L 1 KA 4/20 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 25 KA 26/20 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KA 4/20 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Anordnung der sofortigen Vollziehung - Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes

1. Medizinische Versorgungszentren, die gemäß § 95 Abs. 1a Satz 4 SGB V in ihrem Bestand geschützt sind, sind aufgrund ihrer Zulassung berechtigt, sich auf Vertragsarztsitze zu bewerben, die nach § 103 Abs. 4 SGB V zur Nachbesetzung ausgeschrieben sind.
2. § 103 Abs. 4 Satz 5 Nr. 9 SGB V bezieht sich allein auf das Versorgungsangebot des Medizinischen Versorgungszentrums selbst; eine sektorenübergreifende Sicht ist der Vorschrift fremd.
3. Für die Anordnung des Sofortvollzugs genügt in Drittanfechtungssituationen gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG das überwiegende Interesse eines Beteiligten, wenn der in der Hauptsache angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist.
I. Die Beschwerden der Beigeladenen zu 8 und 9 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 25. März 2020 werden zurückgewiesen.

II. Die Beigeladenen zu 8 und 9 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 bis 7, die diese selbst tragen.

III. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 103.156,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beigeladenen zu 8 und 9 wenden sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs der zu Gunsten der Antragstellerin getroffenen Auswahlentscheidung des Antragsgegners zur Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes für eine Fachärztin für Orthopädie in A ...

Im Planungsbereich A ... sind Zulassungsbeschränkungen für die Bedarfsplangruppe der fachärztlich tätigen Orthopäden angeordnet. Die Antragstellerin, eine GmbH (AG A ... HRB.), betreibt an Standorten in A ... und in W ... ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ).

Die Beigeladene zu 9 ist ebenfalls eine GmbH (AG A ... HRB.). Ihre Anteile wurden bis zum 30.06.2018 von der V ... U ... gGmbH gehalten und am 01.07.2018 durch die MVZ E ... eG (AG T ... GnR.) übernommen. Auch sie betreibt in A ... ein MVZ. Anlässlich des Gesellschafterwechsels war neben anderen Ärzten auch die früher dort angestellte Orthopädin Dr. med. S ... zum Ablauf des 30.06.2018 aus dem MVZ der Beigeladenen zu 9 ausgeschieden. Nachdem es der Beigeladenen zu 9 nicht gelang, die Stelle mit einem im MVZ anzustellenden Arzt nachzubesetzen, erteilte der Zulassungsausschuss Ärzte A ... ihr mit Beschluss vom 09.10.2018 die Genehmigung zur Umwandlung der Anstellung in eine Zulassung mit dem Ziel der Ausschreibung zur Nachbesetzung. Die zu 1 beigeladene Kassenärztliche Vereinigung schrieb die Stelle zur Besetzung mit einem Facharzt oder einer Fachärztin für Orthopädie mit den Zusatzbezeichnungen Chirotherapie und Akupunktur aus.

Auf die Ausschreibung bewarb sich u.a. die Antragstellerin für die Anstellung einer Fachärztin für Orthopädie mit den Zusatzbezeichnungen Chirotherapie und Akupunktur im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags in ihrer Betriebsstätte R ... in A ... Bei der anzustellenden Orthopädin handelt es sich um dieselbe Ärztin, die zum Ablauf des 30.06.2018 aus dem MVZ der Beigeladenen zu 9 ausgeschieden war (Dr. med. S ..., approbiert am 01.09.1984, Fachärztin seit 16.02.1989, 332 Monate fachärztlicher Tätigkeit).

Außerdem bewarb sich die Beigeladene zu 8, eine gGmbH (AG A ... HRB.), Trägerin eines weiteren in A ... ansässigen MVZ und Tochtergesellschaft der Klinikum A ... gGmbH, für die Anstellung von vier Ärzten im Umfang von jeweils einem Viertel Versorgungsauftrag (MUDr. Q ..., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie; Dr. med. P ..., approbiert am 01.09.1988, Facharzt seit 24.04.2008, 300 Monate fachärztlicher Tätigkeit; O ..., approbiert am 29.12.2010, Facharzt seit 12.06.2017, 20 Monate fachärztlicher Tätigkeit; Dr. med. N ..., approbiert am 02.10.1991, Facharzt seit 08.07.2008, 297 Monate fachärztlicher Tätigkeit) in der Betriebsstätte M ... in A ... Alle vier Ärzte sind Beschäftigte der Klinikum A ... gGmbH, eines Krankenhauses der Maximalversorgung, und hatten Vereinbarungen zur Nebentätigkeit bei der Beigeladenen zu 9 geschlossen. Die Beigeladene zu 8 und die Beigeladene zu 9 teilten übereinstimmend mit, sich bereits durch Vertrag vom 07.12.2018 über die Übernahme des orthopädischen Vertragsarztsitzes einschließlich des Kaufpreises verständigt zu haben.

Der Zulassungsausschuss Ärzte A ... gab mit Beschluss vom 05.02.2019 dem Antrag der Antragstellerin auf Übernahme und Fortführung der vertragsärztlichen Angestelltenstelle der Beigeladenen zu 9 im Fachgebiet Orthopädie in A ... zur Anstellung von Dr. S ... statt und lehnte den Antrag der Beigeladenen zu 8 ab.

Dagegen legten die Beigeladene zu 9 am 01.04.2019 und die Beigeladene zu 8 am 09.04.2019 Widerspruch ein. Die Beigeladene zu 8 zeigte zugleich an, dass MUDr. Q ... nicht mehr für eine Anstellung zur Verfügung stehe und sich deshalb der Versorgungsauftrag für die Anstellung des Arztes O ... um den betreffenden Anteil auf einen hälftigen Versorgungsauftrag erhöhe.

Die Beigeladene zu 9 beanstandete neben formellen Fehlern im Verfahren vor dem Zulassungsausschuss, dass Dr. S ... während ihrer Tätigkeit am MVZ keineswegs in Vollzeit tätig gewesen sei, sondern Leistungen im Umfang von weit weniger als 50 Prozent des Fachgruppendurchschnitts erbracht und das MVZ dadurch vorsätzlich geschädigt habe. Leistungen der Chirotherapie und Akupunktur habe sie nicht erbracht. Vor diesem Hintergrund könne auch der Verkehrswert der zu übertragenden Praxisgegenstände nicht fair auf Grundlage der von ihr erwirtschafteten Honorare ermittelt werden. Die geplanten Sprechzeiten unterschieden sich mit je 25 Stunden nach den Planungen beider Bewerber nicht voneinander. Mit der Antragstellerin sei bislang – anders als mit der Beigeladenen zu 8 – keine Einigung über die Weiterbehandlung der Patienten, den Verbleib der Patientenakten, den Datenschutz und den Kaufpreis erzielt worden. Bis zu einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung in mindestens fünf bis sieben Jahren werde der Sitz deshalb, wenn es bei der Entscheidung des Zulassungsausschusses bleibe, nicht weitergeführt werden können.

Die Beigeladene zu 1 sprach sich in ihrer Stellungnahme vom 22.05.2019 dafür aus, die Anstellungsgenehmigung weiterhin der Antragstellerin für die Anstellung von Dr. S ... zu erteilen, da die von der Beigeladenen zu 8 benannten vier Ärzte neben ihrer Tätigkeit am Krankenhaus jeweils nur acht Stunden, insgesamt also maximal 32 Stunden wöchentlich für die vertragsärztliche Tätigkeit zur Verfügung stünden, während die Antragstellerin eine Anstellung im Umfang von 40 Stunden pro Woche anstrebe, die anzustellende Ärztin die Versorgung der Patienten bereits in der Vergangenheit vollumfänglich sichergestellt habe und auch hinsichtlich der Qualifikation die Versorgungskontinuität gewährleiste.

