L 16 AS 327/18

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 45 AS 2070/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 327/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Gewährung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs. 6 SGB II für einen Selbstbehalt in der privaten Krankenversicherung setzt eine Kausalität zwischen fehlender Beratung durch den Träger der Grundsicherung und deshalb nicht erfolgtem Wechsel in den Basistarif voraus. Unterblieb die Beratung zunächst und wird sie später nachgeholt, fehlt es gleichwohl an der Ursächlichkeit, wenn der Hilfebedürftige die private Krankenversicherung auch bei einem Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausdrücklich aufrecht erhalten will und auch nach Beratung aufrecht erhält.
2. In der Zusicherung des Trägers der Grundsicherung nach § 34 Abs. 1 SGB X, den privaten Krankenversicherungstarif als Zuschuss nach § 26 SGB II zu gewähren, liegt nicht auch eine Zusicherung, künftige Selbstbehalte als Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II zu gewähren.
3. Auch ein Anspruch aus einem sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch setzt voraus, dass zwischen Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und eintretendem Nachteil ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. März 2018 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen ein Urteil des Sozialgerichts München, mit dem seine Klage abgewiesen wurde. In der Sache begehrt er die Erstattung eines Selbstbehalts in der privaten Krankenversicherung für Krankenbehandlungskosten in Höhe von 967,26 EUR aus dem Jahr 2015 nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Für den 1994 geborenen Kläger sind für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge die Eltern, A., zu Betreuern bestellt, für weitere Aufgabenkreise Herr B ... Für den Kläger wurde eine Schwerbehinderung mit einem Grad von 70 vom Hundert festgestellt.

Der Kläger ist beim M. privat krankenversichert. Versicherungsnehmer ist der Vater des Klägers, versicherte Person ist der Kläger. Die Versicherung umfasste bei erster Antragstellung die Tarife 766 (zahnärztlicher Versicherungsschutz, 27,58 EUR), 704 (ambulanter Versicherungsschutz, SB Euro 1008, 31,08 EUR) und 731 (stat. Vers.-Schutz Regelleistung, 31,07 EUR). Der Monatsbeitrag betrug 89,73 EUR, später 94,47 EUR. Gemäß Versicherungsschein vom 01.11.2014 wurde der Monatsbeitrag wegen Vollendung des 21. Lebensjahres des Klägers ab 01.01.2015 auf 288,84 EUR angehoben. Der Beitrag setzte sich aus den Tarifen 766 (zahnärztlicher Versicherungsschutz, 50,78 EUR), 704 (ambulanter Versicherungsschutz, SB Euro 1008, 147,11 EUR) und 731 (stat. Vers.-Schutz Regelleistung, 90,95 EUR) zusammen. Gemäß Versicherungsschein vom 17.11.2015 erhöhte sich der monatliche Beitrag auf 338,78 EUR. Die Beiträge zur privaten Krankenversicherung zahlte der Vater des Klägers bis einschließlich 2014.

Der Kläger erhielt seit Februar 2013 Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Zuschüsse zur privaten Krankenversicherung wurden nicht gewährt. Der Vater bzw. der Betreuer des Klägers erklärte im Mai 2013, dass die private Krankenversicherung für den Kläger auch bei derzeitigem Bezug von Leistungen nach dem SGB II aufrechterhalten werden solle. Die Beiträge würden die Eltern weiterhin tragen. Im Juni 2014 erklärte der Betreuer des Klägers, dass sich hinsichtlich der Krankenversicherung keine Veränderung ergeben habe; die Beiträge zahle weiterhin der Vater des Klägers.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 09.12.2014 wurden Leistungen für die Zeit von Januar bis Juni 2015 bewilligt (Bescheid vom 11.12.2014, Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17.02.2015). Ein Zuschuss zu den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung wurde nicht gewährt.

