L 3 AL 196/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 36 AL 316/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 196/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Krankengeld stellt kein Arbeitsentgelt im Sinne von § 151 SGB III dar und ist damit nicht bei der Berechnung des Leistungsentgeltes im Sinne von § 153 SGB III zu berücksichtigen.
2. Bei dem Ergebnis einer Online-Selbstberechnung eines Anspruches auf Arbeitslosengeld handelt es sich um einen Orientierungswert und nicht um eine Zusicherung im Sinne von § 31 SGB X
3. Von dem Anwendungsbereich des als Ausnahmevorschrift eng auszulegenden § 330 Abs. 1 Alt. 2 SGB III sind von vornherein Fallgestaltungen nicht erfasst, in denen die Verwaltung eine bei Erlass des Verwaltungsakts bereits bestehende ständige höchstrichterliche Rechtsprechung nicht ausreichend berücksichtigt oder fehlerhaft interpretiert hat.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 9. November 2017 und der Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2016 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bewilligungsbescheid vom 24. Juli 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides 12. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2015 abzuändern und der Klägerin Arbeitslosengeld auf der Grundlage der Bezugsgröße West zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt 1/2 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Zahlung höheren Arbeitslosengeldes.

Die Klägerin war seit dem 1. September 1985 als ausgebildete Sekretärin bei der Y ... Elektrotechnik X ... GmbH & Co. KG beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche betriebsgedingte arbeitgeberseitige Kündigung vom 8. März 2013 im Ergebnis eines gerichtlichen Vergleichs vom 23. September 2013 vor dem Arbeitsgericht B ... (Az.:.) mit Ablauf des 31. Dezember 2013. Die Klägerin bezog vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2013 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 33.889,09 EUR und erhielt eine Abfindung in Höhe von 64.774,83 EUR.

Die Klägerin war vom 19. Dezember 2013 bis zum 26. Juni 2015 fortlaufend arbeitsunfähig krank geschrieben und ist seit dem 1. September 2015 ausgesteuert. Sie erhielt vom 19. Dezember 2013 bis zum 31. August 2015 von der AOK Sachsen Krankengeld in Höhe von täglich 50,16 EUR.

Die Klägerin meldete sich am 10. Juni 2013 arbeitssuchend und am 11. September 2013 arbeitslos. Mit dem ihr ausgehändigten Antragsformular beantragte sie zunächst mit Wirkung zum 1. Januar 2014 und sodann korrigiert mit Wirkung zum 1. September 2015 mit Unterschrift vom 22. Juni 2015 Arbeitslosengeld. Sie gab im Antrag an, sich aufgrund gesundheitlicher Gründe und der notwendigen intensiven Betreuung ihres Kindes bei Beschäftigungen zeitlich auf 30 Wochenstunden einschränken zu müssen. Die Betreuung sei nicht sichergestellt, wenn sie diese nicht übernehmen könne. Bei einer ärztlichen Begutachtung sei sie bereit, sich im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen.

Mit Bescheid vom 24. Juli 2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 1. September 2015 für 360 Kalendertag vom 1. September 2015 bis zum 31. August 2016 Leistungen in Höhe von täglich 24,79 EUR auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 49,54 EUR (Steuerklasse II, Prozentsatz 67). Zur Bemessungsgrundlage erhalte sie ein ergänzendes Schreiben.

Mit Schreiben vom 24. Juli 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe, so dass bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werde, welches sich nach der Beschäftigung richte, auf die sich die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit in erster Linie erstrecken würde. Sie sei für eine Tätigkeit als Sekretärin geeignet. Hierfür sei eine Ausbildung erforderlich (Qualifikationsgruppe 3).

Mit Schreiben vom 27. Juli 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie sich 30 Stunden pro Woche dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt habe, da sie nicht mehr als diese Arbeitszeit leisten könne. Das Bemessungsentgelt vermindere sich daher entsprechend dem Verhältnis der hier aktuell möglichen wöchentlichen Arbeitsstunden zu der Arbeitszeit, die bei Entstehung des Anspruchs für Angestellte im öffentlichen Dienst des Bundes (39 Stunden) gelte.

