S 15 KR 7/17

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 15 KR 7/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Vorschriften der Gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V finden Anwendung, wenn ein in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Versicherter dauerhaft in Deutschland lebt, Artikel 17, 21 EGV 883/2004. Es gilt der Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Selbst bei Annahme, die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V bewirke keine Naturalleistung (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 9/18 R) bleibt der Anwendungsbereich der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V verschlossen, wenn der Anspruch von Anfang an auf eine Geldleistung gerichtet war (BSG. Urteil vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 21/19 R).

Das fehlende Einhalten des Beschaffungsweges findet seine „Heilung“ nicht über eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V. Vielmehr schlägt dieser Mangel auf § 13 Abs.3a SGB V durch.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Kostenerstattung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V - Gesetzliche Krankenversicherung) für eine 2016 durchgeführte Operation.

Der ... geborene Kläger mit österreichischer Staatsbürgerschaft lebt in K. in Sachsen-Anhalt. Er ist bei der VGKK in Österreich versichert. Die VGKK stellte dem Kläger am 17. Juni 2004 eine Bescheinigung des Anspruchs der in einem anderen als dem zuständigen Staat wohnenden Versicherten auf Sachleistungen bei Krankheit und Mutterschaft (Formular E106) aus.

Der Kläger hat sich zur Behandlung eines Prostatakarzinoms in das Universitätsklinikum H. E. (U ...) in Behandlung begeben. Im Zusammenhang mit einer geplanten Biopsie wendete sich der Kläger hinsichtlich der Kostenübernahme zunächst an die VGKK. Diese teilte dem Kläger mit Schreiben vom 28. Dezember 2015 mit, dass die Beklagte für Behandlungen, die in Deutschland stattfinden, zuständig sei. Sie forderte den Kläger auf, den Kostenvoranschlag bei der Beklagten einzureichen.

Der Kläger stellte mit Schreiben vom 18. Dezember 2015 bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine 3D-TRUS-MR-Fusion der Prostata (Biopsie). Mit Bescheid vom 7. Januar 2016 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für eine 3D-TRUS-MR-Fusion der Prostata zunächst ab. Die Leistung sei nicht im Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung enthalten. Es handele sich um eine individuelle Gesundheitsleistung. Dem dagegen gerichteten Widerspruch vom 18. Januar 2016 half die Beklagte mit Bescheid vom 18. Februar 2016 ab. Die Beklagte hob den Bescheid vom 7. Januar 2016 auf und erklärte sich zur Übernahme der Kosten für die Biopsie nach 3D-TRUS-MR-Fusion der Prostata bereit.

Im Anschluss an die Biopsie war für den Kläger eine Operation des Prostatakarzinoms mit stationärem Aufenthalt im U ... geplant. Bei der Operation sollte die DaVinci-Operationsmethode zur Anwendung kommen. Einen Kostenvoranschlag hierfür reichte der Kläger weder bei der VGKK noch bei der Beklagten ein.

Am 30. März 2016 schloss der Kläger mit dem U ... einen allgemeinen Behandlungsvertrag. Darin heißt es unter anderem:

" Sofern kein gesetzlicher Krankenversicherungsschutz besteht, oder Wahlleistungen in Anspruch genommen werden, die von gesetzlichen/privaten Krankenversicherung nicht umfasst sind, besteht nach Maßgabe der jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften keine Leistungspflicht eines öffentlich-rechtlichen Kostenträgers (z.B. Krankenkassen etc.). In diesen Fällen ist der Patient als Selbstzahler zur Zahlung des Entgelts gem. LEV für die Krankenhausleistungen verpflichtet ...". Der Kläger schloss am selben Tag mit der M.i-K. a ... GmbH eine Zusatzvereinbarung zur Leistungsvereinbarung über die Durchführung einer Radikalen Prostatektomie mit dem DaVinci-Operationssystem. Darin heißt es unter anderem:

