S 23 R 211/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 23 R 211/17
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten.

Die 1958 in I. geborene Klägerin lebt seit rund 35 Jahren in Deutschland. Sie hat keine Berufsausbildung absolviert. Eine Berufstätigkeit wurde nicht ausgeübt. Derzeit wird der Lebensunterhalt über die Hinterbliebenenrente ihres verstorbenen Ehemanns und Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sichergestellt.

Der SGB II-Träger stellte für die Klägerin am 3.2.2015 einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, den die Klägerin zunächst nicht begründet. Medizinische Unterlagen wurden erst im August 2015 bei der Beklagten eingereicht. Die Beklagte beauftragte hierauf im Zuge weitere medizinische Ermittlungen Dr. E. Facharzt für Innere Medizin und Sozialmedizin, mit der Erstellung eines Gutachtens. Von diesem wurde die Klägerin am 28.1.2016 untersucht. Der Gutachter befundete im Rahmen der Untersuchung eine nur mäßige Einschränkung der Lungenfunktion, die sich nach entsprechender Medikamentengabe deutlich besserte. Als Diagnosen wurden gestellt: • langjährige Atemwegserkrankung mit Atemwegsverengung als Mischbild aus Asthma bronchiale und COPD mit wiederholten anfallsartigen Luftnotzuständen und eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit, aktuell mäßig auf Medikamente ansprechende Lungenfunktionseinschränkung • Rückenschmerzen bei Fehlhaltung der Wirbelsäule ohne Beweglichkeitseinschränkung, hinsichtlich degenerative Veränderungen in Abklärung begriffen • anamnestisch somatoforme Störung mit Eindruck einer Beschwerdefixierung und -Ak-zentuierung ohne maßgebliche Einschränkungen sozialer Kompetenzen. Im Gutachten wurde außerdem ausgeführt, dass sich vorrangig ein Rehabilitationsbedarf ergebe. Es wurde vorgeschlagen, der Klägerin zunächst Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit pneumologischem Schwerpunkt und der Möglichkeit zur psychosomatischen und orthopädischen Mitbehandlung zu gewähren. Hier sei eine Klinik mit i. Sprachkompetenz erforderlich.

Die Beklagte bot der Klägerin sodann eine ambulante medizinische Rehabilitation bei der A. in H. an, die die Klägerin nicht in Anspruch nahm.

In einer weiteren medizinischen Stellungnahme führte Dr. E. aus, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin durch zumutbare Behandlungsmaßnahmen hinreichend stabilisieren ließe. Die Klägerin sei vor dem Hintergrund der erhobenen Befunde auch ohne weitergehende Heilbehandlung in der Lage, leichte körperliche Tätigkeit ohne inhalative Belastungen oder vermehrte Witterungsexposition, ohne häufiges Bücken oder Heben und Tragen von Lasten, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne besonderes Stressaufkommen und ohne Nachtschicht, werktäglich 6 Stunden und mehr auszuüben.

Mit Bescheid vom 14.9.2016 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Klägerin erfülle die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Erwerbsminderungsrente nicht. Aufgrund der festgestellten Gesundheitseinschränkungen läge eine Erwerbsunfähigkeit nicht vor. Im Hinblick auf das angenommene Leistungsvermögen wurden die Angaben aus dem Gutachten von Herrn Dr. E. übernommen.

Zu ihrem Widerspruch vom 21.9.2016 reichen die Klägerin weitere medizinische Unterlagen ein. Eine erneute Begutachtung fand nicht statt. Der sozialmedizinische Dienst führte in seiner eingeholten Stellungnahme vom 14.12.2016 aus, dass sich aus den vorgelegten Unterlagen keine neuen Gesichtspunkte ergeben hätten.

