L 17 U 436/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 17 U 467/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 436/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.04.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin aufgrund eines bereits anerkannten Arbeitsunfalls eine Verletztenrente zusteht.

Die 1958 geborene Klägerin stürzte am 10.11.2006 bei Ausübung ihrer Berufstätigkeit als Küchenhilfe auf den Rücken und erlitt dabei einen Bruch des achten Brustwirbelkörpers (BWK 8).

Der Durchgangsarzt M diagnostizierte in seinem Bericht vom Unfalltag eine Thorax-, Becken- und Steißbeinprellung. Am 13.11.2006 stellte sich die Klägerin bei dem Durchgangsarzt Dr. G, Facharzt für Chirurgie, vor. Sie klagte über Schmerzen und Druckschmerz über der Brust- und Lendenwirbelsäule (BWS/LWS). Dr. G diagnostizierte in seinem Bericht vom 13.11.2006 ebenfalls eine Prellung der LWS, des Beckens und des Rumpfes, Höhe nicht näher bezeichnet. Er hielt die Klägerin für arbeitsfähig. Da die Klägerin weiterhin über Beschwerden im Bereich des BWK 8 klagte, erfolgte auf Veranlassung des Dr. G am 29.11.2006 eine Knochenszintigraphie und am 05.12.2006 ein CT der BWS, die den Nachweis einer relativ frischen Fraktur des BWK 8 ergaben. Da die Knochendichtemessung altersentsprechende Normwerte ergeben hatte, sah Dr. G die Fraktur in seinem Bericht vom 07.12.2006 als traumatisch an. In der Folgezeit erfolgte eine Behandlung zulasten der Beklagten unter anderem in Form einer erweiterten ambulanten Physiotherapie (EAP). Am 15.05.2007 berichtete Dr. G, die Klägerin beklage noch einen gürtelförmigen linksseitigen Schmerz, der vom BWK 8 auszugehen scheine und in die linke Thorax- seite ausstrahle. Sicherlich sei hierfür auch das erhebliche Übergewicht mit entsprechender Bewegungseinschränkung mit verantwortlich. Nach dem Bericht des Dr. G vom 11.06.2007 waren die EAP-Maßnahmen mit einer guten Besserung und Schmerzreduktion abgeleistet worden. Am 09.07.2007 stellte sich die Klägerin wegen der bekannten BWS-Beschwerden erneut bei Dr. G vor. Nun klagte sie auch über in die LWS ausstrahlende Beschwerden, die sie ebenfalls auf das Unfallereignis zurückführte. Weiterhin bestehe ein gürtelförmiger Schmerz, der sich bilateral in die Rippen, ausgehend vom BWK 8, erstrecke. Ein Atemschmerz wurde nicht beschrieben, auch kein Klopfschmerz über den Dornfortsätzen, jedoch ein Druckschmerz paravertebral, periphere neurologische Ausfälle waren nicht feststellbar. Dr. G stellte die Behandlung zulasten der Beklagten nun ein, da das unfallunabhängig bestehende LWS-Syndrom kassenärztlich zu behandeln sei. Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse (AOK) bei. Aus diesem ergab sich u.a., dass die Klägerin im Dezember 2002, im November 2003 und im Oktober 2006 wegen einer depressiven Episode und im Januar 1997 und im Februar 1996 wegen eines LWS- und eines HWS-Syndroms arbeitsunfähig war.

Anschließend holte die Beklagte ein Gutachten von dem Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Sozialmedizin Dr. M1 ein. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 11.09.2007 fest, dass bei der Klägerin eine mit diskreter Höhenminderung knöchern verheilte obere Deckenplattenkompressions-/Impressionsfraktur des BWK 8 mit unfallunabhängigen degenerativen Verschleißveränderungen der BWS sowie beginnende degenerative Verschleißveränderungen der LWS bei darüber hinaus altersentsprechendem Skelettbefund vorlägen. Der Schaden am BWK 8 sei ausschließlich auf das Unfallereignis vom 10.11.2006 zurückzuführen. Als Unfallfolge ließe sich noch eine mit Deformierung knöchern verheilte Fraktur des BWK 8 mit einem Teil der subjektiv geprägten Minderbelastbarkeit ohne funktionelle Einschränkungen nachweisen. Mit dem Tag nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 20.06.2007 habe die MdE bis zum Ablauf des ersten Jahres nach dem Unfallereignis, also bis zum 10.11.2007 20 v.H. betragen, für die Zeit danach betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) unter 10 v.H. Es bestehe eine wissenschaftliche Mehrheitsmeinung, dass bei einer mäßigen, keilförmigen Deformierung eines Wirbelkörpers - wie bei der Klägerin - eine Rente als vorläufige Entschädigung von 20 v.H. angemessen sei. Danach könne nur noch von einer MdE unter 10 v.H. ausgegangen werden, da bei der Klägerin eine stabile Wirbelsäulenfraktur vorliege, ohne Hinweis auf statisch wirksame Achsenabweichungen und/oder Instabilitäten. Eine Nachuntersuchung sei dem Grunde nach nicht erforderlich. Die Klägerin habe zwar u.a. über Schmerzen im Bereich der Rippen geklagt (" vom Rücken ziehen die Schmerzen nach vorne zu den Rippen links mehr als rechts "). Die von der Klägerin beklagten Beschwerden im Bereich der Rippen und an der LWS seien aber nicht auf das Ereignis vom 10.11.2006 zurückzuführen. Auf der bildgebend-röntgentechnischen Dokumentation vom 11.11.2006 fänden sich keine Hinweise auf wesentliche knöcherne Verletzungen der Rippen. Bei der jetzigen körperlichen Untersuchung und Funktionsdiagnostik im Bereich des Brustkorbes habe sich weder ein Brustkorbkompressionsschmerz noch ein Brustkorbdruckschmerz auslösen lassen. Somit hätten sich auch keine Hinweise auf Segmentteilblockaden der Rippen-Brustwirbel-Gelenke ergeben. Die LWS-bezogenen Beschwerden und objektivierbaren funktionellen Beeinträchtigungen beruhten auf den röntgenologisch und kernspintomografisch nachgewiesenen degenerativen Verschleißveränderungen unter Einbeziehung der Bandscheiben.