" Für den Einsatz des Operationssystems DaVinci besteht keine medizinische Notwendigkeit. Bei der Inanspruchnahme dieser Operationstechnik handelt es sich um eine Verlangensleistung, die nicht zu den allgemeinen Krankenhausleistungen zählt, in denen lediglich erbrachte Leistungen abgedeckt sind, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. [ ] Die M.-K. berechnet Ihnen als Patient für den Einsatz des DaVinci-Operationssystems einen gesonderten Betrag in Höhe von 1.995,00 Euro. [ ] Ich bin darüber aufgeklärt worden, dass ich als Selbstzahler zur Entrichtung der Mehrkosten für den Einsatz des Operationssystems DaVinci verpflichtet bin. Ich erkläre ausdrücklich, dieser Leistung und der Zahlung der Mehrkosten zugestimmt zu haben ".

In der Zeit vom 30. März bis zum 5. April 2016 wurde der Kläger im U ... (M.-K.) stationär behandelt. Am 31. März 2016 erfolgte eine DaVinci-roboterassistierte laparoskopische pelvine Lymphadenektomie und radikale Prostatektomie mit NEUROSafe-basierter schnellschnittüberwachter linksseitiger Nerverhaltung, sekundäre Resektion des rechten GNS (Operationsbericht vom 31. März 2016; Epikrise vom 11. April 2016).

Die M.-K. d. U ... beschreibt auf ihrer Internet-Homepage (Stand: September 2020) die DaVinci-Methode wie folgt: " Das daVinci®-Operationssystem ist ein roboter-assistiertes Chirurgiesystem mit dem minimal-invasive Operationen durchgeführt werden. Es unterstu&776;tzt Ärzte bei so genannten laparoskopischen Operationen ("Schlu&776;ssellochchirurgie"). Statt großer Bauchschnitte genu&776;gen hierbei 5 bis 12 mm kleine Schnitte, durch die die nötigen Instrumente sowie eine Kamera in den Körper eingeführt werden ...".

Das U ... stellte zwei Rechnungen. Die Rechnung über die stationäre Behandlung in Höhe von 8.540,14 Euro war an die Beklagte gerichtet. Diese Kosten übernahm die Beklagte. Mit einer weiteren - an den Kläger adressierten Rechnung vom 6. Mai 2016 - machte das U ... die Kosten für die DaVinci-Operationsmethode in Höhe von insgesamt 1.995,00 Euro geltend. Die Rechnung beglich der Kläger am 1. Juni 2016.

Mit Schreiben vom 17. Mai 2016 legte der Kläger der Beklagten die Rechnung des U ... vor und beantragte die Übernahme der Kosten in Höhe von 1.995,00 Euro sowie der Fahrkosten in Höhe von insgesamt 132,30 Euro. Dieses Schreiben ging laut Eingangsstempel bei der Beklagten am 24. Mai 2016 ein.

Mit Bescheid vom 20. Juni 2016 lehnte die Beklagte die Kostenerstattung für die DaVinci-Operationsmethode mit der Begründung ab, diese Leistung beruhe auf einer privaten Honorarvereinbarung. Für die stationäre Behandlung des Klägers im U ... habe die Beklagte gegenüber dem U ... bereits eine Rechnung in vertraglicher Höhe von 8.540,14 Euro beglichen.