Der Antragsgegner wies die Widersprüche mit Beschluss vom 30.10.2019, der am 28.11.2019 ausgefertigt und den Beigeladenen zu 8 und zu 9 jeweils am 29.11.2019 zugestellt wurde, zurück. Alle Fachärzte, für die noch eine Anstellungsgenehmigung beantragt sei, seien mehr als fünf Jahre approbiert. Nur Dr. S ... sowie Dr. P ... und Dr. N ... verfügten mit jeweils mehr als 25 Jahren fachärztlicher Tätigkeit über mehr als fünf Jahre Berufserfahrung im Fachgebiet und seien insoweit als gleichwertig anzusehen. Das Mehr an Berufserfahrung in der Person von Dr. P ... und Dr. N ... komme nicht dem Arzt O ... zu Gute, so dass in der Gesamtschau Dr. S ... der Vorrang einzuräumen sei. Dr. S ... verfüge mit den Zusatzbezeichnungen Chirotherapie und Akupunktur über ein umfangreicheres Leistungsangebot. Alle potentiell anzustellenden Ärzte seien als Fachärzte für Orthopädie prinzipiell gleichermaßen beruflich geeignet, die Stelle zu besetzen. Ein Vorteil für die Versicherten ergebe sich jedoch in der Gesamtschau, wenn ein Facharzt mit 27Jahren Berufserfahrung und Zusatzbezeichnungen für 40 Stunden Wochenarbeitszeit zur Verfügung stehe, gegenüber der Anstellung von drei Fachärzten im Umfang von 32 Wochenarbeitsstunden, wovon ein Arzt mit einem hälftigen Versorgungsauftrag nur über zwei Jahre Berufserfahrung als Facharzt verfüge. Die Interessen der Beigeladenen zu 9 seien nur bis zur Höhe des Verkehrswertes der zu übertragenden Praxisgegenstände geschützt. Das gelte auch, wenn bereits mit einem Bewerber eine Vereinbarung getroffen worden sei. Die Höhe des Verkehrswertes sei hier nicht streitig. Beide Bewerber seien bereit, den Verkehrswert zu zahlen. Dazu sei es erforderlich, dass der Abgebende prüffähige Angaben mache. Maßgeblich sei nicht das höchste Angebot. Eine Kommerzialisierung von Arztstellen sei nicht vom Gesetzeszweck gedeckt.

Gegen den Beschluss des Antragsgegners erhoben die Beigeladene zu 9 am 19.12.2019 (S 25 KA 218/19) und die Beigeladene zu 8 am 23.12.2019 (S 25 KA 222/19) Klage beim Sozialgericht (SG) Dresden.

Am 11.02.2020 hat die Antragstellerin beim SG die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses vom 30.10.2019 beantragt und vorgetragen, die Praxisinfrastruktur für die Übernahme des Versorgungsauftrags werde weiterhin vorgehalten. Dr. S ... stehe für die Anstellung weiterhin zur Verfügung. Der Beschluss des Antragsgegners sei erkennbar rechtmäßig. Der Vortrag der Beigeladenen zu 8 aus dem Verwaltungsverfahren sei polemisch, unzutreffend und nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit des Beschlusses in Frage zu stellen. Ohne die sofortige Vollziehung entfalle auf unabsehbare Zeit ein voller Versorgungsauftrag im Fachgebiet Orthopädie. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich schon aus dem Zeitablauf, der die Tätigkeitsaufnahme im Ergebnis verzögern oder ganz vereiteln könne, weil weder die Antragstellerin noch die anzustellende Ärztin unbegrenzt zuwarten könnten. Erklärtermaßen spekuliere die Beigeladene zu 9 gerade darauf.

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt. Er hat darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin keine Sofortvollzugsanordnung durch den Antragsgegner beantragt habe. Für eine Anordnung von Amts wegen habe es keine Gründe gegeben.

Die Beigeladene zu 8 ist, ohne einen Antrag zu stellen, dem Antrag entgegen getreten. Es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragstellerin darauf verzichtet habe, einen Sofortvollzugsantrag beim Antragsgegner zu stellen, obwohl ihr durch den Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 9 ein langer Rechtsstreit angekündigt worden sei. Eine Interessenabwägung falle zu Lasten der Antragstellerin aus. Die engen Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache seien nicht gegeben. Der Beschluss des Antragsgegners sei ermessensfehlerhaft. Zu Unrecht habe der Antragsgegner dem höheren Approbationsalter von Dr. S ... nur das niedrigere Approbationsalter des Arztes O ... gegenüber gestellt, ohne zu würdigen, dass es stets einen kollegialen Austausch mit älteren Kollegen gebe. Die Mischung von erfahrenen und jüngeren Ärzten sei für die Versicherten vielmehr vorteilhaft. Ebenfalls zu Unrecht habe der Antragsgegner außer Acht gelassen, dass Dr. S ... während ihrer Zeit im MVZ keine Leistungen auf Grundlage ihrer Zusatzbezeichnungen Chirotherapie und Akupunktur erbracht und ihr Versorgungsangebot insgesamt reduziert habe. Deshalb gehe auch die Annahme fehl, dass die Ärztin der Antragstellerin 40 Stunden pro Woche für die Versorgung der Patienten zur Verfügung stehe. Versorgungsgesichtspunkte seien mit Rücksicht auf die Überversorgung des Planungsbereichs nicht zu berücksichtigen. Schließlich sei die Antragstellerin nicht befugt, ihre Leistungen um das orthopädische Spektrum zu erweitern, weil sie mit Einschränkung des Kreises der Gründer von MVZ durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz nur noch Bestandsschutz im Rahmen des zulassungsrechtlichen Status quo genieße. Die Antragstellerin habe keine wirtschaftlichen Nachteile glaubhaft gemacht, die eine Existenzgefährdung nahelegten. Dr. S ... befinde sich bereits in einem Anstellungsverhältnis. Zu berücksichtigen sei auch das Interesse der Beigeladenen zu 9 an der Erzielung eines angemessenen Kaufpreises, da der Verkehrswert durch die Tätigkeit von Dr. S ... wesentlich geschmälert worden sei.

Die Beigeladene zu 9 hat beantragt, den Antrag abzulehnen. Der angefochtene Beschluss sei grob ermessensfehlerhaft und rechtswidrig. Gegeneinander abzuwägen seien ausschließlich die monetären Interessen der beteiligten MVZ-Träger. Der Wegfall einer Facharztstelle für Orthopädie gefährde in dem überversorgten Planungsbereich nicht die Versorgungssicherheit. Das fehlende Interesse der Antragstellerin an der Versorgung des Patientenstammes werde dadurch belegt, dass sie keine Vereinbarung mit der Beigeladenen zu 9 getroffen habe und lediglich zur Entrichtung des Verkehrswertes bereit sei, nachdem Dr. S ... den Orthopädiesitz über Jahre wirtschaftlich ruiniert habe. Da die Beigeladenen zu 8 und 9 bereits vertraglich miteinander verbunden seien, sei ein wirtschaftlicher Nachteil der Beigeladenen zu 9 durch ein längeres Verfahren ausgeschlossen. Durch Verneinen der Frage der Vorsitzenden des Antragsgegners, ob die sofortige Vollziehung beantragt werde, habe die Antragstellerin ihr Antragsrecht verwirkt. Auf den angezeigten Umfang der Wochenarbeitszeit der anzustellenden Ärzte komme es wegen der Überversorgung nicht an. Zudem seien die Praxisöffnungszeiten mit je 25 Stunden gleich. Von ihren Zusatzqualifikationen habe Dr. S ... während der Tätigkeit im MVZ keinen Gebrauch gemacht. Die Beigeladene zu 8 biete mit zwei erfahrenen Ärzten und einem jüngeren Arzt die Aussicht auf eine bessere Versorgungsstabilität und -kontinuität als die Antragstellerin mit der sich in fortgeschrittenem Alter befindenden Dr. S ... Das Argument des Antragsgegners, die Erfahrung der beiden älteren Kollegen könne bei gleichzeitiger Tätigkeit dem jüngeren Arzt nicht zu Gute kommen, sei hanebüchen. Dass die Ärztin die Stelle besetzen könne, werde ebenso bestritten wie das Vorhandensein der räumlichen und personellen Praxisstruktur bei der Antragstellerin. Bestritten werde auch die Unrichtigkeit der Behauptungen ihres Geschäftsführers, dass Dr. S ... während ihrer Tätigkeit am MVZ Leistungen im Umfang von weniger als 50 Prozent des Fachgruppendurchschnitts erbracht und mangelhaft gearbeitet habe. Der Antragsgegner habe die Beigeladene zu 9 klar benachteiligt. Die Beeinflussung des Antragsgegners aufgrund massiver Anfeindungen durch die Beigeladene zu 1 werde durch die an den Haaren herbeigezogene Entscheidung zugunsten der Antragstellerin untermauert, die für die Beigeladene zu 9 einen Schaden in Höhe von mehr als 200.000,00 EUR bedeuten würde.

