S 28 BA 23/20 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
28
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 28 BA 23/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 74/20 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Sozialversicherungsrechtliche Status eines Messebauers
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.06.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2019 (S 28 BA 19/19) wird angeordnet, soweit darin Säumniszuschläge in Höhe von 5343,50 EUR enthalten sind. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 83 v.H., die Antragsgegnerin zu 17 v.H. Der Streitwert wird auf 7.882,98 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.06.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2019 (S 28 BA 19/19) anzuordnen,

ist zulässig, aber überwiegend nicht begründet. Der Antragsteller hat keine ausreichenden Gründe geltend gemacht, die ein überwiegendes Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung erkennbar machen würden, soweit von ihm die Nachentrichtung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen gefordert werden. Lediglich in Bezug auf die geforderten Säumniszuschläge war die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Rechtsgrundlage für die von dem Antragsteller begehrte Aussetzung der Vollziehung ist § 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch oder die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Im hier zu entscheidenden Fall hat der von dem Antragsteller eingelegte Widerspruch gegen den Betriebsprüfungsbescheid der Antragsgegnerin, der eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zum Gegenstand hat, keine aufschiebende Wirkung. Dies ergibt sich aus § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG, wonach die aufschiebende Wirkung u. a. bei der Entscheidung über Beitragspflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen oder sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten entfällt. Die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in das Ermessen des Gerichts aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen gelegt. Dabei hat eine Aussetzung des Vollzuges zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG liegen dann vor, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., § 86a Rn. 27). Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das Gericht nicht die Auffassung gewinnen können, dass ein Erfolg einer Klage wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (§ 86a Abs. 3 Satz 2 Alternative 1 SGG). Entsprechendes gilt für das Vorliegen einer sich durch die Vollziehung des Beitragsbescheides ergebenden unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte (§ 86b Abs. 3 Satz 2 SGG Alternative 2 SGG). Die vom Antragsteller zur Begründung seines Eilantrages vorgetragenen Argumente sind nach Auffassung des Gerichts nicht geeignet, die von ihm begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zu rechtfertigen. Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich aus § 28 p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Sozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Insbesondere prüfen sie hierbei die Richtigkeit der Beitragszahlungen. Nach Satz 5 der genannten Vorschrift erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen dieser Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern. Die inhaltliche Beurteilung der vier Status als abhängig beschäftigte Arbeitnehmer ist nach summarischer Prüfung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig. In den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VI sowie § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, SGB III - jeweils in der für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Fassung). Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der abhängigen Beschäftigung als "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV erfordert nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw. selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, zitiert nach juris). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist der Fall, wenn der Beschäftigte in einen Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, zitiert nach juris). Dabei hängt der Grad der persönlichen Abhängigkeit ganz entscheidend von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen (vgl. zu den identischen Abgrenzungskriterien eines Arbeitsverhältnisses BAG, Urteil vom 20.1.2010, 5 AZR 99/09, zitiert nach juris). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Vorliegend überwiegen nach summarischer Prüfung die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung von Herrn G in den Zeiträumen 00.00.2015 bis 00.00.2015 und 00.00.2015 bis 00.00.2016 mit der Folge der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung. Für eine abhängige Beschäftigung spricht, dass Herr G über längere Zeiträume ganz regelmäßig für den Antragsteller tätig war. Für den Status einer abhängigen Beschäftigung spricht weiterhin, dass Herr G Tätigkeiten ausübte, die zum normalen Betrieb eines Messe- und Ladenbauunternehmens wie dem des Antragstellers gehören. Der Antragsteller hat mit der Tätigkeit des Herrn G als "Subunternehmer" also nicht die Fachkompetenz einer anderen Branche genutzt, so als hätte er etwa einen Steuerberater mit der Steuererklärung oder ein anderes Handwerksunternehmen mit fremden Gewerken beauftragt, die er selbst mit seinem Unternehmen nicht abdecken kann, sondern er hat Herrn G in seinem normalen Betriebsablauf für seine typischen Tätigkeiten genutzt. Es ist nicht erkennbar, inwiefern in den zu verrichtenden Tätigkeiten selbst Unterschiede zu angestellten Mitarbeitern bestanden. Für eine abhängige Beschäftigung spricht auch, dass Herr G bei seiner Tätigkeit, soweit ersichtlich, inhaltlich keine erheblichen eigenen Entscheidungsbefugnisse hatte. Weder suchte er die Materialien für die zu errichtenden Messestände selbst aus, noch entschied er, welche Messestände in welcher Reihenfolge errichtet werden sollten, noch beriet er die Auftraggeber des Antragstellers oder führte Verhandlungen mit diesen. Eine individuelle Arbeitsleistung mit Gestaltungsspielraum, wie sie für selbstständige Tätigkeiten typisch ist, erbrachte Herr G offenbar nicht. Bei solch einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen ohne wesentliche eigene Gestaltungsspielräume, spricht die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 18. Mai 1983 - 13 RK 41/81 - JURIS-Dokument, Rn. 20; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 04. März 2014 – L 5 R 425/12 –, zitiert nach juris). Dass der Antragsteller, wie er vorträgt bei den Einsatzzeiten Rücksicht auf die anderweitigen Verpflichtungen des Herrn G nehmen musste, spricht demgegenüber nicht wesentlich für eine selbständige Tätigkeit. Auch Aushilfskräfte, die abhängig beschäftigt werden, können nicht an zwei Orten gleichzeitig sein; ihr Einsatz muss mithin zwischen ihnen und den Arbeitgebern koordiniert werden, wie hier geschehen. Für eine Eingliederung des Herrn G in den Betrieb des Antragstellers spricht auch, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit für ihn regelmäßig mit anderen für den Antragsteller tätigen Personen zusammengearbeitet hat, die er selbst bei seiner Vernehmung als "Kollegen" bezeichnete. Ob sich seine Arbeitskleidung, wie der Antragsteller vorträgt, von derjenigen der Festangestellten unterschied, ist nicht relevant. Mit diesen zusammen ist er auch zu den jeweiligen Einsatzorten und zurückgefahren. Dies ist bei einer Gesamtbetrachtung zumindest ein gewisses weiteres Indiz für eine Eingliederung in den Betrieb des Antragstellers, auch wenn dies aus praktischen Erwägungen erfolgt sein soll; es reiste letztendlich "ein Team" des Antragstellers zu den Messestandorten an, arbeitete und (gegebenenfalls) übernachtete für Rechnung des Antragstellers dort und reiste anschließend wieder zurück. Für den Status einer abhängigen Beschäftigung spricht auch, dass ein eigenes Unternehmerrisiko nicht erkennbar ist. Zwar hatte Herr G einige eigene Arbeitsmittel wie kleinere Werkzeuge aus dem privaten Bereich eingebracht, dies jedoch in einem finanziell nur geringen Umfang. Größere Werkzeuge und insbesondere die Materialien zum Errichten der Messestände wurden vom Antragsteller gestellt. Dies ist, entgegen der Ansicht des Antragstellers, sehr wohl ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung, denn