Am 08.10.2007 stellte sich die Klägerin wieder bei Dr. G vor und klagte weiterhin über gürtelförmige, vor allem nach links ausstrahlende Schmerzen in Höhe von BWK 7/8. Auf Veranlassung des Dr. G erfolgte am 12.11.2007 erneut ein CT der BWS. Der Radiologe führte zur Beurteilung aus: Alte, 4 mm starke Eindellung der BWK 8-Deckplatte bei Zustand nach einem Jahr alter Fraktur, leichte Facettenarthrosen bei BWK 7/8/9 beidseits, kleinere Kapselverkalkung am linken 8. Kostovertebralgelenk. Keine durchgreifende Kostovertebralarthrose. Kein Anhalt für alte verschobene Fraktur in diesem Bereich, kein Nachweis eines Prolapses, leichte Osteochondrosen der Diski im Untersuchungsvolumen.

Mit Bescheid vom 12.12.2007 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 10.11.2006 als Arbeitsunfall an. Außerdem bewilligte sie der Klägerin für die Zeit von 20.06.2007 bis zum 10.11.2007 eine Rente als vorläufige Entschädigung i.H.v. 20 v.H. Für die Zeit danach lehnte sie die Gewährung einer Rente ab, weil eine rentenberechtigende MdE nicht mehr vorliege. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte sie an: Mit Deformierung knöchern verheilter Bruch des BWK 8 mit einem Teil der subjektiv geprägten Minderbelastbarkeit ohne funktionelle Einschränkungen. Folgende Erkrankungen erkannte sie explizit nicht als Unfallfolgen an: Degenerative Verschleißveränderungen der LWS mit begleitenden unfallunabhängigen anlagebedingten Bandscheibenschäden und unfallunabhängiger Wirbelsäulengefügestörung Lendenwirbelkörper (LWK) 3/LWK 4 und begleitender subjektiver Minderbelastbarkeit mit Funktionseinschränkungen der LWS, Fehlhaltung und ein Teil der Minderbelastbarkeit der BWS mit unfallunabhängigen degenerativen Verschleißveränderungen.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, soweit die Beklagte die Zahlung einer Rente über den 10.11.2007 hinaus abgelehnt hatte. Zur Begründung führte sie aus, sie leide noch heute unter den Auswirkungen der erlittenen Fraktur des BWK 8. Während des Widerspruchsverfahrens stellte sich die Klägerin am 04.09.2008 in der Schmerzklinik des Katholischen Krankenhauses I (Schmerzklinik I) bei Dr. L vor, der in seinem Bericht vom 26.09.2008 u.a. den Verdacht auf Neuralgien des Interkostalnervs TH 8 (beidseits) nach nicht operativ versorgter BWK 8 Deckenplattenkompressionsfraktur mit Funktionsstörung der BWS äußerte. Vom 11.02.2009 bis zum 14.03.2009 wurde die Klägerin dann in der Schmerzklinik I stationär behandelt. Dr. L diagnostizierte in seinem Bericht vom 13.03.2009 u.a. Anpassungsstörungen mit komplizierter Trauer, ein Burn-out-Syndrom mit beruflichen und privaten Ängsten im Rahmen einer andauernden Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom auf dem Hintergrund von Änderungen im Lebenszyklus und beruflichen Problemen, einen funktionellen Thoraxschmerz bei Z.n. BWK 8 Deckplattenkompressionsfraktur mit Funktionsstörung der BWS und Ausschluss einer Interkostalneuralgie Th 8 li., ein komplexes myofasziales Schmerzsyndrom mit Schulterschmerz rechts und Beinschmerz links. Während des stationären Aufenthaltes der Klägerin wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2009 zurück. Zur Begründung bezog sie sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. M1.

Die hiergegen vor dem Sozialgericht Dortmund (SG) erhobenen Klage (S 21 U 37/09) nahm die Klägerin am 29.01.2010 zurück. Grundlage war ein im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholtes Gutachten des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. S. Dieser war in seinem Gutachten vom 07.10.2009 aufgrund einer klinischen und röntgenologischen Untersuchung der Klägerin ebenfalls zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin bei dem Unfall am 10.11.2006 einen Kompressionsbruch des BWK 8 erlitten hatte und als Unfallfolgen ein Teil der endgradigen Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule, ein Teil der muskulären Verspannungen der Wirbelsäule, röntgenologische Veränderungen sowie glaubhafte Beschwerden verblieben seien. Die von ihm festgestellten vermehrten degenerativen Veränderungen der BWS unter Betonung des mittleren Abschnittes sowie die geringfügigen, das altersphysiologische Maß überschreitenden degenerativen Veränderungen der LWS seien unfallunabhängig. In Übereinstimmung mit Dr. M1 schätzte er die MdE für die Unfallfolgen über den 10.11.2007 hinaus mit unter 10 v.H. ein. Zur Begründung führte er aus, bei der Klägerin liege ein stabiler Bruch des BWK 8 ohne Beteiligung der Hinterkante und ohne neurologische Ausfälle vor. Die Frakturheilung sei ungestört gewesen. Nach Ausheilung sei es zu keiner statisch wirksamen Deformierung des Wirbelkörpers gekommen, sodass daraus eine Fehlbelastung der Wirbelsäule resultieren würde. Die Funktionsstörungen seien unter Berücksichtigung des leichten Vorschadens gering. Dem Gutachten des Dr. M1 stimme er vollinhaltlich zu.

Im April 2013 teilte die Klägerin mit, dass sie nach wie vor unter Schmerzen leide. Hinzu komme, dass sie sich im Dezember 2012 auch noch einer Operation an der rechten Schulter habe unterziehen müssen. Sie bitte deshalb nochmals um Prüfung, ob eine Unfallrente gewährt werden könne.

