L 7 AS 1614/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 4270/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1614/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 114/19 BH
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.08.2018 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 18.08.2014 bis zum 30.11.2014 streitig.

Der am 00.00.1975 geborene, ledige Kläger ist promovierter Physiker. Er zog im Januar 2011 in eine von der Zeugin N K (geboren am 00.00.1975) angemietete 75 m² große Wohnung in C. Der Kläger und die Zeugin vereinbarten mündlich, dass der Kläger sich zur Hälfte an den Unterkunftskosten beteiligt. Die Gesamtmiete für die Wohnung betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 555,25 EUR (Grundmiete 355,25 EUR, Nebenkostenvorauszahlung 200 EUR). Die Warmwasseraufbereitung in der Wohnung erfolgt über strombetriebene Durchlauferhitzer. Vom 15.07.2008 bis zum 31.10.2012 war der Kläger während seiner Promotion an der Universität X als wissenschaftlicher Mitarbeiter sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend bezog er bis zum 30.10.2013 Arbeitslosengeld und vom 19.09.2013 bis 18.11.2013 Elterngeld. Am 00.00.2013 wurde der gemeinsame Sohn des Klägers und der Zeugin, D K in C geboren.

Im Dezember 2013 beantragte der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 01.12.2013. Er gab an, er bilde zusammen mit seinem Sohn eine Haushalts-, aber keine Bedarfsgemeinschaft. Er sei voraussichtlich bis zum Wintersemester 2015/2016 als Student der Wirtschaftsinformatik an der Universität E immatrikuliert, das Studium betreibe er aber nicht. Er verfüge ab Dezember 2013 nicht mehr über Einkünfte. Seit dem 19.11.2013 werde die Betreuung seines Sohnes von der Zeugin übernommen, die ihm seither keinen Betreuungsunterhalt mehr zahle. Anlässlich einer Vorsprache bei dem Beklagten am 14.02.2014 wurde festgehalten, der Kläger habe mitgeteilt, er betreue im Wesentlichen seinen Sohn, da seine Partnerin selbständig (ohne gesonderte Betriebsräume, mit der Wahrnehmung von Außenterminen) tätig sei. Ob er wegen der Betreuung seines Sohnes im Rahmen des Leistungsbezugs "Nichtaktivierung" in Anspruch nehmen wolle, wolle er mit seiner Partnerin besprechen. Mit Schreiben vom 16.02.2014 legte der Kläger eine Heizkostenabrechnung vom 29.01.2014 und eine Betriebskostenabrechnung vom 03.02.2014 vor. Da sich hieraus die Größe der Wohnung, der monatliche Abschlag von 200 EUR und die Nebenkostenaufteilung ergebe, erübrige sich die Vorlage des Mietvertrags und einer Mietbescheinigung. Auskünfte zu seinem Sohn erteilte der Kläger nicht, da sich dieser durch Kindergeld und Unterhaltsleistungen seitens der Mutter selbst versorgen könne und daher nicht zu seiner Bedarfsgemeinschaft gehöre. Unterhalt von seinem Sohn erhalte er nicht. Der Kläger fügte Kontoauszüge eines persönlichen Kontos bei der Sparda Bank und eines gemeinsam mit der Zeugin geführten DKB-Haushaltskontos bei. Mit Einverständnis der Zeugin, die das Kindergeld für den gemeinsamen Sohn bezog, legte der Kläger einen Kindergeldbescheid vor. Beigefügt war zudem ein Schreiben der Zeugin vom 16.02.2014, die mitteilte, sie habe mit dem Kläger ein gemeinsames Haushaltskonto, auf das beide zu gleichen Teilen einzahlten. Hiervon würden Miete, Strom, Grundnahrungsmittel, Reinigungs- und Sanitärartikel bezahlt. Ein darüber hinausgehendes gemeinsames Wirtschaften bestehe nicht. Sie bilde mit dem Kläger keine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft. Sie sei nicht gewillt, den Kläger finanziell zu unterstützen. Eine rechtliche Unterhaltspflicht bestehe nicht, weil sie die Betreuung ihres Sohnes spätestens seit dem 19.11.2013 selbst gewährleisten könne. Sie werde daher keine Auskünfte über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilen.

