L 5 KA 21/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 27 KA 146/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 21/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des Honorars für das Quartal III/2013.

Der Kläger ist als Facharzt für Neurochirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten seit dem 28. Januar 2010 zugelassen. Er war zunächst in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) tätig, die er nach internen Meinungsverschiedenheiten verließ, um seit dem Quartal IV/2012 in Einzelpraxis tätig zu sein.

Mit Honorarbescheid vom 19. Februar 2014 berechnete die Beklagte für das Quartal III/2013 ein Honorar im Bereich Ersatzkassen/Primärkassen von 42.114,73 EUR bei 372 Fällen. Im Bereich des Regelleistungsvolumens (RLV) wurden eine Bezugsgröße von 7.577,34 EUR und ein Zuschlag von 12.341,76 EUR zu Grunde gelegt. Angefordert hatte der Kläger eine Vergütung im RLV-Bereich von 19.108,55 EUR, sodass es zu einer Unterschreitung in Höhe von 810,25 EUR kam, die mit Überschreitungen im Bereich Qualitätsbezogenene Zusatzvolumina (QZV) verrechnet wurde. Für den QZV-Bereich ergab sich Folgendes: QZV Bezugsgröße angefordert Überschreitung Teilradiologie 2.160,87 EUR 8.206,83 EUR 6.045,96 EUR CT-Intervention, Schmerztherapie 7.087,52 EUR 11.556,04 EUR 4.468,52 EUR Die Überschreitung insgesamt betrug nach Verrechnung 9.704,23 EUR, wovon 558,27 EUR quotiert vergütet wurden, sodass der Kläger im RLV-/ QZV-Bereich insgesamt 29.723,76 EUR erhielt.

Mit seinem am 28. Februar 2014 eingelegten Widerspruch wandte sich der Kläger insbesondere gegen die Abstaffelung seiner Vergütung im QZV-Bereich. Obwohl seine angeforderte Vergütung unterhalb des Fachgruppendurchschnitts liege, seien weniger als 505 hiervon festgesetzt worden. Die Beklagte habe als Basisquartal das Quartal III/2012 zu Grunde gelegt. Dies sei sein letztes Quartal in der BAG gewesen. In den Quartalen I-III/2012 habe er wegen des Verhaltens der BAG Zuweisungseinbrüche gehabt und sei ab dem 1. Oktober 2012 in einer neuen Niederlassung in Einzelpraxis tätig geworden. Wegen einer Wettbewerbsabrede habe er die neue Praxis in mindestens drei Kilometern Entfernung von der BAG eröffnen müssen. Er habe deshalb nicht seine Patienten aus der BAG behalten können. Im dritten Quartal 2012 habe er nur 228 Patienten behandelt. Er sei als Jungpraxis anzusehen, da er einen komplett neuen Patientenstamm habe aufbauen müssen. Dies sei nach § 31 des Verteilungsmaßstabs (VM) ein außergewöhnlicher Grund. Er müsse deshalb für bis zu 12 Quartale auf den Fachgruppendurchschnitt angehoben werden.

Mit Honorarberichtigungsbescheid vom 16. April 2014 wegen eines Berechnungsfehlers beim RLV-Zuschlag erhielt der Kläger weitere 1.983,33 EUR für das Quartal III/2013 vergütet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die quotierte Vergütung zu Recht erfolgt sei. Die Berechnung des Honorars sei in Überstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen vorgenommen worden.