Die Beklagte bearbeitete diesen Antrag als Verschlimmerungsantrag. Sie holte zunächst Befundberichte ein von der die Klägerin behandelnden Neurologin Dr. O (Praxis Dr. H) und von Dr. G. In der Zeit vom 24.06.2013 bis zum 16.07.2013 befand sich die Klägerin erneut in stationärer Behandlung in der Schmerzklinik I. In dem Entlassungsbericht vom 19.07.2013 diagnostizierte Dr. L u.a. eine chronische Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren mit maladaptierter Schmerzverarbeitung und dysfunktionalen Durchhaltemustern auf dem Hintergrund einer Anpassungsstörung, einen gürtelförmigen Brustschmerz nach sturzbedingter Deckplattenkompressionsfraktur des BWK 8, ein zervikobrachiales Syndrom auf dem Boden eines neurogenen oberen Thoraxkompressionssyndroms links, einen myofaszialen Schmerz. Er führte aus, dass letztlich auf dem Hintergrund eines Berentungswunsches kein zielgerichteter schmerzpsychologischer Behandlungsauftrag entwickelt werden konnte.

Auf Anregung ihres Beratungsarztes Dr. B, Arzt für Chirurgie/Kinderchirurgie, holte die Beklagte ein Gutachten ein von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E, Neurologische Klinik des Klinikums E1. Dr. E gelangte in seinem Gutachten vom 10.02.2014 zu dem Ergebnis, dass aus neurologischer Sicht als Folge des Unfalls vom 10.11.2006 ein segmentales interkostales Schmerzsyndrom mit einer MdE von 10 v.H. anzunehmen sei. Sollten messbare Unfallfolgen auf chirurgischen Gebiet verblieben sein, so wären diese neurologischen Unfallfolgen zusätzlich (additiv) zu bewerten. Die neurologische Untersuchung habe keinen pathologischen Befund ergeben. Die Klägerin habe aber konstant und glaubhaft über einen seit dem Unfall bestehenden gürtelförmigen Brustschmerz links, der im Sinne einer Interkostalneuralgie bzw. eines neuropathischen interkostalen Schmerzes anzusehen sei, berichtet. Sowohl die zeitliche Entstehung dieses Schmerzes wie auch dessen Lokalisation stünden in direktem Zusammenhang mit der direkten Verletzungsfolge eines Bruchs des BWK 8. Die anerkannten Schädigungsfolgen im Bescheid vom 12.12.2007 ließen dieses Schmerzsyndrom allerdings unerwähnt. Die darüber hinausgehende Entwicklung einer chronischen Schmerzstörung im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bzw. die an anderer Stelle diagnostizierte Anpassungsstörung mit depressiver Entwicklung sei hingegen nicht als Unfallfolge anzusehen, hier seien psychische, unfallunabhängige Faktoren für die weitere Entwicklung maßgeblich.

In seiner Stellungnahme vom 06.04.2014 schloss sich der Beratungsarzt Dr. B der Einschätzung des Dr. E, dass ein gürtelförmiger Schmerz links im Sinne einer interkostalen Neuralgie nach Fraktur des BWK 8 Unfallfolge sei, an und empfahl eine Überprüfung der MdE. Die Beklagte holte daraufhin noch ein Gutachten von dem Orthopäden C ein. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 13.07.2014 zu der Einschätzung, dass sich an Unfallfolgen noch ein (geringer) Teil der Bewegungseinschränkung der Rumpfwirbelsäule und der für den BWK 8 beschriebene röntgenologische Befund mit knöchern unter leicht keilförmiger Deformierung und Impression der Deckplatte belastungsstabil verheiltem Bruch des BWK 8 fänden. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der LWS sowie die geringe S-förmige Fehlstatik der BWS sowie eine betonte Kyphosierung im kopfwärtigen und mittleren Drittel sowie degenerative Veränderungen in diesen Segmenten seien unfallfremd. Auf orthopädischem Fachgebiet betrage die MdE unter 10 v.H. Unter Berücksichtigung der von Dr. E auf neurologischen Fachgebiet angenommenen MdE von 10 v.H. sei die Gesamt-MdE wegen der Unfallfolgen auf unter 20 v.H. zu schätzen. Das Gutachten des Dr. E stützte sich allerdings allein auf das subjektive Beschwerdebild der Klägerin. Hinsichtlich des zeitlichen Zusammenhangs bestünden aus seiner Sicht zumindest Bedenken, weil eine für eine Interkostalneuralgie typische Schmerzsymptomatik zumindest zum Zeitpunkt der ersten gutachterlichen Untersuchung bei Dr. M1 nicht erfasst worden sei. Auch die Schmerzklinik des Katholischen Krankenhauses in I habe in dem Bericht vom 13.09.2009 eine Interkostalneuralgie im Segment Th 8 links ausgeschlossen. Auch in dem weiteren Bericht vom 19.07.2013 sei keine Interkostalneuralgie bestätigt worden. Vielmehr sei diagnostisch ein gürtelförmiger Brustschmerz nach sturzbedingter Deckplattenkompression BWK 8 gelistet worden, wobei diese Symptomatik lediglich einen Teilaspekt im Rahmen der im Vordergrund stehenden chronischen Schmerzstörung dargestellt habe.

Die Beklagte ließ die Gutachten durch Dr. Q, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, auswerten, der die Einschätzung des Orthopäden C teilte.

Mit Bescheid vom 30.09.2014 stellte die Beklagte sodann fest, dass ein Anspruch auf eine Rente weiterhin nicht bestehe, da die MdE nicht mindestens 20 v.H. betrage. Nach den gutachterlichen Feststellungen des Orthopäden C seien folgende Unfallfolgen verblieben: ein (geringer) Teil der Bewegungseinschränkung der Rumpfwirbelsäule, knöchern unter leicht keilförmiger Deformierung und Impression der Deckplatte belastungsstabil verheilter Bruch des BWK 8. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der LWS mit Bandscheibenbeteiligung in den Segmenten L4/5 und L5/S1 sowie Gefügestörung L 3/4, die geringe S-förmige Fehlstatik der BWS sowie eine betonte Kyphosierung (Rundrücken) im kopfwärtigen und mittleren Drittel sowie degenerative Veränderungen in diesen Segmenten, rezidivierende und chronifizierte Schmerzsyndrome im Rückenbereich und einen Teil der Bewegungseinschränkung der Rumpfwirbelsäule erkannte sie explizit nicht als Unfallfolgen an.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie vertrat die Auffassung, bei ihr liege eine unfallbedingte MdE von mindestens 20 v.H. vor. Sämtliche gesundheitlichen Beeinträchtigungen resultierten allein aus dem Unfall vom 10.11.2006. Es sei unzutreffend, dass die Schädigung der LWS mit Bandscheibenbeteiligung keine Folge des Unfalles sei. Gleiches gelte für die ebenfalls angegriffene BWS.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die bei der Klägerin vorhandenen Beschwerden seien aufgrund der objektiv erhobenen Befunde nicht so gravierend, dass daraus ein rentenberechtigender MdE-Grad von wenigstens 20 v.H. erreicht werde. Soweit die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen geltend gemacht werde, sei es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass diese wesentlich durch den Versicherungsfall vom 10.11.2006 verursacht worden seien. Den medizinischen Befundunterlagen seien eindeutige Hinweise zu Vorerkrankungen zu entnehmen, die die bei ihr unfallunabhängig bestehenden Gesundheitsstörungen plausibel und nachvollziehbar erklärten.

Hiergegen hat die Klägerin am 12.06.2015 vor dem SG Klage erhoben, mit der sie die Gewährung einer Rente begehrt hat. Sie habe nach dem Unfall immer wieder über Schmerzen geklagt, die auf eine Interkostalneuralgie hätten hinweisen können. In dem medizinischen Bericht vom 11.09.2007 (Gutachten des Dr. M1) sei ausgeführt, sie habe angegeben, "vom Rücken ziehen die Schmerzen nach vorne zu den Rippen links mehr als rechts".

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2015 zu verurteilen, ihr Verletztenrente zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig gehalten. Erneut hat sie darauf hingewiesen, dass die Rückenschmerzen auf die unfallunabhängigen degenerativen LWS-Veränderungen zurückzuführen seien und das geschilderte Schmerzsyndrom nicht MdE-relevant sei. Auch die anerkannten Unfallfolgen auf orthopädischem Fachgebiet bedingten nach dem Gutachten des Orthopäden C keine rentenberechtigende MdE. Entgegen der Auffassung der Klägerin ließen die von ihr anlässlich der Begutachtung vom 11.09.2007 angegebenen Schmerzen nicht auf eine Interkostalneuralgie schließen. Eine Interkostalneuralgie sei von den behandelnden Ärzten zu keiner Zeit festgestellt worden.

Das SG hat sodann Beweis erhoben durch Einholung eines unfallchirurgischen Gutachtens von Dr. X und eines nervenärztlichen Zusatzgutachtens von Dr. I1.

Dr. I1 hat in seinem Gutachten vom 18.02.2016 aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin einschließlich elektrophysiologischer Zusatzuntersuchungen vom 28.01.2016 und unter Berücksichtigung der aktenkundigen Unterlagen in den Verwaltungs- und Gerichtsakten bestätigt, dass sich die Klägerin bei dem Unfall am 10.11.2006 eine Fraktur des BWK 8 zugezogen hat. Auf nervenärztlichen Fachgebiet ließen sich bei der Klägerin aber keine Gesundheitsstörungen feststellen, die mit Wahrscheinlichkeit durch den Unfall vom 10.11.2006 hervorgerufen worden seien. Diagnostisch handele es sich bei der Erkrankung der Klägerin um eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, die nicht mit hinreichender Sicherheit auf den Unfall vom 10.11.2006 zurückgeführt werden könne. Die HWS- und LWS-abhängigen Schmerzen seien Folge der in der bildgebenden Diagnostik mehrfach dokumentierten degenerativen Veränderungen. Auch die weiterhin geschilderten gürtelförmigen Brustschmerzen links könnten aufgrund des in den Aktenunterlagen dokumentierten zeitlichen Ablaufes nicht mit hinreichender Sicherheit als unfallabhängig bewertet werden. Insofern könne ein enger zeitlicher Zusammenhang der Schmerzsymptomatik mit dem Unfallereignis nicht festgestellt werden. Prinzipiell sei es denkbar, dass es durch die Impressionsfraktur des BWK 8 zu einer Irritation des entsprechenden Interkostalnerven gekommen sei. Dann wäre aber zu erwarten gewesen, dass die von der Klägerin geschilderten gürtelförmig ausstrahlenden Brustschmerzen unmittelbar nach dem Unfallereignis aufgetreten wären. Ein linksseitiger gürtelförmiger Thoraxschmerz sei jedoch erstmals in dem Bericht des Dr. G vom 15.05.2007, also ca. sechs Monate nach dem Unfallereignis, erwähnt worden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Gutachten des Dr. I1 verwiesen.

Dr. X ist in seinem Gutachten vom 23.02.2016 aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom selben Tag und unter Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen sowie des Zusatzgutachtens von Dr. I1 zu dem Ergebnis gelangt, dass als Folge des Unfalls vom 10.11.2006 lediglich noch die knöchern konsolidierte Fraktur des BWK 8 ohne Einengung der Neuroforamina nachweisbar sei. Weitere Unfallfolgen ließen sich heute nicht mehr nachweisen. Eine MdE sei nicht feststellbar. Bei der Untersuchung habe eine wesentliche Bewegungseinschränkung im Bereich des Achsenorgans nicht objektiviert werden können. Es hätten sich auch keine radikulären oder pseudoradikulären Symptome, keine Reflexauffälligkeiten und auch keine muskulären Defizite gefunden. Bei der Rumpfbeugung habe die Klägerin zwar einen Schmerz unterhalb der Brust angegeben, dieser sei jedoch nicht sicher reproduzierbar gewesen. Bei der Beurteilung der von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden sei zu berücksichtigen, dass sie über eine Vielzahl von Schmerzsymptomen berichte, die sich nur schwer einordnen ließen. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfallereignis lasse sich nicht nachweisen, da radiologisch keine Befunde vorlägen, die eine Nervenwurzelreizung erklären könnten. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten des Dr. X Bezug genommen.

Auf Antrag der Klägerin hat das SG schließlich noch ein Gutachten nach § 109 SGG von dem Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. C1 vom Wirbelsäulenzentrum West in T eingeholt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 28.07.2016 aufgrund einer klinischen Untersuchung der Klägerin vom 18.07.2016 und unter Berücksichtigung der aktenkundigen Unterlagen zu der Auffassung gelangt, dass aus der Fraktur des BWK 8 eine posttraumatische Kyphose mit bestehender Interkostalneuralgie resultiere. Unfallunabhängig liege eine Gefügestörung L3/L4 hier mit degenerativen Veränderungen im Bereich der LWS vor. Aus seiner Sicht betrage die MdE ab Beginn der Arbeitsfähigkeit 30 v.H., die MdE für die Interkostalneuralgie bewerte er mit 10 v.H., die MdE für die posttraumatische Kyphose im Bereich des BWK 8 mit 20 v.H. Die Interkostalneuralgie sei durch eine Periduralanästhesie (PDA) im Rahmen der stationären Schmerztherapie im Katholischen Krankenhaus I vom 24.06.2013 bis zum 16.07.2013 nachgewiesen. Die PDA habe zu einer deutlichen Schmerzreduktion bis zur partiellen Beschwerdefreiheit geführt. Beweisend für den bisherigen klinischen Verlauf seien die radiologischen Verlaufskontrollen, welche im Verlauf eine zunehmende Kyphosierung über dem BWK 8 beschrieben. Die linksseitige Interkostalneuralgie sei durch eine entsprechende Veränderung im Rahmen der Kyphose wie auch der verdeckten Wirbelgelenke zu erklären. Auch in dem Gutachten des Dr. E werde ein interkostales Schmerzsyndrom am BWK 8 mit einer MdE von 10.v.H. beschrieben. Hiermit stimme er überein. Entgegen den Ausführungen des Orthopäden C sei die Interkostalneuralgie aus seiner Sicht Unfallfolge. Herr C habe die Deckplattenimpressionsfraktur im Bereich des BWK 8 streng in Bezug auf die Brustwirbelbilder beschrieben. Letztlich sei zu keiner Zeit eine Wirbelsäulenganzaufnahme durchgeführt worden, um die sagittale Balance zu untersuchen. Eine posttraumatische Kyphose könne aber nur so sicher diagnostiziert werden. Die Ausführungen des Dr. I1, der die Brustschmerzen nicht mit hinreichender Sicherheit auf das Unfallereignis zurückgeführt habe, teile er nicht. Denn die Interkostalneuralgie sei von den vorhergehenden neurologischen Fachärzten bestätigt worden. Auch könne er den Ausführungen des Dr. X nicht zustimmen. Er sei der Meinung, in den vorliegenden Gutachten sei zu sehr auf die Somatisierungsstörungen der Klägerin abgestellt worden. Er habe die Klägerin in dem Gespräch aber als charakterlich gefestigt und deutlich orientiert wahrgenommen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten des Dr. C1 verwiesen.

Mit Urteil vom 28.04.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe eine Verletztenrente nicht zu, da eine unfallbedingte MdE nicht mehr vorliege. Hierbei hat es sich insbesondere auf die Gutachten des Dres. X und I1 gestützt; diese stünden auch in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Dr. S aus dem sozialgerichtlichen Vorverfahren S 21 U 37/09. Das Gutachten des Dr. C1 begründe keine Zweifel an diesen Gutachten. Dr. C1 sei der Nachweis dafür, dass seine medizinische Sicht der Dinge entgegen den sonstigen aktenkundigen Bewertungen die zutreffende sei, nicht gelungen. Es fehle insbesondere eine positive medizinische Erklärung dafür, dass die von der Klägerin zum Ausdruck gebrachten Schmerzen bei chirurgisch unauffälligen Beschwerdebild unfallbedingt sein könnten. Im Übrigen sei es unzulässig, dass Dr. C1 aus dem Fehlen von Untersuchungen für die Klägerin positive Schlussfolgerungen ziehe und darüberhinaus fachfremd die von dem neurologisch-psychiatrischen Gutachter Dr. I1 gezogenen Schlüsse in Zweifel ziehe mit der Begründung, er habe die Klägerin bei der Untersuchung als gefestigte Persönlichkeit erlebt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 11.05.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.06.2017 (Montag) Berufung eingelegt. Das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass bei ihr keine unfallbedingte MdE mehr gegeben sei. Soweit die Gutachter, denen das SG gefolgt sei, in Abrede gestellt hätten, dass sie unter Schmerzen gelitten habe, weise sie darauf hin, dass sie mehrfach in der Schmerzklinik in I stationär behandelt worden sei. Sie folge den Gutachten des Dr. E und des Dr. C1, die übereinstimmend ein interkostales Schmerzsyndrom am BWK 8 mit einer MdE von 10 v.H. festgestellt hätten. Auch Dr. B habe ein interkostales Schmerzsyndrom TH/8 beschrieben.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.04.2017 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 30.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Verletztenrente zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme im sozialgerichtlichen Verfahren für zutreffend. Bei der Klägerin liege keine unfallursächliche Schmerzerkrankung vor, die bei der Einschätzung der MdE (gesondert) zu berücksichtigen sei. Dies ergäbe sich aus dem zeitlichen Verlauf, dem Primärkörperschaden und dessen Heil- und Behandlungsverlauf, den unfallunabhängigen Vor-, Verlaufs- und Nachschäden im Bereich der Wirbelsäule und auch anderer Körperregionen (z.B. Arme/Schultern), den Begutachtungsergebnissen der Dres. M1 und S, des Orthopäden C und der Dres. X und I1 sowie der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. Q. Soweit Dres. E und C1 (zumindest in Teilen) zu anderen Einschätzungen gelangt seien, hätten diese die zeitlichen Verläufe und objektivierbaren Anknüpfungstatsachen nicht in gebotener Weise berücksichtigt, sich fachfremd geäußert und die Erkenntnisstände zu Schmerzerkrankungen nicht in erforderlicher Weise in ihre Beweisergebnisse einfließen lassen. Diese seien deshalb nicht schlüssig und auch nicht überzeugend.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat ein Gutachten nach § 109 SGG von Prof. Dr. C2, Arzt für Neurologie, Psychotherapie, und Schmerztherapie, von der Evangelischen Stiftung U in S1 eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 25.06.2018 aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 01.06.2018 und unter Berücksichtigung der aktenkundigen Unterlagen folgende Diagnosen gestellt:

