S 1 R 544/13

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 R 544/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2013 wird insoweit aufgehoben, als die Klägerin darin zur Rückzahlung überzahlter Rente von mehr als 4.943,88 Euro aufgefordert worden ist.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat 60 v. H. der außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung überzahlter Altersrente aufgrund der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen.

Die Beklagte bewilligte der am ... 1947 geborenen Klägerin mit Rentenbescheid vom 27. April 2007 eine Altersrente für Schwerbehinderte Menschen ab dem 1. August 2007 in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 415,72 Euro. Neben dem Rentenbezug war die Klägerin als selbständige Fußpflegerin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden tätig.

Am 11. Februar 2013 gingen bei der Beklagten Kopien der Einkommensteuerbescheide der Klägerin für die Jahre 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011 ein.

Nach vorheriger Anhörung berechnete die Beklagte die Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Rentenbescheid vom 29. Mai 2013 neu. Mit Wirkung ab dem 1. August 2007 wurde die Rente als Teilrente in Höhe von einem Drittel der Vollrente, ab dem 1. Januar 2008 als Teilrente in Höhe der Hälfte der Vollrente, ab 1. Januar 2009 in Höhe der Vollrente, ab 1. März 2010 als Teilrente in Höhe von zwei Dritteln der Vollrente und ab 1. September 2012 als Vollrente geleistet. Ab dem 1. Juli 2013 ergab sich ein monatlicher Zahlbetrag von 717,89 Euro. Zugleich hob die Beklagte den Rentenbescheid vom 27. April 2007 mit Wirkung ab dem 1. August 2007 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 und 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf und forderte die Klägerin zur Rückzahlung überzahlter Rente i.H.v. 12.496,43 Euro auf. Zur Begründung gab die Beklagte an, der Rentenbescheid habe den Hinweis enthalten, dass der Bezug von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aufgrund einer abhängigen Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit Einfluss auf die Rentenhöhe nehmen könne. Die Klägerin habe daher gewusst, dass sich ein schädlicher Hinzuverdienst unmittelbar auf die Rentenhöhe auswirke.

Den gegen den Bescheid am 11. Juni 2013 erhobenen und nicht begründeten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2013 zurück.

Mit der am 8. November 2013 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, sie nicht zur Rückzahlung überzahlter Altersrente verpflichtet. Die Beklagte habe bei der Berechnung des anzurechnenden Einkommens nicht berücksichtigt, dass die Einkünfte steuerpflichtig seien. Zudem habe sie die Möglichkeit des zweimaligen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen innerhalb eines Kalenderjahres nicht geprüft. Eine Verletzung von Mitteilungspflichten sei der Klägerin nicht vorzuwerfen, da sie ihre Steuerbescheide zeitnah vorgelegt habe. Insbesondere die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 habe sie bereits in den Jahren 2009 und 2010 in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in W. abgegeben, so dass der Beklagten die Überschreitung von Hinzuverdienstgrenzen bereits zu diesen Zeitpunkten bekannt gewesen sei. Die von der Beklagten einzuhaltende Jahresfrist für die Aufhebung sei im Hinblick auf die Jahre 2007 und 2008 jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 29. Mai 2013 verstrichen gewesen.

Die Klägerin beantragt,

den Rentenbescheid der Beklagten vom 29. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2013 aufzuheben und ihr Rente auf Grundlage des Bescheides vom 26. April 2007 mit Wirkung ab 1. August 2007 dauerhaft zu bewilligen und auch über den 1. Juli 2013 hinaus zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, wegen des großen Verwaltungsaufwandes bei der Ermittlung des monatlichen Einkommens sei bei Selbständigen eine pauschalierende Ermittlung durch Division des in einem Kalenderjahr erzielten Einkommens durch die Anzahl der Monate, in denen die selbständige Tätigkeit ausgeübt worden sei, zulässig. Hierfür sei regelmäßig auf den Einkommensteuerbescheid zurückzugreifen. Weitere Steuerunterlagen als diejenigen, die sich in den Verwaltungsakten befänden, seien nicht zum Vorgang gelangt, obwohl diese anscheinend durch die Beklagte schriftlich angefordert worden und daraufhin von der Klägerin in der Auskunfts- und Beratungsstelle abgegeben worden seien. Aus welchen Gründen weder die schriftlichen Anforderungen noch die Antworten in den Verwaltungsakten vorhanden seien, sei nicht mehr nachvollziehbar.

Die Klägerin hat im Klageverfahren den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 vorgelegt, in welchem Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 3.083 Euro (= 256,92 Euro monatlich) bescheinigt worden sind. Die Beklagte hat daraufhin die Altersrente mit Rentenbescheid vom 1. Juni 2017 neu berechnet und diese als Vollrente ab dem 1. Januar 2012 bewilligt. Da für das Jahr 2012 keine Hinzuverdienstgrenzen überschritten wurden, hat die Beklagte zugleich die Überzahlung von 12.496,43 Euro auf 10.673,11 Euro verringert.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Rentenbescheid vom 29. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2013 sowie der Rentenbescheid vom 1. Juni 2017, welcher die Rückforderung auf 10.673,11 Euro reduziert hat und der daher gem. § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist.

Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung der Beklagten ist § 48 SGB X, Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch § 50 SGB X.

Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes. § 45 SGB X regelt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. Ein zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidriger Verwaltungsakt darf für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn die Rücknahme innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen, durch die Behörde erfolgt (§ 45 Abs. 4 S. 2 SGB X) und die Fristen des § 45 Abs. 3 SGB X beachtet wurden. § 45 SGB X findet also Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des aufzuhebenden Verwaltungsakts voneinander ab (vgl. Bundessozialgericht – BSG-, Urt. v. 29.11.2012, B 14 AS 6/12 R, juris Rz. 17; BSG, Urt. v. 1.6.2006 - B 7a AL 76/05 R - BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr. 4 Rz. 13).

Zum Zeitpunkt des Erlasses des Rentenbescheides vom 27. April 2007 war dieser objektiv rechtmäßig, denn es stand noch nicht fest, ob die Klägerin über der Hinzuverdienstgrenze liegendes Einkommen aus ihrer selbständigen Tätigkeit erzielen würde. Dass und in welcher Höhe Einkommen aus Gewerbebetrieb erzielt werden würde, war erst nach Ablauf des Geschäftsjahres 2007 berücksichtigungsfähig. Mit Ablauf des Geschäftsjahres 2007 und damit nach Erlass des Bescheides vom 27. April 2007 haben sich damit die Verhältnisse wesentlich geändert. Auch die übrigen Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung nach § 48 Abs. 1 SGB X liegen dem Grunde nach vor.

Nach § 34 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) besteht vor Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf eine Rente wegen Alters nur, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Absatz 3 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 3 im Lauf eines Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Die Vorschrift will den Gleichklang und die Parallelität von Sozialversicherungs- und Steuerrecht sicherstellen, indem die Wertungen des Einkommensteuerrechts maßgeblich sind. Für die Begründung eines eigenen sozialversicherungsrechtlichen Begriffs des "Arbeitseinkommens aus selbstständiger Tätigkeit" neben dem steuerrechtlichen Begriff der Gewinneinkünfte aus selbstständiger Tätigkeit bleibt kein Raum. Ungeachtet dessen, dass das Einkommensteuerrecht den Begriff des Arbeitseinkommens nicht kennt, soll damit nach dem Wortlaut des Gesetzes und der Gesetzesbegründung für die Frage, ob Einkommen aus selbstständiger Arbeit erzielt wird, das in der Terminologie des SGB als Arbeitseinkommen bezeichnet wird, allein das Steuerrecht maßgebend sein, um den Sozialleistungsträgern eine eigenständige und mitunter schwierige Prüfung der Zuordnung und Ermittlung der Höhe von Arbeitseinkommen zu ersparen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.3.2006 – L 10 R 5066/02 m.w.N.).

Grundsätzlich ist es Sache der Beklagten, aufgrund der ihr obliegenden Amtsermittlungspflicht (vgl. § 20 Abs. 1 SGB X) darzulegen, dass bei dem Leistungsempfänger ein die Rente minderndes eigenes Erwerbseinkommen in Form von Arbeitseinkommen vorliegt. Dieser Darlegungslast genügt sie dadurch, dass sie bei der Frage, ob bestimmte Einnahmen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder als solche aus Vermietung und Verpachtung anzusehen sind, auf die finanzamtlichen Feststellungen im Einkommensteuerbescheid zurückgreift. Dabei besteht allerdings mangels Vorliegens einer besonderen gesetzlichen Regelung keine strikte rechtliche Bindung an Entscheidungen der Finanzbehörden und der Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit im Sinne einer Feststellungswirkung (vgl. BSG, Urt. v. 15.12.1977, 11 RA 38/77, BSGE 45, 244 (245) = SozR 2200 § 1423 Nr. 8), denn es kann nicht außer Acht bleiben, dass sich eine unrichtige steuerrechtliche Behandlung bestimmter Einnahmen für den Steuerpflichtigen steuerlich nicht unbedingt nachteilig auswirken muss, weil die Anwendung der einen oder der anderen Vorschrift an seiner Einkommensteuerpflicht nichts ändert und deshalb von der Einlegung von Rechtsmitteln gegen den Steuerbescheid abgesehen wird. Hat der Steuerpflichtige/Versicherte den Einkommensteuerbescheid in einem solchen Fall (falsche Einordnung der Einkünfte) hingenommen, darf ihm das im Sozialversicherungsrecht nicht zwingend zum Nachteil gereichen (vgl. BSG, Urt. v. 22.4.1986, 12 RK 53/84 = SozR 2200 § 180 Nr. 30). Daraus folgt, dass im Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren eine Übernahme der finanzamtlichen Feststellungen jedenfalls dann im Einzelnen zu prüfen ist, d.h. die Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte eine eigene Beurteilung der Einkünfte vorzunehmen haben, wenn der Versicherte/Steuerpflichtige gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen oder die steuerrechtliche Bewertung des Finanzamtes schlüssige und erhebliche Einwendungen erhebt (vgl. BSG Urt. v. 9.9.1993, 5 RJ 60/92, BSGE 73, 77 = SozR 3-2200 § 1248 Nr. 9 m.w.N.). Die Berücksichtigung von Erwerbseinkommen aus selbständiger Tätigkeit ist zudem mit verwaltungspraktischen Schwierigkeiten verbunden. Das einkommenssteuerrechtliche Jährlichkeitsprinzip (§§ 4 Abs. 1 S. 1, 36 Abs. 1 EStG) erlaubt nämlich eine Feststellung von Arbeitseinkommen nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die entsprechenden Einnahmen zufließen und "für" das sozialrechtlich eine Berücksichtigung erfolgen soll. Da vor Ablauf des Kalenderjahres rechtlich nicht von einem "Einkommen" Selbständiger gesprochen werden kann, ergibt sich - soweit dem Sozialleistungsträger der Bezug derartigen Einkommens bekannt ist - sozialrechtlich notwendig eine zeitliche Verzögerung bei der endgültigen Bemessung des Zahlbetrags der Sozialleistung. Vor Ablauf des Kalenderjahres ist im Sinne des Steuerrechts zu verstehendes Arbeitseinkommen daher auch im Kontext der Hinzuverdienstregelungen des SGB VI nicht (tatsächlich) "erzielt" und damit sozialrechtlich berücksichtigungsfähig. Der materiellrechtliche Tatbestand des § 34 Abs. 2 SGB VI erfordert daher für die abschließende Feststellung des sich unter Berücksichtigung des Einkommens aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit ergebenden monatlichen Zahlbetrages stets die abschließende Feststellung des tatsächlich erzielten Arbeitseinkommens auf der Basis der umfassenden und vollständigen Ermittlung und Feststellung aller steuerrechtlich relevanten Umstände (vgl. ausführlich im Kontext von § 96a SGB VI BSG, Urt. v. 9.10.2012, B 5 R 8/12 R, juris Rz. 23, 24).

Die maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen nach § 34 Abs. 3 SGB VI für die Jahre 2007 bis 2012 hat die Beklagte in der Anlage 19 des Rentenbescheides vom 29. Mai 2013 zutreffend dargestellt: Sie betrugen bei einer Rente wegen Alters als Vollrente für die Zeit ab dem 1. August 2007 350,00 EUR, bei einer Rente wegen Alters als Teilrente von zwei Dritteln der Vollrente 405,23 EUR, als Teilrente von der Hälfte der Vollrente 606,11 EUR sowie als Teilrente von einem Drittel der Vollrente 807,00 EUR. Mit einem Einkommen von monatlich 624,00 Euro (7.488 Euro lt. Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007: 12) hat die Klägerin die Hinzuverdienstgrenzen bis auf die Hinzuverdienstgrenze für die Teilrente von einem Drittel der Vollrente überschritten, so dass die Beklagte für das Jahr 2007 zu Recht die Rente als Teilrente in Höhe eines Drittels der Vollrente bewilligt hat. Auch für die übrigen Jahre 2008 bis 2012 weisen die Berechnungen der Beklagten zur Überschreitung des jeweiligen Hinzuverdienstes keine Fehler auf. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Kammer auf die Darstellung der Hinzuverdienstgrenzen in dem Bescheid vom 29. Mai 2013. Nach Auffassung der Kammer konnte die Beklagte unter Berücksichtigung der oben dargestellten verwaltungspraktischen Schwierigkeiten den jeweiligen, in den Einkommensteuerbescheiden ausgewiesenen Jahresverdienst der Klägerin aus Gewerbebetrieb zugrunde legen und diesen durch die Zahl der Monate teilen, in denen die selbständige Tätigkeit ausgeübt worden ist. Eine davon abweichende, monatsweise Ermittlung des Hinzuverdienstes war nicht angezeigt und lässt sich aufgrund etwaig bestehender steuerrechtlicher Besonderheiten nicht rechtfertigen. Derartige Besonderheiten konnten von der Klägerin insbesondere im Klageverfahren nicht schlüssig dargelegt werden. Damit war auf die Möglichkeit des zweimaligen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen innerhalb eines Kalenderjahres nicht näher einzugehen. Der Hinzuverdienst bei selbständiger Tätigkeit stellt grundsätzlich den in dem Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Gewinn dar. Auch steuerliche Abgaben sind nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen.

