L 9 R 4318/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 2112/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4318/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Nachversicherung eines ehemaligen Mitglieds einer Religionsgemeinschaft und zur Rechtsmissbräuchlichkeit der Erhebung der Verjährungseinrede (Bestätigung Senatsurteil vom 17.02.2020 - L 9 BA 1892/18 - und Abweichung von BSG, Urteile vom 27.06.2012 - B 5 R 88/11 R - und vom 02.11.2015 - B 13 R 35/14 R -)
für Recht erkannt: Tenor: Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Oktober 2018 sowie die Bescheide der Beklagten vom 15. Januar 2016 und 11. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2016 aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 12.501,91 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die die Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen für die Zeiträume vom 01.09.1973 bis 15.08.1974 und vom 01.10.1974 bis 31.07.1979.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, religiöse und mildtätige Zwecke in Form der Unterstützung hilfsbedürftiger Personen und der Förderung der Religion des christlichen Glaubens verfolgt (§ 2 Nr. 1 der Satzung i. d. F. vom 27.06.1999). Bei der Mitgliedschaft wird zwischen aktiven (Ordensmitgliedern) und passiven Mitgliedern unterschieden. Aktives Mitglied kann werden, wer nach loser Zugehörigkeit die Aufgaben und Ziele des Vereins bejaht und bereit ist, sie zu verwirklichen. Grundlage hierfür sind die Ordensregeln. Eine Ordensmitgliedschaft beginnt mit der Einsegnung und dem Ablegen der Profess. Der Verein ist eine verbindliche, freie b. A., eine Lebensgemeinschaft mit absoluter Gütergemeinschaft. Die aktiven Mitglieder (Ordensmitglieder) widmen dem Verein während ihrer Zugehörigkeit zum Orden ihre gesamte Arbeitskraft und der Verein sorgt für seine Mitglieder während derselben Zeit in gesunden und kranken Tagen (§ 3 Nr. 1 und 2 der Satzung i. d. F. vom 27.06.1999). Der Kläger ging aus einem Zusammenschluss zweier 1972 gegründeter Vereine hervor. Am 14.01.1972 wurde der Verein B. C. D. F. e.V. (F.) gegründet. Zielsetzung war zum einen die Praktizierung der verbindlichen christlichen Nachfolge und zum anderen der Bau und die Führung des Projekts Jugend-, Freizeit- und Altenzentrum. Parallel dazu wurde der Verein F. Jugend-, Freizeit- und Altenzentrum e.V. (Freundeskreis F.) gegründet, der als gemeinnützig anerkannt war und als Freundeskreis den F. unterstützte. 1987 wurde der F. e.V. umbenannt in B. A. D. G. e.V. und mit dem Freundeskreis F. zusammengeschlossen. Die Vereinssatzung wurde dabei grundlegend geändert. Bereits in der ursprünglichen Satzung des F. vom 14.01.1972 waren vergleichbare Regelungen enthalten. Darin war laut § 1 der Verein eine Vereinigung von Menschen, die die Nachfolge Christi praktizieren wollten und es war seine Aufgabe, den Menschen mit Wort und Tat zu dienen und in verbindlicher Nachfolge zu leben. Außerdem hatte sich der Verein zur Aufgabe gestellt, ein Freizeit- und Altenzentrum aufzubauen und zu führen. Mitglied konnte nach § 4 werden, wer nach loser Zugehörigkeit die Aufgabe und Ziele des Vereins bejahte und bereit war, sie zu verwirklichen.

Der 1954 geborene und am 07.03.2018 verstorbene W. (im Folgenden: W.), der bei der Beklagten gesetzlich rentenversichert war, war Gründungsmitglied des F ... Im Januar 1973 zogen die ersten Brüder des F. zusammen und bildeten eine Wohngemeinschaft, darunter war auch W. Seine zu diesem Zeitpunkt noch ausgeübte Tätigkeit als Vermessungstechniker beim Landesvermessungsamt Baden-Württemberg gab er am 31.08.1973 auf und trat ab 01.09.1973 vollzeitlich in den Dienst der F ... Er übte Aufgaben des Projektes Jugend-, Freizeit- und Altenzentrum aus. Eine Bezahlung erhielt er dafür nicht. Am 26.01.1974 legten die ersten Mitglieder der F. ein Gelübde ab und wurden eingekleidet, auch hierunter war W. Ab 16.08.1974 leistete W. seinen Zivildienst ab. Nach Entlassung aus dem Dienst nach § 43 Abs. 1 Nr. 9 Zivildienstgesetz mit Ablauf des 30.09.1974 (Dienstzeitbescheinigung und Zivildienstbescheinigung vom 19.09.1974 im nachgereichten Aktenteil der Beklagten) trat er am 01.10.1974 wieder in den Dienst der Gemeinschaft des F ... Am 31.07.1979 schied W. aus der Gemeinschaft des F. aus und leistete nach einer abhängigen Beschäftigung (01.08.1979 bis 31.10.1979) vom 05.11.1979 bis 18.01.1981 die restliche Zeit seines Zivildienstes ab. Danach war W. wieder abhängig beschäftig bzw. übte eine selbstständige Tätigkeit aus.

Am 17.03.2015 beantragte W. bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Beginn am 01.06.2015. Mit Bescheid vom 17.04.2015 bewilligte die Beklagte W. Altersrente. Unter dem 29.04.2015 wandte sich W. an die Beklagte mit der Frage, ob er angesichts der beitragsfreien Monate in seinem Versicherungsverlauf trotz bereits erteilten Rentenbescheids noch freiwillige Beiträge für diese Zeiten nachleisten könne. Dann hätte er 45 Jahre Beitragszeit erfüllt. Es stehe auch eine Nachzahlung eines ehemaligen Arbeitgebers für die Zeit vom 01.09.1973 bis 31.07.1979 aus, damit fehlten ihm nur noch sieben Monate für das Erreichen der 45 Monate.