Der Widerspruch der Klägerin wurde sodann mit Widerspruchsbescheid vom 31.1.2017 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die im Widerspruchsverfahren eingereichten Unterlagen ergäben keine neuen Gesichtspunkte gegenüber den im Verwaltungsverfahren berücksichtigten ärztlichen Berichten und dem Gutachten des Dr. E. sowie dessen Stellungnahme. Bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Reinigungskraft handele es sich um einen Beruf, der dem Leitbild der ungelernten Arbeiterinnen zuzuordnen sei. Die Klägerin könne daher nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten Vier-Stufen-Schema auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Die Klägerin sei auch wegefähig. Es käme nicht darauf an, ob ein entsprechender Arbeitsplatz konkret benannt werden könne. Der Arbeitsmarkt sei grundsätzlich offen. Schwierigkeiten bei der Erlangung oder der Vermittlung in einen entsprechenden Arbeitsplatz könnten kein Rentenanspruch auslösen, sondern vielmehr die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit. Ebenfalls nicht zu berücksichtigen sei der Umstand, dass die Klägerin wegen fehlender Sprachkenntnisse kein Arbeitsplatz fände. Dies stelle ebenfalls kein Risiko dar, das von der Deutschen Rentenversicherung zu tragen.

Am 2.3.2017 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben und zur Begründung unter anderem vorgetragen, sie leide unter gemischtförmigem Asthma bronchiale, rezidivierenden Atemnotfällen, Allergien und chronischer Bronchitis. Sie habe außerdem Probleme mit den Hüftgelenken. Aufgrund dieser Einschränkungen sei sie nicht arbeitsfähig. Das Verrichten einer Tätigkeit von mehr als 3 Stunden sei nicht möglich.

Die Klägerin beantragt,

Den Bescheid der Beklagten vom 14.9.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2017 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte, insbesondere der Allgemeinmedizinerin Dr. H1 und des Lungenfacharztes Dr. M. eingeholt. Ein Bericht der radiologischen Allianz sowie des Orthopäden Dr. N. lagen ebenfalls vor.

Auf Veranlassung des Gerichts hat sodann der Facharzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Umweltmedizin Dr. S. die Klägerin am 12.3.2018 untersucht. Hierbei wurden insbesondere auch die Blutwerte und die festgestellte Lungenfunktion der Klägerin bewertet. In dem nachgehend erstellten Gutachten wird eine leicht erniedrigte Lungenkapazität, jedoch insgesamt noch befriedigende Lungenfunktion beschrieben. Die auftretenden Asthma-Anfälle führten nicht zu einer aufgehobenen Erwerbsfähigkeit. Es wird aufgrund der maßgeblichen Diagnose Asthma bronchiale und Fettstoffwechselstörung von einer erheblich eingeschränkten Leistungsfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Der Klägerin sei nur noch leichte körperliche Tätigkeiten unter Witterungsschutz sowie frei von Exposition mit Rauch, Dämpfen und Gasen zumutbar. Besondere berufliche Stressoren wie Schicht-, Nacht- und Akkordarbeit sollten unterbleiben. Aufgrund der Hüft- und Lendenwirbelsäulenproblematik, die sich zum Teil aus der einseitigen Beinverkürzung ergebe, sollten außerdem Tätigkeiten, die mit häufigem Bücken sowie dem Anheben von Gewichten von mehr als 6 kg verbunden seien, unterbleiben. Tätigkeiten, die diesen Anforderungen gerecht würden, könnten noch 6 Stunden und mehr arbeitstäglich ausgeübt werden. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Eine Stabilisierung der pulmonalen Situation sei durch eine konsequente medizinische Rehabilitationsmaßnahme in einer geeigneten Klinik möglich. Es sollte sich hierbei um eine stationäre Maßnahme handeln.

Die Klägerin ist dem Gutachten entgegengetreten. Der behandelnde Lungenfacharzt hat in einem eingereichten Attest vom 18.2.2019 ausgeführt, dass eine schon mehrmals angestrebte Rehabilitationsmaßnahme jeweils an der psychisch labilen Situation und den Ängsten, die Wohnung über mehrere Wochen zu verlassen, gescheitert sei. Hinzu komme die eingeschränkte Sprachkompetenz und der Umstand, dass ein Familienangehöriger in einer Rehabilitationsklinik verstorben sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der Niederschrift der mündlichen Verhandlung, auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die beigezogenen Unterlagen Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert i.S. des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Bescheid vom 14.9.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2017 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung sowie wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) Dessen Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres haben Versicherte gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres haben Versicherte gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbesondere der Beweisaufnahme (vgl. § 128 SGG) ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Klägerin voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Das Leistungsvermögen der Klägerin ist geschränkt. Es reicht jedoch noch aus, um unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes leichte körperliche Tätigkeiten unter Witterungsschutz sowie frei von Exposition mit Rauch, Dämpfen und Gasen auszuüben. Besondere berufliche Stressoren wie Schicht-, Nacht- und Akkordarbeit sollten ebenso unterbleiben wie Tätigkeiten, die mit häufigem Bücken sowie dem Anheben von Gewichten von mehr als 6 kg verbunden sein.