Die Klägerin sprach am 10. August 2015 persönlich bei der Beklagten vor und gab an, dass sie im Antrag auf Arbeitslosengeld fehlerhaft 30 Wochenstunden angegeben habe. Sie stelle sich im Rahmen des zu erwartenden ärztlichen Gutachtens 40 Wochenstunden zur Verfügung.

Mit Änderungsbescheid vom 12. August 2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann einen Leistungsbetrag in Höhe von 30,14 EUR täglich auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 64,40 EUR.

Gegen den Bescheid wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 17. August 2015. Die online vorgenommene Selbstberechnung, auf welche sie schon 2013 verwiesen worden sei, ergebe einen Anspruch in Höhe von 1.250,10 EUR. Die sich danach ergebende Differenz zum tatsächlich bewilligten Betrag sei zu hoch. Sie habe sich unter Berücksichtigung des zu erwartenden Betrages auf die Arbeitslosigkeit vorbereitet. Das Krankengeld müsse auch als steuerpflichtige Lohn- und Ersatzleistung gelten. Im Rahmen der fiktiven Abrechnung sei dieses individuell anzupassen und die Zeit sowie die Beträge einzubeziehen. Zudem habe sie in den zwei Jahren vor Arbeitslosmeldung am 11. Juni beziehungsweise 11. September 2013 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden.

Das im Auftrag der Beklagten nach symptombezogener Untersuchung erstellte Gutachten vom 24. August 2015 weist ein vollschichtiges Leistungsvermögen bei leichter bis mittelschwerer Arbeit überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen aus. Auszuschließen seien hohe Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen und das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Zeitdruck, Nichtschicht, Absturzgefahr aus großen Höhen, unregelmäßige Arbeitszeiten und lange Anfahrtswege. Leistungslimitierend sei die psychische Minderbelastbarkeit, wobei aktuell Stabilität erzielt sei und die Anfallsleiden seit 8 Jahren medikamentös gut eingestellt und inaktiv seien. Seit der Rehabilitation 2012 bestehe keine Suchtproblematik mehr.

Im Rahmen der Vorsprache am 6. Oktober 2015 wurde von der Beklagten als gemeinsames Ziel die Aufnahme einer Beschäftigung auf dem lokalen Arbeitsmarkt vermerkt. Am 13. Oktober 2015 gab die Klägerin schriftlich gegenüber der Beklagten an, sich im Rahmen des Restleistungsvermögens, welches durch das medizinische Gutachten festgestellt wurde, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2015 zurück.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2016 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides. Das Krankengeld sei zu berücksichtigen. Sie gehöre nicht in die fiktive Berechnung. Sie fordere den im Rahmen der Online-Selbstberechnung ausgerechneten Betrag.

Die Beklagte wies den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 1. Februar 2016 zurück, da weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen noch das Recht falsch angewandt worden sei, und wies den Widerspruch der Klägerin vom 12. Februar 2016 mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2016 zurück.