Am 19.01.2015 teilte der Betreuer des Klägers mit, dass die Krankenversicherung die Beiträge massiv auf 288,84 EUR erhöht habe. Der Vater sehe sich nun nicht mehr im Stande, die Beiträge zu tragen. Dem Vater sei geraten worden zu prüfen, ob eine Familienversicherung über die Mutter des Klägers möglich sei und - falls nein - ob eine Versicherung des Klägers in der privaten oder gesetzlichen Krankenversicherung möglich sei. Es werde um Mitteilung gebeten, welche Versicherungsvariante aus Sicht des Beklagten künftig gewählt werden müsse und in welchem Umfang Beiträge übernommen werden könnten. Am 24.02.2015 legte der Betreuer nach Aufforderung durch den Beklagten ein Schreiben der Deutschen BKK vom 11.02.2015 vor, wonach ein Wechsel in die Familienversicherung nicht möglich sei. Weiter legte er ein Schreiben des M. vom 03.02.2015 mit Berechnungsbeispielen vor. Es handele sich dabei um den halbierten Basistarif (Hilfebedürftigkeit vorausgesetzt) ohne Selbstbehalt sowie mit der höchsten Selbstbeteiligung. Nach den Berechnungsbeispielen beträgt der Tarif 600 ohne Selbstbehalt 319,99 EUR und mit Selbstbehalt in Höhe von 1200 EUR 316,66 EUR. Als Vergleich wurde jeweils der bisherige Tarif des Klägers (704, 766, 731 mit 100% Erstattung und Selbstbeteiligung in Höhe von 1008 EUR für ambulante Leistungen) gegenübergestellt.

Mit Schreiben vom 24.03.2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass der aktuelle Tarif beim M. die kostengünstigste Variante sei und diese daher beibehalten werde. Die Kosten würden ab 01.01.2015 anerkannt. Mit Änderungsbescheid vom 23.04.2015 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01.01.2015 bis 30.06.2015 einen monatlichen Zuschuss zu den Beiträgen der privaten Krankenversicherung in Höhe von 288,84 EUR und zahlte den Betrag direkt an den Vater des Klägers aus.

Auf die Fortzahlungsanträge hin bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.07.2015 bis zum 31.12.2015 (Bescheid vom 19.06.2015) und für die Zeit vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 (Bescheid vom 02.12.2015) Leistungen nach dem SGB II. Neben der Regelleistung und den Kosten der Unterkunft gewährte der Beklagte einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 288,84 EUR monatlich.

Am 03.12.2015 beantragte der Betreuer des Klägers die Berücksichtigung des ab Januar 2016 auf 338,78 EUR erhöhten Krankenversicherungsbeitrags. Mit Schreiben vom 22.12.2015 informierte der Beklagte den Betreuer des Klägers, dass bei Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II als Zuschuss höchstens der halbierte Basistarif, d.h. für das Jahr 2016 monatlich höchstens 332,65 EUR, übernommen werden könnte.

Mit Schreiben vom 11.01.2016, eingegangen am 18.01.2016, reichten die Eltern des Klägers beim Beklagten Rechnungen für ambulante Krankenbehandlungen aus dem Jahr 2015 ein und baten um Überweisung der von ihnen 2015 verauslagten Kosten in Höhe von insgesamt 967,26 EUR auf ihr Konto. Die Kosten würden von der Krankenversicherung im Rahmen des vereinbarten Selbstbehalts in Höhe von 1.008 EUR nicht übernommen. Die Eltern des Klägers ergänzten, dass aus dem beim Beklagten eingereichten Versicherungsschein des M.s eindeutig hervorgehe, dass der ambulante Versicherungsschutz im Tarif 704 einen Selbstbehalt in Höhe von 1.008 EUR beinhalte. Dieser Selbstbehalt sei direkter Bestandteil des Krankenversicherungsschutzes, dessen Übernahme durch den Beklagten ausdrücklich zugesagt worden sei. Es wurden die Rechnungen von Leistungserbringern im Gesundheitswesen an den Kläger vom 19.01.2015 in Höhe von 80 EUR, vom 05.02.2015 in Höhe von 61,92 EUR, vom 24.03.2015 in Höhe von 40,39 EUR, vom 22.07.2015 in Höhe von 92,74 EUR zzgl. 5 EUR Mahnkosten, vom 23.07.2015 in Höhe von 34,04 EUR, vom 01.09.2015 in Höhe von 65,65 EUR, vom 18.09.2015 in Höhe von 160 EUR, vom 14.09.2015 in Höhe von 23,71 EUR, vom 01.10.2015 in Höhe von 91,98 EUR, vom 01.10.2015 in Höhe von 82,03 EUR, vom 03.11.2015 in Höhe von 26,01 EUR, vom 18.12.2015 in Höhe von 91,79 EUR und vom 05.01.2016 in Höhe von 112 EUR vorgelegt.