bei Werkverträgen über die Erstellung körperlicher Werke ist die Gestellung des Materials durch den Auftraggeber zumindest unüblich. Dass dies im Messebau wesentlich anders sein soll, ist nicht ersichtlich. Es mag vorkommen, dass der Betreiber des Messestandes über diesen (in Einzelteilen) bereits verfügt und dann einen externen Unternehmer lediglich mit dem Auf- und Abbau beauftragt. Typisch für den Messebau ist dies, soweit ersichtlich, jedoch nicht. Es ist in diesem Zusammenhang entscheidend auf den eigenen Internetauftritt des Antragstellers zu verweisen, wonach dieser "schwerpunktmäßig" eine "Komplettlösung von der Planung bis zur Realisierung" von Messeständen anbietet, also nicht bloß Arbeitskräfte zum Zusammenbau vorhandener Messestände. Der Antragsteller übernahm auch mit dem Einsatz auf den Messen verbundene Aufwendungen wie Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Bezahlt wurde Herr G durch den Antragsteller wie ein normaler Arbeitnehmer ausschließlich für seine persönliche Arbeitskraft, und er wurde dementsprechend auf Stundenbasis entlohnt. Jedenfalls bei Handwerksleistungen ist eine reine Bezahlung der Arbeitskraft (anders als bei geistigen Tätigkeiten) ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Dass Herr G auch eigene Arbeitskräfte eingesetzt hätte, wie der Antragsteller vorgetragen hat, glaubt das Gericht nicht. Zwar wird in den Rechnungen bisweilen die Arbeit von zwei Personen abgerechnet. Herr G hat bei der Befragung durch das Hauptzollamt aber die Frage, ob er eigene Arbeitskräfte beschäftigt habe, ausdrücklich verneint. Die Umstände sprechen sehr dafür, dass hier schlicht zwei abhängig Beschäftigte entlohnt wurden. Relevante Kosten für die Infrastruktur eines selbständigen Unternehmens brauchte Herr G für seine Tätigkeit für den Antragsteller nicht. Auch musste er gegenüber Lieferanten von Baumaterialien keine Verbindlichkeiten eingehen. Es liegt auch kein Unternehmerrisiko in der Gefahr, keine weiteren Aufträge zu erhalten. Denn das Risiko, nicht durchgehend arbeiten zu können, ist ein Risiko, das auch jeden anderen Arbeitnehmer treffen kann, der nur befristet, auf Abruf, für einen konkreten Einsatzzeitraum oder für einen konkreten einzelnen Einsatz beschäftigt wird. Es muss daher, soll das Risiko nicht tätig werden zu können, ein Indiz in Richtung Selbständigkeit abzugeben geeignet sein, ein Wagnis bestehen, das über dasjenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Ein echtes Unternehmerrisiko in diesem Sinne liegt erst vor, wenn bei Auftragsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern gleichwohl weiterhin Kosten für betriebliche Investitionen anfallen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Dezember 2009 - L 16 R 5/08; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 04. März 2014 – L 5 R 425/12 –, zitiert nach juris). Das Fehlen von Regelungen zu Ansprüchen auf Urlaubsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall rechtfertigt für sich genommen ebenfalls nicht die Annahme eines unternehmerischen Risikos. Denn die Überbürdung sozialer Risiken abweichend von der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung ist nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet (BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R; LSG NRW, Urteil v. 20.7.2011, L 8 R 534/10, jeweils juris). Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Ein wichtiges Indiz für seine abhängige Beschäftigung des Herrn G durch den Antragsteller ist auch, dass, dieser zuvor – insoweit unstreitig – in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu dem Antragsteller gestanden hatte, und dass er bei seiner Befragung durch das Hauptzollamt angab, dass sich seine "selbständige" Tätigkeit "im Grunde genommen" nicht von seiner vorherigen Beschäftigung unterschieden habe. Der Arbeitsablauf sei der gleiche gewesen. Als Grund für seinen Wechsel in die "selbständige" Tätigkeit gab Herr G an, diese sei für ihn finanziell und wegen der Arbeitszeitregelung attraktiver gewesen. Die von dem Antragsteller vorgebrachten Gegenargumente überzeugen demgegenüber nicht. Soweit er darauf verweist, dass die abgerechneten