Die Klägerin hat am 4. August 2016 Klage erhoben. Sie begehre unter Aufrechterhaltung ihrer vorgetragenen Einwendungen eine Verlängerung der Bemessungszeiträume auf Zeiten der vollen Erwerbstätigkeit über den Zweijahreszeitraum hinaus.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 9. November 2017 die Klage abgewiesen und zur Begründung den Widerspruchsbescheid in Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen den ihr am 27. November 2017 zugestellten Gerichtsbescheid am 19. Dezember 2017 Berufung eingelegt. Sie werde für die von ihr nicht verschuldete Krankheit bestraft. Dies widerspreche der sozialen Gerechtigkeit, ohne dass dafür ein Rechtfertigungsgrund ersichtlich sei. Zudem müsse der fiktiven Berechnung die Bezugsgröße West zugrunde gelegt werden, da § 408 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) auf die Fälle einer fiktiven Berechnung keine Anwendung finde. Soweit die Beklagte auf die Beschränkung auf den Tagespendlerbereich entsprechend der Eingliederungsvereinbarungen verweise, habe sie diese nicht unterschrieben. Der Beratungsvermerk beschreibe nur die Sicht der Mitarbeiter der Beklagten. Sie sei auch nicht darauf hingewiesen worden, dass sich hieran anknüpfend eine niedrigere fiktive Bemessung ausrichte. Zudem sei nach Ablauf einer gewissen Vermittlungszeit ein unbeschränkter Vermittlungsraum zugrunde zu legen oder zumutbar. Es liege zumindest ein Beratungsverschulden vor. Sie könne sich auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Bezugsgröße West berufen, da sich die Rückwirkung zu ihren Gunsten auswirke und der wesentliche Leistungszeitraum nach Erlass der Entscheidung liege.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 9. November 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bewilligungsbescheid vom 24. Juli 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides 12. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2015 abzuändern und der Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe und im Umfang der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere auf der Grundlage eines höheren Bemessungsentgeltes und der Bezugsgröße West zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zutreffend sei bei der fiktiven Bemessung der Rechtskreis Ost zugrunde gelegt worden, da sich die Klägerin nach ihrer Langzeiterkrankung dem Arbeitsmarkt im Rahmen der medizinischen Feststellungen und somit nur regional, das heißt im Tagespendlerbereich, zur Verfügung gestellt habe. Zwar sei die Regelung in der Eingliederungsvereinbarung von der Klägerin nicht unterschrieben worden, da sie jedoch vor der Arbeitslosigkeit 72 Wochen krank gewesen sei, habe nur eine Vermittlung im Tagespendelbereich plausibel erfolgen können. Der zur Überprüfung gestellte Bescheid datiere auf den 12. August 2015 und habe damit vor der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Bestandskraft erlangt. Entsprechend der fachlichen Weisungen zu § 152 SGB III, welche in Umsetzung der Rechtsprechung des BSG ab dem 20. Juli 2016 angepasst worden sei, bleibe es bei einem Antrag auf Korrektur auch für zeitlich nach der Entscheidung des BSG zu erbringende Zahlung von Arbeitslosengeld bei der bisherigen Bemessungsgrundlage nach der Bezugsgröße Ost, da das Stammrecht vor dem 26. November 2015 und somit vor der Entscheidung des BSG entstanden sei. Die Bemessung des Arbeitslosengeldes erfolge stichtagsbezogen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 9. November 2017 der Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2016, mit dem die Beklagte die Änderung des bestandskräftigen Bewilligungsbescheides vom 24. Juli 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides 12. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2015 abgelehnt hat. Gegen die ihren Antrag auf höheres Arbeitslosengeld ablehnende Überprüfungsentscheidung wendet sich die Klägerin zulässig mit der kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage, auf die auch bei Anwendung des § 44 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) ein Grundurteil (vgl. § 130 Abs. 1 SGG) ergehen kann (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2010 – B 7 AL 49/08 R – SozR 4-4300 § 122 Nr. 8 = juris Rdnr. 9).

2. Der zur Überprüfung gestellte bestandskräftige Bewilligungsbescheid vom 24. Juli 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides 12. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt insoweit nicht die Rechte der Klägerin, als die Beklagte als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt der Qualifikationsgruppe 3 berücksichtigt (hierzu unter a) und das Ergebnis der Online-Selbstberechnung unberücksichtigt gelassen hat (hierzu unter b). Insofern ist die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

a) Maßgebend für den Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach sind vorliegend die §§ 136 ff. SGB III in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung (vgl. Artikel 2 Nr. 18 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 [BGBl I S. 2854]). Nach § 137 Abs. 1 SGB III hat die Klägerin Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), wenn sie im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in Verbindung mit § 138 SGB III arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 2 SGB III i. V. m. § 141 SGB III) und durch ihre vorangegangene Beschäftigung bei der Arbeitgeberin die Anwartschaftszeit erfüllt hat (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III i. V. m. § 142 SGB III).