Mit Beschluss vom 25.03.2020 hat das SG die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Antragsgegners vom 30.10.2019 angeordnet. Der Antragstellerin fehle nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die gerichtliche Abwägung des Interesses der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehung auf der einen und des Interesses der Beigeladenen zu 8 und zu 9 am vorläufigen Aufschub der Vollziehung auf der anderen Seite entspreche den für die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde geltenden Maßstäben des § 86a Abs. 3 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zu beachten sei, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Beschluss des Antragsgegners um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung im Sinne des § 86a Abs. 1 Satz 2 SGG handele. Das Gericht habe vor diesem Hintergrund eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, in die die betroffenen Interessen der Adressaten des Verwaltungsaktes und der von der Drittwirkung des Verwaltungsaktes Betroffenen ebenso wie das von der Behörde zu wahrende öffentliche Interesse einzubeziehen seien. Auch sei zu berücksichtigen, wie sich die Beeinträchtigungen der widerstreitenden Rechtsgüter im Falle des sofortigen Vollzugs einerseits bzw. des Aufschubs der Vollziehung andererseits gerade im grundrechtsrelevanten Bereich auswirkten (Verweis auf Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03). Nach diesen Maßstäben sei dem Antrag zu entsprechen. Der Beschluss vom 30.10.2019 sei offensichtlich rechtmäßig. Die für die Bewerberauswahl im Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 i.V.m. § 95b Abs. 9b sowie § 95 Abs. 2 Satz 8 2. Halbsatz und § 103 Abs. 4a Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) maßgebliche Erwägung des Antragsgegners, es spreche für die Antragstellerin, dass ihr eine Fachärztin mit 27Jahren Berufserfahrung und zwei Zusatzbezeichnungen für 40 Stunden Wochenarbeitszeit zur Verfügung stehe, gegenüber der Anstellung von drei Fachärzten im Umfang von 32 Wochenarbeitsstunden, wovon ein Arzt mit einem hälftigen Versorgungsauftrag nur über zwei Jahre Berufserfahrung als Facharzt verfüge, sei nicht zu beanstanden. Es treffe nicht zu, dass der Antragsgegner dem höheren Approbationsalter von Dr. S ... ausschließlich das niedrigere Approbationsalter des Arztes O ... gegenüber gestellt habe, ohne zu würdigen, dass diesem zwei Kollegen mit langjähriger fachärztlicher Erfahrung zur Seite stünden. Tatsächlich habe der Antragsgegner die Dauer der fachärztlichen Erfahrung von Dr. S ... einerseits und von Dr. P ..., Dr. N ... und dem Arzt O ... andererseits in der Gesamtschau miteinander verglichen und zu Recht festgestellt, dass bei einer – zulässigen – Priorisierung einer mindestens fünfjährigen Facharzttätigkeit die Antragstellerin mit ihrer Anstellungskandidatin einen Vorsprung gegenüber der Beigeladenen zu 8 aufweise, die zur Hälfte des geplanten Anstellungsumfanges auf einen Arzt mit deutlich geringerer Facharzterfahrung zurückgreifen müsse. Daran ändere die Möglichkeit des kollegialen Austausches des jüngeren Arztes mit den beiden erfahreneren Kollegen nichts, weil dieser die durch die Dauer der fachärztlichen Tätigkeit repräsentierte Erfahrung nicht ersetze, sondern nur den Erwerb solcher Erfahrungen unterstütze. Das Argument, ein altersgemischtes Ärzteteam sei gegenüber einer dienstälteren Ärztin vorteilhaft, laufe auf den unzulässigen Versuch hinaus, ein anderes Abwägungskriterium einzuführen, als der Antragsgegner seiner Entscheidung zu Grunde gelegt habe. Abgesehen von nach § 26 Abs. 4 Nr. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie (BedarfsPl-RL) zwingend zu berücksichtigenden Bewerberauswahlkriterien habe kein Bewerber einen Anspruch auf Einbeziehung bestimmter, für ihn günstiger Gesichtspunkte in die Abwägung und Begründung für die Bewerberauswahl. Dies gelte entsprechend für die Bevorzugung einer Vollzeitanstellung von 40 Wochenarbeitsstunden gegenüber einer Aufteilung des vollen Versorgungsauftrags auf drei angestellte Ärzte mit insgesamt nur 0,8 Anteilen einer Vollzeitstelle. Es stehe den Zulassungsgremien frei, auch in gesperrten Planungsbereichen ganze Stellen bevorzugt vollzeitig zu besetzen. Die Beigeladenen zu 8 und 9 könnten vom Antragsgegner nicht verlangen, stattdessen Teilzeitanstellungen zu bevorzugen, um eine Überversorgung zu reduzieren, zumal die Beigeladene zu 9 bei erfolgreicher Veräußerung des Sitzes selbst von der ausnahmsweisen Aufrechterhaltung des vollen Versorgungsauftrags trotz Sperrung des Planungsbereichs profitiere, da sie nur so ihr Verwertungsinteresse realisieren könne. Für eine Vollzeitanstellung auf ganzen Stellen spreche auch die bessere Transparenz für die Versorgungsplanung; denn dies vermeide, dass es bei gehäuften Teilzeitbeschäftigungen unter voller Anrechnung auf den Versorgungsgrad zu unerkannten Versorgungsdefiziten trotz formal-rechnerischer Überversorgung komme. Die Behauptung, die Prognose einer vollzeitigen Patientenversorgung durch Dr. S ... werde dadurch widerlegt, dass diese während ihrer Zeit im MVZ keine Leistungen auf Grundlage ihrer Zusatzbezeichnungen Chirotherapie und Akupunktur erbracht und ihr Versorgungsangebot insgesamt auf weniger als 50 Prozent des Fachgruppendurchschnitts reduziert habe, sei, selbst wenn sie als wahr unterstellt werde, nicht geeignet, persönliche oder fachliche Defizite der Ärztin zu belegen, welche die Feststellung tragen würden, diese sei nicht willens oder in der Lage, ihre arbeitsvertraglichen Pflichten in dem mit der Antragstellerin vereinbarten zeitlichen Umfang zu erfüllen. Rechtlich nicht haltbar sei die Argumentation der Beigeladenen zu 8, die Einschränkung des Kreises der als Gründer von MVZ zugelassenen Personen und Einrichtungen durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz stehe einer Ausweitung der Tätigkeit von nur kraft Bestandsschutzes an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden MVZ entgegen. Selbst wenn die Antragstellerin nach der ab dem 01.01.2012 geänderten Rechtslage nicht mehr als Trägerin eines MVZ neu zugelassen werden könnte, sei sie bereits rechtswirksam als Trägerin eines MVZ zugelassen und dürfe kraft dieses Zulassungsstatus nach § 95 Abs. 1a Satz 4 SGB V weiterhin uneingeschränkt mit den gleichen Rechten und Pflichten an der vertragsärztlichen Versorgung mitwirken wie andere MVZ-Träger, die den Anforderungen des § 95 Abs. 1a Satz 1 SGB V neuer Fassung entsprächen. Der ihr gesetzlich garantierte Bestandsschutz erstrecke sich damit auch auf die Befugnis, Ärzte neu anzustellen und sich um weitere Anstellungsgenehmigungen zu bewerben. Für die gegenteilige Auffassung, wonach bestandsgeschützte MVZ durch § 95 Abs. 1a Satz 4 SGB V auf den Bestand zum 01.01.2012 "eingefroren" wären, finde sich weder im Wortlaut noch in den Gesetzesmaterialien oder im sonst zum Ausdruck kommenden Sinn und Zweck der Regelung ein Anhaltspunkt. Zutreffend habe der Antragsgegner schließlich davon abgesehen, die Erteilung der Anstellungsgenehmigung davon abhängig zu machen, dass die Antragstellerin zuvor mit der Beigeladenen zu 9 eine einvernehmliche Regelung über die Modalitäten der Praxisübernahme einschließlich des Kaufpreises treffe. Eine vom Versorgungsgeschehen abgelöste Kommerzialisierung von Arztstellen sei von dem Zweck des Gesetzes nicht mehr gedeckt (Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 11.10.2017 – B 6 KA 27/16 R). Habe ein Bewerber versichert, einen dem Verkehrswert entsprechenden Kaufpreis zahlen zu wollen, dürften die Zulassungsgremien sich bei der Auswahlentscheidung auf die in § 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V genannten Kriterien beschränken (Verweis auf Sächsisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 18.07.2008 – L 1 B 379/08 KA-ER). Letzteres sei hier der Fall. Die Bewerberauswahl dürfe nicht auf eine Versteigerung der Zulassung – also des Wertes der vertragsärztlichen Berufsausübung – hinauslaufen. Die Antragstellerin treffe als potentielle Erwerberin weder eine Verantwortung für die behauptete Minderung des Praxiswertes durch die frühere Angestellte des damaligen V ...-MVZ, noch erwachse der Beigeladenen zu 9 daraus ein Anspruch auf eine Abgeltung über dem Verkehrswert, zumal sie zum 01.07.2018 die Trägerschaft des MVZ bereits in dem Zustand von der V ... U ... gGmbH übernommen habe, den sie jetzt als "heruntergewirtschaftet" beklage. Habe die Erteilung der Anstellungsgenehmigung an die Antragstellerin Bestand, werde die Beigeladene zu 8 ihr Verwertungsinteresse letztlich ausschließlich kooperativ mit der Antragstellerin verwirklichen können. Allerdings bestehe kein unbedingter Konsenszwang, auch wenn die Beigeladene zu 9 grundsätzlich die Möglichkeit hätte, das Inkrafttreten der Anstellungsgenehmigung zu verhindern, indem sie den Antrag auf Nachbesetzung der umgewandelten Stelle bis zum Eintritt der Bestandskraft der Anstellungsgenehmigung zurücknehme und damit unter Umständen den endgültigen Verlust ihrer Verwertungsmöglichkeit in Kauf nehme, weil sie ihr Nachbesetzungsrecht verbraucht habe. Das Ergebnis werde durch einen Vergleich mit den Rechtsfolgen, die einträten, wenn die Vollziehung weiter ausgesetzt bliebe, zusätzlich gestützt.