Mit Bescheid vom 03.02.2016 lehnte der Beklagte den Antrag vom 18.01.2016 ab. Die Übernahme der Rechnungen aus dem Jahr 2015 könne nicht erfolgen, da eine Erstattung solcher Kosten im SGB II nicht vorgesehen sei. Es könnten nur die Beiträge zur Krankenversicherung gezahlt werden. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Im Entstehungsmonat (Rechnungsstellung) sei jeweils ein Mehrbedarf zu berücksichtigen. Der Beklagte habe es bisher versäumt, den Kläger über die Möglichkeit des Wechsels in einen Basistarif ohne Selbstbehalt aufzuklären.

Mit Schreiben vom 06.07.2016 übersandte der Beklagte dem Vater des Klägers das Merkblatt zum Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen der Kranken- und Pflegeversicherung und bat um Mitteilung, wenn ein Antrag auf Wechsel des Tarifs für den Kläger bei der Krankenkasse gestellt werde. Am 28.07.2016 bestätigte der Kläger den Erhalt des Merkblatts und die Kenntnis des Inhalts.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2016 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 03.02.2016 zurück. Die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II würden nicht vorliegen, da es sich zum einen nicht um einen laufenden Bedarf handele und zum anderen die erst im Januar 2016 beim Beklagten eingereichten Rechnungen durch den Vater des Klägers bereits beglichen worden seien. Zwar sei das Merkblatt zum Zuschuss nach § 26 SGB II erst am 06.07.2016 übermittelt worden, auf den Basistarif und den möglichen Wechsel in den Basistarif sei aber bereits mit Schreiben des Beklagten vom 04.12.2015 und 22.12.2015 und mit Schreiben des M.s vom 03.02.2015 hingewiesen worden.

Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht München. Dem Beklagten sei spätestens mit Erhalt des Schreibens des M.s vom 03.02.2015 bekannt gewesen, dass dem Kläger die im Rahmen des Tarifs für die ambulante Krankenbehandlung aufgrund des vereinbarten Selbstbehalts in Höhe von 1.008 EUR verbleibenden Eigenanteile als zusätzlich Kosten entstehen würden. Eine weitergehende Beratung durch den Beklagten sei in Kenntnis der bestehenden Versicherungsbedingungen nicht für erforderlich gehalten worden. Der Kläger habe den überdurchschnittlich hohen Mehrbedarf nicht aus eigenen Mitteln decken können. Die vom Vater des Klägers verauslagten Kosten seien bislang nicht vom Kläger zurückgefordert worden, da dieser finanziell dazu nicht in der Lage sei und außerdem von einer Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung ausgegangen worden sei. Es sei bislang kein Wechsel in den Basistarif der privaten Krankenversicherung erfolgt. Dies sei auch nie in Betracht gekommen angesichts der Schwerbehinderung des Klägers, der ambulante Krankenbehandlung z. B. vom Heilpraktiker benötige, die nicht vom Leistungskatalog im Basistarif umfasst sei.

Der Beklagte führte demgegenüber aus, dass der Kläger aufgrund einer ehrenamtlichen Tätigkeit über einen Betrag von ca. 100 EUR monatlich verfüge, mit dem die Rechnungen hätten beglichen werden können. Da dem Beklagten die Rechnungen erst Anfang des Folgejahres vorgelegt worden seien, habe der Beklagte nicht erkennen können, dass diese hohen Kosten entstehen würden und es einer weiteren Aufklärung hinsichtlich des Wechsels in den Basistarif bedürfe.