Mit der Erzielung der über den dargestellten Hinzuverdienstgrenzen liegenden Einkommen haben sich die Verhältnisse, die beim Erlass des Rentenbewilligungsbescheides vorgelegen haben, wesentlich i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X geändert. Zugleich hat die Klägerin nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs auf die volle Altersrente geführt hat. Ein evtl. Verschulden der Klägerin ist bei einer Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht zu berücksichtigen. Allerdings war eine Rückforderung überzahlter Rente für das Jahr 2012 nicht vorzunehmen. Denn nach dem im Klageverfahren vorgelegten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 hat die Klägerin in 2012 nur noch ein monatliches Durchschnittseinkommen aus Gewerbebetrieb von 256,92 Euro (3.083 Euro: 12) erzielt, wodurch die Hinzuverdienstgrenzen nicht überschritten wurden. Eine Rückforderung überzahlter Rente scheidet jedoch auch für die Jahre 2007 und 2008 aus. Denn die Beklagte hat insoweit die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X für eine Aufhebung des Rentenbescheides vom 27. April 2007 nicht eingehalten. Gem. § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X muss die Aufhebung innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen. Eine Kenntnis der für die Aufhebung notwendigen Tatsachen war jedenfalls mit Vorlage der vollständigen Einkommensteuerbescheide vorhanden. Die vollständigen Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungsjahre 2007 bis 2011 sind zwar aktenkundig am 11. Februar 2013 bei der Beklagten eingegangen. Allerdings hat die Beklagte auf Vorhalt der Klägerin eingeräumt, dass sie die Klägerin bereits zeitnah zur Vorlage der Steuerbescheide 2007 und 2008 aufgefordert hat und die Klägerin dieser Aufforderung auch durch Einreichung der Steuerbescheide bei der Auskunfts- und Beratungsstelle in W. nachgekommen ist. Eine Erklärung, warum die Unterlagen nicht zu den Verwaltungsakten genommen worden sind, konnte die Beklagte nicht liefern. Im Zusammenhang mit den glaubhaften Darlegungen der Klägerin und den vorlegten Bestätigungsschreiben der Mitarbeiterin der Beklagten Frau L. geht die Kammer daher davon aus, dass die Einkommensteuerbescheide für 2007 und 2008 tatsächlich in vollständiger Form bereits in den Jahren 2009 und 2010 in der Auskunfts- und Beratungsstelle vorgelegt worden sind. Die erst im Jahre 2013 erfolgte Anhörung und Aufhebung erfolgte damit für die Steuerjahre 2007 und 2008 außerhalb der Jahresfrist.

Insgesamt sind von der ursprünglichen Rückforderungssumme von 12.496,43 Euro daher 1.823,32 Euro für das Jahr 2012 abzuziehen (vgl. Rentenbescheid vom 1. Juni 2017) sowie weitere 1.844,71 Euro für das Jahre 2007 und 3.884,52 Euro für das Jahr 2008. Es verbleibt somit ein Rückforderungsbetrag von 4.943,88 Euro, der von der Klägerin aufgrund der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen zu erstatten ist. Die Klage war daher abzuweisen, soweit die Klägerin sich auch gegen die Rückzahlung dieses Betrages wendet und zugleich die Auszahlung der Rente als Vollrente begehrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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