Die Klägerin hat unstreitig zum 1. September 2015 diese Voraussetzungen, insbesondere die notwendige Anwartschaftszeit erfüllt. Ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis liegt auch beim Bezug von Krankengeld vor (vgl. § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III). Der 31. August 2015 war der letzte Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor Entstehung des Anspruchs. Die Klägerin beantragte mit Wirkung zum 1. September 2015 Arbeitslosengeld und stellte sich nach der Aussteuerung und dem Ende des Krankengeldbezuges zum 1. September 2015 der Vermittlung zur Verfügung.

Die Höhe des Arbeitslosengeldes berechnet sich nach den gleichfalls zum 1. April 2012 in Kraft getretenen Regelungen in §§ 149 ff. SGB III. Das Arbeitslosengeld beträgt für Arbeitslose, die kein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haben, 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (vgl. § 149 Nr. 2, §§ 150, 151 und 153 SGB III). Nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr und endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (vgl. § 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III).

Gemäß § 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III wird der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält. Das für die Höhe des Anspruchs maßgebende Leistungsentgelt ist gemäß § 153 SGB III das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Bemessungsentgelt ist gemäß § 151 Abs. 1 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende betragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat.

Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (vgl. § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat.

Danach umfasst vorliegend der Bemessungsrahmen gemäß § 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III die Zeit vom 1. September 2014 bis zum 31. August 2015. Innerhalb dieses Zeitraums bezog die Klägerin jedoch kein Arbeitsentgelt, sondern allein Krankengeld und somit kein zu berücksichtigendes Leistungsentgelt im Sinne des § 149 SGB III in Verbindung mit § 153 SGB III, so dass, wie zutreffend von der Beklagten festgestellt, der Bemessungsrahmen nach § 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III auf die Zeit vom 1. September 2013 bis zum 31. August 2015 zu verlängern ist. Auch innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens liegt kein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vor, so dass die Beklagte gleichfalls zutreffend ein fiktives Bemessungsentgelt der Qualifikationsgruppe 3 (vgl. § 152 Abs. 2 Nr. 3 SGB III) zugrunde legte. Denn die Klägerin bezog zuletzt vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2013 und somit im maßgebenden Zeitraum allein für 122 Tage Arbeitsentgelt. Die Vermittlungsbemühungen erstreckten sich unstreitig auf die Vermittlung der Klägerin in eine Tätigkeit als Sekretärin, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordert.

Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt das Krankengeld kein Arbeitsentgelt im Sinne der § 151 SGB III dar und ist damit nicht bei der Berechnung des Leistungsentgeltes im Sinne von § 153 SGB III zu berücksichtigen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden, Arbeitsentgelt. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV gilt eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 2 SGB IV). § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 3 SGB IV). Danach ist Krankengeld als Lohnersatzleistungen kein Arbeitsentgelt aus einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Vorschrift (so bereits: BSG, Urteil vom 8. Juli 2009 – B 11 AL 14/08 RSozR 4-4300 § 130 Nr. 6 = juris Rdnr. 22).

Es widerspricht entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht der sozialen Gerechtigkeit, dass das Arbeitslosengeld bei Arbeitnehmern, die aus welchem Grund auch immer längere Zeit arbeitsmarktfern gewesen sind, fiktiv bemessen wird. Das Arbeitslosengeld soll das Arbeitsentgelt ersetzen, das der Arbeitslose wegen der Arbeitslosigkeit aktuell, also in einer potentiellen neuen Beschäftigung nicht erzielt (sog. Entgeltausfallprinzip; vgl. BT-Drs. 13/5062, S. 6; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Februar 1993 – 1 BvR 1754/92SozR 3-4100 § 111 Nr. 2 = juris Rdnr. 6). Dem im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelt misst das Gesetz dabei grundsätzlich Indizwirkung in dem Sinne bei, dass es typisierend das Arbeitsentgelt anzeigt, das der Arbeitslose, hätte er Arbeit, auch aktuell erzielen könnte (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 2. Februar 1995 - 11 RAr 21/94 - juris Rdnr. 23). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein Arbeitsloser, der in den letzten zwei Jahren vor dem Bezug von Arbeitslosengeld nicht mindestens 150 Tage in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat, nicht mehr zwingend an sein altes Lohnniveau anknüpfen kann (vgl. BT-Drs. 8/1053, S. 13 zu Art. 1 Nr. 6 Buchstabe b). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insofern nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010 – 1 BvL 11/07 – juris Rdnr. 50).