Mit Bescheid vom 13.03.2014 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Da der Kläger eingeschriebener Student sei, befände er sich in einer Ausbildung, die grundsätzlich nach dem BAföG förderungsfähig sei. Daher sei er gemäß § 7 Abs. 5 und 6 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Das nachfolgende Widerspruchs- und Klageverfahren waren für den Kläger erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.08.2014 - S 31 AS 2207/14; die hiergegen eingelegte Berufung L 7 AS 1655/18 hat der Kläger im Verhandlungstermin am 09.10.2018 zurückgenommen). In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Dortmund (S 31 AS 2152/14 ER) gab die Zeugin an, sie lebe mit ihrem Sohn von Elterngeld iHv rund 1.779 EUR/Monat und Kindergeld iHv 184 EUR/Monat. Sie verfüge über Lebensversicherungen zur Altersvorsorge (Rückkaufswert zuletzt 9.384 EUR), bei denen der Kläger nicht als Begünstigter eingetragen sei. Darüber hinaus sei sie Eigentümerin einer 95 m² großen Eigentumswohnung in F, die für 65.000 EUR erworben worden sei und auf der noch Schulden iHv 50.000 EUR lasteten. Sie habe im Januar 2014 gemeinsam mit ihrem Sohn ihren Familienwohnsitz nach Niedersachsen verlegt; die Wohnung mit dem Kläger in C nutze sie im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als beruflichen Wohnsitz. Nachdem das einstweilige Rechtsschutzverfahren für den Kläger erfolglos geblieben war (Beschluss des Senats vom 13.08.2014 - L 7 AS 1439/14 B ER), meldete sich der Kläger am 18.08.2014 aus dem Studiengang der Wirtschaftsinformatik ab.

Der Kläger beantragte erneut Leistungen ab dem 18.08.2014. Er habe von seiner Mutter im Juli 2014 ein Privat-Darlehen über 600 EUR erhalten. Mit der Zeugin bilde er keine Bedarfsgemeinschaft. Er wohne mit der Zeugin zusammen und versorge mit ihr den gemeinsamen Sohn. Die Zeugin sei aber nicht gewillt, ihr Einkommen und Vermögen für ihn einzusetzen. Sie habe ihren Familienwohnsitz, ohne seine Zukunftsgestaltung einzubeziehen, nach Niedersachsen verlagert und plane ihre Zukunft eigenständig. Unabhängig von der Frage einer Partnerschaft fehle es an einer Wirtschaftsgemeinschaft. Hierzu sei eine Gemeinschaftskasse nicht ausreichend. Ein gemeinsames Wirtschaften aus einem Topf liege nicht vor. Die Zeugin kaufe Biolebensmittel gesondert. Aus der Gemeinschaftskasse würden anteilig nur Miete, Nebenkosten, Strom, Grundnahrungsmittel bezahlt. Handys, Kleidung, Kosmetika, Luxusgüter, Geschenke etc. finanziere jeder Teil eigenständig. Der PKW und die Eigentumswohnung in F würden ausschließlich von der Zeugin finanziert. Diese habe von April 2014 bis Juni 2014 Darlehen für seinen Anteil an der Gemeinschaftskasse und zur Bestreitung seiner Kranken- und Pflegeversicherung zur Verfügung gestellt. Im Juli und August 2014 habe er vom Darlehen seiner Mutter gelebt.

Mit Bescheid vom 15.09.2014 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Da sich die Zeugin geweigert habe, Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben, sei die Prüfung der Hilfebedürftigkeit nicht möglich. Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, er habe alle ihn betreffenden Unterlagen, soweit sie für eine Leistungsentscheidung erforderlich seien, vorgelegt. Eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft zwischen ihm und der Zeugin sei nicht gegeben, sodass es auf deren Einkommen und Vermögen nicht ankäme. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger lebe seit dem 22.01.2011 mit der Zeugin zusammen und versorge mit ihr das gemeinsame Kind. Hieraus sei ein wechselseitiger Wille, füreinander einzustehen, zu folgern. Da erkennbar sei, dass keinerlei Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Zeugin erfolgen würden, sei die Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht nachgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 13.10.2014 Klage bei dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Die Zeugin sei nicht gewillt, Einkommen und Vermögen für ihn einzusetzen. Weitere Möglichkeiten ein Darlehen zu bekommen, bestünden nicht.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 15.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 18.08.2014 bis 30.11.2014 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen von Frau K nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Befragung des Klägers und Vernehmung der Zeugin. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27.08.2018 Bezug genommen.