Mit Urteil vom 13.03.2018 wies das Sozialgericht die Klage als unbegründet ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung des Selbstbehalts in Höhe von insgesamt 967,26 EUR. Bei dem in Betracht kommenden Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II handele es sich nicht um einen abtrennbaren, eigenständigen Streitgegenstand. Der Antrag auf Kostenerstattung vom 11.01.2016 sei als Antrag auf Überprüfung des Änderungsbescheides vom 23.04.2015 für die Zeit vom 01.01.2015 bis 30.06.2015 und des Bewilligungsbescheides vom 19.06.2015 für die Zeit vom 01.07.2015 bis 31.12.2015 nach § 40 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auszulegen. Ein Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II bestehe nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei bei unter den Selbstbehalt der privaten Krankenversicherung fallenden Krankenbehandlungskosten ausnahmsweise eine Übernahme als Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II möglich, solange es an einer ausreichenden Beratung des zuständigen Grundsicherungsträgers über die Möglichkeiten des Wechsels in den Basistarif gefehlt habe und der Wechsel deshalb zunächst unterblieben sei und soweit in der gesetzlichen Krankenversicherung Kosten in entsprechender Höhe angefallen wären. Die Anerkennung als unabweisbarer Mehrbedarf setze allerdings voraus, dass ein Wechsel in den Basistarif wegen einer fehlenden Beratung und nicht aus anderen Gründen, wie etwa besserer Leistungen im vereinbarten Tarif, unterblieben sei. Kosten der medizinischen Versorgung seien nicht mehr unabweisbar ab dem Zeitpunkt, ab dem einem privat krankenversicherten Leistungsberechtigten der Wechsel in den Basistarif ohne Selbstbehalt zumutbar möglich wäre. Ein solcher Wechsel in den Basistarif sei Leistungsbeziehern nach dem SGB II grundsätzlich zumutbar. Der Beklagte sei jedenfalls bis zur Übermittlung des Merkblatts zum Zuschuss nach § 26 SGB II mit Schreiben vom 06.07.2016 seiner Beratungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Nachdem der für Gesundheitsfürsorge zuständige Vater des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2018 vorgetragen habe, einen Wechsel in den Basistarif angesichts der Schwerbehinderung des Klägers und der dann ausgeschlossenen Leistungen, beispielsweise eines Heilpraktikers, nie in Betracht gezogen zu haben, fehle es an dem erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen fehlender Beratung durch den Beklagten und einem deshalb unterbliebenen Wechsel in den Basistarif. Nachdem ein Wechsel in den Basistarif auch im Jahr 2015 wegen des schlechteren Leistungsumfangs nicht in Betracht gekommen wäre, sei davon auszugehen, dass auch eine entsprechende Beratung durch den Beklagten nicht zu einem Wechsel in den Basistarif ohne Selbstbehalt geführt hätte. Da ein Wechsel in den Basistarif zumutbar und auch möglich gewesen wäre, sei vorliegend nicht von einem unabweisbaren Mehrbedarf im Jahr 2015 auszugehen. Ein Anspruch auf Kostenübernahme ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Beklagte mit Schreiben vom 24.03.2015 erklärt habe, dass der aktuelle Tarif beibehalten werde solle. Aufgrund des Änderungsbescheides vom 23.04.2015 sei für den Kläger eindeutig ersichtlich gewesen, dass aufgrund der Zusage lediglich die monatlichen Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 288,84 EUR übernommen werden würden. Soweit darüber hinaus gehende Leistungen begehrt würden, hätten diese dem Beklagten gegenüber mit der Rechnungstellung geltend gemacht werden müssen. Der Bedarf in Höhe der aufgrund des Selbstbehalts nicht gedeckten Krankenbehandlungskosten entstehe nicht bereits mit Vereinbarung eines Selbstbehalts, sondern mit der jeweiligen Rechnungstellung. In dem Zeitpunkt, in dem die Rechnungen beim Beklagten eingereicht wurden, sei der Bedarf des Klägers aufgrund der unter dem Selbstbehalt liegenden Rechnungen in Höhe von 967,26 EUR jedoch bereits gedeckt gewesen, da der Vater des Klägers die Rechnungen beglichen habe. Es sei weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich, dass die Rechnungen lediglich darlehensweise mit einer Rückzahlungsverpflichtung versehen, beglichen worden wären. Es sei vielmehr nach den Umständen davon auszugehen, dass der Vater des Klägers die Rechnungen laufend freiwillig beglichen habe, so wie er dies bereits mit den laufenden Krankenversicherungsbeiträgen in Höhe von 94,47 EUR monatlich bis einschließlich Dezember 2014 getan habe. Im Übrigen wäre für eine entsprechende wirksame Darlehensvereinbarung die Einwilligung des Betreuers für den Aufgabenkreis Vermögenssorge erforderlich gewesen.