Gegen den am 30.03.2020 zugestellten Beschluss haben die Beigeladene zu 9 am 28.04.2020 und die Beigeladenen zu 8 am 29.04.2020 Beschwerde eingelegt.

Die Beigeladene zu 8 bezieht sich auf das erstinstanzliche Vorbringen und trägt im Wesentlichen vor, das SG habe sich nicht mit dem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis infolge des fehlenden Sofortvollzugsantrages im Verwaltungsverfahren auseinandergesetzt. Der Beschluss vom 30.10.2019 sei nicht offensichtlich rechtmäßig, weil die fachärztliche Tätigkeit unzureichend verglichen worden sei, kein Mehrwert höherer Wochenarbeitszeiten in einem überversorgten Gebiet bestehe, einem bestandsgeschützten MVZ rechtswidrig Wachstumsmöglichkeiten eingeräumt würden und das Auswahlkriterium in § 109 Abs. 4 Nr. 9 SGB V fehlerhaft nicht zugunsten der Beigeladenen zu 8 berücksichtigt worden sei. Durch die Neubesetzung von Positionen bzw. aufgrund von personellen Veränderungen stehe zu befürchten, dass im späteren Hauptsacheverfahren eine Lage vorgefunden werde, die nicht mehr der Ausgangslage entspreche. Diese sei zugunsten der Beigeladenen zu 8 zu sichern. Die fortdauernde Vorhaltung der Bewerber auf Seiten der Beigeladenen zu 8 stelle für sie ein wirtschaftliches Risiko dar, das das SG nicht gewürdigt habe.

Die Beigeladene zu 9 wiederholt ihr Vorbringen und macht geltend, eine altersmäßige Mischung in einem Ärzteteam sei durchaus bei der Auswahl der Bewerber zu berücksichtigen; § 26 BedarfsPl-RL stelle gerade nicht auf eine fachärztliche Tätigkeit oder deren Dauer ab, so dass auch andere Kriterien eingeführt werden könnten. Der Berufungsausschuss habe das Kriterium der Ergänzung des besonderen Versorgungsangebots eines sich bewerbenden MVZ zu berücksichtigen. Das SG habe lediglich lapidar behauptet, die Patientenversorgung sei durch Dr. S ... gesichert. Die Vorwegnahme der Hauptsache sei ungerechtfertigt und die Argumentation des SG insoweit nicht stichhaltig bzw. fragwürdig, weil die Beigeladene zu 9 lediglich ihre rechtlichen Einspruchsmöglichkeiten in Anspruch nehme.

Die Beigeladenen zu 8 und 9 beantragen sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 25.03.2020 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin abzulehnen.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner beantragen, die Beschwerden zurückzuweisen.

Der Antragsgegner verweist auf seine Entscheidung sowie die nicht zu beanstanden Ausführungen des SG und führt aus, das jeweilige Alter der anzustellenden Fachärzte sei unter Diskriminierungsgesichtspunkten nicht entscheidungsrelevant gewesen. § 103 Abs. 4 SGB V enthalte keine abschließende Aufzählung der Auswahlkriterien.

Die Antragstellerin trägt vor, infolge der Anordnung des Sofortvollzugs habe Dr. S ... die Arztstelle bereits eingenommen und behandele Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung unter Abrechnung bei der Beigeladenen zu 1. Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen habe die Versorgungssicherheit der Patienten besonderes Gewicht. Ohne den Sofortvollzug falle eine fachärztliche Orthopädiestelle mit einem vollen Versorgungsauftrag auf unabsehbare Zeit weg. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich bei alledem aus dem Zeitablauf. Sie macht Ausführungen, warum keine Verwirkung des Antragsrechts nach § 86b Abs. 1 SGG eingetreten und die Entscheidung des SG richtig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Akte der Verfahren S 25 KA 218/20 und S 25 KA 223/19 nebst Verwaltungsvorgängen Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Beschwerden der Beigeladenen zu 8 und 9 sind unbegründet.

Zu Recht hat das SG die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Antragsgegners vom 30.10.2019 angeordnet, denn dieser ist nach der im vorliegenden Eilverfahren nur erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung offensichtlich rechtmäßig.

1. Zutreffend hat das SG das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin bejaht. Eine Verwirkung der ihr von der Prozessordnung eingeräumten Befugnis, einen Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zu stellen, ist nicht dadurch eingetreten, dass sie zuvor keinen Antrag nach § 97 Abs. 4 SGB V beim Antragsgegner gestellt hatte. Denn ein solcher Antrag bei Gericht setzt gerade nicht voraus, dass sich der Antragsteller zunächst an die Verwaltung wenden muss, um eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die Anordnung der Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.2007 – B 6 KA 4/07 R – juris Rn. 20). Schon der Umstand, dass ein vorheriger Antrag bei der Behörde nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung gesetzlich normiert ist (wie etwa in § 80 Abs. 6 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]), spricht gegen die von den Beigeladenen zu 8 und zu 9 vertretene Auffassung. Es gibt keine Frist für einen Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG; ein solcher könnte sogar erst während eines Berufungsverfahrens gestellt werden, ohne dass das Antragsrecht allein wegen des Zeitablaufs verwirkt wäre. Schließlich spricht auch in anderen Konstellationen mehr für ein Nebeneinander von behördlicher und gerichtlicher Vollzugsanordnung als dagegen, solange keine gerichtliche Entscheidung im Eilverfahren vorliegt (vgl. Beschluss des Senats vom 03.06.2020 – L 1 KR 94/10 B ER – juris Rn. 39-42 m.w.N.). Aus dem allgemeinen Grundsatz, dass die Gerichte nicht ohne Grund in Anspruch genommen werden dürfen, wenn Rechtsschutz anders einfacher zu erlangen ist (so LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.05.2014 – L 11 KA 99/13 B ER – juris Rn. 36), ergibt sich schließlich nichts anderes, weil der Antragsgegner mitgeteilt hat, dass kein Anlass für eine Anordnung nach § 97 Abs. 4 SGB V im öffentlichen Interesse bestanden hatte.

2. Prüfungsmaßstab im Rahmen des vorliegenden Antrages nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, wonach das Gericht der Hauptsache die sofortige Vollziehung anordnen kann, wenn ein Widerspruch oder – wie hier – eine Klage aufschiebende Wirkung entfaltet, ist, ob ein öffentliches Interesse oder ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten an der sofortigen Vollziehung besteht (vgl. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG i.V.m. § 97 Abs. 4 SGB V; so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.05.2016 – L 7 KA 51/15 B ER – juris Rn. 3), wobei auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache zu berücksichtigen sind (Binder in: Berchtold, SGG, 6. Aufl. 2021, § 86b Rn. 14; Jüttner/Wehrhahn in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 86b Rn. 40). Der vom SG herangezogene Maßstab in § 86a Abs. 3 Satz 3 SGG, wonach eine Aussetzung der Vollziehung nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit und einer unbilligen Härte gegenüber einem Betroffenen angeordnet werden soll, wird dem hier betroffenen mehrpoligen Rechtsverhältnis nicht gerecht. Dennoch ist das SG zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass die Interessen der Antragstellerin, das öffentliche Interesse und die Interessen der Beigeladenen zu 8 und zu 9 in eine umfassende Abwägung einzubeziehen sind.

Die Ausführungen der Beteiligten zu einer Vorwegnahme der Hauptsache liegen neben der Sache. Denn sie verkennen, dass es bei einer Entscheidungen nach § 86b Abs. 1 SGG gerade kein Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gibt (vgl. Wahrendorf in: BeckOGK SGG, Stand 01.09.2019, § 86b Rn. 210 ff.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 31; Binder in: Berchtold, SGG, 6. Aufl. 2021, § 86b Rn. 45 f.; Jüttner/Wehrhahn in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 86b Rn. 72 ff.; Cantzler, BeckOK SozR, Stand 01.09.2020, § 86b SGG Rn. 78 ff., die allesamt die Vorwegnahme der Hauptsache allein bei Eilverfahren nach § 86b Abs. 2 SGG erörtern). Darüber hinaus verkennen die Beteiligten, dass selbst in den Fällen einer Regelungs- oder Sicherungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, sondern einer besonderen Begründung bedarf (vgl. Binder in: Berchtold, SGG, 6. Aufl. 2021, § 86b Rn. 46). Denn der Rechtsschutz darf sich auch im Eilverfahren nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpfen, sondern muss zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht führen, so dass die Gerichte gehalten sind, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn sonst dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.06.2020 – 2 BvR 469/20 – juris Rn. 23 m.w.N.).

In der hier vorliegenden Drittanfechtungssituation genügt es für einen Erfolg des Antrags nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, dass die (vorläufige) gerichtliche Prüfung ergibt, dass die in der Hauptsache angefochtene Entscheidung offensichtlich rechtmäßig ist und überwiegende Interessen eines Beteiligten für den Sofortvollzug sprechen (vgl. Külpmann in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 809 ff.). Für einen Erfolg des Antrages bedarf es – im Unterscheid zu § 86b Abs. 2 SGG – keiner besonderen Eilbedürftigkeit im Sinne eines Anordnungsgrundes. Vielmehr sind die gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Suspensivinteressen umso geringer zu gewichten je weniger Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen.

Nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG genügt das überwiegende Interesse eines Beteiligten zur Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Auch die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) verlangt bei der Anfechtung eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung nicht den regelmäßigen Eintritt des Suspensiveffekts; vielmehr stehen sich die Rechtspositionen des durch den Verwaltungsakt Begünstigten und des Drittbetroffenen grundsätzlich gleichrangig gegenüber (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.01.2019 – 10 S 1919/17 – juris Rn. 4). Wird nämlich – wie hier – von einem Dritten der einem anderen erteilte und diesen begünstigende Verwaltungsakt angegriffen, bedarf es schon nicht nach dem einfachen Recht (hier: SGG) und erst recht nicht wegen Art. 19 Abs. 4 GG der Prüfung eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung, weil sich in dieser Situation konkrete Rechtspositionen Privater gegenüber stehen, die grundsätzlich gleichrangig sind. Die Frage, wer bis zur Hauptsacheentscheidung das Risiko der Herbeiführung vollendeter Tatsachen tragen muss, bestimmt sich nach dem materiellen Recht, also der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs; und Art. 19 Abs. 4 GG lässt sich nicht entnehmen, dass eine der beiden Rechtspositionen bevorzugt wäre oder dass für ihre sofortige Ausnutzung zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse vorliegen müsse (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 01.10.2008 – 1 BvR 2466/08 – juris Rn. 21 m.w.N.). Von einem prinzipiellen prozessualen Vorrang des einen Bescheid anfechtenden Dritten – so wohl die Auffassung der Beigeladenen zu 8 und zu 9 – kann daher nicht ausgegangen werden.

Aus den Besonderheiten der Statusentscheidungen in der vertragsärztlichen Versorgung folgt nichts anderes. Die gerichtliche Anordnung der sofortigen Vollziehung der behördlichen Entscheidung erlaubt es der begünstigten Antragstellerin lediglich, die Statuserteilung vorläufig und auf eigenes Risiko auszuführen. Im Falle einer (rechtskräftigen) Hauptsacheentscheidung zu ihren Lasten endet diese Befugnis ohne weiteres ex nunc (BSG, Beschluss vom 05.06.2013 – B 6 KA 4/13 B – juris Rn.10-11 m.w.N.). Sollte sich im Laufe des Hauptsacheverfahrens an den tatsächlichen Verhältnissen oder an der rechtlichen Bewertung oder Erkenntnis etwas ändern, kann die Vollziehungsanordnung auf Antrag gemäß § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG vom Gericht der Hauptsache jederzeit geändert werden. Ggf. ist gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG über die Vollzugsfolgenbeseitigung zu entscheiden. Zutreffend ist, dass die während der Dauer ihrer vorübergehenden Geltung an die Versicherten erbrachten Leistungen nachträglich nicht rückabgewickelt werden können (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 21.07.2010 – L 12 KA 65/09 B ER – juris Rn. 26 m.w.N.). Da rückwirkende Statusbegründungen unzulässig sind und insbesondere zum Schutz der Versicherten bereits zu Beginn einer vertragsärztlichen Behandlung feststehen muss, ob die zu erbringenden Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden oder als privatärztliche Leistungen anzusehen und zu vergüten sind (st. Rspr.; z.B. BSG, Urteil vom 21.03.2012 – B 6 KA 22/11 R – juris Rn. 36 m.w.N. und schon BSG, Urteil vom 28.01.1998 – B 6 KA 41/96 R – juris Rn. 15), wirken Statuserteilungen und -aufhebungen nur ex nunc und nicht ex tunc (BSG, Beschluss vom 05.06.2013 – B 6 KA 4/13 B – juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei ist es an dieser Stelle unbeachtlich, wie die Folgen des gerichtlich angeordneten Sofortvollzugs im Falle eines – aus den nachfolgenden Gründen unwahrscheinlichen – Obsiegens der Beigeladenen zu 8 und zu 9 in der Hauptsache rückgängig zu machen wären.

