrund der Leistungsfortzahlung nach § 146 Abs. 1 S. 1 SGB III für 6 Wochen weiterbestehenden Arbeitslosengeldanspruch der Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs während der Arbeitsunfähigkeit nicht entgegensteht.

Auch der oben bereits dargelegte Zweck der Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit, Leistungsberechtigten wie Leistungsverpflichteten bei kurzfristigen Erkrankungen die "Unzuträglichkeit" zu ersparen, dass an Stelle der Beklagten die Krankenkasse Krankengeld in der gleichen Höhe wie die bisher gewährte Leistung wegen Arbeitslosigkeit zu zahlen hat (BSG, Urteil vom 07.02.2002, a.a.O.) führt zu keiner anderen Beurteilung. Etwaige abweichende Regelungen nach dem SGB V für den Bezug von Krankengeld im Ausland sind entgegen der Auffassung der Beklagten für die hier zu klärende Rechtsfrage unerheblich. Denn die inhaltliche Übereinstimmung zwischen der Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit und dem Krankengeld bedeutet nicht, dass die Leistungsfortzahlung nach § 146 Abs. 1 SGB III einen zeitgleichen Anspruch auf Krankengeld (§ 44 SGB V) voraussetzt (Valgolio, a.a.O., § 146 SGB III Rn. 25; Aubel, a.a.O., § 146 Rn. 26, auch zum Nachfolgenden). So können auch freiwillig Versicherte ohne Anspruch auf Krankengeld sowie ausgesteuerte oder privat versicherte Arbeitslose für die ersten 6 Wochen den Anspruch auf Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit geltend machen. Unerheblich ist insbesondere, ob der Anspruch auf Krankengeld wegen eines Auslandsaufenthaltes nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht. Bereits ein Vergleich der beiden Anspruchsgrundlagen (§ 146 Abs. 1 SGB III für die Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit, § 44 Abs. 1 SGB V für das Krankengeld) zeigt, dass die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen unterschiedlich sind und deshalb nicht die untrennbare Beziehung und Abhängigkeit begründen können, die die Beklagte aus der ursprünglichen Gesetzesbegründung ableiten will (LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Bei dieser Sachlage war auch die von der Beklagten beantragte Beiladung der Krankenkasse im Berufungsverfahren nach § 75 Abs. 2 SGG nicht geboten. Der Senat hat in Würdigung der vorstehenden Erwägungen und in Ausübung seines ihm eingeräumten Ermessens auch von einer einfachen Beiladung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG abgesehen.

Die Voraussetzungen des danach hier Anwendung findenden § 146 Abs. 1 S. 1 SGB III haben im hier interessierenden Zeitraum vom 01.09.2017 bis 09.10.2017 auch vorgelegen. Denn beim Kläger ist infolge des Unfalls am 29.08.2017, und damit noch innerhalb der bis zum 31.08.2017 genehmigten Ortsabwesenheit, Arbeitsunfähigkeit eingetreten, die durchgehend bis zum 15.11.2017 angedauert hat. Zu berücksichtigen ist dabei, dass weder die Anzeige noch das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Voraussetzung für die Leistungsfortzahlung ist. Fehlt eine (rechtzeitige) Anzeige, erfolgt diese zu spät oder fehlt es an einer Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit, steht dies der Leistungsfortzahlung nicht entgegen, weil die Anzeige- und Bescheinigungspflichten nach §&8201;311 SGB III keine anspruchsbegründenden Merkmale sind (Jakob, a.a.O., § 146 Rn. 8; Müller-Grune in: Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 311 Rn. 15). Unschädlich ist daher, dass für die Zeit vor der Behandlungsaufnahme durch die polnischen Ärzte S. und M. am 04.09.2017 und der ab diesem Zeitpunkt von diesen Ärzten diagnostizierten Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt. Denn angesichts des Berichts der Rehabilitationspraxis U. vom 30.08.2017 über die dort aufgenommene Behandlung bei starken Schmerzen, insbesondere des rechten Ellenbogengelenks, und des Arztbriefes des Dr. S. vom 04.09.2017, in welchem dieser über den Aufnahmebefund von diesem Tag mit sehr starken Schmerzen im Bereich des rechten Ellenbogens, einhergehend mit umfangreicher Behinderung der rechten oberen Extremität, welche das Führen eines Kfz unmöglich mache, berichtet hat, hat der Senat – wie auch das SG und wohl auch die Beklagte – keine Zweifel, dass bei dem Kläger bereits ab dem 29.08.2017 ein umfassendes Unvermögen, seine zuletzt ausgeübte Beschäftigung sowie alle Arbeiten, auf die er im Rahmen des § 140 SGB III verwiesen werden kann, auszuüben, und somit Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 146 SGB III vorgelegen hat. Aufgrund der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Drs. S. und M. und der anschließenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Arztes Sm., deren Richtigkeit von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird und an deren Richtigkeit zu zweifeln auch für den Senat kein Anlass besteht, steht fest, dass diese Arbeitsunfähigkeit durchgehend bis einschließlich 15.11.2017 bestanden hat. Damit hat der Kläger auch in der Zeit vom 01.09.2017 bis einschließlich 09.10.2017 alle Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld erfüllt.

Nachdem der Kläger nach Ablauf der 6-wöchigen Leistungsfortzahlung nach § 146 Abs. 1 S. 1 SGB III weiterhin arbeitsunfähig gewesen ist, stand ihm ab dem 10.10.2017 aufgrund der fehlenden Verfügbarkeit wegen Arbeitsunfähigkeit kein Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld zu. Damit ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eingetreten und hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 13.09.2017 das bereits bewilligte Arbeitslosengeld für den Zeitraum ab 10.10.2017 und damit insoweit für die Zukunft aufgehoben.

Sowohl die Berufung der Beklagten wie auch die des Klägers bleiben daher ohne Erfolg.

Die Kostenregelung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass Kläger und Beklagte auch im Berufungsverfahren in annähernd gleichem Umfang ohne Erfolg geblieben sind.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt, nachdem die streitgegenständliche Auslegung des § 146 SGB III durch das Urteil des BSG vom 25.07.1985 (a.a.O.) höchstrichterlich geklärt ist, insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Rechtskraft
Aus
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