Stundenzahlen in den einzelnen Monaten starken Schwankungen unterlegen hätten, so ist dies kein Indiz für seine selbständige Tätigkeit. Dies hing lediglich mit dem Arbeitsanfall zusammen. Es mag sein, dass Herr G in Monaten mit wenigen (oder auch gar keinen) abgerechneten Stunden nicht zur "vollständigen Disposition" des Antragstellers gestanden hat. Es ist aber auch bei abhängig Beschäftigten möglich, dass er seine überwiegende Arbeitskraft nicht auf die Tätigkeit für einen bestimmten Arbeitgeber, sondern anderweitig verwendet. Eine Vollzeitbeschäftigung in einem Betrieb ist nicht konstitutiv für eine sozialversicherungspflichtige abhängige Tätigkeit. Viele Menschen arbeiten für mehrere Arbeitgeber oder sind neben einer abhängigen Beschäftigung selbständig tätig. Die vom Antragsteller vorgebrachten weiteren (z.T. geringfügigen) Beschäftigungsverhältnisse des Herrn G mit weiteren Bertrieben entkräften mithin die für die abhängige Beschäftigung sprechenden Indizien nicht. In diesem Zusammenhang ist es auch von untergeordneter Bedeutung, dass Herr G zusammen mit einer weiteren Person eine GbR gegründet hatte, im Rahmen derer er anderweitige Tätigkeiten ausübte, und dass die Rechnungsadresse dieselbe ist. Die Tätigkeit für den Antragsteller gehörte, wie bereits die Briefköpfe der Rechnungen ausweisen, nicht zum Gegenstand des Geschäfts der GbR. Der vom Antragsteller vorgebrachte Umstand, dass der Verdienst des Herrn G doppelt so hoch wie der Lohn für seine abhängig Beschäftigten lag, führt in der Abwägung nicht dazu, eine selbständige Tätigkeit zu bejahen. Zwar kann es nach der Rechtsprechung des BSG als ein "gewichtiges" Indiz für eine selbstständige Tätigkeit gewertet werden, wenn das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liege und dadurch Eigenvorsorge zulasse. Allerdings relativiert das BSG das zuvor als gewichtig bewertete Indiz noch im selben Absatz, indem es weiter ausführt, dass es sich auch bei der Honorarhöhe nur um eines von unter Umständen vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien handele. In der Entscheidung vom 7. Juni 2019 (B 12 R 6/18 R) ist das BSG noch weitergehend davon abgerückt, die Honorarhöhe als Indiz für die Statusbeurteilung heranzuziehen. Diese sei lediglich als Ausdruck des Parteiwillens zu werten, dem generell nur dann überhaupt eine potentielle Bedeutung zukomme, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspreche und er durch weitere Aspekte gestützt werde bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprächen (BSG, a.a.O, juris Rn. 34). Dies ist hier nicht der Fall. Bedenken gegen die Berechnung der nachzufordernden Beiträge hat das Gericht nicht. Die Antragsgegnerin ist von den Beträgen in den Rechnungen des Herrn G gegenüber dem Antragsteller ausgegangen. Die streitgegenständlichen Bescheide der Antragsgegnerin werden sich allerdings mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig erweisen, soweit sie darin Säumniszuschläge festgesetzt hat. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen auf 50,00 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV). Zwar hat der Antragsteller vorliegend für Herrn G fällige Beiträge nicht gezahlt, jedoch spricht mehr für als dagegen, dass er sich nach § 24 Abs. 2 SGB IV im Hinblick auf die Erhebung von Säumniszuschlägen exkulpieren kann, im Sinne dieser Norm unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt zu haben. Für die Frage, ob unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, ist in Ermangelung anderer, begründeter Maßstäbe auf diejenigen zurückzugreifen, die das BSG für die Beurteilung des Vorsatzes im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entwickelt hat (BSG, Urteil v. 26.1.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7; BSG, Urteil v. 9.11.2011, B 12 R 18/09 R, BSGE 109, 254). Der von dieser Norm erfasste Vorsatzbegriff schließt den bedingten Vorsatz ein (BSG, Urteil v. 