S 35 KR 361/13

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
35
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 35 KR 361/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.023,11 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 % pro Jahr seit dem 25.02.2012 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 1.023,11 EUR.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Krankenhausvergütung.

Das Krankenhaus der Klägerin behandelte die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte ... (im Folgenden: Versicherte) vom 24. bis 26.10.2011 stationär wegen einer Extrauteringravidität. Die Klägerin berechnete für die Behandlung die Fallpauschale - Diagnosis Related Group - (DRG) O03Z -Extrauteringravidität- (Rechnung vom 04.11.2011, 2.198,71 Euro). Die Beklagte bezahlte die Rechnung unter Vorbehalt und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Verweildauer. Der MDK zeigte der Klägerin die Prüfung an und hielt in seiner Stellungnahme nur die Behandlung vom OP-Tag bis zum Folgetag für erforderlich. Grundlage des MDK-Gutachtens war der Krankenhausentlassungsbericht vom 27.10.2011, der OP-Bericht vom 24.10.2011, Auszüge aus der Patientenakte über den stationären Aufenthalt: Pflegebericht, Fieberkurve, Kopie der Krankenakte, Diagnoseliste und Prozedurenliste der GKV. Es seien intra- und postoperativ keine Komplikationen aufgetreten. Zur Wundkontrolle über den ersten postoperativen Tag (26.10.2011) hinaus seien die Mittel nach § 39 SGB V nicht erforderlich gewesen. Die Entlassung hätte bereits am 26.10.2011 erfolgen können.

Durch den wegfallenden Belegungstag verringerte sich der Abrechnungsbetrag wegen Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer, weshalb die Beklagte einen Betrag von 1.023,11 EUR verrechnete, nachdem die Klägerin der Rechnungskürzung widersprochen hatte. Den vom Krankenhaus der Kasse zur Weiterleitung an den MDK übersandten Widerspruch übermittelte die Beklagte nicht an den MDK.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer am 23.07.2013 beim SG eingegangen Klage den Anspruch auf Zahlung der Differenz von 1.023,11 Euro weiter und verweist zum einen auf Fehler im Prüfverfahren und zum anderen auf die medizinische Notwendigkeit der Behandlung über den gesamten Zeitraum. Sie hat dazu Bezug genommen auf den Widerspruch, in dem ausgeführt wurde, dass die Entlassung der Patientin wegen der intraoperativ eingelegten Drainage nach ausgeprägter Adhäsiolyse sowie Salpingektomie mit liegender Drainage oder eine Entfernung der Drainage am 1. postoperativen Tag aus medizinischer Sicht nicht möglich gewesen sei. Weiter hat sie Auszüge aus der Pflegedokumentation der Patientenakte übermittelt, aus denen sich ergibt, dass am 25.10.2011 die Patientin Schmerzmittel erbeten hat und ge-gen 8.00 Uhr kollabiert ist. Sie sei im Bett gewaschen worden und um 12 Uhr zur Toilette begleitet worden. Mit der Bemerkung SD, was für Spätdienst steht, ist vermerkt, dass die Drainage 50 ml blutig seriöses Wundsekret gefördert hat und die Patientin wiederum zur Toilette begleitet wurde. Für den 26.10. ist vermerkt, dass die Patientin Schmerzmittel erhalten habe und keine Beschwerden angebe und daraufhin die Entlassung erfolgt sei. Auf dieser Grundlage geht die Klägerin davon aus, dass eine Entlassung an diesem Tag erfolgen konnte, jedoch nicht bereits am 1. postoperativen Tag.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.023,11 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 4 Prozent p.a. seit dem 25.02.2012 zu zahlen,

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie geht davon aus, dass die Stellungnahme des MDK zutreffend ist und keine Anhaltspunkte für eine medizinische Notwendigkeit der Fortsetzung der Krankenhausbehandlung über den 25.10.2011 hinaus gegeben waren.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12) und begründet.

Der Klägerin steht wegen der stationären Behandlung der Versicherten der gesamte abgerechnete Betrag zu, so dass die zu Unrecht mit anderen unstreitigen Ansprüche verrechnete Betrag von 1023,11 EUR noch offen ist.

Die Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie die Versicherte vom 24.10. bis 26.10.2011 stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und zusätzlich iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 11; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 11; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; alle mwN).

Ein Krankenhaus hat stets, auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen, einen Vergütungsanspruch gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nur für eine erforderliche, wirtschaftliche Krankenhausbehandlung (stRspr, vgl BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 15 ff, 27 ff; BSG Urteil vom 1.7.2014 - B 1 KR 62/12 R - SozR 4-2500 § 12 Nr 4 RdNr 17 ff, auch für BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 10.3.2015 - B 1 KR 2/15 R - für BSGE und SozR vorgesehen, unter Berücksichtigung von Wortlaut, Regelungssystem und Zweck der Vergütung sowie der Entwicklungsgeschichte des Gesetzes).

Diese Voraussetzungen waren für den gesamten Behandlungszeit erfüllt. Nach dem Inhalt der Patientendokumentation geht das Gericht davon aus, dass die Behandlung der Versicherten bis zum 26.10.2011 medizinisch erforderlich war und eine Entlassung bereits am 25.10.2011 ausschied. Aus dem im Tatbestand geschilderten Inhalt ergibt sich, dass die Entlassung der Versicherten am 1. postoperativen Tag nicht möglich war, da sie morgens kollabierte und auch im Spätdienst, der um 14 Uhr beginnt noch zur Toilette begleitet wurde. Auch die Drainage förderte noch 50 ml Wundsekret. Das Gericht geht nach den Erfahrungen mit Gutachten über die Frage der Möglichkeit der Entlassung von Patienten mit "liegender Drainage" davon aus, dass diese zwar grundsätzlich als möglich erachtet werden kann, wenn die Patienten im Übrigen beschwerdefrei sind und eine einfache Möglichkeit besteht bei auftretenden Komplikationen schnell ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu können. Im vorliegenden Fall erhielt die Versicherte jedoch am ersten postoperativen Tag zusätzlich zu der Drainage, die mit 50 ml eine nicht unwesentliche Menge förderte, Schmerzmittel und kollabierte gegen 8:00 Uhr. Auch wird sie auch nach 14 Uhr noch zur Toilette begleitet, was darauf schließen lässt, dass sie nicht ausreichen stabil war, sie nach Hause zu entlassen. Der Einwand der Beklagtenseite, aus der Begleitung der Patientin ergebe sich nicht, dass diese auch erforderlich gewesen sei, liegt neben der Sache, da Krankenschwestern in deutschen Krankenhäusern nicht an Langeweile leiden und Patientinnen zur Toilette begleiten, wo dies nicht erforderlich zu sein scheint. Auch spricht nicht viel dafür, dass die Versicherte (Jahrgang 1982) gerne mal in Begleitung zur Toilette gehen wollte, wenn dies nicht aus Vorsicht heraus geboten gewesen wäre. Damit scheidet eine Entlassung auch in den Nachmittagsstunden des 1. postoperativen Tages aus, so dass die gesamte Verweildauer medizinisch gerechtfertigt war.

Da die Höhe der Vergütung für die Behandlung der Versicherten im weiteren zwischen den Beteiligten unstreitig war, braucht auf die Frage der zutreffenden Kodierung nach dem Fallpauschalensystem für Krankenhäuser nicht mehr eingegangen zu werden. Auch die Frage des Prüfverfahrens kann dahinstehen, da der Anspruch des Krankenhauses sich aus der erforderlichen Krankenhausbehandlung über den gesamten Zeitraum ergibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.
Rechtskraft
Aus
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