b) Ein höherer Anspruch ergibt sich auch nicht aufgrund der von der Klägerin durchgeführten Online-Selbstberechnung und des insoweit aus ihrer Sicht geschaffenen Vertrauens. Als Rechtsgrundlage käme insofern allein ein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches in Betracht. Denn eine Zusicherung im Sinne § 34 SGB X erfolgt durch die selbst durchgeführte Berechnung mangels einer von der zuständigen Behörde schriftlich erteilten Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen, nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm gegenüber dem Anspruchsteller obliegende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem jeweiligen Sozialrechtsverhältnis rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt hat. Dabei gehören zu den Nebenpflichten, deren Verletzung einen Herstellungsanspruch begründen kann, vor allem die Pflichten zur Beratung (vgl. § 14 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I]), Auskunft (vgl. § 15 SGB I), Belehrung und verständnisvollen Förderung des Versicherten. Diese Pflichten sind verletzt, wenn sie, obwohl ein konkreter Anlass zu den genannten Dienstleistungen bestanden hat, nicht oder nur unzureichend erfüllt worden sind. Der Leistungsträger ist unter Umständen jedoch auch zu einer Spontanberatung verpflichtet. Weiter ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht (sogenannter Schutzzweckzusammenhang). Erforderlich ist ein objektives Fehlverhalten der Verwaltung, das die Entscheidung des Versicherten über die Wahrnehmung seiner Rechte fehlgeleitet hat. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 15/10 R – SozR 4-1500 § 193 Nr. 6 = juris, jeweils Rdnr. 39, m. w. N.; BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 29/10 R – SozR 4-1200 § 14 Nr. 15 = juris, jeweils Rdnr. 12; m. w. N.; Sächs. LSG, Urteil vom 3. November 2016 – L 3 AL 163/14 – juris Rdnr. 54, m. w. N.).

Es ist bereits nicht erkennbar, dass die Beklagte eine gegenüber der Klägerin obliegende Haupt- oder Nebenpflicht verletzt hat. Unabhängig davon, dass nicht vorgetragen oder ersichtlich ist, wann und was die Klägerin im Rahmen der Online-Berechnung eingegeben hat, handelt es sich insoweit lediglich um einen Orientierungswert, worauf auch hingewiesen wird. Besonderheiten können in dem bereitgestellten Programm nicht vollständig berücksichtigt werden. Die Online-Berechnung kann keine auf den konkreten Fall bezogene Beratung ersetzen.

Einem Leistungsanspruch auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches steht zudem bereits grundsätzlich entgegen, dass das von der Klägerin behauptete pflichtwidrige Verwaltungshandeln nicht durch eine zulässige Amtshandlung ersetzt werden könnte. Die von der Klägerin begehrte Berücksichtigung des Krankengeldes jedenfalls im Rahmen der fiktiven Berechnung ist gesetzlich nicht vorgesehen und kann auch im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht erlangt werden.

3. Soweit allerdings die Beklagte die Höhe des der Klägerin zustehenden Arbeitslosengeldes unter Berücksichtigung der Bezugsgröße Ost berechnet hat, ist der zu überprüfende Bewilligungsbescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte ist daher unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Dresden vom 9. November 2017 und des Überprüfungsbescheides der Beklagten vom 1. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2016 zu verurteilen, den Bewilligungsbescheid vom 24. Juli 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides 12. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2015 abzuändern und das bewilligte Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung der Bezugsgröße West zu zahlen.

a) Die Beklagte hat das tägliche Bemessungsentgelt bestimmt, indem sie ein Vierhundertfünfzigstel der jährlichen Bezugsgröße für die neuen Bundesländer für das Jahr 2015, das heißt 28.980,00 EUR, gebildet hat. Daraus ergibt sich für die Qualifikationsgruppe 3 ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 64,40 EUR. Tatsächlich hätte die Beklagte das tägliche Bemessungsentgelt unter Berücksichtigung der Bezugsgröße für die alten Bundesländer für das Jahr 2015, nämlich 34.020,00 EUR, bestimmten müssen, so dass sich für die Qualifikationsgruppe 3 ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 75,60 EUR ergibt.