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7 S. 35 m.w.N.). Dafür ist ausreichend, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG, Urteil v. 30.3.2000, a.a.O.). Der hiesige Senat hat sich dieser Auffassung des für Revisionsverfahren in Betriebsprüfungen zuständigen 12. Senats des BSG bereits ausdrücklich angeschlossen (LSG NRW, Urteil v. 22.6.2016, L 8 R 1024/14, juris) und hält daran auch weiterhin fest (zuletzt LSG NRW, Urteil v. 30.8.2017, L 8 R 822/14, juris, mit ausführlicher Begründung, auf die Bezug genommen wird). Der subjektive Tatbestand ist dabei bezogen auf die konkreten Umstände des Einzel-falles und den betreffenden Beitragsschuldner individuell zu ermitteln. Ist eine natürliche Person Beitragsschuldner, wird im Regelfall die Feststellung ihrer Kenntnis von der Beitragspflicht und der Umstand, dass die Beiträge nicht rechtzeitig gezahlt wurden, genügen, um gleichermaßen feststellen zu können, dass dieser Beitragsschuldner die Beiträge (zumindest bedingt) vorsätzlich vorenthalten hat. Die Rechtspflicht zur Beitragszahlung hat zur Folge, dass das Unterlassen der Zahlung einem aktiven Handeln gleichzustellen ist. Aus einem aktiven Handeln im Bewusstsein, so vorzugehen, folgt in aller Regel auch das entsprechende Wollen (BSG, Urteil v. 16.12.2015, a.a.O., m.w.N.). "Kenntnis" in diesem Sinne ist das sichere Wissen darum, rechtlich und tatsächlich zur Zahlung der Beiträge verpflichtet zu sein. Nicht ausreichend ist hingegen eine bloße Fahrlässigkeit, auch in der Form der "bewussten Fahrlässigkeit", bei welcher der Handelnde die Möglichkeit der Pflichtverletzung zwar erkennt, jedoch darauf vertraut, die Pflichtverletzung werde nicht eintreten (BSG, Urteil v. 16.12.2015, a.a.O.; BSG, Urteil v. 18.11.2015, a.a.O.; LSG NRW, Urteil v. 22.6.2016, a.a.O.). Nach diesen Grundsätzen ist eher von einer unverschuldeten Unkenntnis des Antragsstellers auszugehen. Zu berücksichtigende positive Indizien für einen zumindest bedingten Vorsatz nennt die Antragsgegnerin in ihren streitigen Bescheiden nicht. Dass die Abrechnung der Leistungen des Herrn G, wie sie anführt außerhalb der normalen Lohnbuchhaltung erfolgt ist, spricht offensichtlich nicht für eine Kenntnis des Antragstellers, denn dies wäre schlicht das normale Vorgehen, wenn er von einer selbständigen Tätigkeit ausging. Dass der Antragsteller, wie die Antragsgegnerin zur Begründung der Erhebung von Säumniszuschlägen weiter anführt, in Bezug auf Herrn G keinen Antrag auf Statusfeststellung gestellt hatte, ist ebenfalls nicht geeignet, einen wenn auch nur bedingten Vorsatz zu begründen, sondern allenfalls (bewusste) Fahrlässigkeit. Denn andernfalls wäre jedem Auftraggeber, der ein (nicht gesetzlich vorgeschriebenes) Statusfeststellungsverfahren nicht durchführen lässt, die Exkulpationsmöglichkeit abgeschnitten. Hätte der Gesetzgeber dieses Ergebnis gewollt, hätte er schlicht eine Pflicht zur Zahlung von Säumniszuschlägen eingeführt und nur die vorherige Durchführung eines Statusfeststellungsverfahren als Ausnahmetatbestand festgelegt (von erheblichen Bedenken selbst für die Bejahung von Fahrlässigkeit spricht etwa LSG NRW, Urteil vom 30. August 2017 – L 8 R 822/14 –, Rn. 113, juris). Zwar hatte der Antragsteller unstreitig auch festangestellte Kräfte beschäftigt, die vergleichbare Tätigkeiten verrichteten wie Herr G, und diesen zuvor auch abhängig beschäftigt. Die (Fehl-) Vorstellung, dass ein fehlender Festvertrag und ein nur bedarfsweiser Einsatz einen wesentlichen Unterschied zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen ausmacht, worauf der Antragsteller sich (in mehreren Varianten) gegen die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung im Wesentlichen berufen hat, ist allerdings gerade im Bereich der kleineren und mittleren Unternehmen nach Erfahrung des Gerichts immer noch weit verbreitet und kann nicht pauschal als Schutzbehauptung gewertet werden. Zudem war der Herr G offenbar im Streitzeitraum wohl auch (im Bereich des Küchenbaus, also einem zumindest verwandten Bereich) selbständig tätig. Das Nähere ist im Rahmen der Hauptsache weiter aufzuklären. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung, die Entscheidung über den Streitwert auf §§ 52, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich der Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 16. Dezember 2019 – L 8 BA 4/18 B ER –, Rn. 22, juris).
Rechtskraft
Aus
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