Gegen das am 20.03.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger, vertreten durch seine Betreuer, Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Er hat auf den bisherigen Vortrag Bezug genommen und ergänzt, dass eine Leistungserbringung analog der Entscheidung des BSG, Az. B 8 SO 12/10 R, in Betracht komme. Es komme in entsprechender Anwendung damit nicht auf die Vorlage der Rechnungen an, sondern vielmehr auf das Vorliegen der anspruchsauslösenden Voraussetzungen. Die vor dem Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Beweggründe des Vaters des Klägers, warum bislang kein Wechsel in den Basistarif erfolgt sei, rechtfertigten keinen Ausschluss der Leistungen. Er hat ergänzt, dass ein Wechsel in den Basistarif am 01.04.2018 erfolgt sei. Bei der Rechnung vom 05.01.2016 handele es sich um einen "Irrläufer".

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.03.2018 und den Bescheid vom 03.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 10.08.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten die (Änderungs-) Bescheide vom 11.12.2014, vom 17.02.2015, vom 23.04.2015 und vom 19.06.2015 abzuändern und dem Kläger höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für den Selbstbehalt in der privaten Krankenversicherung im Jahr 2015 in Höhe von 967,26 EUR zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Auf die Ausführungen im sozialgerichtlichen Urteil werde Bezug genommen. Er hat ergänzt, dass es sich, da die Kosten der Rechnungen durch den Vater getragen worden seien, nicht um Kosten des Klägers handeln würde. Der Vater habe den Antrag vom 11.01.2016 im eigenen Namen geltend gemacht. Eine wirksame Verpflichtung des Klägers zur Zahlung bestehe nicht. Es liege keine wirksame Darlehensvereinbarung vor, für die eine Einwilligung des Betreuers notwendig gewesen wäre. Der Vater des Klägers habe nach 2015 keinen Wechsel des Versicherungstarifs veranlasst.

Mit Schreiben vom 27.05.2020 wurden die Beteiligten zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig, der Kläger ist dadurch nicht in seinen Rechten verletzt.

Der Senat kann den Rechtsstreit durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 S. 1 SGG). Die Beteiligten wurden zu einer Entscheidung durch Beschluss angehört.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.03.2018 sowie der Bescheid vom 03.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 10.08.2016 mit dem der Überprüfungsantrag des Klägers gemäß § 44 SGB X für das Jahr 2015 hinsichtlich eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II abgelehnt wurde. Der Kläger verfolgt sein Begehren mit einer statthaften Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 SGG, gerichtet auf Kassation des ablehnenden Überprüfungsbescheides, Verpflichtung des Beklagten die bindenden Bescheide für das Jahr 2015 abzuändern sowie Zahlung des Selbstbehalts in der privaten Krankenversicherung (vgl. Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rn. 20c).

Die so verstandene Klage ist unbegründet. Es wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, weil der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es für die Gewährung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs. 6 SGB II an der Kausalität zwischen fehlender Beratung durch den Beklagten und deshalb nicht erfolgtem Wechsel in den Basistarif fehlt (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015, B 14 AS 8/14 R, Rn. 28 zitiert nach juris). Der Vater des Klägers hat die in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht geäußerten Beweggründe hinsichtlich eines unterbliebenen Wechsels in den Basistarif im Berufungsverfahren bestätigt. Diese Beweggründe decken sich mit den Angaben des Betreuers des Klägers im Mai 2013, wonach die private Krankenversicherung auch bei einem Bezug von Leistungen nach dem SGB II aufrechterhalten werden solle. Die zunächst fehlende Beratung durch den Beklagten, welche erst mit Schreiben vom 06.07.2016 erfolgte, war nicht ursächlich für den Verbleib im vom Kläger gewählten Tarif mit Selbstbehalt. Ein Wechsel erfolgte nach Angabe des Klägers erst im April 2018, parallel zur Einlegung der Berufung, und nach dem klageabweisenden Urteil des Sozialgerichts. Der Bevollmächtigte des Klägers hat es zwischen Nachholung der Beratung im Juli 2016 und Tarifwechsel im April 2018 weiterhin in Kauf genommen, dass die Selbstbehalte insoweit anfallen, weil er Versorgungsvorteile im ursprünglichen Tarif erwartet hatte (vgl. BSG, a.a.O.).