3. Die Entscheidung des Antragsgegners vom 30.10.2019 ist offensichtlich rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Antragsgegners zur Nachfolgezulassung im angegriffenen Beschluss vom 30.10.2019 ist § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V in der seit 01.01.2013 geltenden Fassung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 2983). Sinn und Zweck der Norm ist die Werterhaltung der freiberuflichen Praxis als Vermögensgegenstand im Privatrechtsverkehr durch öffentlich-rechtlich regulierte Nachfolge in den Zulassungsstatus (Geiger in Hauck/Noftz, Stand 11/16, § 103 SGB V Rn. 83). Zum Schutz von Eigentumsinteressen wird der wirtschaftliche Wert einer Arztpraxis dadurch erhalten, dass für einen Praxisnachfolger die Zulassungsbeschränkungen durchbrochen werden können, obwohl dies die Überversorgung perpetuiert (Geiger, a.a.O., Rn. 84; Pawlita in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 103 Rn. 26; Steiner, NZS, 2011, 681, 683). Mit dem Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 4 SGB V wird somit den Erfordernissen des Eigentumsschutzes Rechnung getragen (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2013 – B 6 KA 49/12 R – juris Rn. 46), und die Bewerber um einen Vertragsarztsitz oder eine Anstellungsgenehmigung werden nur mittelbar begünstigt (vgl. Steiner, NZS 2011, 682). Ein Interesse an der Verwertung lediglich der Zulassung ist nicht geschützt, weshalb ein Wille bestehen muss, eine fortführungsfähige Praxis zu veräußern (vgl. BSG, Urteil vom 23.03.2016 – B 6 KA 9/15 R – juris Rn. 11). Daran könnten vorliegend Zweifel bestehen in Anbetracht des Vorbringens der Beigeladenen zu 9, dass für sie wegen der vertraglichen Verbundenheit mit der Beigeladenen zu 8 kein wirtschaftliches Risiko bestehe, obwohl der vertragsärztliche Sitz derzeit von ihr mangels Besetzung nicht ausgeübt wird.

Verfahrensrechtlich ist zu beachten, dass bei den auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung gerichteten Klagen grundsätzlich alle Änderungen der Sachlage bis zur mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz sowie alle Rechtsänderungen bis zum Abschluss des Verfahrens zu berücksichtigen sind. Änderungen, die die Rechtslage zu Lasten des Praxisabgebers verändert haben, sind nicht zu berücksichtigen, weil jedenfalls für grundrechtsrelevante Entscheidungen, zu denen die Entscheidung über die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes zählt, grundsätzlich auf die für den Anspruch günstigste Rechtslage bis zum Abschluss des Verfahrens abzustellen ist (BSG, Urteil vom 23.03.2016 – B 6 KA 9/15 R – juris Rn. 12). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Fortführungsfähigkeit der Praxis ist somit der Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Ausschreibung des Sitzes durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung. Denn in Fallgestaltungen, in denen eine fortführungsfähige Praxis zwar bei Beantragung der Ausschreibung des Vertragsarztsitzes noch existiert hat, jedoch im Verlauf eines Rechtsstreits um die Rechtmäßigkeit der von den Zulassungsgremien getroffenen Auswahlentscheidung nicht mehr betrieben wird, sind die Anforderungen, die § 103 Abs. 4 SGB V an die Fortführung einer bestehenden Praxis stellt, im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes in diesem Sinne einschränkend auszulegen (BSG, Urteil vom 23.03.2016 – B 6 KA 9/15 R – juris Rn. 18 m.w.N.). Ob dies auch hier der Fall war, kann der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Für das hier zu entscheidende Eilverfahren kann angesichts der zeitlichen Abfolge unterstellt werden, dass eine fortführungsfähige Praxis für eine Nachfolgezulassung im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (BSG, Urteil vom 23.03.2016 – B 6 KA 9/15 R – juris Rn. 15 m.w.N.) existierte. Denn nachdem die Orthopädin Dr. S ... zum 30.06.2018 aus dem damaligen V ... MVZ ausschied, beantragte die Beigeladene zu 9 am 27.08.2018 bei der Beigeladenen zu 1 die Ausschreibung.

Die Entscheidung der Zulassungsgremien nach § 103 Abs. 4 Satz 3 SGB V, unter mehreren Bewerbern "den Nachfolger auszuwählen" bildet den Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens, das ein übergangener Bewerber gegen die Auswahlentscheidung einleiten kann. Ist die Auswahl durch den Berufungsausschuss getroffen bzw. die entsprechende Entscheidung des Zulassungsausschuss durch ihn bestätigt worden, steht auf die Klage des nicht berücksichtigten Bewerbers allein die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zur gerichtlichen Überprüfung (BSG, Urteil vom 13.05.2020 – B 6 KA 11/19 R – juris Rn. 27 m.w.N.). Die Beigeladene zu 8 kann deswegen nicht gerichtlich durchsetzen, selbst anstelle der Antragstellerin die vertragsärztliche Angestelltenstelle der Beigeladenen zu 9 zu übernehmen und fortzuführen, weil Gegenstand der Auswahlentscheidung allein die Entscheidung für einen bestimmten Bewerber ist und das durch die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes in Gang gesetzte Verwaltungsverfahren mit dieser Auswahl beendet ist. Denn im Unterschied zu einem von der Interessenlage her vergleichbaren beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit um eine Ernennung oder Beförderung besteht im Rahmen des § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V schon generell kein Anspruch auf Neubescheidung des zunächst unterlegenen Bewerbers, wenn sich das Auswahlverfahren beispielsweise durch Verzicht des ausgewählten Arztes erledigt hat, weil dem unterlegenen Bewerber kein sicherungsfähiger Rechtsanspruch hinsichtlich des frei gewordenen Vertragsarztsitzes zukommt (BSG, Urteil vom 05.11.2003 – B 6 KA 11/03 R – juris Rn. 29). Als übergangener Bewerber kann die Beigeladene zu 8 nur geltend machen, dass die Auswahlentscheidung zu ihren Lasten fehlerhaft ist (BSG, Urteil vom 20.03.2013 – B 6 KA 19/12 R – juris Rn. 19). Klageziel im anhängigen Verfahren S 25 KA 222/19 kann also nur die Aufhebung des mit einer Anstellungsgenehmigung verbundenen Zulassungsbescheides sein, der der ausgewählten Antragstellerin erteilt worden ist, damit der Weg für eine neue Auswahlentscheidung der Zulassungsgremien frei wird (vgl. BSG, Urteil vom 05.11.2003 – B 6 KA 11/03 R – juris Rn. 28). Eine Verpflichtung des Antragsgegners, dem Nachbesetzungsantrag der Beigeladenen zu 8 stattzugeben, kommt dagegen von vornherein nicht in Betracht.

Unter welchen Voraussetzungen die Klage S 25 KA 218/19 der Beigeladenen zu 9 als Abgebende zulässig ist und inwiefern für sie eine Anfechtungsbefugnis gegen die Auswahlentscheidung besteht, kann hier offen bleiben.

Verfahrensfehler im Auswahlverfahren hat das SG nicht festgestellt und sind auch für den Senat nicht erkennbar.

