S 11 R 1454/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 1454/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 25.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2016 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Klägerin begehrt die Anerkennung von Pflichtbeitragszeiten nach den Vorschriften des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) für die Zeit vom 01.10.1974 bis 29.02.1984.

Tatbestand:

Die 1952 geborene Klägerin stellte am 19.11.2007 einen Antrag auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG als Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG. Sie führte aus, im Zeitraum 01.10.1974 bis 29.02.1984 habe sie Anwartschaften in der Staatsapparateversorgung erworben, vom 08.12.1981 bis 30.06.1989 lägen Anwartschaften bei der Versorgung künstlerischer Beschäftigter Funk- und Filmwesen vor. Vom 01.10.1974 bis 29.02.1984 habe sie eine Anstellung als Redakteurin im D. in D-Stadt innegehabt. Vom 08.12.1981 bis 30.06.1989 habe sie eine Honorartätigkeit als Autorin für das E-Filmspielstudio ausgeübt. Daneben habe sie ab 14.11.1979 eine Nebentätigkeit als Korrektorin im D. D-Stadt innegehabt. Seit 01.03.1984 sei sie freiberufliche Autorin/Schriftstellerin. Insbesondere für die knapp 10 Jahre Redakteurstätigkeit im D. D-Stadt, beginnend 1974, erwarte sie eine Zusatzversorgung. Das Versicherungsamt der Stadt D-Stadt teilte auf Anfrage der Beklagten mit, die Klägerin sei nicht Mitglied in der Zusatzversorgung gewesen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25.05.2009 den Antrag auf Feststellung von Zeiten nach dem AAÜG ab, da die Klägerin bei Inkrafttreten des AAÜG am 01.08.1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes gehabt habe. Für die Beschäftigungszeit 01.10.1974 bis 29.02.1984 seien keine Zeiten im Zusatzversorgungssystem zurückgelegt worden. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und führte aus, sie sei am 30.06.1990 selbständig tätig gewesen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2013 zurück und führte aus, die Klägerin hätte bei Inkrafttreten des AAÜG am 01.08.1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gesetzes gehabt. Auch sei keine tatsächliche Einbeziehung erfolgt. Ebenso habe kein Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage bestanden, da die Klägerin einen Beitritt und die damit verbundene Beitragszahlung zur freiwilligen zusätzlichen Rentenversicherung (FZR) nicht nachgewiesen habe. Damit könnten keine Zeiten nach § 5 AAÜG festgestellt werden.

Die Klägerin hat hiergegen am 16.07.2013 Klage zum Sozialgericht München erhoben und ausgeführt, sie sei dem Zusatzversorgungssystem Nr.15 (zusätzliche Versorgung für freiberuflich tätige Mitglieder des Schriftstellerverbandes der DDR) zugehörig gewesen. Zwar liege für den strittigen Zeitraum keine Versorgungszusage vor. Für § 5 Abs. 1 AAÜG sei jedoch allein maßgeblich, ob die Beschäftigung im streitigen Zeitraum ihrer Art nach zu denjenigen gehörte, derentwegen nach den in Anlage 1 und 2 zum AAÜG genannten Texten das jeweilige Versorgungssystem errichtet war. Die Beklagte führte aus, die Klägerin sei Mitglied im Schriftstellerverband der DDR gewesen. Ein Beitritt zur FZR im Jahr 1988 habe ausweislich des vorliegenden Sozialversicherungsausweises nicht bestanden.

Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung am 30.09.2015 ausführlich erörtert.