1. ein chronifiziertes Schmerzsyndrom im Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen
- mit einem Kopfschmerzsyndrom
- mit Schmerzen in den Schultergelenken rechtsbetont bei Schultergelenkarthrose
- mit einer Polyarthrose in den Fingergelenken III und IV beidseits
- mit einer degenerativen LWS-Erkrankung ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen
- mit einer Interkostalneuralgie TH 8 links bei posttraumatischer Kyphosierung nach BWK-8-Fraktur durch Unfall am 10.11.2006,

2. eine schwere Schlafstörung

3. ein Restless-legs-Syndrom

4. ein chronifiziertes schweres depressives Syndrom.

Schwierig sei die Klärung der Ursache der Interkostalneuralgie. Die Schmerzen seien für sich genommen nicht objektivierbar, im Laufe der 13 Jahre seien zwar lokale Blockierungen und gelegentlich auch Muskelverquellungen beschrieben worden, anfänglich sei allerdings keine Schmerzausstrahlung angegeben worden und dann zunächst nach rechts und erst etwa ab 2009 vor allen Dingen nach links. Folge man den Argumenten des letzten chirurgischen Gutachters, dass eine leichte zunehmende Kyphosierung als Unfallfolge nach und nach im Sinne einer posttraumatischen Kyphose zu einer Einengung und damit zu einer Interkostalneuralgie führen könne, sei ein Zusammenhang mit dem Unfall denkbar. Unter kritischer Würdigung der dokumentierten Befunde, des Verlaufes, der gutachtlichen Einschätzungen der Kollegen sowie seiner Einschätzung bei der klinischen Untersuchung gelinge es nach Ausschluss andere Ursachen, die chronisch beeinträchtigenden Schmerzen als Folge der unfallbedingten Fraktur des BWK 8 mit zunehmender posttraumatischer Kyphosierung im Sinne einer Interkostalneuralgie TH/8 links mit Wahrscheinlichkeit auf die Fraktur des BWK 8 durch den Unfall vom 10.11.2006 zurückzuführen. Er schließe sich deshalb der Kausalbeurteilung und der MdE-Einschätzung Dr. C1s an, wonach die MdE ab April 2013 für die Interkostalneuralgie mit 10 v.H., die MdE für die Kyphose mit 20 v.H. und die Gesamt-MdE mit 30 v.H. einzuschätzen sei. Den Ausführungen des Dr. X könne er nicht folgen. Dieser habe eingeräumt, dass angesichts der Vielzahl der Schmerzsyndrome insgesamt die Einschätzung schwierig sei, einen sicheren ursächlichen Zusammenhang zum Unfallereignis habe er aber bei radiologischem Ausschluss von Einengungen der Interkostalforamina jedoch nicht angenommen. Hierbei habe er es versäumt, eine andere Deutung der geklagten Beschwerden und des Verlaufes vorzunehmen. In dem Gutachten des Dr. I1 sei für ihn überraschend gewesen, dass dieser einen im Wesentlichen unauffälligen psychopathologische Befund festgestellt habe, obgleich er die schwer beeinträchtigenden Klagen der Klägerin zitiert habe. Dies könne er sich nur so erklären, dass es zum Zeitpunkt seiner Begutachtung vorübergehend zu einer Besserung des psychopathologischen Syndroms gekommen sei oder dass ihm die Schwere der Symptomatik angesichts der überlagernden multilokulären Schmerzerkrankung entgangen sei. Das psychopathologische Syndrom könne nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückgeführt werden; auch die anderen Symptome der multimodalen Schmerzerkrankung hätten mit dem Unfall nichts zu tun. Schon im Dezember 2002 sei es zu einer depressiven Episode gekommen, sodass bereits vor dem Unfall eine entsprechende Disposition angenommen werden könne. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Gutachten des Prof. Dr. C2 verwiesen.

Die Beklagte hält das Gutachten des Prof. Dr. C2 nicht für überzeugend. Dieser habe die Krankheitsvor- und Verlaufsgeschichte der Klägerin nicht hinreichend berücksichtigt und differenziert. Insbesondere die sehr knapp gehaltenen Ausführungen zur Begründung des von ihm positiv gesehenen Ursachenzusammenhangs seien tatsächlich wie rechtlich nicht haltbar.

Die Klägerin hingegen schließt sich dem Gutachten des Prof. Dr. C2 an. Sie behauptet, vor dem Unfall habe sie keinerlei Depressionen gehabt und sich auch nicht in entsprechender Behandlung befunden.

Mit Schreiben vom 29.04.2020, das am 15.05.2020 bei dem Bevollmächtigten der Klägerin eingegangen ist, sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Senat eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss in Erwägung zieht.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Ihre Inhalte sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.

