L 13 VG 65/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 28 VG 68/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 VG 65/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 V 2/21 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.03.2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Versorgungskrankengeld ab Juli 2005.

Der am 00.00.1946 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er erlernte zunächst den Beruf des Optikers, später den des Bankkaufmanns. Ab 1979 war er selbständig tätig, seit den 1980er Jahren im Außendienst für die Bausparkasse T. 1999 erzielte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 83.205 DM, 2000 in Höhe von 85.235 DM und 2001 in Höhe von 58.938 DM.

Am 30.12.1999 hielt sich der Kläger in der Raiffeisenbank T1 auf, als diese von zwei maskierten und bewaffneten Bankräubern überfallen wurde. Der Kläger, der sich wie andere Angestellte und Besucher der Bank auf den Boden legte, wurde nicht verletzt oder unmittelbar bedroht. Die später von der Polizei ermittelten Täter wurden 2003 wegen anderer Überfälle zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Wegen des Überfalls am 30.12.1999 wurde das Verfahren nach § 154 StPO eingestellt.

Der Kläger wurde zeitnah ambulant und stationär insbesondere wegen einer PTBS behandelt. Am 09.05.2000 teilte das Deutsche Institut für Psychotraumatologie in L mit, die Behandlung sei abgeschlossen. Es liege keine Störung mit Krankheitswert mehr vor. Nach einer Wiedereingliederung begab sich der Kläger ab September 2000 erneut in therapeutische Behandlung. Ab April 2001 wurde er wieder arbeitsunfähig. Zum Ende des Monats Januar 2002 beendete der Kläger sein Vertragsverhältnis mit der Bausparkasse T und erhielt einen Ausgleich in Höhe von 111.571 DM.

Die für den Kläger zuständige Berufsgenossenschaft, die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), erkannte den Überfall als Arbeitsunfall an und zahlte eine Verletztenrente zunächst vom 02.05.2000 bis zum 30.04.2002, ab dem 01.09.2000 in Höhe von 1.227,10 EUR monatlich. Auf Grundlage insbesondere eines Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers am 16.02.2005 erkannte die VBG mit Bescheid vom 26.07.2005 als Unfallfolgen eine chronifizierte PTBS mittlerer Ausprägung mit Verschlimmerung eines vorbestehenden Tinnitus links und Tinnitus rechts an und gewährte dem Kläger Rentenleistungen auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v.H. Ab März 2005 betrug die monatliche Rentenhöhe 1.266,64 EUR. Wegen späterer Steigerungen wird auf das Schreiben der VBG an den Beklagten vom 14.09.2010 Bezug genommen. Dr. P hielt den Kläger für dauerhaft arbeitsunfähig wegen des Arbeitsunfalls. Es sei nicht absehbar, dass der Kläger wieder arbeitsfähig werde. Die VBG gewährte dem Kläger zunächst Verletztengeld bis zum 01.05.2000 und dann wieder vom 18.04.2001 bis zum 06.05.2002 (anfänglich in Höhe von kalendertäglich 163,61 EUR). 2005 gewährte sie Verletztengeld rückwirkend bis zum 15.10.2002 und aufgrund eines Vergleichs vom 10.12.2007 in einem sozialgerichtlichen Klageverfahren (S 18 U 303/05 - die Akten wurden zwischenzeitlich ausgesondert) schließlich mit Bescheid vom 31.01.2008 über den 15.10.2002 hinaus bis zum 30.06.2005 in Höhe von zuletzt kalendertäglich 174,56 EUR (monatlich 5.236,80 EUR). Die Nachzahlungen wurden entsprechend verzinst.

Das Versorgungsamt L stellte mit Bescheid vom 12.04.2002 unter Berücksichtigung diverser Erkrankungen und Änderung eines früheren Bescheides vom 09.04.1998 ab dem 23.10.2001 einen GdB von 40 und mit Bescheid vom 18.10.2005 ebenfalls ab dem 23.10.2001 einen GdB von 50 fest.

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV), bei der der Kläger ab 1979 freiwilliges Mitglied war, gewährte dem Kläger nach anfänglicher Ablehnung von Rentenleistungen nach einem sozialgerichtlichen Klageverfahren (S 6 RA 304/04) auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage von Dr. P mit Bescheid vom 28.12.2005 Rentenleistungen wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab März 2005 (zunächst in Höhe von 712,33 EUR monatlich - wegen der folgenden Rentenerhöhungen wird auf das Schreiben der DRV an den Beklagten vom 15.09.2010 verwiesen), mit Bescheid vom 08.03.2007 Rentenleistungen wegen teilweiser Erwerbsminderung für den Zeitraum Oktober 2003 bis März 2004 (in Höhe von 349,09 EUR monatlich) und mit Bescheid vom 12.04.2007 Rentenleistungen wegen voller Erwerbsminderung nunmehr ab April 2004. Dr. P führte in dem Gutachten aus, der Kläger sei seit März 2001 durchgehend arbeitsunfähig. Seit 2010 bezieht der Kläger eine abschlagsfreie Altersrente für schwerbehinderte Menschen, ab 2011 in Höhe von 735,52 EUR monatlich, ab 2015 in Höhe von 763,47 EUR.