Am 22. September 2014 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben mit dem Ziel, weitere 9.794,23 EUR Vergütung für das Quartal III/2013, hilfsweise einen Neubescheid zu erhalten. Die Beklagte habe außer Acht gelassen, dass es sich beim ihm um eine unterdurchschnittlich abrechnende Neuniederlassung bzw. eine Aufbaupraxis handle. Aufgrund des Wettbewerbsverbots habe er keinen Patienten von Eidelstedt nach Hoheluft an den neuen Standort mitnehmen können. Er habe sich einen neuen Patientenstamm und neue Zuweiser aufbauen müssen. Wegen der Neugründung im Quartal IV/2012 habe er nur wenige Patienten gehabt. Danach habe es einen überproportionalen Fall- und Umsatzanstieg gegeben, dabei sei er aber durch das – ab dem Quartal IV/2013 die RLV-/QZV-Systematik ablösende –Individuelle Leistungsbudget (ILB) ausgebremst worden. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R – hat er nicht nur geltend gemacht, dass unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen wie seiner, wenn sie nicht schon als Neugründung anzusehen sei, eine Steigerung auf den Durchschnittsumsatz der Arztgruppe innerhalb von fünf Jahren ermöglicht werden müsse, sondern dass sich eine entsprechende Regelung im VM selbst befinden müsse, was im Zuständigkeitsbereich der Beklagten nicht der Fall sei, und dass dies nicht der Einzelfallentscheidung des Vorstands der jeweiligen KV überlassen bleiben dürfe. Der Kläger hat ausgeführt, wie prekär seine wirtschaftliche Situation sei. Die Praxis könne kaum kostendeckend betrieben werden. Lediglich aufgrund extremer Personaleinsparungen sei es ihm gelungen, seine Praxis überhaupt noch fortführen zu können. Private Einkünfte würden seit geraumer Zeit aus der Praxis nicht mehr erzielt. Ein Überleben sei ihm und seiner Familie bislang allein aufgrund der Tatsache möglich gewesen, dass er außerhalb der angebotenen üblichen Praxiszeiten durch Dienste in Krankenhäusern in geringfügigen Umfang ebenso geringfügige Zusatzeinkünfte erziele.

Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Inhalt ihrer Verwaltungsakte entgegengetreten und hat ergänzend vorgetragen, das Honorar im Bereich RLV sei im Quartal III/2013 vollumfänglich vergütet worden. Der Kläger habe seine QZV überschritten, weil er diese im Quartal III/2012 bei weitem nicht ausgeschöpft habe und sie deshalb entsprechend niedriger ausgefallen seien. Im QZV "CT-Intervention" habe er in III/2012 nur 4.969,45 EUR angefordert, zugewiesen gewesen seien 35.309,34 EUR. Im QZV "Teilradiologie" habe er nur 2.410,59 EUR angefordert bei einer Zuweisung von 10.631,40 EUR, sodass Unterschreitungen in Höhe von 30.339,89 EUR bzw. 8.220,81 EUR vorgelegen hätten (Bescheid vom 25. Februar 2013). Die QZV für das Quartal III/2013 seien auch zutreffend ermittelt worden aus den im Vorjahresquartal abgerechneten Fällen (44 bzw. 57 Fälle) und den Leistungen (161,08 EUR bzw. 37,91 EUR), sodass sich Beträge von 7.087,52 EUR bzw. 2.160,87 EUR ergeben hätten.