Im Anschluss daran hat die Klägerin eine Kopie des Mitgliedsbuches Nummer xxxxx vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass die Klägerin vom 01.11.1981 an Mitglied des Verbandes der Journalisten war. Des Weiteren wurde eine Kopie des Mitgliedsbuches des Schriftstellerverbandes der DDR (Mitgliedsnummer yyyy) vorgelegt, bei dem die Klägerin seit dem 10.05.1990 Mitglied war. Des Weiteren übersandte die Klägerin die Verdienstbescheinigung vom 23.01.1991 als Nachweis, dass sie über den 30.06.1990 hinaus bei der E. beschäftigt war. Die Beklagte teilt hierzu mit, dass die Anordnung über die zusätzliche Versorgung der künstlerisch Beschäftigten des Rundfunks, Fernsehens, Filmwesen sowie des Staatszirkus der DDR und des VEB Deutsche Schallplatte vom 27.12.1985 nur für künstlerisch Beschäftigte gelte, die in einem Arbeitsrechtsverhältnis standen. Die Klägerin habe nicht in einem Arbeitsrechtsverhältnis zur E. gestanden, sondern sei auf Honorarbasis als freischaffende Autorin tätig gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gem. § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013 zu verurteilen, Zeiten nach den AAÜG festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Beigezogen war die Verwaltungsakte der Beklagten.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte und der Klageakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Sozialgericht München ist sachlich und örtlich zuständig. Die form- (§ 90 SGG) und fristgerecht (§ 87 SGG) erhobene Klage ist zulässig.

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Klage ist sachlich nicht begründet.

Streitgegenständlich ist die Feststellung der Zeiten vom 01.10.1974 bis 29.02.1984 nach den Vorschriften des AAÜG (vgl. Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung vom 30.09.2015).

In dieser Zeit hatte die Klägerin ausweislich ihrer "Arbeitszeitenaufstellung" 2008 eine Anstellung als Redakteurin im D. D-Stadt inne. Ab 01.03.1984 war die Klägerin als freiberufliche Autorin tätig. Die Zeit für die Tätigkeit als freiberufliche Autorin ab 01.03.1984 ist nicht Streitgegenstand des Verfahrens. Die Klägerin hat sich vorbehalten, diese Zeiten gesondert geltend zu machen.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall einen Verlust vorsahen, so gilt dieser Anwartschaftsverlust gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als nicht eingetreten.

Die Klägerin hat weder einen Versorgungsanspruch noch eine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG läge nur dann vor, wenn die Klägerin

* entweder am 30.06.1990 in der DDR in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen wäre,

* eine solche Einbeziehung nachträglich nach Rehabilitation oder durch eine Entscheidung nach Artikel 19 Satz 2 oder 3 des Einigungsvertrags erlangt hätte oder

* aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage im Juli 1991 einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte, (vgl. BSG 09.04.2002, B 4 RA 36/01 R, BSG 19.10.2010, B 5 RS 2/08 R m. w. N).

Unstreitig lag bei der Klägerin keine tatsächliche Einbeziehung vor, ebenso wenig eine Einbeziehung durch Rehabilitation.

Die Klägerin hat aber auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage.

Die Klägerin war ab 01.11.1981 Mitglied im Verband der Journalisten (vgl. Mitgliedsbuch Nr. xxxxx). Aufgrund der Zugehörigkeit zum Verband der Journalisten wäre ein Beitritt in das Zusatzversorgungssystem Nr. 21 (vgl. Anlage 1 AAÜG) für hauptamtliche Mitarbeiter gesellschaftlicher Organisationen möglich gewesen. Der FZA beitreten konnten hauptamtliche Mitarbeiter der Organisationen, Leiter der Organisationsverlage, hauptamtliche Mitarbeiter der Organisationsverlage, deren überwiegende Aufgabe in der Herausgabe von Presseorganen (Zeitungen/Zeitschriften) besteht, wenn sie bei der Aufnahme der Tätigkeit nicht älter als 45 Jahre (Frauen) sind und noch mind. 15 Jahre tätig sein und Beträge zur FZR zahlen konnten.

Ihren eigenen Angaben zufolge (vgl. Arbeitszeitenaufstellung) war die Klägerin ab 1981 als Filmautorin für das E-Filmspielstudio tätig und gehörte damit nicht zum beitragsberechtigten Personenkreis. Im Übrigen ist ein Beitritt zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) nicht nachgewiesen.

Es bestand auch kein Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage als freiberuflich tätiges Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR. Gemäß § 3 der Anordnung über die zusätzliche Versorgung für freiberuflich tätige Mitglieder des Schriftstellerverbandes der DDR vom 27. 10.1987 hatten freiberuflich tätige Mitglieder des Schriftstellerverbandes Anspruch auf eine zusätzliche Alters-oder Invalidenversorgung, wenn sie a) bei Inkrafttreten dieser Anordnung, Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR waren und der freiwilligen Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung (FZR) bereits beigetreten waren oder spätestens innerhalb von sechs Monaten beitraten, b) bei Aufnahme als Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR nach dem Inkrafttreten dieser Anordnung der FZR bereits angehörten bzw. mit Beginn der Mitgliedschaft beitraten.