Der Auswahl der Antragstellerin steht nicht die Regelung in § 95 Abs. 1a Satz 4 SGB V entgegen. Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz wurde mit Wirkung vom 01.01.2021 der Kreis der Gründer von MVZ beschränkt. Nach § 95 Abs. 1a Satz 1 SGB V können MVZ nur noch von zugelassenen Ärzten, zugelassenen Krankenhäusern, Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen und gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, gegründet werden. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beigeladenen zu 8 fällt die Antragstellerin nicht unter diesen Personenkreis, weil ihr Gründer nur über die Zulassung zur Erbringung physiotherapeutischer Leistungen nach § 124 SGB V verfügt. Da die Antragstellerin aber bereits vor dem 01.01.2012 Trägerin eines zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen MVZ war, greift zu ihren Gunsten die Bestandsschutzregelung in § 95 Abs. 1a Satz 4 SGB V. Die dort angeordnete unveränderte Fortgeltung der Zulassung bedeutet nicht, dass ein bestandsgeschütztes MVZ ein für allemal auf den Zustand vom 31.12.2011 eingefroren und ihm jede Weiterentwicklung abgeschnitten wäre. Vielmehr gewährt § 95 Abs. 1a Satz 4 SGB V MVZ, die am 01.01.2012 bereits zugelassen waren, einen umfassenden Bestandsschutz. Die bestandsgeschützten MVZ können aufgrund ihrer Zulassung alle Handlungsmöglichkeiten eines MVZ wahrnehmen; sie können insbesondere frei werdende Arztstellen nachbesetzen, weitere Vertragsarztsitze hinzunehmen, sich auf nach § 103 Abs. 4 SGB V ausgeschriebene Vertragsarztsitze bewerben und Änderungen in ihrer Organisationsstruktur vornehmen (Rademacker in Kasseler Kommentar, Stand September 2020, § 95 SGB V Rn. 78; Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 95 Rn. 169). Dies ergibt sich nicht nur aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 17/6906, S. 71), sondern lässt sich auch dem Gesetz selbst entnehmen: Die unveränderte Fortgeltung der Zulassung bezieht sich auf den gesamten Status, wie er am 31.12.2011 bestand. Und dieser Status eröffnete dem Träger des MVZ am 31.12.2011 nicht nur die Handlungsmöglichkeiten, die zum weiteren Betrieb seines MVZ unerlässlich sind (Nachbesetzung von Arztstellen), sondern auch die Handlungsmöglichkeiten, die eine weitere Entwicklung des MVZ erlauben (Gewinn weiterer Vertragsarztsitze). Anders als die Beigeladene zu 8 meint, schränkt § 95 Abs. 1a Satz 4 SGB V bestandsgeschützte MVZ in ihren Wachstumsmöglichkeiten nicht ein.

Zutreffend hat der Antragsgegner die Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses vom 05.02.2019 anhand der gesetzlich vorgegebenen Kriterien des § 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V überprüft und seine eigene Entscheidung daran ausgerichtet. Ermessens- oder Beurteilungsfehler sind nicht festzustellen.

Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Auswahlentscheidung wird nämlich nicht die Richtigkeit der Auswahlentscheidung vom Gericht überprüft, sondern nur, ob Ermessenfehler vorliegen. Denn die Auswahl bei einer Nachfolgezulassung gemäß § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V ist nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes keine gebundene Entscheidung, sondern eine Ermessensentscheidung. Aus dem Charakter der Auswahlentscheidung als Ermessensentscheidung folgt, dass die gerichtliche Überprüfung im Hauptsacheverfahren darauf beschränkt ist, ob das Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde und die unterlegenen Bewerber durch den Ermessensfehler beschwert sind (BSG, Urteil vom 20.03.2013 – B 6 KA 19/12 R – juris Rn. 45 m.w.N.). Den Zulassungsgremien ist ein Entscheidungsspielraum eröffnet, den die Gerichte zu respektieren haben (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.07.2006 – L 5 KA 3384/06 ER-B – juris Rn. 51). Die gerichtliche Rechtskontrolle ist auf die Überprüfung beschränkt, ob die Zulassungsgremien von einem vollständigen und richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die rechtlichen Grenzen ihres Ermessensspielraums eingehalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Eine danach rechtsfehlerfreie Auswahlentscheidung muss das Gericht hinnehmen; es ist nicht befugt, anstelle der Zulassungsgremien eine eigene Auswahlentscheidung zu treffen (BSG, Urteil vom 15.07.2015 – B 6 KA 32/14 R – juris Rn. 42; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.05.2014 – L 11 KA 99/13 B ER – juris Rn. 49). Die Zulassungsgremien haben das ihr bei der Auswahlentscheidung zustehende Ermessen allerdings nicht nur "pflichtgemäß", sondern auch unter Berücksichtigung der in § 103 SGB V normierten gesetzlichen Kriterien auszuüben. Dabei beanspruchen die Kriterien des § 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V keine strikte Verbindlichkeit oder Vorrangigkeit; sie dürfen lediglich nicht gänzlich außer Betracht bleiben bzw. müssen in Erwägung gezogen werden; ein Hintanstellen aus Sachgründen ist zulässig. Andere, nicht im Gesetz genannte Kriterien dürfen berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 20.03.2013 – B 6 KA 19/12 R – juris Rn. 50).

Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Der Antragsgegner hat alle tatsächlichen Umstände ermittelt, die relevanten Tatsachen in seine Auswahlentscheidung einbezogen und nach Maßgabe ihres Gewichtes berücksichtigt. Zutreffend hat der Antragsgegner gemäß § 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V – neben vorliegend nicht relevanten Gesichtspunkten – die berufliche Eignung (Nr. 1), das Approbationsalter (Nr. 2) und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit (Nr. 3) der anzustellenden Ärzte der Beigeladenen zu 8 und der Antragstellerin berücksichtigt. Insoweit verweist der Senat zunächst auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Soweit die Beigeladene zu 8 moniert, es sei bei der Auswahlentscheidung zu ihren Lasten unberücksichtigt geblieben, dass es sich bei ihrer Bewerbung gemäß § 103 Abs. 4 Satz 5 Nr. 9 SGB V um eine Ergänzung ihres besonderen Versorgungsangebots handele, kann sie damit keinen Ermessenfehler begründen. Zu Recht weist die Beigeladene zu 8 darauf hin, dass dieses weitere Auswahlkriterium durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz vom 06.05.2019 (BGBl. I S. 646) zwar erst mit Wirkung vom 11.05.2019, aber jedenfalls vor der abschließenden Entscheidung des Antragsgegners im Auswahlverfahren (Beschluss vom 30.10.2019, ausgefertigt am 28.11.2019) eingeführt worden ist. Nach der Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung in § 103 Abs. 4 Satz 10 SGB V betrifft diese Vorschrift sog. Konzeptbewerbungen von MVZ ohne dahinterstehende konkrete Personen, also Ärztinnen oder Ärzte, die erst angestellt werden, wenn das MVZ tatsächlich auch eine Zulassung bzw. Anstellungsgenehmigung hat (vgl. BT-Drucks. 18/4095, S. 109; BT-Drucks. 19/6337, S. 122). Da konkretisierende Regelungen zu solchen Konzeptbewerbungen zwingend erforderlich sind (BSG, Urteil vom 15.05.2019 – B 6 KA 5/18 R – juris Rn. 44 ff.), aber nach wie vor fehlen, bedarf es derzeit grundsätzlich weiterhin der Benennung einer Ärztin oder eines Arztes, um die Bewerbung eines MVZ bei der Nachbesetzung zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 13.05.2020 – B 6 KA 11/19 R – juris Rn. 37 m.w.N.). Dies schließt es allerdings nicht aus, dass das Versorgungskonzept eines MVZ bereits jetzt Kriterien erfüllt, die bei einer Auswahlentscheidung zu berücksichtigten sind (BSG, Urteil vom 15.05.2019 – B 6 KA 5/18 R – juris Rn. 49).

Hier liegen indessen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Beigeladene zu 8 zur Ergänzung eines besonderen Versorgungsangebots beworben hätte. Sie hat es versäumt, gegenüber den Zulassungsgremien, insbesondere im Verfahren vor dem Berufungsausschuss, darzulegen, welches besondere Versorgungskonzept sie verfolgt, das durch den hier streitigen orthopädischen Vertragsarztsitz ergänzt werden soll. Die Beigeladene zu 8 beruft sich nämlich erst im gerichtlichen Verfahren auf dieses – vermeintlich ausschließlich zu ihren Gunsten – zu berücksichtigende Kriterium. Erst mit der Klagebegründung vom 24.03.2020 im Verfahren S 25 KA 222/19 trägt sie vor, die Ergänzung des Versorgungsangebotes stelle die Verzahnung der ambulanten und stationären Patientenversorgung durch die Zusammenarbeit mit dem Klinikum A ... gGmbH dar. Abgesehen davon, dass der Antragsgegner in seiner Ermessensentscheidung dieses im Verwaltungsverfahren nicht vorgebrachte Argument nicht berücksichtigen konnte, verkennt die Beigeladene zu 8 bereits den Regelungsgehalt des § 103 Abs. 4 Satz 5 Nr. 9 SGB V: Denn bei dem darin erwähnten "besonderen Versorgungsangebot" handelt es sich um das Versorgungsangebot des MVZ als an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmendem Leistungserbringer. Eine sektorenübergreifende Sichtweise ist dieser Vorschrift völlig fremd und auch bei ihrer entsprechenden Anwendung, wie sie gegenwärtig nur möglich ist (BSG, Urteil vom 15.05.2019 – B 6 KA 5/18 R – juris Rn. 39 ff.), nicht geboten. Eine solche Sichtweise liefe auf eine Privilegierung von MVZ hinaus, die von Krankenhäusern betrieben werden, was vom Gesetzgeber aber nicht bezweckt war und auch im Gesetz keinen Ausdruck gefunden hat. Das in § 103 Abs. 4 Satz 5 Nr. 9 SGB V erwähnte "besondere Versorgungsangebot" muss das Angebot des MVZ selbst sein bzw. nach dessen 2. Halbsatz das der Berufsausübungsgemeinschaft oder des Vertragsarztes. Dass jeder weitere Versorgungsauftrag für jegliches Fachgebiet das Angebot eines vertragsärztlichen Leistungserbringers zu ergänzen vermag, trifft sicher zu. Es ist aber nicht erkennbar, wieso gerade der hier streitige orthopädische Vertragsarztsitz das – wie es im Gesetz ausdrücklich heißt – "besondere Versorgungsangebot" der Beigeladenen zu 8 als vertragsärztliche Leistungserbringerin ergänzen soll. Weder lässt sich aus deren Vorbringen auf ein besonderes vertragsärztliches Versorgungsangebot noch auf eine dieses ergänzende Wirkung schließen. Im Übrigen beschäftigt die Beigeladene zu 8 ausweislich ihrer Internetpräsentation bereits einen Facharzt für Orthopädie an ihrem Standort MVZ Siegmar.

4. Die Antragstellerin hat ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung des ihr erteilten Bescheides zur Übernahme und Fortführung der vertragsärztlichen Angestelltenstelle der Beigeladenen zu 9 auf orthopädischem Fachgebiet.

Für eine Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in einem überversorgten Planungsbereich – wie hier – besteht in der Regel kein öffentliches Interesse i.S.d. § 97 Abs. 4 SGB V. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kann die gerichtliche Vollziehungsanordnung allerdings im überwiegenden Interesse eines Beteiligten (vgl. § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG) erfolgen, insbesondere wenn die Antragstellerin von der ihr zugebilligten Rechtsposition überhaupt nur Gebrauch machen kann, wenn sie kein Hauptsacheverfahren abwarten muss. Eine Klärung der Nachbesetzungsfrage im Verfahren nach § 86b Abs. 1 SGG – ähnlich wie bei Konkurrentenstreitigkeiten im Beamtenrecht – liegt regelmäßig auch im Interesse des abgebenden Arztes bzw. MVZ (hier: der Beigeladenen zu 9). Denn die Aussichten, die Praxis verwerten zu können, sinken mit jedem Monat, in dem die zur Nachbesetzung erforderliche Zulassung in der Schwebe bleibt (BSG, Urteil vom 05.11.2003 – B 6 KA 11/03 – juris Rn. 40). Somit könnte eine Anordnung des Sofortvollzuges auch im Interesse der Beigeladenen zu 9 liegen, den zur Nachbesetzung ausgeschriebenen Vertragsarztsitz alsbald zu verwerten. Dass die Beigeladene zu 9 vorträgt, aufgrund der vertraglichen Verbundenheit mit der Beigeladen zu 8 keinen wirtschaftlichen Nachteil durch den Zeitablauf zu erleiden, ist für sie erfreulich, wenn auch ungewöhnlich. Ihr Interesse, den mit der Beigeladenen zu 8 vereinbarten Kaufpreis von 500.000 EUR zu erzielen und nicht nur den Verkehrswert von 250.000 EUR – so die Beigeladene zu 9 im Verfahren S 25 KA 222/19 –, ist gemäß § 103 Abs. 4 Satz 9 SGB V unbeachtlich.

Vorliegend besteht ein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an einer sofortigen Ausnutzung des ihr vom Antragsgegner erteilten Nachbesetzungsbescheides. Ihr Interesse liegt auf der Hand: Wird dieser nicht so schnell wie möglich vollzogen, wird er samt der darin enthaltenen Anstellungsgenehmigung für sie – sei es wegen des fortschreitenden Alters der angestellten Fachärztin, sei es wegen eines Wegfalls eines noch bestehenden Patientenstamms – immer weniger wert. Dennoch hätte sie der Beigeladenen zu 9 den Verkehrswert zu entrichten. Falls die tatsächliche Übernahme und Fortführung der vertragsärztlichen Angestelltenstelle im Fachgebiet Orthopädie der Beigeladenen zu 9 herausgezögert würde bis die 1958 geborene Dr. S ... in den Ruhestand eintritt, wäre die der Antragstellerin zugesprochene Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes schließlich nutzlos, da bei Bewerbungen von Berufsausübungsgemeinschaften, MVZ und Vertragsärzten um einen Vertragsarztsitz bei der Auswahlentscheidung auf die Qualifikationen dieses anzustellenden Arztes abzustellen ist (BSG, Urteil vom 13.05.2020 – B 6 KA 11/19 R – juris Leitsatz). Schließlich spricht zwar nicht die Versorgungssicherheit, weil es sich um eine Nachbesetzung im überversorgten Planungsgebiet handelt, aber die Versorgungskontinuität der gesetzlich Versicherten dafür, den Vertragsarztsitz alsbald fortzuführen.

Demgegenüber sind die widerstreitenden Interessen der Beigeladenen zu 8 in die Gesamtabwägung einzustellen. Derartige Interessen von Gewicht sind im vorliegenden Eilverfahren weder vorgetragen noch für den Senat erkennbar. Im Gegenteil: Solange die Antragstellerin den Vertragsarztsitz ausnutzt, um den die Beteiligten streiten, wird jedenfalls der damit verbundene Patientenstamm bewahrt. Allein die Behauptung der Beigeladenen zu 8, dass sich ihre Rechtsposition im Hauptsacheverfahrens verschlechtern würde, wenn Dr. S ... nicht ihre Anstellung auf der streitigen Stelle verlöre, reicht wegen der Gleichwertigkeit der gegenläufigen Interessen nicht aus. Soweit die Beigeladene zu 8 vorträgt, die fortdauernde Vorhaltung der Bewerber, die nicht auf dem nachzubesetzenden Vertragsarztsitz tätig werden können, stelle ein wirtschaftliches Risiko dar, ist dies nicht plausibel. Alle zur Anstellung vorgesehen Ärzte der Beigeladenen zu 8 sind unbefristet und in Vollzeit beim Klinikum A ... gGmbH beschäftigt, mit dem die Beigeladene zu 8 gesellschaftsrechtlich, wirtschaftlich und wohl auch organisatorisch verzahnt ist. Die Arbeitsverträge mit der Beigeladenen zu 8 stehen unter der aufschiebenden Bedingung einer rechtskräftigen Genehmigung der Anstellung.

Auch ist zu beachten, dass die Vollzugsanordnung der Antragstellerin keineswegs eine gesicherte Rechtsposition einräumt. Die gerichtliche Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist eine vorläufige und entfaltet keinerlei Bindungswirkung für das Hauptsacheverfahren. Wenn die Antragstellerin sich dafür entscheidet, den Vertragsarztsitz auf dieser vorläufigen Basis auszunutzen, geschieht dies auf das Risiko, im Falle ihres Unterliegens in der Hauptsache z.B. Investitionen in Praxisausstattung umsonst aufgewendet zu haben.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Satz 1, § 159, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladenen zu 8 und zu 9 haben als Unterlegene die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Antragstellerin und des Antragsgegners zu tragen. Da die übrigen Beigeladenen im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt haben, entspricht es billigem Ermessen, ihre Kosten nicht für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO).

6. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz; sie entspricht derjenigen des erstinstanzlichen Verfahrens.

7. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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