Weiter fehlt es an der Unabweisbarkeit der Bedarfe, weil der Vater des Klägers diese gedeckt hat. Ein Bedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Anhaltspunkte dafür, dass der Vater die Selbstbehalte, in sicherer Erwartung, diese Kosten vom Beklagten zu erhalten, getragen habe, sind nicht ersichtlich (vgl. Eicher in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 21 Rn. 72). Einer solche Annahme widerspricht das Verhalten in den Vorjahren, in denen stets alle Kosten der privaten Krankenversicherung durch den Vater gedeckt wurden, und der zeitliche Ablauf, wonach eine laufende Zahlung der Rechnungen und eine Antragstellung erst mit Ablauf des Jahres 2015 erfolgt waren. Auch der Mitteilung am 19.01.2015 ist lediglich zu entnehmen, dass der Vater des Klägers wegen der Beitragserhöhung die Beiträge nicht mehr tragen möchte, eine fehlende Bereitschaft die Selbstbehalte zu tragen, welche auch in den Vorjahren 2013 und 2014 vereinbart waren, äußerten die Betreuer nicht. Zudem hat der Vater zu keinem Zeitpunkt vom Kläger die Zahlung der übernommenen Selbstbehalte eingefordert.

Schließlich kann der Kläger die Deckung des Selbstbehalts nicht aufgrund einer nach § 34 Abs. 1 SGB X erteilten Zusicherung des Beklagten verlangen. Nach § 34 Abs. 1 S. 1 SGB X bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Das Schreiben des Beklagten vom 24.03.2015 stellt mangels hinreichender Bestimmtheit keine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X dar, Selbstbehalte als Mehrbedarf zu bewilligen (vgl. Kepert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 34 SGB X (Stand: 01.12.2017) Rn. 26). Im Frühjahr 2015 ging es zwischen den Beteiligten um die Frage, welcher Tarif zur Krankenversicherung als Zuschuss nach § 26 SGB II zu gewähren ist. In diesem Kontext ist das Schreiben zu sehen. Ein Zuschuss nach § 26 SGB II ist von einem Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II zu unterscheiden, so dass eine Zusicherung einen bestimmten Zuschuss nach § 26 SGB II zu zahlen, nicht auch eine Zusicherung künftig Selbstbehalte als Mehrbedarf zu gewähren umfasst.

Auch ein Anspruch aus einem sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch besteht nicht. Voraussetzung eines solchen ist, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht verletzt hat, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht und schließlich der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können muss (vgl. BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 4 AS 29/10 R, Rn. 12 zitiert nach juris). Zwar kann in den Abläufen im Frühjahr 2015 die Verletzung einer Beratungspflicht seitens des Beklagten erblickt werden. Allerdings fehlt es - wie oben bereits ausgeführt - an einer Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Nachteil.

Der Hinweis des Betreuers des Klägers auf die Entscheidung des BSG vom 10.11.2011, Az. B 8 SO 12/10 R, führt schließlich nicht zu einem Erfolg der Klage. In dieser Entscheidung war die Frage eines pauschalierten Mehrbedarfs nach § 30 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) alte Fassung streitig. Im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende wird dieser Mehrbedarf von § 21 Abs. 4 SGB II erfasst. Danach wird bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Zwölften Buches erbracht werden, ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt (§ 21 Abs. 4 SGB II in der Fassung vom 13.05.2011). Diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger ausweislich des Akteninhalts nicht. Er ist zwar schwerbehindert im Sinne der Vorschrift. Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen liegen jedoch nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe die Revision zuzulassen sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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