Ab April 2004 erhielt der Kläger eine Altersversorgung der Bausparkasse T in Höhe von anfänglich 217,26 EUR monatlich. Von August 2001 bis zur Auszahlung der Versicherungen in 2006 und 2007 erhielt er Rentenleistungen wegen Berufsunfähigkeit aus Lebensversicherungen in Höhe von zuletzt (Juli 2006) 1.407,99 EUR monatlich. 2006 und 2007 wurden u.a. aus diesen Versicherungen insgesamt über 200.000 EUR ausgezahlt. Hinzu kamen regelmäßige Zinseinkünfte und Mieteinnahmen. Wegen der weiteren Einzelheiten seiner damaligen Einkommensverhältnisse wird auf das Schreiben des Klägers an den Beklagten vom 03.10.2010 Bezug genommen.

Am 13.05.2002 beantragte der Kläger beim damaligen Versorgungsamt L Versorgungsleistungen nach dem OEG i.V.m. dem BVG wegen der Folgen des Miterlebens des Banküberfalls am 30.12.1999. Im Anschluss an die dauerhafte Rentengewährung durch die VBG gewährte das Versorgungsamt L mit Bescheid vom 12.09.2005 dem Grunde nach Leistungen nach dem OEG i.V.m. dem BVG und stellte als Schädigungsfolgen "Chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung mittlerer Ausprägung mit Verschlimmerung eines vorbestehenden Tinnitus links und Tinnitus rechts" fest. Auf Seite 2 des Bescheides hieß es, der "Tinnitus links" sei weder hervorgerufen, noch verschlimmert. Die MdE betrage ab dem 01.05.2002 30 v.H. Es bestehe Anspruch auf Grundrente (von zunächst 115 EUR monatlich) sowie Heil- und Krankenbehandlung, die aber beide nach § 65 BVG wegen der Vorrangigkeit der Leistungen der VBG ruhten. Ob ein besonderes berufliches Betroffensein oder erheblicher schädigungsbedingter Einkommensverlust vorlägen, könne wegen der Höhe der Unfallrente dahinstehen.

Der Kläger legte am 04.10.2005 Widerspruch ein. Es seien weitere Schädigungsfolgen festzustellen und die MdE betrage mehr als 30 v.H. Die Bezirksregierung N1 wies den Widerspruch nach Beiziehung der weiteren Ermittlungsergebnisse der VBG und Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2006 zurück.

Der Kläger erhob hiergegen Klage vor dem Sozialgericht Köln (S 8 VG 398/06) und machte neben der Feststellung weiterer Schädigungsfolgen und einer höheren MdE aus medizinischen Gründen geltend, es liege ein besonderes berufliches Betroffensein vor und es stünden Ausgleichsrente, Berufsschadensausgleich sowie Versorgungskrankengeld zu (Schriftsatz vom 12.11.2006). Nach den Feststellungen von Dr. P habe ein Dauerzustand in dem Sinne, dass eine Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr zu erwarten sei, erst im Februar 2005 bestanden. Zu einem früheren Zeitpunkt könne ein Dauerzustand nicht festgestellt werden. Mit dem angefochtenen Bescheid sei über sämtliche Leistungen entschieden worden. In einem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 03.12.2007 einigten sich der Kläger und das damals beklagte Land vergleichsweise dahingehend, dass der Passus zum Tinnitus links auf Seite 2 des angefochtenen Bescheides aufgehoben werde. Auch der Widerspruchsbescheid vom "12.09.2005" (gemeint war der Widerspruchsbescheid vom 14.08.2006 zum Bescheid vom 12.09.2005) werde aufgehoben. Das damals zuständige Versorgungsamt solle nochmals über die Schädigungsfolgen und die MdE unter Einbeziehung eines besonderen beruflichen Betroffenseins entscheiden. Außerdem solle ausgehend von einer Antragstellung am 03.06.2002 über Ausgleichsrente, Berufsschadensausgleich und Versorgungskrankengeld entschieden werden.

In Ausführung dieses Vergleichs erließ der zum 01.01.2008 an die Stelle des Landes getretene Beklagte am 15.01.2008 einen Bescheid, mit dem er unter Aufhebung der bisherigen Bescheide die Schädigungsfolgen und den nunmehr als solchen bezeichneten GdS wie zuvor bzw. in derselben Höhe feststellte, ausführte, dass der Leistungsanspruch ruhe und weitere Ermittlungen sowie eine Bescheidung hinsichtlich der weiteren Leistungen ankündigte.

Der Kläger legte am 21.02.2008 Widerspruch ein, da eine Aufhebung des Bescheides vom 12.09.2005 nicht Gegenstand des Vergleichs gewesen sei.

Der Beklagte zog erneut Unterlagen der VBG sowie der DRV bei und holte einen Befundbericht der Diplompsychologin N sowie eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. D ein. Die Diplompsychologin N gab eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit und eine gleichbleibende MdE an. Dr. D sah Hinweise auf Vorbelastungen, keine Verschlimmerung der PTBS und Anzeichen für eine Verschiebung der Wesensgrundlage. Der Unfall sei nicht gleichwertige Bedingung für die Erwerbsminderung. Es bestünden noch therapeutische Optionen.

Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 09.02.2009 fest, dass ab dem 13.05.2002 dem Grunde nach Anspruch auf Versorgungskrankengeld bestehe, der aber ebenso wie der Anspruch auf Heilbehandlung nach § 65 BVG ruhe. Der Kläger legte am 13.03.2009 Widerspruch ein. Aufgrund der Einigung mit der VBG liege seit Juli 2005 kein vorrangiger Verletztengeldanspruch mehr vor. Der Anspruch auf Versorgungskrankengeld bestehe weiter. Es liege weiter Arbeitsunfähigkeit vor. Der Anspruch sei auch nicht beendet worden. Es fehle insbesondere an der entsprechend der Rechtsprechung des BSG zum Unfallversicherungsrecht (B 2 U 4/04 R) erforderlichen Feststellung eines Dauerzustandes durch einen Bescheid, die im Übrigen nicht rückwirkend erfolgen könne. Die zwischenzeitlich anerkannte Rente stelle keinen Ausschlusstatbestand dar. Im Hinblick auf ein besonderes berufliches Betroffensein und den Berufsschadensausgleich berufe sich der Beklagte mit Verweis auf § 29 BVG darauf, dass gerade kein Dauerzustand vorliege. Der Beklagte wies mit Schreiben vom 18.08.2009 darauf hin, dass ab Juni 2005 laut Dr. P nicht mehr mit dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit zu rechnen gewesen sei, was der Kläger selbst vortrage. Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 19.01.2010 fest, über den 30.06.2005 hinaus bestehe kein Anspruch auf Versorgungskrankengeld. Arbeitsunfähigkeit sei ein vorübergehendes Geschehen, das hier spätestens mit Eintritt der vollen Erwerbsminderung nicht mehr vorgelegen habe. Es fehle auch an entsprechenden weitergehenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Der Bescheid werde nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2010, zugestellt am 10.11.2010, zurück. Heilbehandlung und Versorgungskrankengeld seien untrennbar miteinander verknüpft. Da der Heilbehandlungsanspruch weiter ruhe, könne auch kein Versorgungskrankengeld gezahlt werden. Als Rentner, der keine Erwerbstätigkeit mehr ausübe, könne der Kläger auch nicht mehr arbeitsunfähig sein. Jedenfalls müsse die dem Vergleich mit der VBG zugrunde liegende Annahme eines Dauerzustandes ab Juli 2005 auch für das Versorgungskrankengeld gelten.

In einem parallelen Verwaltungs-, Vor-, Klage- und Berufungsverfahren (S 28 (12, 35, 17) VG 6/09 = L 13 VG 64/15) stritten bzw. haben die Beteiligten über die Erhöhung des GdS wegen besonderen beruflichen Betroffenseins, Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich gestritten.

Der Kläger hat am 10.12.2010 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben.

Er hat vorgetragen, er sei weiter arbeitsunfähig. Der Beklagte sei insofern auch an die Feststellung der Anspruchsberechtigung dem Grunde nach mit Bescheid vom 09.02.2009 gebunden. Die Beendigung der Vertragsbeziehung zur Bausparkasse T Anfang 2002 stehe der Arbeitsunfähigkeit ebenso wenig entgegen wie die spätere Erwerbsminderungsrente. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien anders als im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht notwendig, was sich auch an § 18a Abs. 3 BVG zeige. Im Übrigen sei er nie zur Vorlage solcher Bescheinigungen aufgefordert worden. Ein Dauerzustand sei noch nicht festgestellt worden. Noch im Bescheid vom 10.02.2009 habe sich der Beklagte auf § 29 BVG berufen, was mit der Feststellung eines Dauerzustands nicht zu vereinbaren sei. Der Bescheid vom 19.01.2010 stelle eine Verböserung dar, für die es an den Voraussetzungen von §§ 45, 48 SGB X fehle. Das Ruhen des Heilbehandlungsanspruchs bedeute nicht automatisch ein Ruhen des Versorgungskrankengeldanspruchs. § 65 BVG sei nicht einschlägig, da Versorgungskrankengeld weder ein Versorgungsbezug, noch mit dem Heilbehandlungsanspruch gleichzusetzen sei. Im Übrigen ordne § 65 BVG nur ein Ruhen an, "soweit" keine Leistungen der Unfallversicherung gezahlt würden. § 16f Abs. 3 BVG sehe eine Anrechnung von Rentenleistungen auf das Versorgungskrankengeld vor. Dies zeige, dass Rentenleistungen nicht zum Ruhen oder Wegfall von Versorgungskrankengeld führten. Die Annahme des vom Sozialgericht im Verfahren gegen die VBG vorgeschlagenen Vergleichs zur zeitlichen begrenzten Weiterzahlung von Verletztengeld stelle einen verständigen Grund im Sinne von § 16f Abs. 4 BVG dafür dar, dass er keine weitergehenden Verletztengeldansprüche verfolgt habe.