Das SG hat über die Klage am 21. Juni 2017 mündlich verhandelt und sie mit Urteil vom selben Tag als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf weitere 9.794,23 EUR Honorar für das Quartal III/2013. Er habe auch keinen Anspruch auf Neubescheidung, denn der Honorarbescheid der Beklagten vom 19. Februar 2014 in der Fassung des Bescheides vom 16. April 2014 sei rechtmäßig. Das Honorar des Klägers im RLV-/QZV-Bereich habe insgesamt 31.707,09 EUR (29.723,76 EUR + 1.983,33 EUR) betragen, damit hat der Kläger im RLV-/QZV-Bereich eine Vergütungsquote von 81,57 % erzielt. Rechtsgrundlage des Honorars im RLV-/QZV-Bereich seien nach § 87b Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 4 S. 1 und 2 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) (in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes) und die Regelungen des Bewertungsausschusses (insbesondere Teil F Nr. 36 des 219. Beschlusses vom 26. März 2010) in Verbindung mit den Regelungen des VM. Diese Regelungen habe die Beklagte zutreffend umgesetzt, denn der Kläger habe keine Aufbaupraxis betrieben, die den Anspruch habe, im vierten Quartal ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit ein RLV bzw. gegebenenfalls QZV auf der Grundlage von 100% der durchschnittlichen RLV- bzw. QZV-Fallzahlen der Arztgruppe im Vorjahresquartal (§ 27 Abs. 1 (d) des VM in der für das Quartal IV/2013 geltenden Fassung) bzw. in den ersten zwölf Quartalen ein RLV bzw. QZV maximal in Höhe der arztgruppendurchschnittlichen Fallzahlen zu erhalten (§ 27 Abs. 3 (a) VM). Eine Aufbaupraxis in diesem Sinne sei der Kläger im Quartal III/2013 nicht mehr gewesen. Der Kläger sei im Bezirk der Beklagten seit dem Quartal I/2010 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Verlegung seines Standorts innerhalb desselben Planungsbereichs, also hier innerhalb Hamburgs, lasse seinen Zulassungsstatus unberührt (Hinweis auf Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R, juris-Rn. 31). Unabhängig von den Gründen, die zu einer Standortverlegung geführt hätten, handle es sich um eine unternehmerische Entscheidung des zugelassenen Arztes, die ihn nicht wieder in die Situation einer Neuzulassung versetze. Ansonsten wäre mit Standortverlegung gerade in einem Planungsbereich wie Hamburg, in dem drei bzw. 7,8 Kilometer unschwer mit öffentlichen Verkehrsmittel zu überwinden seien, es möglich, sich immer wieder durch Verlegung des Standorts den Vorteil arztgruppendurchschnittlicher Fallzahlen zu erhalten. Nur für die Aufbauphase von drei Jahren solle es neu gegründeten Praxen möglich sein, den Umsatz sofort auf den Durchschnittsumsatz zu steigern (Hinweis auf BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R, juris-Rn. 15). Da die vom Kläger geführte Praxis keine Aufbaupraxis mehr gewesen sei, komme in Betracht, dass sie im Quartal III/2013 eine (sonstige) unterdurchschnittlich abrechnende Praxis gewesen sei (Hinweis BSG, Urteile vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R, juris-Rn. 15 ff., und vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R, juris-Rn. 34 ff.), die die Chance haben müsse, auch noch nach der Aufbauphase ihren Umsatz auf den Durchschnittsumsatz zu steigern. Anders als bei Jungpraxen müsse dies jedoch nicht sofort sein, sondern das BSG habe es für zulässig erachtet, dass erst im Folgejahr eine Erhöhung der Fallzahlen gegenüber dem Basisquartal (Vorjahresquartal) zum Tragen komme (zu den Grundlagen dieses Moratoriums Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R, juris-Rn. 36 ff.), was beim Kläger auch der Fall gewesen sei, obwohl für das Folgequartal (III/2014) schon andere Honorarverteilungsregelungen gegolten hätten (ILB), denn weiter sei zu beachten, dass es nicht darauf ankomme, wie die Honorarverteilungsregelungen im Einzelnen ausgestaltet seien und welchen primären Zweck sie verfolgten, sondern wie sie sich letztlich auf den Honoraranspruch des Vertragsarztes auswirkten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R, juris-Rn. 16). Entscheidend sei, dass die Honorarbegrenzungsregelungen so viel Spielraum lassen müssten, dass der Durchschnittsumsatz der Fachgruppe innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erreicht werden könne. Das sei beim Kläger der Fall. Gehe man zu seinen Gunsten davon aus, dass er im Quartal III/2013 noch zu einer unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis gehört habe, obwohl er eine Vergütungsquote im RLV-/QZV-Bereich von 81,57 % bei angeforderten Leistungen in diesem Bereich von 38.871,42 EUR (RLV: 19.108,55 EUR, QZV "Teilradiologie": 8.206,83 EUR und QZV "CT-Intervention": 11.556,04 EUR) und vergüteten Leistungen von 31.707,09 EUR gehabt habe, habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass zumindest seit den Änderungen in der Berechnung des ILB zum Quartal IV/2016, also vor dem Ende des Fünf-Jahres-Zeitraums (III/2013 bis einschließlich II/2018 bzw. IV/2012 bis III/2017), er den Durchschnittsumsatz seiner Fachgruppe erreicht habe. Die Vergütungsquote von 81,57 % im RLV-/QZV-Bereich und die Äußerung des Klägers hätten die Kammer davon überzeugt, dass es dem Kläger durch die Vergütungsregelungen im Quartal III/2013 und in der Folgezeit nicht unmöglich gemacht worden sei, den Durchschnittsumsatz seiner Fachgruppe zu erreichen. Insofern habe es keiner weiteren Ermittlungen zu den Durchschnittsumsätzen der Fachgruppe und den Umsätzen des Klägers in den dem streitigen Quartal nachfolgenden Quartalen bedurft.

Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 4. Juli 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. Juli 2017 eingelegte Berufung des Klägers. Er ist nach wie vor der Auffassung, dass er einen Rechtsanspruch auf eine ungeschmälerte Zuweisung des von ihm angeforderten Honorars habe, wiederholt und vertieft seinen bisherigen Vortrag und geht davon aus, dass er sich in einer einer Neuniederlassung vergleichbaren Situation befunden habe und seine Einzelpraxis daher als Aufbaupraxis anzusehen sei. Jedenfalls müsse er nach den vom BSG aufgestellten Grundsätzen betreffend unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben, binnen fünf Jahren den Durchschnittsumsatz seiner Arztgruppe zu erreichen. Dies sei nicht der Fall. Eine entsprechende Regelung im VM der Beklagten fehle entgegen der Forderung des BSG. Die Härtefallregelung, von der vom Vorstand der Beklagten nach seinen Erfahrungen in völlig willkürlicher Weise Gebrauch gemacht werde und die bei ihm unberücksichtigt geblieben sei, reiche nicht aus. Soweit das SG auf Seite 5 unten der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils unter Verweis auf eine Vergütungsquote von 81,57 % im RLV-/QZV-Bereich ausgeführt habe, dass er im Quartal III/2013 den Durchschnittsumsatz seiner Fachgruppe erreicht habe, beruhe dies auf einer unverständlichen Verwechslung der durchschnittlichen Vergütungsquote einerseits mit dem durchschnittlichen Honorarumsatz andererseits. Es liege auf der Hand, dass unterdurchschnittlich abrechnende Vertragsarztpraxen durch eine Vergütungsquote, welche derjenigen der Fachgruppe entspreche – soweit dies überhaupt der Fall sei – erst recht auf ein unterdurchschnittliches Niveau gedeckelt würden und hierdurch die Grundsätze der einschlägigen BSG-Rechtsprechung zur Privilegierung unterdurchschnittlich abrechnender Praxen konterkariert würden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 19. Februar 2014 in der Fassung des Bescheids vom 16. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2014 zu verurteilen, an ihn – den Kläger – weitere 9.794,23 EUR zu zahlen, hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung der genannten Bescheide zu verpflichten, über sein – des Klägers – Honorar für das Quartal III/2013 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei der Praxis des Klägers handle es sich nicht um eine Praxis in der Aufbauphase, sondern lediglich um eine (sonstige) unterdurchschnittlich abrechnende Praxis. Mit Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R – habe das BSG entschieden, dass die Wachstumsregelung, wie sie hier in der RLV-Systematik angelegt sei, die Anforderungen an den Wachstumsanspruch sonstiger, unterdurchschnittlicher Praxen erfülle. Entgegen der Ansicht des Klägers sei also im streitgegenständlichen Zeitraum eine Sonderregelung entbehrlich gewesen.

Auf Anforderung des Senats hat die Beklagte eine Tabelle zur Umsatzentwicklung des Klägers im Vergleich zu dessen Arztgruppe bezogen auf die Quartale III/14, III/15 und III/16 vorgelegt (Bl. 114 der Prozessakte).