Die Mutter des Klägers hat in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren bei dem Sozialgericht (S 31 AS 4260/14 ER) eidesstattlich unter dem 29.10.2014 versichert, sie habe dem Kläger am 30.07.2014 600 EUR und am 13.10.2014 250 EUR darlehensweise zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus habe sie den Semesterbeitrag iHv 266,16 EUR für das Teilzeitstudium Physikalische Technik im Wintersemester 2014/2015 an die Universität gezahlt. In einem Erörterungstermin vom 30.10.2014 in dem einstweiligen Rechtschutzverfahren S 31 AS 4260/14 ER hat der Kläger angegeben, er studiere seit dem Wintersemester 2014 in Teilzeit Physikalische Technik an der Universität Gelsenkirchen. Die Zeugin komme für die Wohnungskosten auf. Ansonsten unterstütze sie ihn nicht mehr. Er müsse in der Woche zur Tafel gehen und Lebensmittel holen. Die Zeugin habe er im Jahr 2010 kennen gelernt. Es habe sich eine Liebesbeziehung entwickelt in deren Folge er 2011 bei ihr eingezogen sei. Die Zeugin schlafe mit dem Kind in dem Schlafzimmer, er schlafe auf einer Couch im Arbeitszimmer. Die Zeugin hat in dem Erörterungstermin bekundet, sie komme für sich und den gemeinsamen Sohn finanziell aus, könne und wolle den Kläger aber nicht mehr unterstützen. Sie wisse, dass der Kläger zur Tafel gehe, was sie hinnehme.

Ab dem 10.11.2014 hat der Kläger ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis aufgenommen und seinen Leistungsantrag ab Dezember 2014 zurückgenommen.

Mit Urteil vom 27.08.2018 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger Leistungen vom 18.08.2014 bis 30.11.2014 zu gewähren. Zwar greife die gesetzliche Vermutung nach § 7 Abs. 3a SGB II ein, jedoch sei nach durchgeführter Beweisaufnahme kein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, anzunehmen. Dagegen spreche, dass der Kläger die X1 Tafel aufgesucht habe, was bei einer Einstandsgemeinschaft nicht zu erwarten wäre. Das Teilzeitstudium der Physikalischen Technik führe nicht zu einem Leistungsausschluss.

Gegen das dem Beklagten am 07.09.2018 zugestellte Urteil hat dieser am 27.09.2018 Berufung eingelegt. Die Vermutung einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin sei nicht widerlegt. Die Partnerschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin werde von diesen nicht bestritten. Angesichts der fortbestehenden Partnerschaft seit 2011 und der Betreuung des gemeinsamen Kindes könne die Darstellung, nicht füreinander einzustehen, nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger die Tafel aufgesucht habe. Der Versuch das Familieneinkommen durch Sachleistungen der Tafel zu erhöhen, schließe einen Einstandswillen nicht aus, zumal auch Jahre nach dem hier gegenständlichen Zeitraum die Lebenssituation unverändert sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.08.2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf das erstinstanzliche Urteil.