Der Beklagte hat erwidert, Leistungen nach dem OEG i.V.m. dem BVG ruhten nach § 65 Abs. 3 BVG. Die Leistungen der Unfallversicherung seien generell vorrangig. Ob konkret ein Verletztengeldanspruch bestehe, sei unerheblich. Versorgungskrankengeld sei Teil des Heilbehandlungsanspruchs. Nach § 11 Abs. 5 BVG i.V.m. § 44 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX (a.F.) umfasse die Heilbehandlung auch ergänzende Leistungen zur Rehabilitation, worunter wiederum das Versorgungskrankengeld falle. Es bestehe auch keine Arbeitsunfähigkeit mehr. § 16f BVG komme nicht zur Anwendung. Es sei fraglich, ob der mit der VBG geschlossene Vergleich wirksam sei, da er sich nach der Argumentation des Klägers zulasten des Beklagten auswirken könnte. Jedenfalls müsse dann, wenn im Bereich der Unfallversicherung von einem Dauerzustand ausgegangen werde, auch im Versorgungsrecht ein Dauerzustand angenommen werden. Die vorliegenden Bescheide stellten im Ergebnis Leistungsablehnungen dar und entfalteten keine Bindungswirkung. Mit den späteren Bescheiden sei lediglich die Begründung geändert worden. Gemäß § 18a Abs. 7 Satz 1 BVG ende der Anspruch auf Versorgungskrankengeld spätestens mit Bezug einer Altersrente.

Das Sozialgericht hat den Kläger wiederholt zum Betreiben des Verfahrens aufgefordert, worauf der Kläger jeweils innerhalb von drei Monaten reagiert hat. Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 10.03.2015 hat es die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob der Anspruch auf Versorgungskrankengeld ruhe oder geendet habe. Ab dem 01.07.2005 lägen seine Voraussetzungen nicht vor. Es fehle für diesen Zeitraum bereits an Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die ebenso wie im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zu fordern seien. Ebenso analog hierzu sei Arbeitsunfähigkeit beim Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nur möglich, wenn auch tatsächlich eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde, was beim Kläger ab dem 01.07.2005 nicht der Fall gewesen sei.

Der Kläger hat gegen das seinem Bevollmächtigten am 07.08.2015 zugegangene Urteil am 07.09.2015 Berufung eingelegt.

Er trägt ergänzend vor, das BVG verweise lediglich auf den Arbeitsunfähigkeitsbegriff des SGB V, nicht aber auf dessen weitere Regelungen zum Krankengeld. Dies zeigten die spezielleren Regelungen in § 18a BVG. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien daher nicht nötig. Die aus den Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien abgeleitete Überlegung, Arbeitsunfähigkeit setze eine Erwerbstätigkeit voraus, beziehe sich allein auf Fälle von Arbeitsunfähigkeit, die nach Beginn der Rente eintrete. Der Bezug einer Erwerbsminderungsrente sei auch kein Ausschlusstatbestand.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.03.2015 - Az. S 28 VG 68/10 - wird abgeändert.

2. Die Bescheide des Beklagten 9.2.2009 und 19.1.2010 - Gz. 62.00 - in der Gestalt, die die Bescheide durch den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 8.11.2010 gefunden haben, werden abgeändert.

3. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Versorgungskrankengeld nach näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen über den 30.06.2005 hinaus zu gewähren.

4. Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, der Anspruch auf Versorgungskrankengeld ruhe als Leistung der medizinischen Rehabilitation wegen eines insofern vorrangigen Anspruchs gegen die VBG. Der Kläger müsse sich vorhalten lassen, dass er sowohl im Schriftsatz vom 12.11.2006 im Verfahren S 8 VG 398/06, als auch gegenüber dem Beklagten im Schriftsatz vom 26.07.2009 selbst damit argumentiert habe, dass eine Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten sei.

Der Berichterstatter hat den Kläger zum Betreiben des Verfahrens aufgefordert, woraufhin der Kläger innerhalb von drei Monaten reagiert hat. Der Sach- und Streitstand ist mit den Beteiligten in einem Termin am 20.05.2016 erörtert worden. Mit Beschluss vom 18.08.2016 ist die Krankenkasse des Klägers zum Verfahren beigeladen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens, die Gerichtsakten der beigezogenen Verfahren S 8 VG 398/06 sowie S 28 (12, 35, 17) VG 6/09 = L 13 VG 64/15 und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, der DRV sowie der VBG Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Weder Klage-, noch Berufungsverfahren haben sich durch fiktive Klage- bzw. Berufungsrücknahme erledigt, da der Kläger jeweils innerhalb von drei Monaten auf die Betreibensaufforderung reagiert hat.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 09.02.2009 in Gestalt des Bescheides vom 19.01.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2010. In der Sache begehrt der Kläger Versorgungskrankengeld für die Zeit ab dem 01.07.2005.

Anspruchsgrundlage ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i.V.m. § 16 Abs. 1 lit. a, 1. HS BVG. Danach wird Versorgungskrankengeld nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Beschädigten gewährt, wenn sie wegen einer Gesundheitsstörung, die als Folge einer Schädigung anerkannt ist , arbeitsunfähig im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung werden.

1. Leistungsvoraussetzungen des OEG

Bei rein materiell-rechtlicher Betrachtung ist ein Leistungsanspruch nach dem OEG im vorliegenden Fall nicht gegeben. Denn nach der neueren Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 1/13 R) setzt ein solcher Anspruch eine unmittelbare körperliche Einwirkung voraus. Zu einer solchen unmittelbaren körperlichen Einwirkung zum Nachteil des Klägers ist es am 30.12.1999 nicht gekommen. Der Senat verweist insofern ergänzend auf seine Ausführungen im Urteil im parallelen Rechtsstreits L 13 VG 64/15 vom selben Tage.

Die Leistungsvoraussetzungen des Grundanspruchs nach § 1 OEG sind hier aber nicht mehr zu prüfen. Mit Bescheid des damaligen Versorgungsamtes L vom 12.09.2005 bzw. dem diesen ersetzten Bescheid des Beklagten vom 15.01.2008 ist als Folge des Miterlebens des Banküberfalls am 30.12.1999 u.a. eine chronifizierte PTBS als Schädigungsfolge festgestellt und dem Grunde nach ein Heilbehandlungsanspruch anerkannt worden. Der Bescheid über die Gewährung von Heilbehandlung ist für Einzelleistungen der Heilbehandlung, wozu auch das Versorgungskrankengeld gehört, als Grundlagenbescheid anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2009 - B 9 VS 3/09 R, juris Rn. 29 und hierzu Borner, in: jurisPR-SozR 10/2010, Anm. 2, C. und D.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.06.2008 - L 13 VS 21/06, juris Rn. 31, 35). Mit Bescheid vom 09.02.2009 wurde darüber hinaus "dem Grunde nach" Versorgungskrankengeld anerkannt. Zwar erklärte der Beklagte mit Bescheid vom 19.01.2010, ab Juli 2005 bestehe kein Anspruch auf Versorgungskrankengeld (mehr), weil mit der Gewährung von Rentenleistungen wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab März 2005 ein Dauerzustand eingetreten sei. Ob damit eine an §§ 44 ff. SGB X zu messende Änderung des Bescheides vom 09.02.2009 erfolgt ist, kann aber an dieser Stelle dahinstehen. Denn jedenfalls bestünde im Hinblick auf Leistungen der Heilbehandlung eine Bindung des Beklagten an die Bejahung der Leistungsvoraussetzungen des OEG aufgrund des Grundlagenbescheids vom 12.09.2005 bzw. 15.01.2008.

2. Arbeitsunfähigkeit

Die weitere Anspruchsvoraussetzung der Arbeitsunfähigkeit ist grundsätzlich ab 2001 erfüllt gewesen. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. P, die sich mit den Angaben der behandelnden Psychotherapeutin N decken.

Im Gegensatz zu der vom Sozialgericht vertretenen Auffassung (vgl. dazu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2014 - L 6 VG 4352/13, juris Rn. 57; wohl auch Rohr/Strässer/Dahm, BVG, § 16-3; offen gelassen in LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2014 - L 6 VG 3811/12, juris Rn. 33), steht der Annahme von Arbeitsunfähigkeit nicht zwingend entgegen, dass keine durchgängigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach Muster 1 der "Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung" (Vordruckvereinbarung) vorliegen.

Unabhängig von der Frage, ob für einen Anspruch auf Versorgungskrankengeld nach dem BVG grundsätzlich - ebenso wie für die Zahlung von Krankengeld nach dem SGB V - Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach Muster 1 der Vordruckvereinbarung zu fordern sind, ist zu berücksichtigen, dass auch im Recht der GKV die Arbeitsunfähigkeit nicht stets und zwingend durch einen Vertragsarzt auf dem amtlichen Vordruck nach Muster 1 der Vordruckvereinbarung festgestellt werden muss (vgl. nur Sonnhoff, in: jurisPK-SGB V, Stand: 15.06.2020, § 46 SGB Rn. 70 ff. m.w.N. aus der Rspr.; vgl. aber auch BSG, Urteil vom 29.10.2020 - B 3 KR 6/20 R - Terminbericht). Letztlich kommt es hier jedoch nicht entscheidend darauf an, ob die von Dr. P auf Grundlage seiner Untersuchung des Klägers im Februar 2005 attestierte Arbeitsunfähigkeit den Gehalt einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der hier einschlägigen Fassung hat. Denn der vom Kläger geltend gemachte Anspruch scheitert jedenfalls aus den im Folgenden skizzierten Aspekten.

3. Beendigungstatbestände

Schon dem Entstehen des Anspruchs auf Versorgungskrankengeld steht aber entgegen, dass bereits zum Beginn des streitigen Zeitraums Beendigungstatbestände erfüllt waren.

Diese Prüfung ist nicht etwa deshalb obsolet, weil der Beklagte im Bescheid vom 09.02.2009 ausführte, der Kläger habe einen Anspruch auf Versorgungskrankengeld "dem Grunde nach". In den Gründen des Bescheides, die zur Auslegung des Verfügungssatzes herangezogen werden können, wird lediglich - und zutreffenderweise, s.o. - ausgeführt, dass bereits eine Schädigungsfolge anerkannt worden sei. Allein insofern bestand eine Bindung. Schon die weitere Leistungsvoraussetzung der Arbeitsunfähigkeit wurde dagegen nicht bejaht, sondern offen gelassen. Dies zeigt sich an der Formulierung im vierten Absatz der "Gründe", wonach "dem Grunde nach Anspruch auf Versorgungskrankengeld für die Zeiträume" bestehe, "in denen Arbeitsunfähigkeit bestanden hat" (gleichbedeutend mit "wenn" oder "falls" Arbeitsunfähigkeit bestanden hat). Weitere Ausführungen zur Arbeitsunfähigkeit erfolgen nicht.

Die Beendigung des Versorgungskrankengeldes richtet sich nach § 18a Abs. 7 BVG (vgl. Vogl, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, § 18a Rn. 3; Fehl, in: Wilke et al., Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl. 1992, § 18a Rn. 1).

Nach § 18a Abs. 7 Satz 1 BVG endet Versorgungskrankengeld mit dem Wegfall der Voraussetzungen für seine Gewährung, dem Eintritt eines Dauerzustands, der Bewilligung einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Zahlung von Vorruhestandsgeld. Mit dem Wegfallen der Voraussetzungen im Sinne der ersten Alternative ist der Wegfall der Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs nach § 1 OEG oder das Ende der Arbeitsunfähigkeit gemeint (vgl. Rohr/Strässer/Dahm, a.a.O., § 18a-13). Ein Dauerzustand im Sinne der zweiten Alternative ist gegeben, wenn die Arbeitsunfähigkeit in den nächsten 78 Wochen voraussichtlich nicht zu beseitigen ist, § 18a Abs. 7 Satz 2 BVG.

Der Kläger bezieht eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Eine solche ist eine Altersrente im Sinne der dritten Alternative von § 18a Abs. 7 Satz 1 BVG (vgl. Roher/Strässer/Dahm, a.a.O., § 18a-16). Der Kläger bezieht diese allerdings erst seit 2010.

Zuvor und zwar zunächst ab März 2005, später sogar ab April 2004, also jedenfalls ab einem Zeitpunkt vor dem hier streitigen Zeitraum, wurden dem Kläger Rentenleistungen wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt. Rentenleistungen wegen Erwerbsminderung stellten ursprünglich einen Beendigungstatbestand für Versorgungskrankengeld dar (wie noch heute im Bereich des Krankengeldes nach dem SGB V, vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Dieser Beendigungstatbestand wurde allerdings mit dem Sechsten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz gestrichen, weil die Praxis gezeigt habe, "daß in aller Regel bei Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente auch ein Dauerzustand vorliegt" (BT-Drs. 9/1957, S. 22; Wilke et al., a.a.O., § 18a Rn. 26). Angesichts der ausdrücklichen Streichung dieses Tatbestandes kann der Eintritt der vollen Erwerbsminderung nicht im Wege einer Analogie zur Beendigung des Anspruchs auf Versorgungskrankengeld herangezogen werden. Gleichzeitig zeigt die Gesetzesbegründung, dass der Gesetzgeber weiterhin davon ausgeht, dass Versorgungskrankgeld und volle Erwerbsminderung nicht vereinbar sind.

Nach Auffassung des erkennenden Senats entfällt im Sinne der ersten Alternative von § 18a Abs. 7 Satz 1 BVG vor diesem Hintergrund bei schädigungsbedingtem Eintritt voller Erwerbsminderung die schädigungsbedingte Arbeitsunfähigkeit in dem vor der Schädigung ausgeübten Beruf.

Jedenfalls lag ein Dauerzustand im Sinne von § 18a Abs. 7 Satz 2 BVG vor und zwar spätestens im Februar 2005. Aufgrund der Begutachtung von Dr. P im Februar 2005 hatte die VBG unter Annahme durchgehender Arbeitsunfähigkeit letztlich rückwirkend ab 2001 Verletztengeld gezahlt. Dr. P führte zugleich aus, mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sei nicht zu rechnen. Auch der Kläger selbst hat verschiedentlich mit einem solchen Dauerzustand argumentiert, etwa mit seinem Schriftsatz vom 13.11.2006 im Verfahren S 8 VG 398/06.

Die gesonderte Feststellung dieses Dauerzustandes durch einen Bescheid war nicht erforderlich, insbesondere nicht in dem Sinne, dass Versorgungskrankengeld erst ab Erlass eines solchen Bescheides abgelehnt werden könnte.

Allerdings wurde zum Sozialen Entschädigungsrecht schon früher vertreten, dass ein Dauerzustand durch Bescheid festzustellen sei (Finkenbusch, Zusammentreffen von Ansprüchen auf Krankengeld und Versorgungskrankengeld, Die Leistungen 4/1994, S. 121, 127). Auch die Verwaltungsvorschriften zu § 18a BVG gehen von einer Bescheiderteilung aus, wenn es etwa heißt: "Bescheide über die Feststellung eines Dauerzustandes erteilt die Verwaltungsbehörde" (VV Nr. 2 Satz 2 zu § 18a BVG, abgedruckt bei Rohr/Strässer/Dahm, a.a.O., § 18-4 f.) oder "Als Zeitpunkt der Feststellung ist der Tag anzusehen, an dem der Bescheid dem Berechtigten bekannt gegeben wird " (VV Nr. 4 zu § 18a BVG; von entsprechenden Bescheiden gehen auch aus Wilke et al., a.a.O., § 18a Rn. 24 f.; Rohr/Strässer/Dahm, a.a.O., § 18a-14).

Zum Unfallversicherungsrecht hat das BSG entschieden, dass im Fall des § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII das Ende des Verletztengeldanspruchs durch Verwaltungsakt festzustellen sei. Es sei eine Prognoseentscheidung erforderlich, die nicht durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden könne. Eine rückwirkende Feststellung komme nicht in Betracht (maßgeblich BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R, juris Rn. 42 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 13.08.2002 - B 2 U 30/01 R, juris Rn. 13; hierauf verweisend BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 31/06 R, juris Rn. 21; Ricke, in: KassKomm SGB VII, Stand: Mai 2020, § 46 Rn. 12 f.; Fischer, in: jurisPK-SGB VII, Stand: 24.05.2016, § 46 Rn. 29; Schur, in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 08/18, § 46 Rn. 18).

Während bei bereits erfolgter Leistungsgewährung das Erfordernis eines solchen, den Eintritt eines Dauerzustandes feststellenden Bescheides naheliegend ist, ist dies bei noch nicht erfolgter Leistungsgewährung - wie hier - nicht der Fall.

Bestandskräftig gewährte Dauerleistungen können generell nur durch Bescheide nach §§ 44 ff. SGB X aufgehoben werden. Wird eine Dauerleistung dagegen abgelehnt und stellt sich im Rechtsstreit darüber nachträglich heraus, dass die Leistungsvoraussetzungen zunächst vorlagen, später aber wegfallen sind oder ein Beendigungstatbestand erfüllt ist, wird keine Aufhebungsentscheidung verlangt. Es werden dann eben rückwirkend nur für den Zeitraum Leistungen zugesprochen, in dem die Leistungsvoraussetzungen erfüllt waren.

Es leuchtet nicht ein, dass eine rückwirkende Feststellung wegen des Prognosecharakters nicht möglich sein sollte. Dem Gesetz lässt sich kein der gerichtlichen Kontrolle entzogener Beurteilungsspielraum des Leistungsträgers entnehmen. Dass die Beurteilung eines "Dauerzustandes" zwangsläufig eine in die Zukunft gerichtete Beurteilung, also eine Prognose, erfordert, kann allenfalls, ohne dass dies zwingend wäre, eine Beurteilung aus der ex ante Perspektive erfordern. Auch danach aber lag bereits Anfang 2005 ein Dauerzustand vor. Dies ergibt sich insbesondere aus dem in dieser Zeit erstellten Gutachten von Dr. P. Allein der Umstand, dass das seinerzeit noch beklagte Land dies zunächst nicht erkannte, ändert hieran nichts.

Der vorliegende Fall ist demnach dadurch gekennzeichnet, dass bereits Anfang 2005 die Voraussetzungen eines Dauerzustandes erfüllt waren und auch der Kläger selbst damit argumentierte. Auch wenn der Beklagte erst später einen Dauerzustand annahm, besteht jedenfalls mittlerweile Einigkeit über das Eintreten des Dauerzustandes noch vor dem hier streitigen Zeitraum. Hinzu kommt die weitere Besonderheit, dass wegen der vorrangigen Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. hierzu Jung, WzS 2012, S. 139, 140 f.) für den Beklagten abweichend von der regelhaften Nachprüfverpflichtung (vgl. VV Nr. 2 Satz 1 zu § 18a BVG) keine Notwendigkeit bestand, in eine nähere Prüfung eines Dauerzustandes einzutreten. Dies war auch beim erstmaligen Bekanntwerden des Gutachtens von Dr. P durch Schreiben der VBG vom 26.07.2005 noch nicht der Fall. Ansprüche auf Versorgungskrankengeld standen seinerzeit nicht im Streit. Diese wurden vom Kläger erstmals im Verfahren S 8 VG 398/06 geltend gemacht. Dort einigten sich die Beteiligten dann am 03.12.2007 ausdrücklich darauf, dass der Beklagte nunmehr eine - unbeschadet des bereits ergangenen Grundlagebescheids - erstmalige Entscheidung über das Versorgungskrankengeld treffen sollte. Nur eine Woche später, am 10.12.2007, einigte sich der Kläger mit der VBG auf eine Begrenzung des Verletztengeldanspruchs bis Juni 2005. Dies geschah ausweislich der Notizen des Vertreters der VBG zu dem dortigen Termin, als auch nach den Angaben des Klägers im Erörterungstermin vor dem erkennenden Senat ausdrücklich vor dem Hintergrund des Urteils des BSG vom 13.09.2005 (B 2 U 4/04 R). Der Beklagte erfuhr von dem Vergleich erstmals durch Nachricht der VBG im Februar 2008.

Begehrt der Leistungsberechtigte Versorgungskrankengeld also erstmalig nach Eintritt eines Dauerzustandes, ist dieses abzulehnen und zwar ohne dass es noch einer bescheidmäßigen Feststellung des Dauerzustandes bedarf, zumal wenn der Kläger selbst in parallelen Verfahren mit ebendiesem Dauerzustand argumentiert. Das Geltendmachen des Anspruchs auf Versorgungskrankengeld könnte sich insofern als unzulässiges venire contra factum proprium darstellen (vgl. zu diesem Grundsatz im Versorgungsrecht etwa BSG, Urteil vom 23.04.1975 - 9 RV 82/74, juris Rn. 19).

Während der erkennende Senat davon ausgeht, dass das Eintreten eines Dauerzustandes noch vor dem fraglichen Zeitraum gleich einem negativen Tatbestandsmerkmal die Anspruchsentstehung hindert, wäre es auch denkbar, davon auszugehen, dass der Anspruch zwar zunächst grundsätzlich entsteht, aber wegen des bereits eingetretenen Dauerzustands sogleich untergeht. Letztlich kann dies dahinstehen.

4. Ruhen

Selbst wenn ein Anspruch auf Versorgungskrankengeld entstanden und nicht untergegangen sein sollte, ruhte der Anspruch.

Gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 1 BVG ruht der Anspruch auf Heilbehandlung (§ 10 Abs. 1) u.a. insoweit, als aus derselben Ursache Ansprüche auf entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen. Der Begriff der Heilbehandlung umfasst diverse Einzelleistungen, u.a. das Versorgungskrankengeld als ergänzende Leistung (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2009 - B 9 VS 3/09 R, juris Rn. 28 f.; Rohr/Strässer/Dahm, a.a.O., § 16-2; Borner, a.a.O.; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.06.2008 - L 13 VS 21/06, juris Rn. 31, 35).

Handelt es sich bei dem Versorgungskrankengeld aber um eine ergänzende Leistung zur Heilbehandlung und wird die Heilbehandlung durch den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt, dann muss sich der Leistungsberechtigte auch auf entsprechende ergänzende Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung verweisen lassen. Ein Anspruch auf Versorgungskrankengeld ist dann mangels Heilbehandlungsleistungen nach dem BVG ausgeschlossen.

Die Ruhensregeln in § 16 Abs. 4-5 BVG stehen dem nicht entgegen. Es handelt sich um spezielle Ruhensregeln mit entsprechend begrenztem Anwendungsbereich. Die grundsätzliche Abgrenzung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu denen des Sozialen Entschädigungsrechts erfolgt in § 65 BVG (vgl. BT-Drs. 7/2506, S. 16; BSG, Urteil vom 12.06.2003 - B 9 VG 4/02 R, juris Rn. 12 ff.; Jung, a.a.O.). Daran ändert auch § 16d BVG nichts, der unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Zahlung von Versorgungskrankengeld nach Bezug von Verletztengeld vorsieht.

Selbst wenn trotz vorrangigen Heilbehandlungsanspruchs gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein Anspruch auf Versorgungskrankengeld in Betracht kommen sollte, stünde einem solchen hier der zwischen dem Kläger und der VBG geschlossene Vergleich über die Dauer der Zahlung von Verletztengeld entgegen. Wenn der Leistungsberechtigte sich mit dem vorrangig zuständigen Leistungsträger wie hier vergleichsweise auf eine bestimmte Dauer der vorrangigen Leistung einigt, kann er die nachrangige Leistung nicht über diesen Zeitraum hinaus verlangen. Wegen des gleichartigen Leistungszwecks müsste der Leistungsberechtigte sich auch in diesem Zusammenhang den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten lassen.

5. Bescheid vom 19.01.2010

Eine isolierte Aufhebung des Bescheides vom 19.01.2010 ist nicht geboten. Abgesehen davon, dass eine solche Aufhebung nicht beantragt ist, hat dieser Bescheid den vorherigen Bescheid vom 09.02.2009 nicht nach § 44 ff. SGB X geändert, so dass es nicht darauf ankommt, ob deren Voraussetzungen vorlagen. Wie unter 3. gezeigt, bezogen sich die Ausführungen im Bescheid vom 09.02.2009, wonach "dem Grunde nach Anspruch auf Versorgungskrankengeld" bestehe, lediglich auf das Vorliegen einer Schädigungsfolge, also die Leistungsvoraussetzungen nach dem OEG. Hierzu verhält sich der Bescheid vom 19.01.2010 jedoch nicht. Darin wird vielmehr Arbeitsunfähigkeit verneint, die im Bescheid vom 09.02.2009 noch offen gelassen worden war. Im Ergebnis wird die Leistungsablehnung also lediglich anders begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Der erkennende Senat misst den Fragen grundsätzliche Bedeutung bei, ob einem Anspruch auf Versorgungskrankengeld ein vor dem streitigen Zeitraum eingetretener Dauerzustand im Sinne von § 18 Abs. 7 Satz 1 BVG entgegensteht, ob dieser auch in einem solchen Fall durch Bescheid festgestellt werden muss und ob das Ruhen des Heilbehandlungsanspruchs nach dem BVG zugleich das Ruhen des Anspruchs auf Versorgungskrankengeld bedeutet.
Rechtskraft
Aus
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