Weitere Übersichten zur Entwicklung von ILB, Umsätzen, Vergütungsquoten und Fallzahlen des Klägers einerseits und seiner Arztgruppe andererseits sind in den parallel betriebenen, andere Quartale betreffenden Verfahren sowohl von der Beklagten als auch vom Kläger selbst eingereicht worden (L 5 KA 22/17: Bl. 108; L 5 KA 13/19: Bl. 31-35, 44, 46, 60-63, 67-70).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten und die Sitzungsniederschrift vom 24. Juni 2020 sowie den Inhalt der darin aufgeführten beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Anfechtungs- und Leistungs- sowie hilfsweise Verpflichtungsklage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Zahlung weiteren Honorars für das Quartal III/2013 in Höhe von 9.794,23 EUR (Anmerkung: Die Berechnung des nachzuzahlenden Betrages durch den Kläger, aus der sich auch der Streitwert ergibt, ist falsch. Bei dem Betrag von 9.794,23 EUR hat sich zum einen ein Schreibfehler eingeschlichen: Gemeint sein dürfte der im Honorarbescheid ausgewiesene Unterschreitungsbetrag im RLV-/QZV-Bereich von 9.704,23 EUR. Zum anderen entspricht dieser nicht der Höhe der nichterfüllten Anforderung. Abzuziehen wäre zunächst noch die quotierte Vergütung von 556,27 EUR und darüber hinaus die Gutschrift aus dem Honorarberichtigungsbescheid von 1.983,33 EUR, sodass sich "lediglich" eine nicht erfüllte Anforderung i.H.v. 7.164, 63 EUR errechnet.) noch auf Neubescheidung seiner Honorarforderung für dieses Quartal.

Der Senat nimmt Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG). Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer hiervon abweichenden rechtlichen Bewertung.