Die genannten Einschränkungen des Leistungsvermögens beruhen auf folgenden Gesundheitsstörungen:

Auf internistischem und lungenfachärztlichen Fachgebiet ist die Leistungsfähigkeit der Klägerin beeinträchtigt durch Asthma bronchiale und Fettstoffwechselstörung. Aus diesen Befunden resultiert in sozialmedizinischer Hinsicht, dass die Arbeitsschwere auf leichte Tätigkeiten reduziert ist, die Arbeiten unter Witterungsschutz sowie frei von Expositionen mit Rauch, Dämpfen und Gasen stattfinden müssen sowie besondere berufliche Stressoren wie Schicht-, Nacht- und Akkordarbeit unterbleiben sollen. Aufgrund der Hüft- und Lendenwirbelsäulenproblematik, die sich zum Teil aus der einseitigen Beinverkürzung ergibt, besteht eine sozialmedizinische relevante Einschränkung dahingehend, dass Tätigkeiten, die mit häufigem Bücken sowie dem Anheben von Gewichten von mehr als 6 kg verbunden sind, unterbleiben sollten.

Die Wegefähigkeit der Klägerin ist nach Überzeugung des Gerichts erhalten. Mit dem Begriff der Wegefähigkeit wird die Befähigung eines Versicherten umschrieben, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Hiervon wird in typisierender Betrachtung ausgegangen, wenn ein Versicherter in der Lage ist, täglich viermal Wegstrecken von 500 m in weniger als 20 Minuten zu Fuß, gegebenenfalls mit Unterstützung von Hilfsmitteln, zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen (vgl. BSG, Urt. v. 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90; Urt. v. 28.8.2002, B 5 RJ 12/02 R; von Koch, in: Kreikebohm, SGB VI, 5. Aufl. 2017, § 43 Rn 37). Dies gilt unabhängig von der tatsächlichen Wohnlage des Versicherten (BSG, Urt. v. 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90). Objektive Gründe, von einer fehlenden Wegefähigkeit der Klägerin auszugehen, sind nach den ermittelten medizinischen Befunden nicht anzunehmen. Diese Feststellungen auf internistische und lungenfachärztlichen Gebiet trifft das Gericht insbesondere auf Grundlage der Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Dr. S ... Dieser hat die Klägerin eingehend und sorgfältig ambulant untersucht. Insbesondere wurden ausführliche Untersuchungen der Lungenfunktion durchgeführt. Er hat sich zur Überzeugung des Gerichts in seinem Gutachten ausführlich, in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar mit den bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen auseinandergesetzt. Die Begutachtung erfolgte unter Auswertung aller zur Verfügung stehenden Befund- und Behandlungsberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte sowie des im Auftrag der Beklagten erstellten Gutachten von Herrn Dr. E ... Den vorhandenen gesundheitlichen Störungen wird durch die Benennung der verschiedenen qualitativen Leistungseinschränkungen angemessen Rechnung getragen. Anhaltspunkte für Zweifel an seinen Erkenntnissen hat die Kammer nicht gefunden. Dies gilt auch nicht nach Vorlage des Attests des behandelnden Lungenfacharztes Dr. M. vom 18.2.2019, in dem dieser ausführt, dass die schon mehrmals angestrebten Rehabilitationsmaßnahmen jeweils gescheitert seien. Der Sachverständige Dr. S. hat in seinem Gutachten lediglich ausgeführt, dass durch eine konsequente medizinische Rehabilitation eine weitere Stabilisierung der pulmonalen Situation möglich sei. Das festgestellte Leistungsvermögen bestünde jedoch bereits schon jetzt, ohne dass eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme notwendig sei. Gründe, warum das vom Sachverständigen festgestellte Leistungsvermögen nicht zutreffend sein sollte, wurden in dem Attest hingegen nicht ausgeführt. Es werden auch keine weitergehenden Befunde mitgeteilt, die zu einer anderen Einschätzung des Leistungsvermögens, als vom Sachverständigen ausgeführt, führen könnten.