In Ergänzung hierzu wandte sich mit Schreiben vom 05.05.2015 Bruder G. für den Kläger an die Beklagte und teilte mit, dass W. an den Kläger herangetreten sei mit der Bitte, ihn für die Zeit vom 01.09.1973 bis 31.07.1979 in der Rentenversicherung nachzuversichern oder ihm eine Abfindung zu zahlen. Er teilte mit, dass sich der 1972 gegründete F. im Laufe der Jahre zur verbindlichen Ordensgemeinschaft entwickelt habe. Es sei bei der Gründung festgelegt worden, dass während der Aufbauphase keine Rentenversicherungsbeiträge gezahlt würden, sondern nur eine freiwillige Krankenversicherung abgeschlossen werde. Bereits in den 1970er-Jahren habe die AOK festgestellt, dass der F. einer geistlichen Genossenschaft oder mit einem Orden zu vergleichen und daher von der Rentenversicherungspflicht befreit sei. Leider liege dieses Schriftstück nicht mehr vor, da ein Großteil der Akten bei einem Brand im Jahr 2003 vernichtet worden sei. Bei der AOK sei das Schreiben auch nicht mehr auffindbar. Es werde daher angefragt, ob eine Nachversicherung erfolgen könne, ggf. in welcher Höhe und mit welchem Verfahrensweg.

Die Beklagte leitete eine Prüfung der Nachversicherung ein. Sie forderte den Kläger zur Vorlage einer Kopie der Gewährleistungsentscheidung über die Versicherungsfreiheit ihrer Mitglieder gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf und bat um Mitteilung von Beginn und Ende der satzungsmäßigen Mitgliedschaft des W. in der klägerischen Gemeinschaft. Der Kläger wurde aufgefordert, die gesetzlich vorgeschriebene Nachversicherungsbescheinigung zu erteilen und zu übersenden, § 185 Abs. 3 SGB VI.

Erst hierauf beantragte der Kläger eine Gewährleistungsentscheidung, welche vom Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg am 15.10.2015 erteilt wurde, rückwirkend von Beginn des Monats an, in dem die Zusicherung der üblichen Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter erfolgt ist. Der Kläger übersandte die Bescheinigung und bat um Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Nachversicherung gegeben seien.

Mit Bescheid vom 15.01.2016 forderte die Beklagte vom Kläger für die Zeit vom 01.09.1973 bis 15.08.1974 und vom 01.10.1974 bis 31.07.1979 gemäß § 233 Abs. 1 SGB VI i. V. m. § 9 Abs. 5 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) die Nachversicherung durchzuführen und hierfür den Betrag in Höhe von 12.501,91 Euro innerhalb von sechs Wochen zu überweisen. Dagegen wandte sich der Kläger über seinen Bevollmächtigten mit Telefax vom 26.01.2016 und wandte ein, dass der Nachversicherungsanspruch verjährt sei, da teilweise über 40 Jahre, seit dem Ausscheiden des W. aus dem klägerischen Verein 36 Jahre verstrichen seien. Die Beklagte blieb mit Bescheid vom 11.02.2016 bei der Aufforderung zur Nachversicherung und wies darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Einrede der Verjährung rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sei, wenn sie dem Grundsatz von Treu und Glauben i. S. d. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) widerspreche, weil zum Beispiel der Beitragsschuldner den Beitragsgläubiger durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Beitragsforderung abgehalten habe. Nach den vorliegenden Unterlagen habe der Kläger seinerzeit den zuständigen Rentenversicherungsträger nicht über das unversorgte Ausscheiden des W. aus dem Dienstverhältnis informiert. Nach der Rechtsprechung des BSG sei in einem solchen Fall die Einrede der Verjährung rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam.

Der Kläger legte Widerspruch ein. Er sei der Auffassung, dass der Verein in den 1970er- und 1980er-Jahren noch nicht als Ordensgemeinschaft im Sinne des Sozialversicherungsrechts anzusehen sei. Selbst wenn man das so sehe, würde der Verjährungseinwand durchgreifen, da die Rechtslage so komplex sei, dass ein Unterlassungsvorwurf dem Kläger bzw. dessen Rechtsvorgänger nicht gemacht werden könne. Ein solcher Vorwurf sei aber wesentlicher Bestandteil der zitierten BSG-Rechtsprechung.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2016 zurück. Soweit der Kläger geltend mache, der F. als Rechtsvorgänger des Klägers sei seinerzeit keine geistliche Genossenschaft gewesen, ändere dies nichts an der Beurteilung der Nachversicherungspflicht. Denn nach § 9 Abs. 5 AVG seien auch Angehörige ähnlicher Gemeinschaften nach dem Ausscheiden aus der Gemeinschaft nachzuversichern, wenn sie nicht der Versicherungspflicht unterlegen hätten. Die Berufung auf die Verjährung sei rechtsmissbräuchlich, nachdem der F. bereits seit den 1970er-Jahren darüber informiert gewesen sei, dass die Gemeinschaft eine solche im Sinne des Sozialversicherungsrechts sei, sodass auch die Nachversicherungspflicht bekannt gewesen sein müsste oder zumindest die Pflicht bestanden hätte, sich hierüber zu informieren.

Am 18.08.2016 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft, wonach bereits kein Anspruch auf Nachversicherung bestehe. Im Übrigen wäre ein solcher Anspruch auch verjährt und damit nicht durchsetzbar. Eine Berufung auf die eingetretene Verjährung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Mit Beschluss vom 16.10.2018 hat das SG W. zum Verfahren beigeladen und mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 16.10.2018 die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet, der Bescheid der Beklagten vom 11.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.2016 rechtmäßig. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Forderung von Nachversicherungsbeiträgen für W. für die Zeiträume vom 01.09.1973 bis 15.08.1974 und vom 01.10.1974 bis 31.07.1979 seien erfüllt, die Einrede der Verjährung durch den Kläger sei rechtsmissbräuchlich und stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar. Auch die übrigen Einwendungen des Klägers griffen nicht. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen werde gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Ergänzend sei auszuführen, dass der Kläger entgegen seinem Vorbringen schon in den streitigen Zeiträumen eine Gemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 5 AVG dargestellt habe. Dies ergebe sich im Wesentlichen daraus, dass W. in diesen Zeiträumen in Wohnungen des Klägers gelebt und seine gesamte Arbeitskraft der Gemeinschaft gewidmet habe, wie sich bereits dem Schreiben des Klägers vom 05.05.2015 entnehmen lasse. Auch der Umstand, dass W. ab 01.09.1973 vollumfänglich in den Dienst des F. getreten sei, belege dies. Es habe bereits damals eine vollständige Verflechtung zwischen Arbeitsleben und persönlicher Lebensgemeinschaft bestanden. Letztlich könne daher offenbleiben, ob der Kläger bzw. dessen Rechtsvorgänger den Begriff "geistliche Genossenschaft" oder den Begriff "ähnliche Gemeinschaft" erfüllt habe. Hinzu komme, dass der Kläger selbst mit Schreiben vom 05.05.2015 mitgeteilt habe, dass die AOK den F. damals als eine geistliche Gemeinschaft oder mit einem Orden vergleichbar eingestuft habe. Zwar seien die Nachversicherungsbeiträge verjährt, unabhängig davon, ob die vierjährige oder die dreißigjährige Verjährungsfrist zugrunde gelegt werde, da zum Zeitpunkt deren Geltendmachung im Jahr 2016 auch bereits 30 Jahre verstrichen gewesen seien. Trotzdem sei der Kläger nicht zur Leistungsverweigerung berechtigt. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei rechtsmissbräuchlich und stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar. Allein der Kläger habe durch sein objektiv gesetzwidriges Verhalten bewirkt, dass der Beklagten ihre Beitragsansprüche unbekannt geblieben seien und sie infolge dieser Unkenntnis nicht rechtzeitig verjährungsunterbrechende Maßnahmen eingeleitet habe. Da das pflichtwidrige Verhalten des Klägers dafür ursächlich sei, dass die Verjährungsfrist verstrichen sei, könne sich der Kläger nach Treu und Glauben nicht auf den Ablauf der Verjährungsfrist berufen. Dies würde nicht mit seinem eigenen Verhalten in Einklang stehen. In diesem Falle komme es auf ein Verschulden des Klägers nicht an.

Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 05.11.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.12.2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er vorgebracht, es könne nicht offenbleiben, ob er bzw. sein Rechtsvorgänger F. in den streitigen Zeiträumen eine geistliche Genossenschaft oder ähnliche Gemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 5 AVG dargestellt habe. Denn eine Nachversicherung komme nach den tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift nur in Betracht, wenn zuvor eine satzungsmäßige Mitgliedschaft in einer solchen Genossenschaft oder Gemeinschaft bestanden habe. Insoweit sei das vom Kläger erwähnte Schreiben der AOK aus den 1970er-Jahren irrelevant, da das Schreiben nicht mehr existiere und der Inhalt nicht konkret bekannt sei. Selbst wenn damals eine Versicherungsfreiheit festgestellt worden wäre, sei dies vorliegend nicht relevant, da damals die Versicherungsfreiheit keine Voraussetzung für die Nachversicherung gewesen sei. Vielmehr hätte das SG im vorliegenden Einzelfall das Vorliegen dieser Nachversicherung prüfen müssen. Zutreffend habe das SG festgestellt, dass die Nachversicherungsansprüche, so sie denn bestehen würden, verjährt seien, unabhängig davon, welche Frist eingreife. Dass der Kläger an der Erhebung der Verjährungseinrede gehindert wäre, da dies rechtsmissbräuchlich sei, stelle das SG nur fest, ohne dies zu begründen. Ein Rechtsmissbrauch liege aber nur vor, wenn der Berechtigte durch ein gesetzes-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten für den Gläubiger Nachteile gebracht habe, die bei redlichem Verhalten nicht entstanden wären. Da die Verjährung dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit diene, greife der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben. Dies könne dem Kläger nicht unterstellt werden. Nicht jedes Unterlassen erfülle bereits die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs. Dem Kläger sei die Verpflichtung zur Nachversicherung weder bekannt noch aus grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen. In der Vergangenheit habe es bei keiner Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung, die Krankenkassen oder das Finanzamt irgendwelche Beanstandungen, Zweifel oder auch nur Nachfragen gegeben. Die Rechtslage sei vorliegend nicht so eindeutig, als dass dem Kläger ein grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten vorgeworfen werden könne.

Auf Aufforderung des Senats hat die Beklagte weitere noch vorhandene bzw. rekonstruierbare Teile der Versicherungsakte des W. vorgelegt. Im Rahmen eines Erörterungstermins hat Bruder G. für den Kläger weitere Angaben gemacht und die Berichterstatterin des Senats hat auf die Senatsentscheidung vom 17.02.2020 (L 9 BA 1892/18) und das dagegen beim BSG anhängige Revisionsverfahren (13 R 6/20 R) hingewiesen. Hierzu wird auf die Niederschrift vom 18.05.2020 Bezug genommen. Mit Beschluss vom 30.06.2020 hat der Senat den Beigeladenen als Alleinerben des verstorbenen W. zum Verfahren beigeladen.

Der Kläger beantragt (teilweise sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Oktober 2018 sowie die Bescheide der Beklagten vom 15. Januar 2016 und 11. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf das bisherige Vorbringen und die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig.

Beteiligt an dem Verfahren sind neben dem Kläger und der Beklagten der Beigeladene. Die vom SG vorgenommene Beiladung des W. durch Beschluss vom 16.10.2018 ist gegenstandslos, nachdem W. zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war.

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 15.01.2016 und 11.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Zu Unrecht macht die Beklagte Nachversicherungsbeiträge für W. für die Zeiträume vom 01.09.1973 bis 15.08.1974 und vom 01.10.1974 bis 31.07.1979 geltend, denn eine Beitragsforderung für diese Zeiträume ist verjährt und die Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Kläger nicht rechtsmissbräuchlich und stellt keine unzulässige Rechtsausübung dar. Das Urteil des SG und die genannten Bescheide sind daher aufzuheben. Zutreffend verfolgt der Kläger sein Begehren mit der Anfechtungsklage.

Rechtsgrundlage für die streitige Nachversicherung ist § 233 SGB VI, der zum 01.01.1991 in Kraft getreten ist und seither im Wesentlichen unverändert gilt. Gemäß § 233 Abs. 1 Satz 1 SGB VI werden Personen, die vor dem 01.01.1992 aus einer Beschäftigung ausgeschieden sind, in der sie nach der jeweils geltenden, den §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 230 Abs. 1 Nr. 1 und 3 oder 231 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sinngemäß entsprechenden Recht nicht versicherungspflichtig, versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit waren, weiterhin nach den bisherigen Vorschriften (vorliegend § 9 Abs. 5 AVG) nachversichert, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung bzw. vorliegend aus der Gemeinschaft ausgeschieden sind. Nach § 233 Abs. 1 Satz 2 SGB VI gilt dies für Personen, die ihren Anspruch auf Versorgung vor dem 01.01.1992 verloren haben, entsprechend.

Die Voraussetzungen des § 233 Abs. 1 Satz 1 SGB VI liegen hier vor.

Nach § 9 Abs. 5 AVG in der Fassung des Rentenreformgesetzes vom 16.10.1972, BGBl I S. 1965 (AVG a. F.) sind satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften, die aus ihrer Gemeinschaft ausscheiden, für die Zeit ihrer Mitgliedschaft in der Gemeinschaft, in der sie aus anderen Gründen als wegen einer Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung der Versicherungspflicht nicht unterlagen oder nach § 8 Abs. 3 AVG befreit waren, nachzuversichern. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Wie bereits die Beklagte und das SG zutreffend ausgeführt haben, ist der Kläger und war auch schon der F. als sein Rechtsvorgänger, auch bereits im streitigen Zeitraum, eine geistliche Genossenschaft oder ähnliche Gemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 5 AVG. Eine geistliche Genossenschaft oder eine ähnliche Gemeinschaft ist ein Zusammenschluss von Personen einer Glaubensrichtung, die ihren Glauben in einer Gemeinschaftsform leben. Typisch für geistliche Genossenschaften sind insoweit z.B. Ordensgemeinschaften der Katholischen Kirche, aber auch im Bereich b.r Kirchen sind derartige Gemeinschaften bekannt (z.B. A.en). Dabei kommt es nicht auf einen rechtlichen Status an, sondern auf einen verfestigten religiösen Zusammenschluss mehrerer Personen zu einer Gemeinschaft, deren Zusammenschluss durch den geistlichen und religiösen Zusammenschluss geprägt ist (vgl. Senatsurteil vom 17.02.2020 – L 9 BA 1892/18 -, Juris m. w. N.). Der Kläger, der in der Bundesrepublik Deutschland als eingetragener Verein organisiert ist, ist eine solche geistliche Genossenschaft bzw. eine ähnliche Gemeinschaft. Denn er ist ein Zusammenschluss von christlich geprägten Menschen, die zusammenleben und ihrer christlichen Überzeugung folgen. Sie bilden als A. eine auf Dauer angelegte ordensähnliche Glaubens- und Lebensgemeinschaft von Menschen, die ihre zur Verfügung stehende Kraft aktiv für die Verwirklichung des Zwecks des Klägers einsetzen. Dies ergibt sich nicht erst aus der Satzung des Klägers vom 27.06.1999, sondern bereits aus der Satzung vom 14.01.1972. Der Zusammenschluss von Menschen zur Umsetzung der darin genannten Ziele und deren Zusammenwohnen und Zusammenleben stellt eine geistliche Genossenschaft bzw. eine ähnliche Gemeinschaft dar. Denn diese Menschen haben sich als Mitglieder der Glaubensgemeinschaft des Klägers bzw. des F. als organisatorisch verfestigte Einheit - bei dem Kläger zeigt sich die organisatorische Einheit sogar in einem gemeinsamen Wohnen und Leben - mit religiöser und wohltätiger Zweckausrichtung zusammengefunden. Diese Voraussetzungen lagen zur Überzeugung des Senats auch bereits ab Gründung des F. vor. Damals bestand die organisatorische Trennung in zwei Vereine, den F. und den Freundeskreis F ... Dem entspricht die spätere Einordnung der zu einem Verein zusammengefassten Vereine in aktive Mitglieder (zuvor F.) und passive Mitglieder (zuvor Freundeskreis F.). Die aktiven Mitglieder des Klägers bzw. früher die Mitglieder des F. haben sich zur Verfolgung des Vereinszwecks derart zusammengeschlossen, lebten zusammen und brachten ihre ganze Arbeitskraft dafür ein, dass ihre Gemeinschaft als geistliche Genossenschaft bzw. ähnliche Gemeinschaft einzuordnen ist. Entgegen dem Vorbringen des Klägers verfestigte sich der F. nicht erst im Laufe der Jahre bzw. erst 1991 zu einer solchen Gemeinschaft, sondern von Anfang an, was das frühe Zusammenleben der ersten Brüder, die sich vollständig in den Dienst der Gemeinschaft stellten, ein Gelübde ablegten und sich einkleideten, belegt.

W. war in den beiden hier streitigen Zeiträumen, unterbrochen von der Ableistung eines Teils seines Zivildienstes, auch satzungsmäßiges Mitglied dieser Gemeinschaft. W. war Gründungsmitglied des F. und zog bereits nach einem Jahr, im Januar 1973, mit den ersten Brüdern in eine Wohngemeinschaft zusammen. Ab 01.09.1973 stellte er sich dann vollumfänglich in den Dienst der Gemeinschaft und war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr lose zugehörig, sondern satzungsmäßiges Mitglied im Sinne des § 3 Nr. 1 der Satzung i. d. F. vom 14.01.1972, auch wenn erst im Januar 1974 die ersten Brüder und darunter auch W. ein Gelübde ablegten und eingekleidet wurden. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass W. vom 01.09.1973 bis 31.07.1979, nur unterbrochen von der Ableistung seines Zivildienstes bis zur vorzeitigen Entlassung aus diesem, in der Gemeinschaft des F. gelebt und seine gesamte Arbeitskraft der Gemeinschaft unentgeltlich gewidmet hat. Es hat somit in dieser Zeit eine vollständige Verflechtung zwischen Arbeitsleben und persönlicher Lebensgemeinschaft bestanden.

In den beiden streitigen Zeiträumen seiner Mitgliedschaft im F. unterlag W. aus anderen Gründen als wegen einer Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung nicht der Versicherungspflicht. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 AVG a.F. werden in der Rentenversicherung der Angestellten versichert satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften und ähnlicher Gemeinschaften während der Zeit ihrer Ausbildung, die nicht Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung ist, oder während ihrer Tätigkeit für die Gemeinschaft, wenn sie persönlich neben dem freien Unterhalt Barbezüge von mehr als einem Achtel der für Monatsbezüge geltenden Beitragsbemessungsgrenze monatlich erhalten. W. ist für den F. tätig geworden ist, indem er sich vollständig in den Dienst der Gemeinschaft gestellt hat zur Praktizierung der verbindlichen christlichen Nachfolge und indem er Tätigkeiten entsprechend seiner Fähigkeiten und seinen Kenntnissen zur Verwirklichung des Projekts Jugend-, Freizeit- und Altenzentrum geleistet hat. Es ist daher festzustellen, dass W. eine Tätigkeit für die Gemeinschaft ausgeübt hat. Dass die Beteiligten keine Beschäftigung im Rechtssinne begründen wollten, ist für die Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 7 AVG a. F. ebenso wenig von Bedeutung wie für die des § 9 Abs. 5 AVG a. F. Versichert ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 AVG a. F. die bloße Tätigkeit für die Gemeinschaft, wenn Barbezüge in bestimmter Höhe fließen. Da Letzteres unstreitig bei W. nicht der Fall war, bestand keine Versicherung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 AVG a. F. Genau für diesen Fall - nämlich fehlende Versicherungspflicht aus "anderen Gründen", hier also aufgrund fehlender Barbezüge - gibt es die Vorschrift des § 9 Abs. 5 AVG a. F.

Aus dieser Gemeinschaft ist W. am 31.07.1979 unversorgt ausgeschieden, so dass eine Nachversicherungspflicht des Klägers für W. für die streitigen Zeiträume vom 01.09.1973 bis 15.08.1974 und vom 01.10.1974 bis 31.07.1979 bestand.

Der Nachversicherungsfall ist am 01.10.1979 eingetreten, da ein Aufschubtatbestand nicht vorlag. Bei einem Ausscheiden aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung vor dem 01.01.1992 bleiben nach § 233 Abs. 1 SGB VI die Aufschubgründe des seinerzeitigen Rechts (§ 125 AVG) maßgebend (Senatsurteil vom 17.02.2020 a. a. O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2016 – L 11 R 2289/15 -, Juris). Vorliegend lag weder ein Tatbestand des § 125 AVG noch eine Aufschubbescheinigung (§ 125 Abs. 3 AVG a. F.) vor.

Die Nachversicherungsbeiträge sind allerdings verjährt. Der Senat geht im vorliegenden Fall von einer vierjährigen Verjährungsfrist aus (§ 25 SGB IV), auf die sich der Kläger auch berufen kann.

Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Der Begriff "vorsätzlich" schließt den bedingten Vorsatz ein (s. hierzu und zum Weiteren BSG, Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R -, Juris Rn. 64 m. w. N.). Hierfür ist ausreichend, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Die 30-jährige Verjährungsfrist ist auch anzuwenden, wenn ein anfänglich gutgläubiger Beitragsschuldner vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden ist (BSG, Urteil vom 16.12.2015 a. a. O., Senatsurteil vom 17.02.2020 a. a. O.). Der subjektive Tatbestand ist dabei bezogen auf die konkreten Umstände des Einzelfalls und den betreffenden Beitragsschuldner individuell zu ermitteln; die Feststellungslast für den subjektiven Tatbestand trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstige lange Verjährungsfrist beruft. Ist - wie im Idealfall, von dem § 25 SGB IV ausgeht - eine natürliche Person Beitragsschuldner, wird im Regelfall die Feststellung ihrer Kenntnis von der Beitragspflicht und der Umstand, dass die Beiträge nicht (rechtzeitig) gezahlt wurden, genügen, um gleichermaßen feststellen zu können, dass dieser Beitragsschuldner die Beiträge (zumindest bedingt) vorsätzlich vorenthalten hat. Denn die Rechtspflicht zur Beitragszahlung hat zur Folge, dass das Unterlassen der Zahlung einem aktiven Handeln gleichzustellen ist. Aus einem aktiven Handeln im Bewusstsein, so vorzugehen, folgt aber in aller Regel auch das entsprechende Wollen (BSG, Urteil vom 16.12.2015 a. a. O., m. w. N.). "Kenntnis" im vorstehend beschriebenen Sinne ist das sichere Wissen darum, rechtlich und tatsächlich zur Zahlung der Beiträge verpflichtet zu sein. Solche den Vorsatz indizierende Kenntnis von der Beitragspflicht kann nach der Rechtsprechung des BSG regelmäßig angenommen werden, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt (z.B. bei "Schwarzarbeit") überhaupt keine Beiträge entrichtet werden; sie liegt auch noch nahe, wenn Beiträge für verbreitete "Nebenleistungen" zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder ohne Weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht. Demgegenüber muss der Vorsatz bei wenig verbreiteten Nebenleistungen, bei denen die Steuer- und die Beitragspflicht in komplizierten Vorschriften geregelt sind und inhaltlich nicht voll deckungsgleich sind, eingehend geprüft und festgestellt werden. Fehler bei der Beitragsentrichtung dürften in diesen Fällen nicht selten nur auf fahrlässiger Rechtsunkenntnis beruhen. Bloße Fahrlässigkeit schließt jedoch die Anwendung der 30-jährigen Verjährungsfrist aus. Dies gilt auch für die Form der "bewussten Fahrlässigkeit", bei welcher der Handelnde die Möglichkeit der Pflichtverletzung zwar erkennt, jedoch - im Gegensatz zum bedingt vorsätzlich Handelnden, der den Erfolg billigend in Kauf nimmt - darauf vertraut, die Pflichtverletzung werde nicht eintreten (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2015 a. a. O. Rn. 65, m. w. N.).

Ist eine juristische Person des Privatrechts - wie der hier klagende "eingetragene Verein" - Beitragsschuldner, kommt es zunächst auf das vorsätzliche Handeln zumindest eines Mitglieds eines Organs (hier: Vorstand, Mitgliederversammlung) von der Beitragspflicht an. Zur Zurechnung von Wissen und Verschulden hat das BSG entschieden, dass dieses Wissen und Verschulden eines vertretungsberechtigten Organmitglieds als dasjenige des Organs anzusehen und damit auch der juristischen Person zuzurechnen ist. Das gleiche gilt nach dem Rechtsgedanken der §§ 166, 278 BGB für andere zum Vertreter der juristischen Person bestellte natürliche Personen, sofern sie eigenverantwortlich mit der sozialversicherungsrechtlichen Bewertung einer Tätigkeit für die juristische Person und der Erfüllung ihrer Zahlungspflicht betraut sind). Auch die Kenntnis und das Verschulden weiterer im Rahmen einer betrieblichen Hierarchie verantwortlicher Personen kann der betroffenen juristischen Person zuzurechnen sein, wenn keine Organisationsstrukturen geschaffen wurden, um entsprechende Informationen aufzunehmen und intern weiterzugeben (Senatsurteil vom 17.02.2020 a. a. O., m. w. N.).