Hiergegen wendete sich der Kläger mit seinem - nicht ausdrücklich als Widerspruch bezeichneten - Schreiben vom 26. Juni 2016 und sodann mit ausdrücklichem Widerspruchsschreiben vom 12. Juli 2016. Die bei ihm angewandte Operationsmethode sei nervenschonend und erforderlich gewesen. In ähnlichen Fällen hätten andere Krankenkassen die Rechnung über die Kosten für die DaVinci-Operationsmethode übernommen. Er habe zumindest erwartet, dass ein Großteil der Kosten übernommen werden würde.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte die VGKK mit, sie werde die Kosten nicht tragen, da der Kläger eine private Behandlung in Anspruch genommen habe (Schreiben vom 22. August 2016). Zudem richte sich der Leistungsanspruch nach dem für die Beklagte geltenden Recht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die Kosten seien anstelle des Naturalleistungsanspruchs nicht zu übernehmen, da die Beklagte nicht vor Inanspruchnahme der Leistung mit dem Leistungsbegehren befasst gewesen sei. Bei der DaVinci-Operationsmethode handele es sich um eine nicht anerkannte Behandlungsmethode. Auch habe der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) zum Einsatz dieser minimalinvasiven Operationsmethode noch keine Empfehlungen abgegeben. Im Übrigen habe der Kläger einen privaten Behandlungsvertrag geschlossen, der eine Leistungspflicht der Beklagten nicht begründe.

Der Kläger hat am 24. Januar 2017 Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben.

Er trägt vor, sein Gesundheitszustand habe sich Anfang 2016 verschlechtert. Daher habe die Operation schnell durchgeführt werden müssen. In einer Beratungsstunde im U ... am 3. Februar 2016 seien ihm die Kosten der Behandlung erläutert worden. Daraufhin habe er mit einer Mitarbeiterin der Beklagten telefoniert. Sie habe ihm mitgeteilt, er solle die Operation durchführen lassen und sodann der Beklagten die Rechnung - wie zuvor bei der Biopsie - vorlegen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 20. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für die Prostatektomie mittels DaVinci-Operationssystem in Höhe von insgesamt 1.995,00 Euro zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, Kostenzusagen gegenüber dem Kläger weder schriftlich noch telefonisch gemacht zu haben. Die DaVinci-Operationsmethode gehe über das Maß des Notwendigen hinaus. Kosten hierfür seien deshalb nicht zu übernehmen. Zudem habe der Kläger mit dem U ... eine Zusatzvereinbarung geschlossen. Der Kläger sei vorher von dem U ... darüber aufgeklärt worden, dass es sich hierbei um Kosten als "Selbstzahler" handele.

Im Nachgang zu einer nichtöffentlichen Sitzung zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 28. Juni 2018 hat die Beklagte eine Erklärung der vom Kläger benannten Mitarbeiterin vorgelegt. Diese erklärt, keine Kostenzusage erteilt zu haben. Weiter heißt es: " Grundsätzlich verfahre ich so, dass wir telefonisch eine leistungsrechtliche Prüfung eines Kostenübernahmeantrages in Aussicht stellen ". In Ergänzung des Verwaltungsvorgangs hat die Beklagte einen Vermerk einer anderen Mitarbeiterin vorgelegt. Daraus ist ersichtlich, dass die Beklagte versuchte, mit dem Kläger telefonisch in Verbindung zu treten. In dem Vermerk heißt es unter anderem: " Leistung bereits erfolgt? [ ] um [ ] Ihren Widerspruch abschließend bearbeiten zu können, benötigen wir die Höhe der Kosten genannt ".

Auf Nachfrage des Gerichts hat das U ... mit Schreiben vom 11. Mai 2020 weitere Unterlagen übersandt, unter anderem eine gegenüber der Beklagten gesonderten Rechnung über die Operationskosten für den Kläger vom 31. März 2016. Von dieser Rechnung war die DaVinci-Operationsmethode ausgenommen worden.

Die Gerichtsakte und der beigezogene Verwaltungsvorgang der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist unbegründet §§ 54 Abs. 1 und 4, 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

1.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 20. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2016 über die Ablehnung der Kostenübernahme für den Einsatz der DaVinci-Operationsmethode in Höhe von insgesamt 1.995,00 Euro. Nicht streitgegenständlich ist die Übernahme der weiteren Kosten für die stationäre Behandlung des Klägers in dem Zeitraum vom 30. März bis zum 5. April 2016. Diese Kosten hat die Beklagte dem U ... in Höhe von 8.540,14 Euro unstreitig erstattet. Von einer Beiladung der VGKK hat das Gericht abgesehen, da die Verordnung der Europäischen Union EGV 883/2004 in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unmittelbar geltendes Recht ist. Der Kläger lebt dauerhaft in Deutschland. Deutschland ist hierbei ein "anderer als der zuständige Mitgliedstaat" im Sinne Artikel 1s, 17, 21 EGV 883/2004. Die Beklagte ist primär als "Träger des Wohnorts" im Sinne Artikel 1r EGV 883/2004 zuständig. Auch das UKE war nicht notwendig beizuladen. Ein auf ärztlicher Aufklärungspflichtverletzung resultierender Erstattungsanspruch (Leistung ohne Rechtsgrund) war hier nicht festzustellen (sogleich unter 2.).

2.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme seiner Kosten für die operative Behandlungsmethode "DaVinci". Der Bescheid vom 20. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Anwendungsbereich des SGB V ist für den Kläger eröffnet. Der Kläger hat die österreichische Staatsbürgerschaft und lebt dauerhaft in Deutschland. Wegen der grenzüberschreitenden Leistungsinanspruchnahme richtet sich der Leistungsanspruch nach der Verordnung der Europäischen Union vom 29. April 2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit - EGV 883/2004. Einschlägig ist zunächst Artikel 17 (Sachleistung) der EGV 883/2004. Danach erhalten Versicherte oder deren Familienangehörige, die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen, in dem Wohnmitgliedstaat Sachleistungen, die vom Träger des Wohnorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden, als ob sie nach diesen Rechtsvorschriften versichert wären. Aus Art 21 EGV 883/2004 (Geldleistung) folgt nichts anderes. Ein nur vorrübergehender Aufenthalt des Klägers in Deutschland ist dem hier zugrundeliegenden Sachverhalt nicht erkennbar, so dass die Beschränkungen des Art. 19 und 20 EGV 883/2004 keine Anwendung finden.

Ein Anspruch ergibt sich weder aus § 27 Abs. 1 SGB V (a), noch aus § 13 Abs. 3 SGB V (b)) oder § 13 Abs. 4 SGB V (c)). Der Kläger kann seinen geltend gemachten Kostenübernahmeanspruch auch nicht auf eine Zusicherung stützen (d)). Er resultiert auch nicht aus einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V (e)). Auch aus europäischem Gemeinschaftsrecht lässt sich ein Kostenerstattungsanspruch nicht herleiten (f)).

a) Ein Anspruch nach § 27 SGB V ist schon deshalb nicht gegeben, da der Kläger mit seiner Klage nicht eine Krankenbehandlung als Sachleistung im Sinne des § 11 Erstes Buch Sozialgesetzbuch begehrt. Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Seine Grenzen findet der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten in dem Gebot der Qualität, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, §§ 2 Abs.1, 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) müssen mithin zweckmäßig und wirtschaftlich sein und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die betreffende Therapie ist rechtlich von der Leistungspflicht der GKV nicht umfasst. Die DaVinci-Operationsmethode ist im Leistungskatalog der GKV nicht enthalten. Als neue Behandlungsmethode ist die DaVinci-Operationsmethode nicht anerkannt. Der GBA hat nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V keine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. November 2006, B 1 KR 24/06 R).

aa) Der Kläger hat sich die Leistungen bereits vor Antragstellung selbst beschafft. Daher war von Anfang an keine Sachleistung streitig. Die im Verwaltungsvorgang (im gerichtlichen Verfahren nachgereichte) Dokumentation über einen versuchten Telefonkontakt am 3. Februar 2016 belegt eine (mündliche) Antragstellung nicht. Aus dem Zusammenhang des Verwaltungsvorgangs ist der Vermerk dem vorhergehenden Leistungsfall einer Biopsie und das vom Kläger geführte Widerspruchsverfahren gegen den Ablehnungsbescheid über die Kostenübernahme einer Biopsie vom 7. Januar 2016 zuzuordnen.

bb) Der Kläger hat mit dem U ... (M. K.) am 30. März 2016 eine Zusatzvereinbarung geschlossen. Diese Vereinbarung beruht auf einem privatrechtlichen Vertrag. Die Wirksamkeit des Vertrages ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zu prüfen. Eine offensichtliche Aufklärungspflichtverletzung der behandelnden Ärzte drängt sich dem Gericht nicht auf (vgl. auch BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 - B 1 KR 6/11 R). Der Kläger war über die zusätzliche Behandlung mit einem robotergestützten Operationssystem (DaVinci) aufgeklärt worden. Insbesondere wurde er darauf hingewiesen, dass es sich um eine Leistung außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung handelt. Dies hat der Kläger mit seiner Unterschrift unter der Zusatzvereinbarung bestätigt.

b) Die Voraussetzungen für einen Kostenübernahmeanspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V sind nicht erfüllt. Nach § 13 Abs. 3 SGB V besteht für Versicherte gegenüber der Krankenkasse ein Anspruch auf Kostenübernahme für selbst beschaffte Leistungen, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, soweit die Leistung notwendig war.

Der Anspruch des Klägers war von Anfang an auf eine Kostenerstattung der bereits erbrachten Leistungen gerichtet. Es fehlt bereits – wie dargestellt – an der Notwendigkeit der Leistung. Die DaVinci-Operationsmethode ist keine durch den GBA anerkannte, wirtschaftliche Therapiemethode. Schließlich ist die "Unaufschiebbarkeit" im Sinne des § 13 Abs. 3 SGB V zu verneinen. Der Kläger hat den sogenannten "Beschaffungsweg" nicht eingehalten. Die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V setzt voraus, dass die Krankenkasse sich vor der Leistungsinanspruchnahme mit dem Leistungsbegehren befassen konnte (BSG, Urteil vom 19. Juni 2001 - B 1 KR 23/00 R; Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 6. Auflage 2018, § 13, Rn. 25).

Der Kläger hat nach eigenem Vortrag, am 3. Februar 2016 an einem Beratungsgespräch im U ... über die entstehenden Kosten teilgenommen. Bis zum Operationstermin am 31. März 2016 war nach Auffassung des Gerichts ausreichend Zeit verblieben, die roboterunterstützte Operation als Sachleistung bei der Beklagten zu beantragen (Naturalleistungsprinzip). Die Befassung der Beklagten mit dem Leistungsbegehren war dem Kläger auch zumutbar. Diesen Antrag auf Naturalleistung hat der Kläger nicht gestellt. Sein Vortrag, mit einer Mitarbeiterin der Beklagten hierzu telefonisch Kontakt gehabt zu haben, lässt sich dem Verwaltungsvorgang nicht entnehmen.

c) Die Regelungen des § 13 Abs. 4 SGB V sind nicht anwendbar, da sie für "Versicherte" gelten. Der Kläger ist nicht bei der Beklagten, sondern bei der VGKK versichert. Ob der Anwendungsbereich über Art. 21 der EU-Verordnung 883/2004 eröffnet ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist der deutsche Leistungskatalog zugrunde zu legen (vgl. für den umgekehrten Fall einer Deutschen mit Wohnsitz in Deutschland und Behandlungsfall in einem anderen Mitgliedstaat der europäischen Union: BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 21/19 R; Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 6. Auflage 2018, § 13, Rn. 54). Danach fehlt es bei der DaVinci-Operationsmethode an der anerkannten oder durch den GBA als notwendig empfohlenen Behandlungsmethode.

d) Der Kläger kann den Kostenübernahmeanspruch auch nicht auf eine Zusicherung der Beklagten stützen. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung) der schriftlichen Form. Die Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X dient dazu, dem Adressaten Gewissheit über das künftige Handeln der Behörde zu verschaffen. Die bloße mündliche Zusage ist nicht zulässig (Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 34, Rn. 25). Der Vortrag des Klägers, telefonisch eine Zusage zur Kostenübernahme erhalten zu haben, schlägt mithin fehl. Eine schriftliche Zusicherung der Beklagten ist dem Verwaltungsvorgang nicht zu entnehmen. Das Vorliegen einer solchen wurde vom Kläger auch nicht vorgetragen.

e) Der Kläger hat keinen sachleistungsersetzenden Kostenanspruch gegenüber der Beklagten aufgrund einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V.

Nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gilt die beantragte Leistung als genehmigt, wenn nach dem Ablauf der Frist von drei Wochen gegenüber dem Antragsteller keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die spätere Entscheidung über die beantragte Leistung erfolgt. Die Drei-Wochen-Frist war bei einem Antrag vom 17. Mai 2016 am 7. Juni 2016 abgelaufen. Bis dahin hatte die Beklagte ihre Ablehnungsentscheidung (Bescheid vom 20. Juni 2016) noch nicht bekannt gegeben.

§ 13 Abs. 3a SGB V regelt nur das Verfahren des Sachleistungsanspruchs. § 13 Abs. 3a findet keine Anwendung auf Ansprüche, die unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind (BSG, Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R; Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 21/19 R). Zwar geht nunmehr das Bundessozialgericht davon aus, dass die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V selbst keinen eigenständigen Naturalleistungsanspruch begründet (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 9/18 R). Wenn aber das Leistungsbegehren von Anfang an auf einen Kostenerstattungsanspruch gerichtet war, wie insbesondere sich der Versicherte die (Natural-)Leistungen vor Antragstellung selbst beschafft hat, verbleibt es bei der fehlenden Anwendbarkeit der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 21/19 R). Der Kläger hat nicht nachweisen können - wie oben dargelegt -, vor Selbstbeschaffung der Leistung (Durchführung der Operation mittels DaVinci-Operationsmethode) einen entsprechenden Antrag bei der Beklagten gestellt zu haben. Das fehlende Einhalten des Beschaffungsweges findet seine "Heilung" nicht über eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V. Vielmehr schlägt dieser Mangel auf § 13 Abs.3a SGB V durch.

f) Ein Anspruch besteht auch nicht im Wege der Leistungsaushilfe. Artikel 17 der EGV 883/2004 ist nicht anwendbar, da diese Vorschrift nur die Sachleistung regelt. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht unmittelbar aus Artikel 21 der EGV 883/2004. Nach Satz 1 haben Versicherte und dessen Familienangehörige, die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen oder sich dort aufhalten, einen Anspruch auf Geldleistungen, die vom zuständigen Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften erbracht werden. Nach den für die Beklagte geltenden Rechtsvorschriften können - wie oben dargestellt - die vom Kläger geltend gemachten Kosten nicht übernommen werden.

Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Einsatz des DaVinci-Operationssystems besteht auch nicht nach Artikel 21 Satz 2 der EGV 883/2004. Nach Satz 2 können Geldleistungen im Einvernehmen zwischen dem zuständigen Träger und dem Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden.

Hier fehlt es am Einvernehmen zwischen der Beklagten und der VGKK. Ein solches hat vor der Leistungsinanspruchnahme nicht bestanden. Die (nachträgliche) Kostenübernahme lehnte die VGKK gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 22. August 2016 sogar ausdrücklich ab.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Kläger ist auch im Wege der sogenannten Leistungsaushilfe nach § 183 SGG privilegiert. Seine Krankenversicherung in Österreich steht dem nicht entgegen. Insoweit ist die EGV 883/2004 – gleichwohl sie keine Regelung über Verfahrenskosten enthält – so zu verstehen, dass über die Versicherung in einem Mitgliedstaat auch der Privilegierungsstatus des § 183 SGG zuteil wird.
Rechtskraft
Aus
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