Der Senat hat im Verhandlungstermin vom 09.10.2019 den Kläger angehört und die Zeugin vernommen. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 09.10.2019 Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten zur Leistungszahlung verurteilt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die streitigen Leistungen.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 18.08.2014 bis 30.11.2014 unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 15.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2014.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig sind (Nr. 3) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4 - erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

Der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1, 3c SGB II die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dabei wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, nach § 7 Abs. 3a SGB II u.a. vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (Nr. 1) oder mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2). Ob eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft vorliegt, ist anhand von Indizien und im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen. Bei den erstgenannte Kriterien (Partnerschaft und Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt) handelt es sich um objektive Tatbestandsvoraussetzungen, die Anknüpfungstatsachen der Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II sind (BSG Urteil vom 23.08.2012 - B 4 AS 34/12 R). Die objektiven Kriterien müssen von Amts wegen ermittelt werden (§ 20 SGB X bzw. § 103 SGG). Liegen diese vor, obliegt es dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die Vermutung einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft zu widerlegen.

Zwischen dem Kläger und der Zeugin besteht eine Partnerschaft iSv § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II. Von dem Bestehen einer Partnerschaft ist auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Zudem muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit einer Heirat bzw. Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG bestehen (BVerfG Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87; BSG Urteil vom 23.08.2012 - B 4 AS 34/12 R). Eine solche Partnerschaft ist hier anzunehmen. Der Kläger hat eingeräumt, dass sich zwischen ihm und der Zeugin im Jahr 2010 eine Liebesbeziehung entwickelt hat, die sich nachfolgend so verfestigte, dass der Kläger und die Zeugin 2011 zusammenzogen sind, bis heute zusammenwohnen und das gemeinsam Kind gemeinsam erziehen. Die Zeugin hat erklärt, dass zwischen ihr und dem Kläger eine Partnerschaft bestehe und dieser ihr "Freund" und "Lebensgefährte" sei.

Das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt iS des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II erfordert das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft und damit ein Zusammenleben in einer Wohnung und Wirtschaften aus einem Topf (BSG Urteile vom 27.01.2009 - B 14 AS 6/08 R, vom 19.02.2009 - B 4 AS 68/07 R und vom 18.02.2010 - B 4 AS 5/09 R).

Der Kläger und die Zeugin wohnten in einer Wohnung. Der Umzug der Zeugin nach Niedersachsen in 2014 ist nicht durchgeführt worden. Der Kläger und die Zeugin haben auf Nachfrage des Senats eingeräumt, dass sich die Aufenthalte in F im Jahr 2014 auf wenige Wochenend- und Urlaubsaufenthalte beschränkten.

Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehen über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf. Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet noch keine Wirtschaftsgemeinschaft. Entscheidend ist, dass der Haushalt von beiden Partnern gemeinschaftlich geführt wird. Ausreichend ist eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie die Haushaltsführung zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen. Eine solche Absprache ist vorliegend gegeben. Der Kläger und die Zeugin haben ein Gemeinschaftskonto eingerichtet, auf das beide zu gleichen Anteilen eingezahlt haben und über das beide frei verfügen konnten. Mit diesen Mitteln wurden Miete, Strom, Gemeinschaftskosten, Nahrungs- und Reinigungsmittel etc. erworben, ohne dass für einzelne Ausgabepositionen Rechenschaft gelegt wurde und unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch. Auch die Haushaltsführung und die Betreuung des gemeinsamen Kindes waren geregelt und wurden zwischen den Partnern einvernehmlich organisiert. Die Zeugin hat hierzu in dem Erörterungstermin vom 29.06.2017 (S 31 AS 2418/17 ER) mitgeteilt, sie "gehe im Prinzip einfach davon aus, dass er (Anm.: der Kläger) das Kind betreuen" könne. Der Kläger war im Bilde über die Beschäftigung und die Einkünfte der Zeugin. Ferner hat der Kläger selbst mit Schreiben vom 27.12.2013 sinngemäß eingeräumt, dass er für die Betreuung des gemeinsamen Kindes anfangs von der Zeugin ein Betreuungsunterhalt erhalten hat. Von dieser Vereinbarung waren die Partner lediglich deswegen abgerückt, weil die Zeugin wegen ihrer Elternzeit ab Ende 2013 selbst die Betreuung des Kindes sicherstellen konnte. Auch wenn die Elternzeit im hier streitgegenständlichen Leistungszeitraum ab dem 18.08.2014 nicht beendet gewesen sein sollte, verdeutlicht dies doch, dass die Partner laufend über Haushaltsführungskosten und Haushaltsführung (stillschweigende) Vereinbarungen getroffen haben. Die Zeugin hat ihren Zuverdienst neben der Elternzeit auf bis zu 10.000 EUR brutto/Jahr geschätzt, sodass zudem auch in der Elternzeit von einem relevanten Betreuungsbedarf des Kindes auszugehen ist. Hierzu passt, dass der Kläger während eines Vorsprachetermins beim Beklagten auf die Frage, ob er wegen seines Sohnes "Nichtaktivierung" nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II beantragen wolle, zunächst mit seiner "Partnerin Rücksprache halten" wollte.

