L 6 AS 1651/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 30 AS 1195/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 1651/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.07.2017 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für die Zeit vom 01.12.2012 bis 30.11.2013 als Zuschuss statt als Darlehen sowie darüber hinaus die Gewährung höherer Leistungen für diesen Zeitraum dem Grunde nach.

Die 1962 geborene Klägerin ist alleinstehend. Sie leidet an einer Conterganschädigung in Form einer schwerwiegenden Dysmelie (Fehlbildung beider Arme), die mit 80,32 Punkten (vgl. Anlage 2 zu den Richtlinien für die Gewährung von Leistungen wegen Conterganschadensfällen (https://www.contergan-infoportal.de/fileadmin/user upload/documents/Leistungen/Conterganrente/Medizinische%20Punktetabelle/Medizinische%20Punktetabelle.pdf) festgestellt ist, sowie einer degenerativen Wirbelsäulenerkrankung mit muskulären Problemen bei einer Körpergröße von etwa 1,50 m.

Wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen wurden ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen aG, H und RF zuerkannt. In der Sozialen Pflegeversicherung war sie bis zum 31.12.2016 der Pflegestufe II zugeordnet.

Zur Linderung der Beschwerden am Bewegungsapparat, erhält sie regelmäßig Physiotherapie und geht etwa einmal pro Woche Schwimmen. Ferner nimmt die Klägerin (nach ihren Angaben) etwa 20mal pro Monat zu Hause warme Wannenbäder, was ärztlich für erforderlich gehalten wird (vgl. die von der Klägerin vorgelegten Atteste der Allgemeinmedizinerin Dr. S vom 03.07.2008 sowie der Ärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. V vom 14.09.2020). Im hauswirtschaftlichen und pflegerischen Bereich erhält sie täglich Assistenzleistungen von Freunden und Bekannten, wobei die Assistenzkräfte teilweise auch bei ihr übernachten. Die Mahlzeiten für die einzelnen Tage werden von den Assistenzkräften für die Klägerin in aller Regel vorgekocht und dann in dem eigens dafür angeschafften Gefrierschrank gelagert, damit die Klägerin die Mahlzeiten zumeist nur noch aufwärmen muss, was sie trotz ihrer körperlichen Einschränkungen ohne fremde Hilfe bewerkstelligen kann.

Bis zum Jahr 2000 arbeitete die Klägerin seit mehreren Jahren halbtags versicherungspflichtig am Empfang der Landesvertretung T in C. Nach Umzug der Landesvertretung nach C1 fand sie eine Anschlussbeschäftigung beim Deutschen Entwicklungsdienst. Diese Tätigkeit gab sie 2005 nach Unstimmigkeiten am Arbeitsplatz auf. In der Folgezeit war sie nicht mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig.

Im streitigen Zeitraum bezog die Klägerin laufende Rentenleistungen nach dem Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen - bis 2005: "Hilfswerk für behinderte Kinder" - (ContStifG), die sich bis August 2013 auf 1.127 EUR und ab September 2013 auf 5.760 EUR monatlich beliefen. Ferner floss ihr im August 2013 eine einmalige Rentennachzahlung i.H.v. 36.858 EUR zu. Hieraus ergaben sich Zinseinnahmen von einem Tagesgeldkonto bei der "P Bank GmbH" (Kto.-Nr. 00), auf dem sie über Jahre ausschließlich Zahlungen nach dem ContStifG angespart hatte.

Am 29.12.2012 erfolgte eine Zinsgutschrift i.H.v. 127,56 EUR auf dem Konto der Klägerin. Die Zinseinnahmen im Jahr 2013 beliefen sich gemäß der von der Klägerin vorgelegten Steuerbescheinigung auf insgesamt 174,41 EUR.

Die Klägerin bezog darüber hinaus Pflegegeld nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) sowie Leistungen zur Besitzstandswahrung nach Art. 51 Abs. 1 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (PflegeVG) und Leistungen der Eingliederungshilfe in Form von Kfz-Beihilfe nach § 53 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) von der Stadt C bzw. dem Landschaftsverband.

Sie ist seit 1994 Eigentümerin einer von ihr selbst und allein bewohnten Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von 119 m² (über zwei Etagen). Der Kaufpreis betrug 370.000 DM (zur Finanzierung dieses Betrages siehe weiter unten). Die Wohnung, die über Boiler bzw. Durchlauferhitzer mit Warmwasser versorgt wird, ist behindertengerecht aus- bzw. umgebaut. Die Fenster, die Balkontür sowie die Gegensprechanlage wurden den Möglichkeiten und Bedürfnissen der Klägerin angepasst, d.h. entsprechend abgesenkt. Des Weiteren wurden Fußschalter zum Bedienen der Wasserhähne eingebaut; ebenso wie eine spezielle Auszugstechnik für den Kühlschrank und die Elektrogeräte. Die Wohnung verfügt auch über eine speziell für die Bedürfnisse der Klägerin umgebaute Toilette und ist neben Kühl- und Gefrierschrank mit einem Herd, einer Spülmaschine, einer Waschmaschine und einem Trockner ausgestattet. Der behindertengerechte Umbau der Wohnung erfolgte weitestgehend durch zur Verfügung gestellte Mittel der Stadt C (Amt für Senioren und Soziales) bzw. aus Mitteln der Conterganstiftung für behinderte Menschen / des Hilfswerks für behinderte Kinder.