II.

Der Senat kann die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet hält und die Beteiligten entsprechend gehört worden sind.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Beklagte hat die Gewährung einer Rente ab Antragstellung im April 2013 zu Recht abgelehnt. Denn die Unfallfolgen bedingen keine MdE in rentenberechtigender Höhe.

Streitgegenstand ist lediglich die Gewährung einer Verletztenrente ab Antragstellung im April 2013, nicht die Anerkennung weiterer Unfallfolgen. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid zwar nicht nur eine Entscheidung über die Rente, sondern auch eine Entscheidung über die Unfallfolgen getroffen. Ausweislich der Anträge des bevollmächtigten Rechtsanwalts der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG und im Berufungsverfahren (schriftsätzlich) begehrt die Klägerin aber nur die Gewährung einer Rente ab April 2013. Bei einem von einem Rechtsanwalt oder einem anderen qualifizierten Prozessbevollmächtigten gestellten Klageantrag ist in der Regel auch anzunehmen, dass dieser das Gewollte richtig wiedergibt.

Gemäß § 56 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier: eines Arbeitsunfalles - über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. oder bei Vorliegen eines Stützrententatbestandes um 10 v.H. gemindert ist. Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet. Sie wird in der Höhe des vom Hundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII). Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII richtet sich die MdE danach, in welchem Umfang die Unfallfolgen das körperliche und geistige Leistungsvermögen des Versicherten beeinträchtigen und seine Arbeitsmöglichkeiten im Erwerbsleben vermindern. Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt (BSG, Urt. v. 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R - SozR 3 - juris Rn. 20). Dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalls (vgl. BSG, a.a.O.). Anschließend lässt sich erkennen, welche Arbeitsgelegenheiten dem Betroffenen versperrt und welche ihm verblieben sind. Wie weit die Unfallfolgen die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die MdE einzuschätzen, sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung sowie das versicherungsrechtliche und medizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis. Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE.

Danach hat die Klägerin weiterhin keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente aufgrund des am 10.11.2006 erlittenen Arbeitsunfalls. Nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Arbeitsunfall bei der Klägerin Gesundheitsstörungen hinterlassen hat, die ihre Erwerbsfähigkeit ab Antragstellung im April 2013 in rentenberechtigendem Grade nach einer MdE von mindestens 20 v.H. gemindert haben.

Die bereits anerkannten Unfallfolgen bedingen weiterhin keine messbare MdE. Dies ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Orthopäden C und dem im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Dr. X. Diese sind übereinstimmend zu der Einschätzung gelangt, dass der unfallbedingte Bruch des BWK 8 ausweislich der röntgenologischen Befunde unter leicht keilförmiger Deformierung belastungsstabil verheilt und hierdurch nur eine geringe Bewegungseinschränkung im Bereich des Achsenorgans bedingt sei. Dr. X hat auch festgestellt, dass keine Einengung der Neuroforamina, keine radikulären oder pseudoradikulären Symptome, Reflexauffälligkeiten oder muskuläre Defizite vorlagen. An dieser Befundung hat der Senat keine Zweifel, zumal auch die Sachverständigen Dr. M1 und Dr. S 2007 bzw. 2009 schon zu demselben Ergebnis gekommen waren und Dr. M1 bereits 2007 von einem Endzustand ausgegangen war. Der Orthopäde C und Dr. X haben diese Unfallfolgen auch übereinstimmend mit unter 10 v.H. eingeschätzt. Diese Einschätzung ist unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Erfahrungswerte, wonach bei einem stabil verheilten Bruch und mäßig keilförmiger Deformierung eine Rente als vorläufige Entschädigung von 20 v.H., danach eine MdE unter 10 v.H. anzunehmen ist, nicht zu beanstanden (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, 8.3.1.8, Seite 465, und 8.3.2.2, Seite 452 f.).

Weitere Unfallfolgen liegen nicht vor oder bedingen ebenfalls keine MdE in rentenberechtigender Höhe.

Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass es sich bei der bei der Klägerin vorliegenden Kyphose um eine Unfallfolge handelt. Für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Gesundheitserstschaden - hier Fraktur des BWK 8 - und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesundheitsschadens ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2007 - B 2 U 27/06 R - juris Rn. 20). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rn. 17; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris Rn. 20). Eine derartige Wahrscheinlichkeit lässt sich keinem einzigen Gutachten entnehmen. Die Sachverständigen Dres. M1 und S (Chirurgen) und der sachverständige Orthopäde haben vermehrte degenerative Veränderungen an der BWS der Klägerin diagnostiziert. Einen Zusammenhang zwischen dem Bruch des BWK 8 und der Kyphose hat keiner dieser Ärzte gesehen. Der Orthopäde C hat sogar ausdrücklich erklärt, dass die Kyphosierung unfallunabhängig sei. Die anderslautende Kausaleinschätzung des Dr. C1 vermag den Senat nicht zu überzeugen. Schon dessen eigene Ausführungen begründen nicht die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Fraktur des BWK 8 und der Kyphose. Eine nachvollziehbare Begründung für die Annahme des Sachverständigen findet sich in seinem Gutachten nicht. Allein die radiologischen Verlaufskontrollen, die eine zunehmende Kyphosierung über BWK 8 beschreiben, machen den Ursachenzusammenhang schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil eine Kyphose der BWS auch idiopathisch auftreten und sehr verschiedene Ursachen haben kann (z.B. Haltungsfehler, eine schwach ausgeprägte Muskulatur, degenerative Veränderungen ). Hiermit hat sich Dr. C1 überhaupt nicht auseinandergesetzt. Im Übrigen hat er selber erklärt, dass eine posttraumatische Kyphose nur durch eine Wirbelkörperganzaufnahme, die nie durchgeführt worden sei, auch nicht von ihm, nachgewiesen werden könne. Wie er dann trotzdem einen Ursachenzusammenhang als wahrscheinlich annehmen kann, erschließt sich dem Senat nicht. Letztlich ist es aber unerheblich, ob es sich bei der Kyphose um eine Unfallfolge handelt. Denn diese bedingt - entgegen der Auffassung des Dr. C1 - keine MdE in rentenberechtigendem Grad. In Hinblick auf die von allen von Amts wegen beauftragten Sachverständigen beschriebenen nur geringen Funktionseinschränkungen ohne neurologische Ausfälle an der BWS ist die Einschätzung des Dr. C1, dass die Kyphose eine MdE von 20 v.H. bedinge, schlichtweg nicht nachvollziehbar. Bei der Einschätzung hat er auch nicht berücksichtigt, dass bei der Klägerin, ebenfalls nach den übereinstimmenden Feststellungen aller von Amts wegen beauftragten Sachverständigen, auch degenerative Veränderungen an der BWS vorliegen, die ebenfalls zu Funktionseinschränkungen führen können. Im Übrigen hat die Beklagte bereits in dem bestandskräftigen Bescheid vom 10.11.2006 explizit entschieden, dass die Fehlhaltung und ein Teil der Minderbelastbarkeit der BWS mit degenerativen Verschleißveränderungen keine Unfallfolgen sind. Hiervon hat der Senat auch auszugehen, da im vorliegenden Verfahren die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom nicht zur Überprüfung steht. Dem Antrag der Klägerin von April 2013 könnte zwar ein entsprechender Antrag entnommen werden. Die Beklagte hat den Antrag aber als "Verschlimmerungsantrag" beantragt und keine Prüfung des Bescheides vom 10.11.2006 vorgenommen. Dementsprechend enthält der angefochtene Bescheid hierzu auch keine Regelung.