Denn in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2010 – B 7 AL 49/08 R – SozR 4-4300 § 122 Nr. 8 = juris Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 26. November 2015 – B 11 AL 2/15 R – juris Rdnr. 16) zu dem bis zum 31. März 2012 geltenden § 132 SGB III (vgl. Artikel 1 Nr. 71 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]) ist geklärt, dass bei der fiktiven Bemessung des Arbeitslosengeldes nicht die "Bezugsgröße (Ost)", sondern die "Bezugsgröße (West)" zugrunde zu legen ist. Dies gilt auch bei Beschränkung der Vermittelbarkeit des Arbeitslosen auf die neuen Bundesländer (vgl. BSG, Urteil vom 26. November 2015, a. a. O.). Denn die Regelung des § 132 SGB III a. F. bezog sich nicht auf (früher) erzielte Entgelte, sondern darauf, auf welche Tätigkeit die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen zu erstrecken hatte. Deshalb verbietet sich auch bei Beschränkung der Vermittelbarkeit des/der Arbeitslosen auf die neuen Bundesländer eine analoge Anwendung von § 408 SGB III im Rahmen der Prüfung der fiktiven Bemessung (vgl. BSG, Urteil vom 26. November 2015, a. a. O.).

b) § 330 Abs. 1 SGB III steht der Rücknahme des bestandskräftigen Bewilligungsbescheides vom 24. Juli 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides 12. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2015 vorliegend nicht entgegen.

§ 330 Abs. 1 Alt. 2 SGB III schränkt den Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X unter anderem für den Fall ein, dass der Verwaltungsakt auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsakts in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist. Entgegen § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein derartiger Verwaltungsakt im Arbeitsförderungsrecht dann nur mit Wirkung für die Zeit nach dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Von dem Anwendungsbereich des als Ausnahmevorschrift eng auszulegenden § 330 Abs. 1 Alt. 2 SGB III sind von vornherein Fallgestaltungen nicht erfasst, in denen die Verwaltung eine bei Erlass des Verwaltungsakts bereits bestehende ständige höchstrichterliche Rechtsprechung nicht ausreichend berücksichtigt oder fehlerhaft interpretiert hat (vgl. Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGB II [5. Aufl., 2019], § 40 Rdnr. 129; vgl. zur engen Auslegung der Regelung auch BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 – B 7a AL 2/06 RSozR 4-4300 § 330 Nr. 4 = juris Rdnr. 16).

Im vorliegenden Zusammenhang hat das Bundessozialgericht bereits mit Urteil vom 18. Mai 2010 (Az.: B 7 AL 49/08 R, SozR 4-4300 § 122 Nr. 8 = juris Rdnr. 19) und mit Urteil vom 25. August 2011 (Az.: B 11 AL 13/10 R, SozR 4-4300 § 132 Nr. 6) und somit vor Erlass des Bewilligungsbescheides entschieden, dass bei der fiktiven Bemessung des Arbeitslosengeldes aufgrund Fehlens von ausreichenden Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum nicht die Bezugsgröße, die für den Ausbildungs- oder Wohnort galt (Bezugsgröße Ost), sondern die Bezugsgröße West zugrunde zu legen ist. Zwar hatte das Bundessozialgericht in den Entscheidungen der Jahre 2010 und 2011 (teilweise ausdrücklich) noch offen gelassen, ob dies auch bei einer Beschränkung der Vermittelbarkeit des Arbeitslosen auf die neuen Bundesländer gilt. Insoweit stellte das Bundessozialgericht fest, dass alle Beschäftigungen zu berücksichtigen seien, die ein nicht ortsgebundener Arbeitsloser auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im gesamten Bundesgebiet verrichten könne (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011, a. a. O., Rdnr. 18). Ohne eine Beschränkung der Vermittelbarkeit hatte bereits nach der schon 2010 und 2011 bestehenden ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die fiktive Bemessung des Arbeitslosengeldes auf der Grundlage der Bezugsgröße West zu erfolgen. Auf die Frage der Umsetzung dieser Rechtsprechung durch die Agentur für Arbeit kommt es nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 2019 – B 11 AL 19/18 R – SozR 4-4300 § 330 Nr. 8 = juris Rdnr. 23).