Zusammenfassend und ergänzend sei folgendes ausgeführt: 1. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den ab dem 1. Juli 2012 und in der Fassung des 4. Nachtrags vom 25. September 2013 im streitgegenständlichen Quartal III/2013 geltenden Verteilungsmaßstab falsch angewandt hat. Fehler der Berechnung des Honorars und seiner Grundlagen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte dessen Einzelpraxis zu Recht nicht als Aufbaupraxis nach § 27 VM privilegiert. Es handelte sich um keine Neuzulassung in diesem Sinn. Auch wenn das BSG in seiner Entscheidung vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R – ausdrücklich u.a. nicht entschieden hat, ob bei Austritt aller bisherigen Partner und dadurch Umwandlung einer BAG in Einzelpraxen neue Aufbaupraxen entstehen können, ist dem SG – ebenfalls unter Bezugnahme auf die vorgenannte BSG-Entscheidung – beizupflichten, dass dies jedenfalls dann nicht der Fall ist, wenn eine unternehmerische Entscheidung eines bereits zugelassenen Arztes zu einer Verlegung seines Standorts innerhalb desselben Planungsbereichs führt. Hierfür gibt es angesichts der Möglichkeiten, innerhalb eines Planungsbereichs – gerade in einer mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut versorgten Großstadt wie Hamburg – Patientenbindungen zu erhalten und zusätzlich neue aufzubauen, keinen sachlichen Grund. Die Möglichkeit, durch ständige Umzüge und/oder Änderungen der Rechtsform von der Privilegierung von Aufbaupraxen zu profitieren, würde sachwidrige Anreize setzen und andere Ärzte unter Verstoß gegen zentrale Grundsätze des Vertragsarztrechts wie insbesondere die Honorarverteilungsgerechtigkeit benachteiligen. Dementsprechend ist nicht zu beanstanden, dass § 27 VM der Beklagten in der hier maßgeblichen Fassung Sonderregelungen für Aufbaupraxen nur im Fall einer Neuzulassung von Vertragsärzten vorsieht. Bezeichnenderweise benutzt das BSG als Synonym für den Begriff "Aufbaupraxis" auch denjenigen der "Anfängerpraxis". 2. Soweit der Kläger rügt, dass im VM der Beklagten entgegen der Forderung des BSG im Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R – keine Regelung für sonstige unterdurchschnittlich abrechnende Praxen vorhanden ist, übersieht er, dass dies nicht erforderlich ist, wenn die Vergütungsregelungen im VM als solche das Wachstum auf den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe innerhalb von fünf Jahren ermöglichen. Dies ist vorliegend auch der Fall. Mit Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R – hat das BSG keine rechtswidrige Beeinträchtigung des Wachstumsanspruchs einer unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis in einer Regelung gesehen, wonach Fallzahlerhöhungen erst im Folgejahr zu einer Höherbemessung des Regelleistungsvolumens führen, wie dies im streitgegenständlichen Quartal nach dem VM der Beklagten der Fall war. Dass dem Kläger dies nach den zu den Prozessakten gereichten Übersichten (unter Außerachtlassung der untypischerweise nicht in der Praxis, sondern im Krankenhaus erbrachten freien Leistungen, s. hierzu Urteil im Parallelverfahren L 5 KA 13/19) offensichtlich nicht gelungen ist – bzw. nach den Ausführungen des SG im Verfahren L 5 KA 13/19 erst und nur möglicherweise im Jahr 2018 –, obwohl er den Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil, wonach er in der mündlichen Verhandlung gesagt habe, er habe den Durchschnittsumsatz seiner Fachgruppe im Quartal IV/2016 erreicht (was im Protokoll nicht festgehalten worden ist), nicht widersprochen hat, beruht darauf, dass er seine Fallzahlen gerade nicht dementsprechend steigern konnte. Ein deutlicher Anstieg der absoluten Zahlen gegenüber dem Stand Quartal III/2013 ist erstmals im Quartal III/2015 festzustellen, wobei der relative Anstieg im Vergleich zur Fallzahl der Fachgruppe nicht so stark ausfällt. Erstmals im Quartal I/2018 überschreitet die Fallzahl der Praxis des Klägers diejenige der Fachgruppe. Um von der Wachstumsmöglichkeit unterdurchschnittlich abrechnender Praxen Gebrauch machen zu können, müsste der Kläger bei im wesentlichen unverändertem Leistungsspektrum mit entsprechenden Fallwerten jedoch über einen längeren Zeitraum eine deutlich höhere Fallzahl aufweisen als die Fachgruppe. Auch nach der Rechtsprechung des BSG gibt es keinen Anspruch darauf, ohne relative Fallzahlsteigerung im Vergleich zur Fachgruppe den Honorarumsatz absolut und relativ zu steigern. Auch dies widerspräche dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. 3. Auch unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Härtefalls nach § 31 VM (Antragsverfahren zur Sicherstellung) steht dem Kläger weder ein Anspruch auf höheres Honorar noch auf Neubescheidung zu. Zum einen liegen die Voraussetzungen nach dessen Abs. 1 nicht vor, insbesondere kein außergewöhnlicher Grund (z.B. Krankheit des Arztes, Praxisschließungen), der zu einer niedrigeren Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal geführt hat (Buchst. a letzter Spiegelstrich). Die unternehmerische Entscheidung des Klägers, nach den geschilderten Streitigkeiten die BAG zu verlassen, sind mit den genannten Regelbeispielen wertungsmäßig nicht zu vergleichen. Im Übrigen könnte der Kläger im vorliegenden Verfahren keine Härtefall-/Sicherstellungsgründe geltend machen. Dies ist nach § 31 Abs. 3 VM ausschließlich im Rahmen eines entsprechenden Antragsverfahrens möglich, und Widersprüche gegen RLV-Zuweisungen oder Honorarabrechnungen sind nicht zulässig, soweit sie sich inhaltlich auf die antragsgebundenen Sachverhalte gemäß Abs. 1 beziehen und die Antragsverfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen sind. Zu den Anträgen ergehen gesonderte rechtsbehelfsfähige Bescheide, und eventuelle Nachvergütungen aus Antragsbescheiden erfolgen auch bei Bestandskraft der betroffenen Honorarabrechnungsquartale. Eine solche Elementenfeststellung in einem gesonderten Verfahren ist im Vertragsarztrecht zulässig (BSG, Urteil vom 2. August 2017 – B 6 KA 16/16 R; LSG Hamburg, Urteil vom 21. November 2019 – L 5 KA 25/17).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved