L 4 KA 55/07

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 5/27 KA 2031/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 55/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Mai 2007 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren zu tragen. Der Streitwert wird auf 451.328,47 EUR festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 451.328,67 EUR hat.

Die Beklagte schloss mit dem Beigeladenen am 17. Dezember 2001 eine gesamtvertragliche Vereinbarung über die Gesamtvergütung für die Jahre 2001 und 2002 (Anlage 1 zum Gesamtvertrag vom 30./31. Mai 1980/7. Juni 1980 mit Gültigkeit für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2002). Die Vereinbarung wurde "mit Wirkung für die Betriebskrankenkassen in Hessen und zugleich auch für die Bahn-BKK (Rechtskreis West)" - Seite 1 der Vereinbarung - getroffen.

Am 20. Juni 2003 schloss die Beklagte mit dem Beigeladenen für die Zeit ab 1. Januar 2002 eine Ergänzungsvereinbarung zur gesamtvertraglichen Vereinbarung vom 17. Dezember 2001 "mit Wirkung für die Betriebskrankenkassen, deren Mitglieder ihren Wohnsitz in Hessen haben (nachstehend Betriebskassen genannt)" - Seite 1 der Vereinbarung. In der Vereinbarung vom 17. Dezember 2001 war die Berechnung der zur Verteilung an die Vertragsärzte bestimmten Gesamtvergütung - mit Ausnahme der Regelungen in Abschnitt I Nr. 2 - getrennt nach Allgemeiner Krankenversicherung und Krankenversicherung der Rentner nach Versichertenpauschalen vereinbart. Aufgrund des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte vom 11. Dezember 2001 (WOrtPrG - BGBl. I. S. 3526) und einer darauf zurück gehenden Beanstandung des Hessischen Sozialministeriums gemäß § 71 Abs. 4 SGB V wurde in der Ergänzungsvereinbarung die Berechnung der Gesamtvergütung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2002 wieder auf mitgliederbezogene Kopfpauschalen umgestellt. Zum Geltungsbereich wurde in Nr. 3.1 der Ergänzungsvereinbarung Folgendes geregelt: "Die Bestimmungen des Gesamtvertrages vom 30./31 Mai 1980/7. Juni 1980 und des Honorarvertrages vom 17. Dezember 2001 in der Fassung der vorliegenden Ergänzungsvereinbarung gelten auch für die Betriebskrankenkassen, die ihren Sitz außerhalb Hessens und deren Mitglieder ihren Wohnsitz in Hessen haben (nachfolgend WOP-Kassen genannt)". In der Anlage B zu Nr. 3.1 der Ergänzungsvereinbarung vom 20. Juni 2003 (Feststellungen des Ausgangsbetrages je Mitglied gemäß Art. 2 §§ 1 und 2 des Wohnortprinzip-Gesetzes) ist die Klägerin ausdrücklich mit aufgeführt.

Am 21. April 2004 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Sie begehrt die Rückzahlung eines Betrags in Höhe von 451.328,67 EUR aus der für das Quartal IV/02 entrichteten Vergütung in Höhe von 4.812.045,16 EUR, zu der sie die Beklagte erfolglos aufgefordert hat. Sie hat behauptet, in dieser Höhe die Vergütung ohne Rechtsgrund entrichtet zu haben. Als Ausgangsbetrag für die für das Jahr 2002 zu vereinbarende Gesamtvergütung sei für sie nach Art 2 § 1 WOrtPrG im Rechtskreis West für das Quartal IV/02 ein Betrag von 131,12 EUR anzusetzen gewesen, der sich unter Einbeziehung der Veränderungsrate 2002 (1,84 %) auf 133,53 EUR erhöhte. Bei 28.131 Mitgliedern ergebe sich hieraus ein Vergütungsbetrag von 3.756.332,43 EUR. Diese Ausgangsbeträge seien ermittelt worden, indem die von der Klägerin je Quartal des Jahres 2001 insgesamt für vertragsärztliche Leistungen entrichteten Vergütungen festgestellt wurden. Diese Beträge seien jeweils um die Ausgaben für Dialysesachkosten, Substitution, Prävention und Schutzimpfungen bereinigt und durch die Anzahl der Mitglieder geteilt worden. Der so ermittelte Ausgangsbetrag multipliziert mit der Mitgliederzahl der Klägerin 2002 sei deckungsgleich mit der Gesamtvergütung im Sinne des § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Außerhalb der (nach Kopfpauschalen errechneten) Gesamtvergütung sei die Beklagte nach Auffassung der Klägerin für das Quartal IV/02 im Rechtskreis West berechtigt gewesen, Dialysesachkosten (§ 85 Abs. 3a Satz 4 SGB V), Leistungen für Substitution (§ 85 Abs. 2a SGB V), Prävention und Schutzimpfungen (§ 71 Abs. 1 Satz 2 SGB V) und sog. durchlaufenden Posten in Rechnung zu stellen, i. E.:
Dialysesachkosten: 429.361,24 EUR (nach Aufstellung der Beklagten)
Substitution: 1355,36 EUR (nach Aufstellung der Beklagten)
Prävention: 42.308,24 EUR (nach Aufstellung der Beklagten)
Schutzimpfungen: 109.353.18 EUR (nach Aufstellung der Beklagten)
Durchlaufende Posten: 22.006,04 EUR (nach Aufstellung der Beklagten)
Zähle man die vorgenannten von der Beklagten ermittelten Beträge für die außerhalb der Gesamtvergütung zu vergütenden Leistungen hinzu, ergebe sich ein Gesamtbetrag von 4.360.716,49 EUR. Stelle man diesen Betrag dem von der Beklagten angeforderten Gesamtbetrag von 4.812.045,16 EUR gegenüber, so belaufe sich die Differenz auf den eingeklagten Betrag von 451.328,67 EUR, der zurückzuzahlen sei. Nach den gesetzlichen Vorgaben des § 71 SGB V habe die Gesamtvergütung höchstens um die Veränderungsrate gesteigert werden dürfen. Eine weitergehende Anhebung verstoße gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Da dieser Grundsatz bezogen auf jede einzelne Kasse gelte, könnten die Gesamtvertragsparteien auch nicht die Herausnahme von Leistungsbereichen aus der Gesamtvergütung vereinbaren, wenn die an die Stelle der Gesamtvergütung tretende nicht budgetierte Einzelleistungsvergütung zu Lasten der Klägerin gehe. Zudem seien im Ausgangsbetrag nach dem WOrtPrG mit Ausnahme oben aufgeführter Leistungsbereiche sämtliche von der Klägerin in 2001 vergüteten vertragsärztlichen Leistungen enthalten. Die Festlegung von Einzelleistungsvergütungen führe dazu, dass die Leistungen von der Klägerin doppelt oder mit deutlich über der Veränderungsrate liegenden Beträgen vergütet würden. Sofern 2002 neben der Koloskopie weitere zusätzliche Leistungen gemäß § 85 Abs. 3 Satz 3 SGB V erstmalig abgerechnet worden seien, sei auf § 71 SGB V zu verweisen. Sie habe im Ergebnis für die Zeit ab dem 1. Januar 2003 ihren Beitragssatz von 13,5 % auf 14,5 % anheben müssen. Die Ausgabenentwicklung in der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich der Beklagten habe sich für die Klägerin wie folgt dargestellt:

Quartale Gesamt Je Mitglied Ausgangsbetrag inklusive Veränderungsrate
I/02 4.320.919,13 EUR 152,30 EUR 124,22 EUR
II/02 4.422.853,37 EUR 156,80 EUR 123,39 EUR
III/02 4.514.856,89 EUR 160,67 EUR 121,61 EUR
IV/02 4.812.045,16 EUR 171,06 EUR 133,53 EUR
I/03 4.277.659,56 EUR 153,50 EUR 124,22 EUR
II/03 4.321.634,23 EUR 155,08 EUR 123,39 EUR
III/03 4.424.510,65 EUR 161,38 EUR 121,61 EUR

Nach neuerer BSG-Rechtsprechung sei sie dem Grunde nach befugt, einen Rückerstattungsanspruch gerichtlich geltend zu machen (vgl. Urteile des BSG vom 28. September 2005, B 6 KA 71/04 und B 6 KA 72/04). Das BSG habe in seiner Entscheidung dahinstehen lassen, "ob die(Teil-)Nichtigkeit eines Gesamtvertrages anzunehmen wäre, der sich völlig von den Typenvorgaben und Anforderungen des § 85 Abs. 2 SGB V löst und etwa entgegen § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB V unterschiedliche Vergütungen für die Versorgung verschiedener Versichertengruppen vorschreibt". Eine solche Lösung von den Typenvorgaben und Anforderungen des § 85 Abs. 2 SGB V liege hier vor. Die Vertragsparteien hätten unter Abschnitt I Ziff. 2 und II. Ziff. 2 der Honorarvereinbarung einen Teil der Gesamtvergütung als Einzelleistungen vereinbart. Ein qualifizierter Rechtsverstoß, der die Nichtigkeit des Gesamtvertrages zur Folge habe, liege darin, dass keine Regelung im Sinne des § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V vereinbart worden sei. Danach sei, soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart werde, der Betrag des Ausgabevolumens nach § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V zu bestimmen sowie eine Regelung zur Vermeidung der Überschreitung dieses Betrags zu treffen. Dabei handle es sich um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 58 SGB X. Die Regelung des § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V und die Bestimmungen zur Beitragssatzstabilität (§§ 71, 85 Abs. 3 SGB V) seien auch kassenbezogen zu verstehen. Auch verstoße die Regelung in Nr. 3.1 der Ergänzungsvereinbarung vom 20. Juni 2003, wonach zu den WOP-Kassen lediglich Betriebskrankenkassen gezählt würden, die ihren Sitz außerhalb Hessens hätten, gegen gesetzliche Vorgaben. Daraus ergebe sich ebenfalls eine Nichtigkeit der getroffenen Vereinbarungen. Die Klägerin sei kein Mitglied des Beigeladenen und habe als Betriebskrankenkasse ihren Sitz innerhalb Hessens.

Nach Auffassung der Beklagten und des Beigeladenen ist die Klageforderung unbegründet. Die Beklagte hat ausgeführt, die getroffene gesamtvertragliche Regelung sei mit Wirkung auch gegenüber der Klägerin rechtswirksam. Die Klägerin könne im vorliegenden Rechtsstreit keine gerichtliche Überprüfung des auf sie entfallenden Gesamtvergütungsbetrages von 4.812.045,16 EUR erreichen (vgl. Urteile des BSG vom 28. September 2005, B 6 KA 71/04 und B 6 KA 72/04). Ebenso wenig könne sie im Verhältnis zur Beklagten eine Herabsetzung der vereinbarten Gesamtvergütung geltend machen (vgl. Urteil des BSG vom 31. August 2005, B 6 KA 6/04 R). Die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität sei durch das Beanstandungsrecht der Aufsichtsbehörde hinreichend abgesichert. Im vorliegenden Fall habe das Hessische Sozialministerium als Aufsichtsbehörde nach Vorlage der Ergänzungsvereinbarung am 29. August 2003 festgestellt, dass Beanstandungen im Sinne von § 71 Abs. 4 Satz 2 SGB V nicht erhoben würden. Selbst wenn man der Auffassung der Klägerin folgte, dass ein Verstoß gegen der Grundsatz der Beitragssatzstabilität vorliege, sei keine Nichtigkeit des Gesamtvertrages gegeben. Ein Nichtigkeitsgrund gemäß § 58 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 134 BGB liege nicht vor. Im Grundsatz der Beitragssatzstabilität gemäß § 71 SGB V sei kein Verbotsgesetz zu sehen. Die Vorschriften über die Gesamtvergütung seien ebenso wenig als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB zu verstehen. Die Klägerin habe den von ihr behaupteten Verstoß gegen die Beitragssatzstabilität nicht substantiiert dargelegt. Bei der Prüfung der Einhaltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität sei nicht auf die einzelne Krankenkasse, sondern auf alle Krankenkassen, die dem Landesverband angehören, zurückzugreifen. Überdies wäre im hier nicht vorliegenden Fall einer zu viel gezahlten Gesamtvergütung diese im Verhältnis der Beklagten und der Beigeladenen auszugleichen. Die einzelnen Mitgliedskassen hätten keinen direkten Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten. Einer eventuellen Rückzahlungsverpflichtung stünde ihrer Auffassung nach der Einwand der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB entgegen.

Der Beigeladene hat ausgeführt, die Feststellung des Ausgangsbetrags nach dem Wohnortprinzip sei nicht bereits aus dem Gesetz abzuleiten gewesen, sondern das Ergebnis von Verhandlungen auf Bundesebene zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der KBV (Anlage 14 Abs. 3 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte – BMV-Ä). Der Vorwurf des Verstoßes gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität könne unter dem Gesichtspunkt des Ziels der Förderung kostengünstiger ambulanter Strukturen versus kostenintensiver stationärer Behandlungen nicht nachvollzogen werden. Die außerbudgetären Regelungen zum ambulanten Operieren seien bereits 1998 beschlossen worden. Die Klägerin habe dem Strukturvertrag zum ambulanten Operieren seinerzeit explizit zugestimmt. Die Regelungen zur Geriatrie und Palliativmedizin seien mit derselben Zielsetzung 2001/2002 neu in den nicht budgetierten Teil der Vergütung aufgenommen worden, die Gesamtvergütung sei bereinigt worden. Nähere Ausführungen der Klägerin zu ihren Kostenentwicklungen in allen Bereichen (Verwaltung, Krankenhaus, ambulante Versorgung, Arzneimittel usw.), ggf. auf das Bundesland Hessen bezogen, fehlten. Für Leistungen der photodynamischen Therapie sowie im Zusammenhang mit künstlicher Befruchtung hätten die Vertragspartner der Bundesebene (Spitzenverbände der Krankenkassen und KBV) explizit die extrabudgetäre Vergütung empfohlen, wie es vertraglich in allen bekannten KV-Bereichen bundesweit umgesetzt worden sei. In der Abrechnung der KV-Hessen seien die Kosten des von der Bundesebene initiierten Modellprojekts Mammographiescreening Wiesbaden/Rheingau-Taunus-Kreis enthalten sowie die so genannten Sachkosten "Linsen", die im Zusammenhang mit Kataraktoperationen aufgrund einer bundesweiten vertraglichen Regelung abgerechnet werden dürften. Den Ausführungen der Beklagten zu einer möglichen Eintrittspflicht des Beigeladenen im Falle des Nichtbestehens des Gesamtvertrages könne nicht gefolgt werden. Mit dem Abschluss des Gesamtvertrages sei die Beklagte gegenüber ihren Mitgliedern eine Verbindlichkeit eingegangen, die vereinbarten Honorarzahlungen weiterzuleiten. Die Befreiung von Verbindlichkeiten stelle grundsätzlich keine Entreicherung dar.

Mit Urteil vom 30. Mai 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, nach § 83 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des WOrtPrG hätten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄVen) mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen Gesamtverträge mit Wirkung für die Krankenkassen über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen getroffen. Mit der Übertragung dieser Abschlusskompetenz sei dem zuständigen Landesverband der Krankenkassen die Rechtsmacht zugewiesen worden, die beteiligten Krankenkassen zur Zahlung der auf sie entfallenden Gesamtvergütung an die kassenärztliche Vereinigung zu verpflichten. Dies habe zur Folge, dass eine Krankenkasse sogar einen Gesamtvertrag gegen sich gelten lassen müsse, den ein Landesverband abgeschlossen habe, dem sie selbst nicht angehöre. Diese Bindung schließe es grundsätzlich aus, dass die Krankenkasse im Streit mit der KÄV die Vereinbarkeit einer Gesamtvergütungsvereinbarung mit den diesbezüglichen gesetzlichen Vorgaben oder der auf sie entfallenden Gesamtvergütung überprüfen lassen könne (BSG, Urteile vom 28. September 2005 – B 6 KA 71704 R und B 6 KA 71704 R; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. April 2007 – L 5 KA 560/07 ER-B). Daher sei auch die Klägerin als Nichtmitglied des Beigeladenen an die Vereinbarungen zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen gebunden und habe im vorliegenden Rechtsstreit mit der Beklagten keine gerichtliche Überprüfung der auf sie entfallenden Gesamtvergütung erreichen können. Eine Bindung der Klägerin an die getroffenen Vereinbarungen sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass in Nr. 3.1 der Ergänzungsvereinbarung vom 20. Juni 2003 als WOP-Kassen nur Betriebskrankenkassen mit Sitz außerhalb Hessens bezeichnet worden seien. Eine Nichtigkeit der Vereinbarung könne nicht angenommen werden. Gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 11. Dezember 2001 sei die Klägerin in die Bindungswirkung der Vereinbarungen einbezogen, dementsprechend sei die Neuregelung in § 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 11. Dezember 2001 getroffen worden. In Übereinstimmung hiermit hätten die Vertragspartner die Vereinbarung vom 17. Dezember 2001 mit Wirkung für die Betriebskrankenkassen in Hessen, zugleich auch für die Klägerin, den Rechtskreis West betreffend geschlossen, ebenso wie die Vereinbarung vom 20. Juni 2003 mit Wirkung für die Betriebskrankenkassen, deren Mitglieder ihren Wohnsitz in Hessen hatten. In der Anlage B zu Nr. 3.1 der Ergänzungsvereinbarung sei die Klägerin ausdrücklich aufgeführt. Daraus folge, dass Regelungsgehalt der Nr. 3.1 der Ergänzungsvereinbarung eindeutig dahingehend festgestanden habe, dass auch die Klägerin als Betriebskrankenkasse mit Sitz innerhalb Hessens mit ihren Mitgliedern, die ihren Wohnsitz in Hessen hatten, von der Vereinbarung erfasst wurde. Im Übrigen seien keine Nichtigkeitsgründe in Bezug auf die gesamtvertraglichen Vereinbarungen ersichtlich. Diese könnten sich nur aus § 58 SGB X ergeben, weil der Gesamtvertrag ungeachtet seiner normativen Wirkung gegenüber am Vertragsschluss nicht beteiligten Dritten ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne der §§ 53 ff SGB X sei. Koordinationsrechtliche öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X, zu denen auch Gesamtverträge gehörten, könnten nach § 58 Abs. 1 SGB X nichtig sein, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ergebe. Lediglich qualifizierte Rechtsverstöße in vertragsärztlichen Normverträgen könnten die Nichtigkeit zur Folge haben. Dabei komme in erster Linie der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB infrage. Bei den Regelungen in § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V oder § 85 Abs. 4 SGB V handele es sich nicht um Verbotsgesetze im dargelegten Sinne. Entsprechendes gelte in Bezug auf die Nichtbeachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität im Sinne des § 71 SGB V, der gemäß § 85 Abs. 3 Satz 2 SGB V bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen zu beachten sei. Dieser Grundsatz enthalte zwar eine verbindliche gesetzliche Vorgabe für den Inhalt von Vergütungsvereinbarungen, der dem Verhältnis zu anderen Kriterien für die Festsetzung der Gesamtvergütung Vorrang zukomme. Andererseits habe das BSG betont, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität kein generelles Verbot von Beitragssatzerhöhungen enthalte (BSG, Urteil vom 10. Mai 2000, B 6 KA 20/99 R, Juris Rdnrn. 38, 41, 43). Hinzu komme, dass sich dieser Grundsatz gemäß §§ 71 Abs. 1 Satz 1, 85 Abs. 3 Satz 2 SGB V nicht an die einzelne Krankenkasse richte, sondern an die Vertragspartner des Gesamtvertrages. Schließlich seien die Wirkungen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität jedenfalls in Bezug auf Schiedssprüche als Entscheidungen der Schiedsämter, die - gegenüber den betroffenen Krankenkassen - ebenfalls Normsetzungsverträge darstellten, geklärt. Verstöße führten hier lediglich zur Rechtswidrigkeit und damit zu einer Aufhebung, nicht aber zu einer Nichtigkeit (BSG, Urteile vom 19. Juli 2006, Juris Rdnrn. 14, 21; Urteil vom 14. Dezember 2005 B 6 KA 25/04 R, Juris Rdnr. 20; Urteil vom 27. April 2005, Juris Rdnr. 16; Urteil vom 10. Mai 2000, Juris Rdnr. 36, 56, 59). Zudem erfolge die Überprüfung der Gesamtvergütungsvereinbarungen auf Rechtsverstöße gemäß § 71 Abs. 4 SGB V durch die Aufsichtsbehörden, die beim Vorliegen eines Rechtsverstoßes eine Beanstandung vornehmen könnten. Die gesetzlich vorgegebene Beschränkung der Überprüfung der Gesamtvergütungsvereinbarung - allein - durch die Aufsichtsbehörden beruhe auf Gründen der Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Vergütungssystems. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität könne daher nur zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Nichtigkeit der gesamtvertraglichen Vereinbarung führen. Damit ändere sich vorliegend nichts an dem Grundsatz, dass die einzelne Krankenkasse im Rechtsstreit mit der KÄV keine gerichtliche Überprüfung der auf sie entfallenden Gesamtvergütung erreichen könne. Entsprechendes gelte in Bezug auf den von der Klägerin geltend gemachten Verstoß gegen die Vorgabe des § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V betreffend die nicht getroffenen Regelungen zur Vermeidung von Überschreitungen des Betrages des Ausgabenvolumens für Einzelleistungen. Auch ein derartiger Verstoß, falls er vorliegen sollte, lasse die Wirksamkeit der Vereinbarung der Gesamtvergütung unberührt.

Gegen das ihr am 8. August 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. September 2007 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht (HLSG) eingelegt. Ihrer Auffassung nach liegt ein Verstoß gegen § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V vor, der die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarungen zur Folge habe. Außerdem habe das SG die Ausführungen der Klägerin zum Wohnortprinzip verkannt. Das WOrtPrG unterscheide bei der Bildung der Gesamtvergütung zwischen Kassen, für die erstmalig nach dem Wohnortprinzip die Gesamtvergütung vereinbart werde und solchen Kassen, für die keine Änderung eintrete. Für die so genannten WOP-Kassen sei Grundlage der zu vereinbarenden Gesamtvergütung der Ausgangsbetrag gemäß Art. 2 § 1 WOrtPrG. Für andere Kassen sei Grundlage die Honorarvereinbarung des Vorjahres. Die WOP-Kasse sei nach der gesetzlichen Definition des Art. 2 § 1 Abs. 1 Satz 1 WOrtPrG jede Krankenkasse, für die für das Jahr 2002 erstmalig nach dem Wohnortprinzip die Gesamtvergütung zu vereinbaren sei. Dies träfe für die Klägerin in Hessen eindeutig zu. Gleichwohl sei die Klägerin mittels der Honorarvereinbarung nicht den WOP-Kassen zugeordnet worden. Insoweit sei der Honorarvertrag rechtswidrig und unwirksam.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 451.328,67 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.

Wegen weiterer Einzelheiten sowie des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klage ist vom SG zu Recht nicht bereits als unzulässig abgewiesen worden.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Krankenkasse gegen eine KÄV wegen zu Unrecht gezahlter Gesamtvergütung von vornherein keinen Erstattungsanspruch geltend machen kann. § 85 Abs. 1 SGB V bewirkt unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen der einzelnen Krankenkasse und der KÄV, weil nicht der Landesverband, der den Gesamtvertrag geschlossen hat, sondern die einzelne Krankenkasse zur Entrichtung der vereinbarten Gesamtvergütung für ihre Mitglieder verpflichtet ist. Wenn damit das Gesetz selbst direkte Beziehungen zwischen den einzelnen Krankenkassen und der KÄV konstituiert, sind Konstellationen denkbar, in denen Zahlungen zwischen den Institutionen Krankenkasse und KÄV auch dann rückabgewickelt werden müssen, wenn beide nicht unmittelbar durch Vertragsbeziehungen miteinander verbunden sind, sondern das Vertragsverhältnis zwischen dem Landesverband und der KÄV gestaltet wird (BSG, Urteil vom 28. September 2005 - B 6 KA 71/04 R = SozR 4-2500 § 83 Nr. 2, Juris Rdnr. 30).

Das SG hat in der Sache zutreffend einen Rückzahlungsanspruch der Klägerin verneint.

Die Klägerin ist an die gesamtvertraglichen Vereinbarungen vom 17. Dezember 2001 und 20. Juni 2003 gebunden. Nach der Änderung des § 83 SGB V durch das WOrtPrG schließen die KÄVen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen Gesamtverträge "mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart über die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort in ihrem Bezirk". Dies hat zur Folge, dass eine Krankenkasse auch einen Gesamtvertrag gegen sich gelten lassen muss, den ein Landesverband abgeschlossen hat, dem sie selbst nicht angehört. Dies trifft für die nicht dem beigeladenen Landesverband angehörende Klägerin zu. Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben in der Anlage 14 BMV-Ä die näheren Regelungen zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips beschlossen. Gemäß § 2 der Anlage 14 BMV-Ä wurde eine Liste von Krankenkassen vereinbart, die ihren Tätigkeitsbereich über ein Land hinaus erstreckt haben (vgl. auch BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007, Juris Rdnr. 25). Die Klägerin ist dort ausdrücklich aufgeführt (Anhänge 1 bis 4 gemäß § 2 der Vereinbarung zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips – Anlage 14 BMV-Ä). Der Bindung der Klägerin an die gesamtvertraglichen Vereinbarungen vom 17. Dezember 2001 und 20. Juni 2003 steht im konkreten Fall auch nicht die Regelung in Nr. 3.1 der Ergänzungsvereinbarung entgegen. Die Vereinbarung über die Gesamtvergütung vom 17. Dezember 2001 war mit Wirkung für die Betriebskrankenkassen in Hessen und zugleich auch für die Bahn-BKK (Rechtskreis West) geschlossen worden. Die Ergänzungsvereinbarung vom 20. Juni 2003 war mit Wirkung für die Betriebskrankenkassen, deren Mitglieder ihren Wohnsitz in Hessen haben, geschlossen worden. Insoweit kann die Regelung der Nr. 3.1 der Ergänzungsvereinbarung, wonach der Gesamtvertrag und vom 17. Dezember 2001 und 20. Juni 2003 auch für die Betriebskrankenkassen, die ihren Sitz außerhalb Hessens und deren Mitglieder ihren Wohnsitz in Hessen haben, gelten, nicht isoliert betrachtet werden. Der Senat geht wie bereits das SG davon aus, dass die Vertragspartner nach dem Regelungszweck und Gesamtzusammenhang auch die Geltung für die Klägerin als WOP-Kasse festgelegen wollten. Für diese Auffassung spricht zudem, dass die Klägerin in Anlage B zu Nr. 3.1 der Ergänzungsvereinbarung vom 20. Juni 2003 (Feststellung des Ausgangsbetrages je Mitglied gemäß Art. 2 §§ 1 und 2 des WOrtPrG) ausdrücklich erfasst ist. Für den Senat besteht daher kein Zweifel an einer wirksamen und die Klägerin bindenden Regelung.

Zur Begründung ihres Rückzahlungsanspruchs beruft sich die Klägerin im Wesentlichen auf die Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit von Teilen der Vergütungsvereinbarungen zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen vom 17. Dezember 2001 und 20. Juni 2003.

Grundsätzlich kann die einzelne Krankenkasse im Rechtsstreit mit der KÄV keine gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit der gesamtvertraglichen Vereinbarung erreichen, nachdem dem zuständigen Landesverband der Krankenkassen mit der Übertragung der Abschlusskompetenz die Rechtsmacht zugewiesen worden ist, die beteiligten Krankenkassen zur Zahlung der auf sie entfallenden Gesamtvergütung an die KÄV zu verpflichten (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 5. November 2008 - B 6 Ka 55/07 R = BSG SozR 4-2500 § 83 Nr. 5, Juris Rdnr. 13; Urteil vom 17. Oktober 2007 = SozR R 4-2500 § 83 Nr. 4, RdNr. 18; Urteil vom 28. September 2005, a. a. O., Juris Rdnr. 17). Auch in dem Fall, in dem eine Krankenkasse einen Gesamtvertrag gegen sich gelten lassen muss, den ein Landesverband abgeschlossen hat, dem sie selbst nicht angehört, kann sie keine gerichtliche Überprüfung der gesamtvertraglichen Vergütungsvereinbarung erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 5. November 2008, a. a. O., Leitsatz; Urteil vom 28. September 2005, a. a. O., Juris Rdnr. 18 ff. m. w. N.).

Die BSG-Rechtsprechung hat bislang offen gelassen, ob eine Krankenkasse generell gehindert ist, gegenüber einer KÄV, an die sie gemäß § 85 Abs. 1 Sat 1 SGB V eine Gesamtvergütung zu entrichten hat, die Nichtigkeit des maßgeblichen Gesamtvertrages geltend zu machen und entsprechende Ansprüche verneint, wie die Voraussetzungen der Nichtigkeit nicht gegeben waren (vgl. Urteil vom 5. November 2008, a. a. O., Juris Rdnr. 13; Urteil vom 17. Oktober 2007, a. a. O., Juris Rdnr. 19; Urteil vom 28. September 2005, a. a. O., Juris Rdnr. 24). Danach kann sich die Nichtigkeit nur aus § 58 SGB X ergeben, da der Gesamtvertrag ungeachtet seiner normativen Wirkung ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne der §§ 53 ff SGB X ist. Koordinationsrechtliche öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X, zu denen auch Gesamtverträge gehören, können nach § 58 SGB X nichtig sein, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung des BGB ergibt. Um den besonderen Bestandsschutz öffentlich-rechtlicher Verträge auch in ihren obligatorischen und nicht nur in ihren normativ Dritte bindenden Teilen zu gewährleisten, kann die Rechtsfolge der Nichtigkeit nicht durch jeden Verstoß gegen Rechtsvorschriften ausgelöst werden. Vielmehr können lediglich qualifizierte Rechtsverstöße in vertragsärztlichen Normverträgen die Nichtigkeit des entsprechenden Vertrages zur Folge haben, etwa wenn zwingende Rechtsnormen bestehen, die einer vertraglichen Gestaltung nicht zugänglich sind, oder wenn ein bestimmtes Ziel von vornherein nicht durch einen Vertragsabschluss erreicht werden darf. Nicht jeder Verstoß einer gesamtvertraglichen Vereinbarung gegen eine gesetzliche Verbotsnorm enthält zugleich einen qualifizierten Rechtsverstoß. Dies kommt nur dann infrage, wenn Vorschriften offensichtlich missachtet worden sind, die alle Gesamtvertragspartner strikt binden. Dies setzt voraus, dass sie ein eindeutiges, aus sich heraus verständliches Verbot enthalten (vgl. BSG, Urteil vom 5. November 2008, a. a. O., Juris Rdnrn. 14,15 m. w. N.). Offen gelassen hat die BSG-Rechtsprechung insoweit, ob die (Teil-) Nichtigkeit eines Gesamtvertrages anzunehmen wäre, der sich völlig von den Typenvorgaben und Anforderungen des § 85 Abs. 2 SGB V löst und etwa entgegen § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB V unterschiedliche Vergütungen für die Versorgung verschiedener Versichertengruppen vorschreibt. Jedenfalls handelt es sich bei § 85 Abs. 4 SGB V und § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V nicht um Verbotsgesetze im Sinne des 134 BGB. Eine ausfüllungsbedürftige Norm, die gerade die Grundlage für Verhandlungen der Vertragspartner darstellt, kann ihrerseits nicht Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB sein (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2005, a. a. O., Juris Rdnr.25).

Auch der geltend gemachte Verstoß gegen die Beitragssatzstabilität, selbst wenn er vorliegen sollte, kann keine Nichtigkeit der gesamtvertraglichen Vereinbarungen bewirken. Es handelt sich hierbei nicht um einen qualifizierten Rechtsverstoß, der zur Nichtigkeit einer gesamtvertraglichen Regelung führen kann (vgl. BSG, Urteil vom 5. November 2008, a. a. O., Rdnr. 22 ff.). Zwar darf eine Veränderung der Gesamtvergütung nach dem in § 85 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 71 Abs. 1 und 2 SGB V normierten Grundsatz der Beitragsstabilität nur innerhalb des Steigerungssatzes des Beitragsaufkommens der Krankenkassen vorgenommen werden. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V in der ab 1. Januar 2000 geltenden und hier maßgeblichen Fassung haben die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer die Vereinbarungen über die Vergütungen so zu gestalten, dass Beitragssatzerhöhungen ausgeschlossen werden (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Um den Vorgaben nach § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V zu entsprechen, darf die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung, die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach Abs. 3 ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten (§ 71 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Ein möglicher Verstoß ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern es bedarf hierzu ergänzender Feststellungen durch das Bundesministerium für Gesundheit, welches gemäß § 71 Abs. 3 Satz 1 SGB V bis zum 5. September eines jeden Jahres die nach den Abs. 1 und 2 anzuwendenden durchschnittlichen Veränderungsraten festzustellen hat. Selbst eine rechnerische eindeutige Überschreitung der Veränderungsrate bewirkt nicht zwingend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität, da die Norm Ausnahmen zulässt. So ist der Grundsatz nicht verletzt, wenn die notwendige medizinische Versorgung auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen nicht zu gewährleisten ist. Zudem lässt das Gesetz eine Überschreitung der Veränderungsrate etwa dann zu, wenn die Mehrausgaben in einem Leistungsbereich durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden (§ 71 Abs. 2 Satz 2 SGB V) oder wenn Mehrausgaben aufgrund von Beschlüssen nach § 135 Abs. 1 SGB V entstehen (§ 85 Abs. 3 Satz 3 SGB V). Schließlich ist gegebenenfalls danach zu differenzieren, ob sich die Erhöhung der Gesamtvergütungen auf alle Kassen, auf eine einzige Kassenart oder nur auf einzelne Krankenkassen auswirken. Hierzu hat das BSG ausdrücklich klargestellt, dass diese Erwägungen allein die fehlende Geeignetheit des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für Dritte, hieraus einen qualifizierten Rechtsverstoß herzuleiten, betreffen, nicht aber dessen Bedeutung für die unmittelbar Beteiligten bzw. für die Aufsichtsbehörden relativieren (vgl. BSG, Urteil vom 5. November 2008, a. a. O., Juris Rdnr. 24).

Entsprechend kann die Klägerin auch aus einem Verstoß gegen § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V keinen qualifizierten Rechtsverstoß herleiten, der zur Nichtigkeit der Gesamtvergütungsvereinbarungen 17. Dezember 2001 oder 20. Juni 2003 führt.

Gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V in der maßgeblichen Fassung vom 11. Dezember 2001 ist die Gesamtvergütung das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann als Festbetrag, auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt. Deshalb ist es grundsätzlich zulässig, dass die Vertragspartner die Gesamtvergütung in der Weise festlegen, dass sie zum einen in Anknüpfung an die Gesamtvergütungsvereinbarung des Vorjahres Kopfpauschalen vorsehen. Zum anderen können außerhalb dieser Pauschalen weitere Leistungsvergütungen auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart werden. Gemäß § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V ist bei einer teilweisen oder vollständigen Bemessung der Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen ein Gesamtausgabenvolumen zu errechnen und eine Regelung zur Vermeidung von dessen Überschreitung zu treffen. § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V ist dahin auszulegen, dass das aus den Einzelleistungen voraussichtlich entstehende Ausgabenvolumen betragsmäßig zu errechnen und anzugeben ist oder das Gesamtausgabenvolumen, das auch die weiteren Teile der Gesamtvergütungsfestlegung wie Kopfpauschale usw. hinzurechnet, insgesamt zu errechnen und anzugeben ist. Zugleich ist eine Regelung zur Vermeidung der Überschreitung des Ausgabenvolumens zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2010 B 6 KA 4/09 R, Juris Rdnrn. 25, 26 ff.).

Nach Nr. 3.4 der Ergänzungsvereinbarung vom 20. Juni 2003 wurden die in Abschnitt II Nr. 2 des Honorarvertrages von 17. Dezember 2001 genannten Leistungen von den WOP-Kassen außerhalb des budgetierten Teils der Gesamtvergütung nach Einzelleistungen vergütet. Maßgebend sind insoweit die in Abschnitt II Nr. 2 des Honorarvertrages vom 17. Dezember 2001 genannten Punktwerte. Nach Abschnitt II. Nr. 2 des Honorarvertrages vom 17. Dezember 2001 wurden der Klägerin folgende Leistungen als Einzelleistungen in Rechnung gestellt: Leistungen nach dem Strukturvertrag zur Förderung ambulanter stationsersetzender Operationen vom 5. Februar 1998 (Nr. 2.1), Sachkosten für nichtärztliche Dialyseleistungen (Nr. 2.2), Leistungen im Rahmen der Gesundheitsvorsorge nach Abschnitt B IX EBM (Nr. 2.3), Leistungen aus dem Rahmenvertrag über Schutzimpfungen vom 5. Juli 1995 (Nr. 2.4), Beteiligung an den der KÄV Hessen entstehenden Kosten für die Qualitätssicherung der Behandlung von Aids-Kranken (Nr. 2.5), Leistungen im Rahmen der Methadon-Substitution (Nr. 2.6), Leistungen der Geriatrie und Palliativmedizin (Nr. 2.7), Belastungs-EKG, Lungenfunktionsdiagnostik, Leistungen der konventionellen Radiologie und der nuklearmedizinischen Invivo-Diagnostik nach Nrn. 5000 bis 5095 sowie 5400 bis 5497 und Rheumatologie PCP Nr. 16 a (Nr. 2.8), Photodynamische Therapie Nr. 1250 EBM (Nr. 2.9), Präventive Koloskopien nach Nr. 763 A EBM (Nr. 2.10 und MRT der Mamma (Nr. 2.11). Weder der Vereinbarung vom 17. Dezember 2001 noch der Vereinbarung vom 20. Juni 2003 lässt sich entnehmen, dass ein aus den Einzelleistungen voraussichtlich entstehendes Ausgabenvolumen oder ein Gesamtausgabevolumen errechnet bzw. angegeben und/oder eine Regelung zur Vermeidung der Überschreitung des Ausgabevolumens getroffen wurde. Die Beklagte und der Beigeladene sind dem Vortrag der Klägerin, dass ein Verstoß gegen § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V gegeben sei, auch nicht entgegengetreten.

Da die Regelungen des § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V Ausfluss des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität sind, kommt ihnen ebenso wie dieser ein hoher Rang zu (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2010, Juris Rdnr. 28). Doch auch bei Zugrundelegung eines Verstoßes gegen § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V kann daraus noch kein qualifizierter Rechtsverstoß hergeleitet werden, der zur Nichtigkeit gesamtvertraglicher Vereinbarungen führt. So hat das BSG in seiner Entscheidung vom 5. November 2008, a. a. O., Rdnr. 24 ausdrücklich zwischen der Bedeutung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für die unmittelbar Beteiligten bzw. für die Aufsichtsbehörden und der Geeignetheit des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität für Dritte, hieraus einen qualifizierten Rechtsverstoß herzuleiten, differenziert. Das BSG misst zwar der Regelung des § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V als Ausfluss des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität einen vergleichbar hohen Rang wie der Beitragssatzstabilität zu. Nachdem jedoch ein Verstoß gegen die Beitragssatzstabilität keinen qualifizierten Verstoß darstellt, der zur Nichtigkeit einer gesamtvertraglichen Vereinbarung führen kann, muss dies entsprechend für den vergleichbar bedeutsamen Verstoß gegen die Regelung des § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V als Ausfluss des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität gelten.

Die Klägerin bleibt auch nicht schutzlos, wenn sie mangels Vorliegens eines qualifizierten Rechtsverstoßes gehindert ist, gegenüber einer KÄV die Nichtigkeit des maßgeblichen Gesamtvertrags geltend zu machen. Die Überprüfung der Gesamtvergütungsvereinbarungen wird in einem objektivierten, nicht von der Geltendmachung subjektiver Rechtsverletzungen abhängigen Verfahren durch die für die Vertragspartner des Gesamtvertrages zuständige Aufsichtsbehörde vorgenommen. Gemäß § 71 Abs. 4 SGB V sind Vereinbarungen über die Vergütung von Leistungen unter anderem nach den §§ 83 und 85 SGB V den für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen, welche diese beanstanden können. Prüfungsmaßstab ist dabei gemäß § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IV die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, dass für die Versicherungsträger maßgeblich ist; dies gilt für die KÄVen entsprechend - § 78 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 5. November 2008, a. a. O., Rdnr. 25). Ggf. kommen auch Ansprüche gegen den zuständigen Landesverband in Betracht (s. dazu Huber/Storr, Haftung aus verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis zwischen Krankenkasse und Landesverband, VSSR 2006, S. 245 269).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 162 Abs. 3 VwGO. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da er im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt hat. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47, 52 Abs. 1 GKG, die Nichtzulassung der Revision § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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