Gemäß § 1 der Richtlinie zur Durchführung der Anwendung über die zusätzliche Versorgung für freiberuflich tätige Mitglieder des Schriftstellerverbandes der DDR hatten Mitglieder des Schriftstellerverbandes, die nach Inkrafttreten der Anordnung eine freiberufliche Tätigkeit aufnahmen, Anspruch auf die zusätzliche Versorgung, wenn sie der FZR bereits angehörten oder mit Beginn der freiberuflichen Tätigkeit beitraten. Die Klägerin war erst ab Mai 1990 Mitglied im Schriftstellerverband (vgl. Mitgliedsbuch Nr. yyyy). Entsprechend der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG vom 08.06.2004, B 4 RA 56/03 R und 29.07.2004, B 4 RA 4/04 R) findet die Zusatzversorgung nur dann Anwendung, wenn am Stichtag 30.06.1990 eine Mitgliedschaft im Schriftstellerverband der DDR vorlag, eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt wurde und spätestens am 30.06.1988 ein Beitritt zur FZR bestand. Ein Beitritt und eine Beitragszahlung zur FZR sind nicht nachgewiesen, sodass hieraus keine Rechte abgeleitet werden können.

Die Klägerin gehört auch nicht als künstlerische Filmautorin zum beitragsberechtigten Personenkreis.

Die Anordnung der zusätzlichen Versorgung der künstlerisch Beschäftigen des Rundfunk, Fernsehens, Filmwesens sowie des Staatszirkus der DDR und des VEB Deutsche Schallplatte vom 27.12.1985 galt für künstlerisch Beschäftigte, die in einem Arbeitsrechtsverhältnis unter anderem zu einem E-Studio oder einer zentralgeleiteten Einrichtung des Filmwesens der DDR standen. Wie die Klägerin in ihrer Arbeitszeitenaufstellung ausführt, übte sie zwischen 1981 und 1989 eine Honorartätigkeit als Autorin für die E-Filmspielstudios aus. Sie stand damit nicht in einem Arbeitsrechtsverhältnis. Die Verdienstbescheinigung vom 23.01.1991 bestätigt für das Jahr 1990 einen Verdienst von 3.000.- Mark abzüglich einer Honorarsteuer. Die Klägerin unterfällt damit auch nicht Nr. 13 Anlage 1 des AAÜG. Im Übrigen ist auch kein Beitritt zur FZR nachgewiesen.

Nach alledem ist der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG nicht eröffnet. Der Bundesgesetzgeber ist auch verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, alle Folgen der SED Willkür im Versorgungsrecht im Rentenversicherungsrecht nachträglich auszugleichen (vgl. Urteil BSG vom 09.04.2002, B 4 RA 31/01 R). Eine Erweiterung des einbezogenen Personenkreises über den in § 1 Abs. 1 AAÜG genannten hinaus würde - so BSG vom 10.02.2005, B 4 RA 47/04 R - das Einziehungsverbot unterlaufen. Auch Artikel 3 Abs. 1 GG gebietet nicht, vorhandene Ungleichheit rückwirkend zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen, vgl. BVerfG vom 04.08.2004 - 1 BVR 1557/01. Der Gesetzgeber durfte ohne Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG grundsätzlich an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR anknüpfen und war nicht gehalten, sich hieraus ergebende Ungleichheiten zu Lasten der heutigen Steuer- und Beitragszahler zu kompensieren (vgl. BSG vom 19.10.2010, B 5 RS 2/08 R). Eine positive Statusentscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG bedarf eines zweifelsfreien Anspruchs, dass der Versicherte eine Versorgungsanwartschaft oder einen Versorgungsanspruch erworben hat (vgl. LSG Berlin-Brandenburg vom 13.11.2008, L 22 R 1127/08, BSG vom 09.04.2002, B 4 RA 31/01 R).

Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Klägerin dem Anwendungsbereich des § 1 AAÜG unterfällt.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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