Bei der Bewertung des Zusammenlebens ist kein rechtlich relevanter Unterschied zu sonstigen familiären Mutter-Vater-Kind-Konstellationen zu erkennen.

Der wechselseitige Einstehens- und Verantwortungswille der Partner wird nach § 7 Abs. 3a Nr. 1 und 2 SGB II vermutet. Die Einstandsvermutung haben die Kläger nicht widerlegt. Die Zeugin hat lediglich geltend gemacht, sie habe mangels ausreichender Mittel den Kläger während ihrer Elternzeit nicht unterhalten können, was angesichts von Eltern- und Kindergeld sowie eines Zuverdienstes von rund 10.000 EUR im Jahr sowie nicht unerheblicher Vermögenswerte nicht nachvollziehbar ist. Daraus, dass der Kläger die Wattenscheider Tafel aufgesucht hat, lässt sich eine Widerlegung der Vermutung nicht ableiten. Die Inanspruchnahme von günstigen Lebensmitteln der Tafel war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kein Ausdruck von mangelnder Unterstützung des Klägers durch die Zeugin, sondern ein aus Überzeugung erfolgter Beitrag zur Entlastung des Haushaltsbudgets.

Die Vermutung wird durch das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nur nicht widerlegt, sondern im Gegenteil bestätigt: So hat die Zeugin den Einkommensausfall des Klägers ganz wesentlich überbrückt. Dass dies nur darlehensweise geschehen sein soll, überzeugt nicht, denn die Rückzahlung des vorgegebenen Darlehens war angesichts der Erwerbslosigkeit, der Berufsbiographie und des Umstands der anfänglichen Studienimmatrikulation ohne BAföG- und Grundsicherungsanspruch des Klägers äußerst ungewiss. Dies war für die Zeugin auch ohne weiteres erkennbar. Auch die faktisch mietfreie Gewährung von Wohnung durch die Zeugin, die Alleinmieterin der gemeinsamen Wohnung war, spricht für einen Einstandswillen (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 15.09.2014 - L 19 AS 1301/14 B ER; LSG Bayern Beschluss vom 27.09.2006 - L 11 B 691/06 AS ER; LSG Baden Württemberg Urteil vom 24.05.2007 - L 7 AS 2716/06; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 03.09.2012 - L 5 AS 285/12 B ER).

Dem gemeinsamen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft von damals monatlich 2.023,74 EUR ([2 x 353 EUR Partnerregelbedarf], 229 EUR Sozialgeld D K, 18,03 EUR Gesamtwarmwasserpauschale, 555,25 EUR Unterkunfts- und Heizbedarfe, 359,24 EUR private Kranken- und Pflegeversicherung der Zeugin, 156,22 EUR Beiträge zur Kranken- und Pflegversicherung des Klägers), steht mithin (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II) ein bedarfsübersteigendes Einkommen der Zeugin aus Elterngeld iHv (bereinigt) 1.749,77 EUR, Kindergeld iHv 184 EUR und Erwerbseinkommen von rund 10.000 EUR/Jahrgegenüber. Darüber hinaus verfügte die Zeugin über verwertbares Vermögen (nicht selbst bewohnte Eigentumswohnung mit einem Erlöswert von mindestens 15.000 EUR, Lebensversicherung mit Rückkaufswert in 2014 von mindestens 9.384 EUR) oberhalb der Schonvermögensgrenzen (13.950 EUR gem. § 12 Abs. 2 SGB II). Verwertungshindernisse sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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