Eine vorliegend zu berücksichtigende Beschränkung der Vermittelbarkeit der Klägerin auf die neuen Bundesländer ist trotz der gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin und des Umstandes, dass sie die Betreuung eines Kindes absichern musste, nach Auffassung der Senat im Ergebnis der Würdigung der konkreten Umstände nicht gegeben, so dass sich die Vermittlungsbemühungen nicht in erster Linie allein auf die neuen Bundesländer zu erstrecken hatten und bereits auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides bestehenden ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die fiktive Bemessung des Arbeitslosengeldes auf der Grundlage der Bezugsgröße West zu erfolgen hat.

Eine ausdrückliche Erklärung der Klägerin zur Beschränkung ihrer Vermittlung auf den lokalen ersten Arbeitsmarkt zum Zeitpunkt der Beantragung des Arbeitslosengeldes liegt nicht vor. Auch in dem von der Beklagten in einem Verbis-Vermerk vermerkten Ziel einer Beschäftigung vordringlich auf dem lokalen ersten Arbeitsmarkt liegt keine entsprechende Beschränkung. Die entsprechende Eingliederungsvereinbarung hat die Klägerin nicht unterschrieben. Allein der Umstand, dass sie im Antrag auf Arbeitslosengeld vom 22. Juni 2015 angab, dauernd getrennt lebend zu sein und eine Beschäftigung aufgrund der notwendigen intensiven Betreuung ihres am 28. April 2006 geborenen Kindes nur zeitlich eingeschränkt ausüben zu können, führt gleichfalls zu keiner Beschränkung der Vermittlung auf den lokalen Arbeitsmarkt. Die zeitliche Einschränkung der Vermittlung nahm die Klägerin mit Erklärung vom 10. August 2015 ausdrücklich zurück und stellte sich mit 40 Stunden in der Woche im Rahmen des vom Gutachter festgestellten Leistungsvermögens der Vermittlung zur Verfügung. Für die Beklagte offensichtlich wollte die Klägerin keine Erklärungen abgeben, die negative Auswirkungen auf die Höhe ihres Arbeitslosengeldanspruchs hätten haben können. Das Gutachten wies zwar aus, dass die Klägerin lange Anfahrtswege vermeiden sollte. Da diese jedoch auch bei einem Umzug zu vermeiden gewesen wären, folgt auch aus der Erklärung der Klägerin, sie stelle sich im Rahmen des vom Gutachter festgestellten Leistungsvermögens der Vermittlung zur Verfügung, nicht, dass eine Vermittlung allein auf dem lokalen Arbeitsmarkt erfolgen solle. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Auswirkungen auf die Höhe des Leistungsanspruchs. Der Erklärung der Klägerin kann daher ein solcher Erklärungsgehalt nicht beigemessen werden. Die Vermittlung hatte daher unbeschränkt zu erfolgen.

Daher wird lediglich ergänzend ausgeführt, dass § 330 Abs. 1 SGB III den Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB allein für die Vergangenheit, das heißt vor Erlass des Urteils des Bundessozialgerichts am 26. November 2015, und nicht im Rahmen der noch laufenden Leistungsgewährung einschränkt. Dem steht nicht entgegen, dass das Stammrecht der Klägerin am 1. September 2015 entstanden war. Denn streitbefangen ist der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 1. September 2015 bis zum 31. August 2016 und somit für zum Zeitpunkt der Entstehung der ständigen Rechtsprechung noch laufende Leistungszeiträume.

Insofern verkennt die Beklagte, dass das Stammrecht nach der geltenden (aber fehlerhaft ausgelegten) gesetzlichen Regelung auf der Grundlage der Bezugsgröße West entstanden war. Zutreffend ist, dass sich Art, Dauer und Höhe der Leistung nach den Umständen richten, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Stammrechts vorgelegen haben. Diese tatsächlichen Umstände haben sich vorliegend jedoch nicht geändert.

Unstreitig dürfte sein, dass § 330 Abs. 1 SGB III der Korrektur des rechtswidrigen bestandskräftigen Bewilligungsbescheides nicht entgegensteht, wenn der Überprüfungsantrag vor Erlass des Urteils am 26. November 2015 und nicht erst am 22. Januar 2016 gestellt worden wäre (hierzu: BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a. a. O., Rdnr. 16) oder der Bewilligungsbescheid erst nach dem 26. November 2015 und nicht mit dem (vgl. § 330 Abs. 1 SGB III: "die nach Erlass des Verwaltungsakts"). Bereits insofern wird deutlich, dass es im Rahmen des § 330 Abs. 1 SGB III nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des Stammrechts ankommt. Zwar ist die öffentliche Gewalt nicht verpflichtet, jeden rechtsfehlerhaften Akt ohne Rücksicht auf seinen formellen Rechtsbestand von Amts wegen zu beseitigen. Im Rahmen des Anspruchs auf Überprüfung nach § 44 SGB X regelt § 330 SGB III insoweit aber nur, dass sich die Korrekturpflicht im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X darauf reduziert, dass der nicht begünstigende und anfänglich rechtswidrige, aber unanfechtbar gewordene Verwaltungsakt nicht komplett, sondern nur mit Wirkung für die Zeit ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen und durch einen rechtmäßigen zu ersetzen ist. Es wird allein für die Vergangenheit die Anpassung ausgeschlossen. Diese gesetzliche Regelung geht auf die Überlegung zurück, dass die Agentur für Arbeit Leistungen regelmäßig kurzfristig zu erbringen und auch kurzfristig wieder zu beenden hat, was häufig zu Überzahlungen führt (Vgl. BT-Drs. 12/5502, S. 37 [zur Vorgängerregelung in § 152 AFG]; Schaumberg, in Schlegel/Voelzke jurisPK: SGB III [2. Aufl., 2019], § 330 Rdnr. 13). Die Vorschrift des § 330 SGB III dient damit ausschließlich den Interessen der Bundesagentur für Arbeit. Diese soll allein von einer massenhaft rückwirkenden Korrektur von Verwaltungsakten entlastet werden. Entsprechend ist die Vorschrift aufgrund ihres Eingriffscharakters eng auszulegen (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 – B 7a AL 2/06 R – a. a. O., juris Rdnr. 16 m. w. N ...). § 330 Abs. 1 SGB III regelt daher bereits nach dem ausdrücklichen Wortlaut nicht, dass auch aktuelle laufende Leistungen nicht anzupassen sind. Vielmehr hat die Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft und somit für noch laufende Bewilligungszeiträume von Amts wegen zu erfolgen. Hätte der Gesetzgeber in § 330 Abs. 1 SGB III regeln wollen, dass trotz der Feststellung der Nichtigkeit oder Verfassungswidrigkeit oder trotz des Bestehens einer (anderen) ständigen Rechtsprechung eine Korrektur rechtswidriger Verwaltungsentscheidung auch hinsichtlich laufend noch zu zahlender Sozialleistungen (vorliegend gegebenenfalls über Jahre) nicht erfolgen muss, würden insofern auch verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Klägerin hat unter Hinweis auf die von ihr vorgenommene Online-Berechnung und des ausgewiesenen Anspruchs in Höhe von monatlich 1.250,10 EUR eine Berücksichtigung des Krankengeldes und der Bezugsgröße West begehrt. Sie hat eine Erhöhung des täglichen Bemessungsentgelts unter Berücksichtigung der Bezugsgröße West auf 75,60 EUR erlangt. Die vom Senat bestimmte Kostenquotelung trägt dem sich ergebenden Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen Rechnung.

III. Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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