Ob es sich bei der von Dres. E, C1 und C2 festgestellten Interkostalneuralgie um eine Unfallfolge handelt, kann der Senat offen lassen. Denn diese bedingt ebenfalls keine MdE in rentenberechtigendem Grade. Nach den übereinstimmenden Gutachten der genannten Dres. ist die MdE hierfür mit 10 v.H. einzuschätzen. Da es keinen einzigen Arzt gibt, der von einer höheren MdE ausgeht, hat der Senat keinen Anlass, an dieser Einschätzung zu zweifeln.

Die von den Sachverständigen diagnostizierte chronische Schmerzerkrankung und die Depressionserkrankung sind nicht auf den Unfall zurückzuführen. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der insoweit übereinstimmenden Gutachten der Neurologen und Psychiater Dres. E, I1 und des Neurologen Prof. Dr. C2, die einen ursächlichen Zusammenhang dieser Erkrankungen mit der Fraktur des BWK 8 nicht wahrscheinlich machen konnten. An dieser Einschätzung hat der Senat keine Zweifel. Auch die Schmerzklinik in I hat keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und der verheilten Fraktur des BWK 8 hergestellt. Bei der Einschätzung des Chirurgen und Orthopäden Dr. C1, die Somatisierungsstörung sei auf den langen Leidensweg der Klägerin nach dem Unfall mit den entsprechenden Diagnosen, Therapien und gerichtlichen Schritten zurückzuführen, handelt es sich um eine nicht begründete Behauptung, die schon allein wegen dessen fehlender Fachkompetenz auf psychiatrisch-neurologischem Gebiet keinen Anlass zu Zweifeln an den Gutachten der neurologisch-psychiatrisch qualifizierten Fachärzte geben. In Hinblick auf die objektiv nur geringen Restbeschwerden des bereits spätestens im September 2007 knöchern fest verheilten BWK 8 ist auch für den überwiegend aus medizinischen Laien bestehenden Senat nicht ersichtlich, dass die Fraktur des BWK 8 eine derartig schwere, inzwischen fast den ganzen Körper betreffende eigenständige Schmerzerkrankung verursacht haben könnte. Soweit die Klägerin behauptet, vor dem Unfall habe sie keinerlei Depressionen gehabt und sich auch nicht in entsprechender Behandlung befunden, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse eindeutig Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen depressiver Episoden im Dezember 2002, November 2003 und Oktober 2006, die also alle vor dem Unfall vom 10.11.2006 lagen, ergeben.

Auch die Beschwerden an der LWS sind nicht durch die Fraktur des BWK 8 bedingt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Gutachten der Dres. M1, S, I1 und C1, des Prof. Dr. C2 und des Herrn C, die die Beschwerden an der LWS übereinstimmend auf degenerative Veränderungen zurückgeführt haben. Auch der Durchgangsarzt Dr. G hatte schon im Juli 2007 festgestellt, dass das LWS-Syndrom unfallunabhängig und deshalb zu Lasten der Krankenkasse zu behandeln sei. Im Übrigen litt die Klägerin schon lange vor dem Unfall an einem LWS- und HWS Syndrom. Dies ergibt sich aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse, in dem im Januar 1997 und im Februar 1996 Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen eines LWS- und eines HWS-Syndroms dokumentiert sind. Im Übrigen weist der Senat bezüglich der LWS-Beschwerden darauf hin, dass die Beklagte in dem bestandskräftigen und damit bindenden Bescheid vom 10.11.2006 es auch abgelehnt hatte, die degenerativen Verschleißveränderungen der LWS mit begleitenden anlagebedingten Bandscheibenschäden und unfallunabhängiger Wirbelsäulengefügestörung LWK 3/LWK 4 und begleitender subjektiver Minderbelastbarkeit mit Funktionseinschränkungen der LWS als Unfallfolgen anzuerkennen.

Anhaltspunkte dafür, dass die zahlreichen anderen Gesundheitsstörungen der Klägerin auf den Bruch des BWK 8 zurückzuführen sind, sind nicht ersichtlich. Entsprechende Unfallzusammenhänge wurden von den behandelnden Ärzten der Klägerin und allen Gutachtern noch nicht einmal in Erwägung gezogen.

Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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