Das zeitliche Leistungsvermögen der Klägerin ist nicht in rentenrelevantem Umfang eingeschränkt. Sie kann die zumutbaren Tätigkeiten vollschichtig, d.h. arbeitstäglich mindestens sechs Stunden, ausüben. Auch insoweit folgt das Gericht den schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen Dr. S ...

Mit dem so beschriebenen Leistungsvermögen der Klägerin ist diese nicht als teilweise erwerbsgemindert anzusehen. Dann liegt erst recht keine volle Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI vor, denn hieran wären noch höhere Anforderungen zu stellen als an eine teilweise Erwerbsminderung.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähig nach § 240 SGB VI. § 240 SGB VI dehnt aus Gründen des Vertrauensschutzes als Sondervorschrift zu § 43 Abs. 1 SGB VI den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf vor dem 2. Januar 1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus. Die Klägerin fällt grundsätzlich unter diese Vertrauensschutzregelung, da sie im Jahr 1958 geboren wurde. Es fehlt indes am Vorliegen einer Berufsunfähigkeit als weiterer notwendiger Voraussetzung. Berufsunfähigkeit ist in § 240 Abs. 2 SGB VI definiert. Sie liegt vor bei Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst dabei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin vorliegend nicht, da sie zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden und sie diese Tätigkeiten entsprechend den obigen Ausführungen noch vollschichtig ausüben kann.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Bedeutung des bisherigen Berufs. Dabei kommt es grundsätzlich auf die letzte versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit an. Die Klägerin war zuletzt als Reinigungskraft beschäftigt. Diesen Beruf kann die Klägerin unstreitig nicht mehr ausüben. Berufsunfähigkeit liegt jedoch nicht schon dann vor, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Vielmehr sind anhand des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes zumutbare Tätigkeiten zu ermitteln, auf die die Versicherten verwiesen werden können. Dabei ist auch ein zumutbarer beruflicher Abstieg in Kauf zu nehmen (vgl. grundlegend Bundessozialgericht, Urt. v. 20.1.1976, 5/12 RJ 132/75; aus der Literatur z. B. Nazarek, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2013, § 240 Rn 91; Kamprad in: Hauck/Noftz, SGB, 05/08, § 240 SGB VI, Rn 34 ff.).

Das Bundessozialgericht hat in dem Zusammenhang das so genannte Mehrstufenschema entwickelt (vgl. hierzu insgesamt Bundessozialgericht, Urt. v. 29.7.2004, B 4 RA 5/04 R). Die Stufen sind von unten nach oben nach ihrer Leistungsqualität, diese gemessen nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung und beruflichen Erfahrung, nicht nach Entlohnung oder Prestige, geordnet. Danach sind zu unterscheiden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe 2); Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3; so genannte Facharbeiter); Berufe, die zusätzliche Qualifikationen oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen (Stufe 4), zu ihr gehören Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung; Berufe, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen (Stufe 5); Berufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (Stufe 6). Eine "Verweisung", die grundsätzlich durch eine konkrete Benennung eines Berufs geschehen muss, der an mindestens 300 Arbeitsplätzen im Bundesgebiet ausgeübt wird, kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächstniedrigeren erfolgen. Hierbei ist das Überforderungsverbot (Einarbeitung innerhalb von drei Monaten) zu beachten. Eine konkrete Benennung ist grundsätzlich nur dann nicht erforderlich, wenn der bisherige Beruf der ersten Stufe angehört oder wenn ein sogenannter einfacher Angelernter (Stufe 2, aber Ausbildung bis zu einem Jahr) auf ungelernte Berufe verwiesen wird.

Gemessen an diesen Kriterien ist die Tätigkeit der Klägerin als Reinigungskraft der Stufe 1 zuzuordnen und hier als sogenannte ungelernte Arbeiter zu bewerten, da der Beruf keine Ausbildung erfordert.

Die Klägerin ist daher auch im Rahmen des § 240 SGB VI auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Für diesen besteht, wie bereits oben ausgeführt – unter Berücksichtigung der bestehenden Einschränkungen – eine Leistungsfähigkeit von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
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