Vorliegend ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für einen Vorsatz der Vorstandsmitglieder des Vereins oder aber derjenigen, die für den Kläger mit Aufgaben rund um die Betreuung der Hausbewohner betraut waren. Zunächst ist festzustellen, dass kein vom BSG als typischer Vorsatztatbestand beschriebener Fall vorliegt, wie etwa Schwarzarbeit oder fehlende Beiträge zu Nebenleistungen, bei dem Vorsatz naheliegt. Dies gilt umso mehr, als die Verantwortlichen nicht notwendigerweise - wie etwa im öffentlichen Dienst - nach einer entsprechenden Ausbildung oder Schulung ihre Aufgaben zu erfüllen hatten. Anhaltspunkte für Vorsatz der Verantwortlichen ergeben sich auch nicht aus den Akten. Trotz der Gesetzesänderung, wonach nunmehr mit Wirkung ab dem 01.01.1992 gemäß § 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI auch Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehöriger ähnlicher Gemeinschaften während ihres Dienstes für die Gemeinschaft versicherungspflichtig waren und hiervon nur befreit werden konnten, wenn deren Versorgung gewährleistet war (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI), wurde erst auf Aufforderung der Beklagten zur Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung im Zusammenhang mit der Prüfung der vorliegend streitigen Nachversicherung im Jahr 2015 die sog. Gewährleistungsentscheidung vom Kläger beantragt und rückwirkend erteilt. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Kläger ab dem 01.01.1992 gezwungen gewesen wäre, sich mit der Frage der Versicherungspflicht zu beschäftigen, und im Rahmen dieser Prüfung auch Fragen der Nachversicherung zu klären, war dies über 12 Jahre nach dem Ausscheiden des W. aus der Gemeinschaft; Rückschlüsse auf den hier streitigen Zeitpunkt lassen sich daher nicht ziehen. Auch das in seinem Schreiben vom 05.05.2015 erwähnte angebliche Schreiben der AOK aus den 70er-Jahren ist nicht mehr existent und der genaue Inhalt des Schreibens lässt sich nicht mehr klären. Da somit Hinweise auf vorsätzliches Vorenthalten der Beiträge nicht bestehen, die Beklagte für Vorsatz aber die Beweislast trägt, ist vorliegend die vierjährige Verjährungsfrist anzuwenden.

Der Kläger kann sich auch auf die Verjährung rechtswirksam berufen; die Erhebung der Verjährungseinrede ist nicht rechtsmissbräuchlich.

Hierzu hat das BSG Folgendes entschieden (BSG, Urteil vom 27.06. 2012 - B 5 R 88/11 R -, Juris):

Trotz Verjährung ist der Kläger hinsichtlich der Nachversicherungsbeiträge nicht zur Leistungsverweigerung berechtigt. Die Berufung auf diese Einrede stellt sich nach den vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässige Rechtsausübung dar. Das Rechtsinstitut der unzulässigen Rechtsausübung wegen Rechtsmissbrauchs ist eine aus dem Grundsatz von Treu und Glauben i. S. d. § 242 BGB abgeleitete, der gesamten Rechtsordnung immanente Schranke, die auch im Bereich des Sozialrechts zu beachten ist. Die Verjährung hingegen dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit des Rechtsverkehrs. Dieser Zweck gebietet es, strenge Maßstäbe anzulegen und den Einwand der unzulässigen Rechtausübung nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen zu lassen. Die Berufung auf Verjährung wird daher grundsätzlich nur dann als unzulässige Rechtsausübung angesehen, wenn der Verpflichtete den Berechtigten, wenn auch unabsichtlich, durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs abgehalten oder ihn auf sonstige Weise nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst hat, es werde auch ohne Rechtsstreit eine vollständige Befriedigung seines Anspruchs zu erreichen sein. Auch im Sozialrecht und insbesondere im Beitragsrecht steht der gesetzlich zugelassenen Verjährungseinrede (§ 25 SGB IV) der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs entgegen, wenn der Gläubiger im Vertrauen auf ein konkretes, ihm gegenüber an den Tag gelegtes Verhalten des Beitragsschuldners die Ansprüche nicht innerhalb der Verjährungsfrist verfolgt hat. Daraus ergibt sich als regelmäßige Voraussetzung für den Einwand unzulässiger Rechtsausübung, dass der Schuldner eine Tätigkeit entfaltet und Maßnahmen trifft, die den Gläubiger veranlassen, verjährungsunterbrechende Schritte zu unterlassen, sei es auch nur, weil ihm infolge eines solchen Tuns Ansprüche unbekannt geblieben sind. Die Untätigkeit des Gläubigers muss gerade auf das Verhalten des Schuldners zurückzuführen sein. Nur zu eigenem Tun wird sich der Schuldner grundsätzlich durch Erhebung der Verjährungseinrede in einen gegen Treu und Glauben verstoßenden Widerspruch setzen können, indem er aus der von ihm selbst veranlassten Untätigkeit des Gläubigers einen Vorteil für sich ableiten will. Jedoch kann auch ein qualifiziertes, d.h. ein pflichtwidriges Unterlassen gebotener Maßnahmen durch die zuständige Behörde die spätere Berufung auf die Verjährungseinrede als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen. Dies gilt insbesondere, wenn allein dieses objektiv pflichtwidrige Unterlassen ursächlich dafür ist, dass der Gläubiger keine Kenntnis von seinem Anspruch erlangt hat. Auch durch ein solches Unterlassen hat der Schuldner den Gläubiger von der Geltendmachung seines Anspruchs "abgehalten" mit der Folge, dass die Einrede der Verjährung durch den Schuldner eine unzulässige Rechtsausübung darstellt. Diese Voraussetzungen für eine unzulässige Rechtsausübung sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Es kann offenbleiben, ob - wie das LSG annimmt - für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs auf das beamtenrechtliche Fürsorgeverhältnis zwischen dem Beitragsschuldner und dem ehemaligen Beschäftigten abzustellen ist bzw. ob sich aus diesem Fürsorgeverhältnis eine Handlungspflicht des Beitragsschuldners gegenüber dem Beitragsgläubiger ergeben kann. Denn auf die Einrede der Verjährung kann sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil er nach dem Ausscheiden des Beigeladenen seine rentenrechtliche Pflicht zur Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge verletzt hat. Zu diesem Unterlassen der Durchführung der Nachversicherung - gleich aus welchem Grunde - setzt sich der Kläger mit dem späteren Einwand der Verjährung in einen gegen Treu und Glauben verstoßenden Widerspruch. Denn das Nachversicherungsverhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass es grundsätzlich allein der Nachversicherungsschuldner in der Hand hat, ob der Nachversicherungsgläubiger überhaupt von seinem Anspruch erfährt. Unterrichtet nicht ausnahmsweise der zuvor versicherungsfrei Beschäftigte den Rentenversicherungsträger - wozu er generell nicht verpflichtet ist und wofür es vorliegend an Anhaltspunkten fehlt -, ist der Rentenversicherungsträger rechtlich grundsätzlich und faktisch in aller Regel darauf angewiesen, dass der Nachversicherungsschuldner von sich aus die Nachversicherungsbeiträge ermittelt, zahlt sowie eine entsprechende Bescheinigung erteilt. Bei Verletzung dieser Pflicht bleibt dem Gläubiger sein Beitragsanspruch mit der Folge unbekannt, dass er zulasten der Versichertengemeinschaft von der Geltendmachung seines Anspruchs sowie von sonstigen verjährungshemmenden Handlungen abgehalten wird. Bei der Beurteilung des Verhaltens des Klägers müssen auch Sinn und Zweck der Nachversicherung sowie der systematische Zusammenhang zwischen der Nachversicherung und den Tatbeständen der Versicherungsfreiheit bzw der Befreiung von der Versicherungspflicht beachtet werden. Eine Nachversicherung findet statt bei Personen, die in einer Beschäftigung versicherungsfrei waren oder von der Versicherungspflicht befreit worden sind, wenn sie aus dieser Beschäftigung unversorgt ausgeschieden sind. Insbesondere für die Personengruppe der versicherungsfreien Beschäftigten (vgl § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI i. V. m. § 5 Abs. 1 SGB VI) ist zu berücksichtigen, dass die Vorschrift des § 5 Abs. 1 SGB VI die Versicherungsfreiheit als Ausnahme von der grundsätzlichen Versicherungspflicht für die betreffenden, eigentlich die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungen normiert. Der Eintritt von Versicherungsfreiheit setzt voraus, dass dem Grunde nach ein Sachverhalt vorliegt, der nach den §§ 1 bis 4 SGB VI Versicherungspflicht begründet. Aufgrund ihrer Beschäftigung wäre diese Personengruppe also grundsätzlich versicherungspflichtig; das Gesetz stellt sie in dieser Beschäftigung jedoch ausnahmsweise von der Versicherungspflicht frei, da bereits eine anderweitige Absicherung vorliegt, so dass eine Einbeziehung dieser Personen in den Schutzbereich der gesetzlichen Rentenversicherung entbehrlich ist. Scheidet jedoch der Beschäftigte aus dieser versicherungsfreien Beschäftigung unversorgt aus, so ist der Grund für die Versicherungsfreiheit, nämlich die fehlende Schutzbedürftigkeit aufgrund einer anderweitigen Absicherung, nachträglich entfallen. Um diese Versorgungslücke zu schließen, soll mithilfe der Nachversicherung im Nachhinein eine soziale Sicherung dergestalt hergestellt werden, wie sie bestanden hätte, wenn der Beschäftigte in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen wäre. Daher entsteht mit dem unversorgten Ausscheiden des Beschäftigten die Pflicht des Arbeitgebers, die Nachversicherungsbeiträge sofort abzuführen. Die Pflicht zur Zahlung der Nachversicherungsbeiträge tritt kraft Gesetzes ein, ohne dass es eines Bescheides des zuständigen Rentenversicherungsträgers bedarf. Erst mit der wirksamen Zahlung der Nachversicherungsbeiträge erwirbt der zuvor versicherungsfrei Beschäftigte den Versichertenstatus und damit den Versicherungsschutz. Mit der Durchführung der Nachversicherung kommt aber nicht nur dem Nachversicherten der jedem versicherten Beschäftigten aufgrund seiner Arbeit zustehende Schutz der Rentenversicherung zugute; die Nachversicherungsbeiträge dienen zudem in dem im Umlageverfahren finanzierten System der gesetzlichen Rentenversicherung dazu, die Solidarlast zu tragen. Die Pflicht zur rechtzeitigen, also unverzüglichen Zahlung der Nachversicherungsbeiträge steht demnach nicht nur im Interesse des einzelnen Beschäftigten, sondern auch im Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten. Verletzt ein - zumal wie hier öffentlich-rechtlicher - Arbeitgeber diese Beitragspflicht, ist ihm grundsätzlich und in aller Regel allein wegen dieses Unterlassens die Verjährungseinrede verwehrt.

Der Kläger geht schließlich unter Hinweis auf unveröffentlichte Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg irrigerweise davon aus, die Erhebung der Verjährungseinrede könne sich nur dann als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn der Schuldner im Verhältnis zum Gläubiger eine aktive Pflichtverletzung begangen habe. Indessen ist bereits durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts und von ihm folgend des BVerwG, des BGH und des BAG geklärt, dass eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Verjährungseinrede nicht nur dann in Betracht kommt, wenn der Berufung des Schuldners auf Verjährung eigenes positives Tun entgegensteht, durch das er seinen Gläubiger von der rechtzeitigen gerichtlichen Durchsetzung einer diesem bekannten Forderung trotz der drohenden Verjährung abgehalten hat. Vielmehr liegt ein "Abhalten von der Klageerhebung" auch dann vor, wenn der Gläubiger von der rechtzeitigen verjährungsunterbrechenden Geltendmachung seines Anspruchs durch das Verhalten des Schuldners abgehalten worden ist, indem der Schuldner bewirkt hat, dass dem Gläubiger sein Anspruch nicht bekannt geworden ist. Ein entsprechender Sachverhalt liegt hier vor. Allein der Kläger hat durch sein objektiv gesetzwidriges Verhalten bewirkt, dass der Beklagten ihre Beitragsansprüche unbekannt geblieben sind und sie infolge dieser Unkenntnis nicht rechtzeitig verjährungsunterbrechende Maßnahmen eingeleitet hat. Da demnach das eigene pflichtwidrige Verhalten des Klägers dafür ursächlich ist, dass die Verjährungsfrist für die Ansprüche der Beklagten abgelaufen ist, kann sich der Kläger nach Treu und Glauben auf den Ablauf der Verjährungsfrist nicht berufen, weil dies mit seinem eigenen Verhalten nicht im Einklang stehen würde. Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf ein Verschulden des Klägers nicht an.

Dieser Rechtsprechung des 5. Senats hat sich nicht nur der 13. Senat angeschlossen (BSG, Urteil vom 02.11.2015 - B 13 R 35/14 R -, in Bezug auf Säumniszuschläge, Juris), sondern - soweit ersichtlich - auch die übrige Rechtsprechung (vgl. nur LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 12.11.2014 - L 2 R 2647/14 - und vom 05.11.2013 - L 11 R 5180/12 -; LSG Thüringen, Urteil vom 17.09.2014 - L 12 R 1907/12 -; LSG Hamburg, Urteil vom 14.05.2013 - L 3 R 29/13 WA -, alle in Juris).

Soweit das BSG in dieser Entscheidung in Bezug auf Nachversicherungsbeiträge eine Berufung auf die eingetretene Verjährung als rechtsmissbräuchlich ansieht unabhängig davon, wer Schuldner ist, vermag der erkennende Senat dem nicht zu folgen (hierzu insgesamt bereits: Senatsurteil vom 17.02.2020 a. a. O.) Jedenfalls in Fällen, in denen der Nachversicherungsschuldner - wie hier - keine öffentlich-rechtliche Behörde ist, hält der Senat die Auffassung, die eine Treuwidrigkeit allein mit Blick auf eine objektive Pflichtwidrigkeit unabhängig von subjektivem Verschulden annimmt, für zu weitreichend. Zwar greifen die Überlegungen des BSG, grundsätzlich habe es allein der Nachversicherungsschuldner in der Hand, ob der Nachversicherungsgläubiger überhaupt von seinem Anspruch erfahre, der wiederum darauf angewiesen sei, dass der Schuldner von sich aus tätig werde, auch für den vorliegenden Fall. Allerdings macht es aus Sicht des Senats einen Unterschied, ob - wie in dem vom BSG entschiedenen Fall und auch in den oben zitierten LSG-Entscheidungen - eine Behörde Schuldnerin ist oder aber eine juristische Person des Privatrechts, von der, wie oben dargelegt, ihrer Struktur nach und auch in Bezug auf die Qualifikation der Mitarbeiter nicht dieselben juristischen Kenntnisse erwartet werden können wie von einem öffentlich-rechtlichen Träger. Zudem hat das BSG in der genannten Entscheidung argumentiert, insbesondere für die Personengruppe der versicherungsfreien Beschäftigten sei zu berücksichtigen, dass die Vorschrift des § 5 Abs. 1 SGB VI die Versicherungsfreiheit als Ausnahme von der grundsätzlichen Versicherungspflicht für die betreffenden, eigentlich die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungen anordnet. Auch diese Überlegung passt auf den vorliegenden Fall nicht: Mangels Barbezügen und mangels Beschäftigung war W. gemäß § 2 Nr. 1 Abs. 7 AVG a. F. gerade nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung, so dass sein Fall nicht mit Beamten(anwärtern) oder ähnlichen Personen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ff. SGB VI) verglichen werden kann. Bei Letzteren liegt auf der Hand, dass sie, hätten sie die gleiche Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber ausgeübt, versicherungspflichtig gewesen wären und das Gesetz sie nur ausnahmsweise von der Versicherungspflicht freistellt. Bei W. trifft dies nicht zu; erst durch die Gesetzesänderung zum 01.01.1992 unterfällt ein solcher Dienst in einer religiösen Gemeinschaft der Versicherungspflicht - also bestand im streitgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich Versicherungsfreiheit. Insofern sind die Überlegungen des BSG auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar (so bereits Senatsurteil vom 17.02.2020, a. a. O.; a. A.: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2016, a.a.O.). Zu Recht führt das BSG in dem genannten Urteil an, die Verjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit des Rechtsverkehrs. Dieser Zweck gebiete es, strenge Maßstäbe anzulegen und den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen zu lassen, worauf auch der Kläger mit seiner Berufung zutreffend hingewiesen hat. Gemessen an solch strengen Maßstäben sieht der Senat einen solchen groben Verstoß gegen Treu und Glauben nicht mit der Folge, dass die Verjährungseinrede vorliegend nicht rechtsmissbräuchlich erhoben worden ist.

Die Erhebung der Verjährungseinrede ist vorliegend auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger über Bruder G. in seinen Schreiben vom 05.05.2015 und vom 27.01.2015 um Prüfung gebeten hat, ob die Voraussetzungen der Nachversicherung gegeben sind. Diese Schreiben sind unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts nicht als Zusage, dass Nachversicherungsbeiträge unabhängig von einer etwaigen Verjährung geleistet würden, so sie denn von der Beklagten gefordert würden, sondern als Bitte um Klärung der Sach- und Rechtslage in Reaktion auf die Anfrage des W. auszulegen.

Die Nachversicherungsbeiträge sind daher verjährt.

Auf die Berufung des Klägers sind daher das angefochtene Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache. Der Senat hat davon abgesehen, außergerichtliche Kosten des zum Zeitpunkt seiner Beiladung durch das SG bereits verstorbenen W. bzw. seines vom Senat beigeladenen Rechtsnachfolgers gemäß § 197a SGG in Verbindung mit § 162 Abs. 3 VwGO der unterliegenden Beklagten oder der Staatskasse aufzuerlegen, weil dies mit Blick auf den Ausgang des Verfahrens nicht der Billigkeit entsprochen hätte und der Beigeladene keine Anträge gestellt hat.

Die Revision war wegen Divergenz zu den Urteilen des BSG vom 27.06.2012 (a. a. O.) und vom 02.11.2015 (a. a. O.) zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).

Die Festsetzung des Streitwertes bestimmt sich nach der Höhe der Forderung im streitgegenständlichen Zeitraum, § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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