Für den Erwerb der Eigentumswohnung erhielt die Klägerin außerdem ein zinsloses Darlehen der Stadt C i.H.v. 60.000 DM aus Ausgleichsabgaben, welches sie bis Dezember 2019 mit monatlichen Raten von 102,26 EUR tilgte. Die Restschuld belief sich im Jahr 2013 noch auf knapp 6.000 EUR, wobei die Stadt C unter dem 10.03.2009 mitgeteilt hatte, mit einer Stundung der Raten nicht einverstanden zu sein. Im Übrigen war die Wohnung bereits zu Beginn des hier streitigen Zeitraumes lastenfrei.

Das von der Klägerin zu entrichtende Hausgeld belief sich gemäß dem Wirtschaftsplan vom 07.05.2012 vom 01.12.2012 bis 31.08.2013 auf 510 EUR monatlich und ab dem 01.09.2013 gemäß Wirtschaftsplan vom 05.07.2013 auf 600 EUR monatlich. Hierin enthalten waren auch die Vorauszahlungen der monatlich auf die Klägerin entfallenden Heizkosten. Gemäß der Abrechnung des Hausgeldes vom 13.04.2013 hatte sie für das Jahr 2012 eine Nachzahlung von 13,96 EUR zu erbringen.

Die von der Klägerin zu zahlenden Grundbesitzabgaben (Grundsteuer) beliefen sich im Jahr 2012 auf 718 EUR, fällig in Raten à 179,50 EUR im Februar, Mai, August und November eines Jahres. Ein Änderungsbescheid für das Folgejahr liegt nicht vor.

In der Vergangenheit vermietete die Klägerin vorübergehend den zu ihrer Wohnung gehörigen Kfz-Stellplatz für monatlich 30,68 EUR. Ob dies auch in dem hier streitigen Zeitraum der Fall war, ist ungeklärt.

Seit 2006 gewährte der Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld II, wobei dieser aufgrund des Schreibens der Stadt C vom 10.03.2009 neben dem Regelbedarf und den sonstigen Kosten für die Unterkunft auch die Tilgungsleistungen für die Eigentumswohnung in voller Höhe monatlich als Bedarf anerkannte.

Parallel dazu war zwischen den Beteiligten (u.a. in dem Verfahren vor dem Sozialgericht [SG] Köln mit dem Aktenzeichen S 14 AS 95/07) umstritten, ob bzw. in welchem Umfang die Klägerin höhere Leistungen wegen eines Strommehrbedarfs von dem Beklagten verlangen konnte.

Auf einen Weiterbewilligungsantrag der Klägerin vom 14.05.2012 gewährte der Beklagte ihr mit Bescheid vom 29.05.2012 vorläufige Leistungen für die Zeit von Juni bis November 2012. Unter dem 24.10.2012 und 05.12.2012 forderte er sie auf, Belege zur Prüfung der Leistungsberechtigung unter den Gesichtspunkten der Angemessenheit der Wohnung, des geltend gemachten Strommehrbedarfes sowie der Kosten für Heizung und Warmwasserbereitung vorzulegen. Obwohl die (schon damals anwaltlich vertretene) Klägerin am 28.11.2012 entsprechende Informationen vorlegte und in einem begleitenden fünfseitigen Schriftsatz inhaltlich vortrug, versagte der Beklagte nach § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch Allgemeiner Teil (SGB I) die Erbringung weiterer Leistungen (Bescheid vom 08.01.2013, Widerspruchsbescheid vom 29.11.2013). Das sich daran anschließende Klageverfahren vor dem SG Köln (S 5 AS 22/14) erklärten die Beteiligten nach einem richterlichen Hinweis in einem Erörterungstermin am 03.09.2014 übereinstimmend für erledigt.

Den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin vom 07.11.2012 für den Zeitraum ab Dezember 2012 beschied der Beklagte am 03.09.2013 und bewilligte ihr - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht insbesondere in Bezug auf die Krankenversicherung und Pflegeversicherung - darlehensweise Leistungen für den Zeitraum von Dezember 2012 bis November 2013. Für Dezember 2012 bewilligte er Leistungen i.H.v. 1.097,30 EUR (Regelbedarf i.H.v. 374 EUR zuzüglich Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 569,83 EUR). Für die Zeit von Januar bis August 2013 bewilligte er Leistungen i.H.v. 1.110,37 EUR monatlich (Regelbedarf i.H.v. 382 EUR zuzüglich Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 569,83 EUR). Für die Monate September bis November 2013 bewilligte er Leistungen i.H.v. 1.200,13 EUR monatlich (Regelbedarf i.H.v. 382 EUR sowie Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 659,83 EUR).

Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin vom 07.10.2013 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2015, der den Bevollmächtigten der Klägerin nicht förmlich zugestellt worden ist, als unbegründet zurück. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Bewilligung der Leistungen als Beihilfe, da sie nicht hilfebedürftig nach dem SGB II sei. Es sei bereits davon auszugehen, dass sie nicht erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II sei. Sie leide an einer (mit 80,32 Punkten bewerteten) Conterganschädigung und sei nach eigenen Angaben körperlich stark beeinträchtigt. Sie habe im Rahmen einer Vorsprache erklärt, dass es ihr nicht möglich sei, auch nur eine geringfügige Nebentätigkeit aufzunehmen. Eine ärztliche Prüfung der Erwerbsfähigkeit sei bisher aufgrund des Verhaltens der Klägerin nicht möglich gewesen. Die Frage der Erwerbsfähigkeit könne jedoch offenbleiben, da die Klägerin jedenfalls nicht hilfebedürftig sei. Sie verfüge über verwertbares Vermögen in Form der Eigentumswohnung, die nur noch in geringer Höhe mit einer Restschuld von 5.931,08 EUR belastet sei. Für einen Ein-Personen-Haushalt sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Wohnungsgröße von 80 m² als angemessen anzusehen. Mit Rücksicht auf den Einzelfall sowie die Bedürfnisse behinderter Menschen sei eine Überschreitung dieser Richtgröße um max. 10 m² möglich. Selbst wenn man im Falle der Klägerin eine Überschreitung von 20 m² noch als angemessen ansehen wolle, sei die Eigentumswohnung der Klägerin mit der von ihr mitgeteilten Größe nicht mehr als angemessen anzusehen. Dass eine Verwertung der Wohnung unwirtschaftlich sei oder eine besondere Härte darstellen würde, sei nicht erkennbar. Die Klägerin sei in der Lage, ihren Bedarf zu decken, was auch daraus deutlich werde, dass sie nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes (November 2013) nicht sofort einen weiteren Leistungsantrag gestellt habe.

Den Fortzahlungsantrag vom 28.01.2014 lehnte der Beklagte (vollständig) ab (Bescheid vom 01.10.2015, Widerspruchsbescheid vom 29.10.2015; dazu nachfolgend SG Köln, S 30 AS 4157/15 und LSG NRW, L 6 AS 1652/17).

Am 07.04.2015 hat die Klägerin Klage vor dem SG Köln erhoben, mit der sie neben der Aufhebung des Bescheides vom 03.09.2013 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 25.02.2015 die Bewilligung von Leistungen für die Zeit von Dezember 2012 bis November 2013 als Zuschuss unter zusätzlicher Berücksichtigung von Mehrbedarfen für Wasser, Strom und wegen der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben begehrt hat. Sie hat vorgetragen, aufgrund der Conterganschädigung gezwungen zu sein, sämtliche Arbeiten mit den Füßen zu erledigen. Der Kauf der Eigentumswohnung sei zu erheblichen Teilen aus Mitteln der Conterganstiftung erfolgt und die Wohnung deshalb als geschütztes Vermögen anzusehen. Sie habe sich kapitalisierte Beträge der Rente auszahlen lassen. Die Wohnung stelle das Surrogat für die geschützte Rente dar. Ferner habe der Beklagte bisher die für das von der Stadt C geförderte Darlehen aus den Ausgleichsabgaben anfallenden Tilgungsraten berücksichtigt, nachdem die Stadt C bestätigt habe, dass sie mit einer Aussetzung des Darlehens nicht einverstanden sei. Aus welchen Gründen nunmehr keine Tilgungsraten übernommen würden, sei nicht erkennbar.

Die Finanzierung der Eigentumswohnung könne sie wie folgt darlegen: Ihre Eltern hätten in den siebziger Jahren ein Haus für einen Kaufpreis von 208.000 DM erworben. Dieser Kaufpreis sei i.H.v. 86.872,43 DM aus Mitteln der kapitalisierten Conterganrente erworben worden (seit 1972 450 DM monatlich, 52.544,93 DM zuzüglich 27.446,67 DM aus der Kapitalentschädigung der Conterganstiftung). Nach dem Tod ihres Vaters sei das Haus verkauft worden. Die Klägerin habe den halben Kaufpreis (190.000 DM) erhalten und diesen Betrag zum Erwerb ihrer Eigentumswohnung im Jahr 1994 verwendet. Neben dem zinslosen Darlehen der Stadt C (60.000 DM) habe sie von der Stadt C aus den Ausgleichsabgaben noch einen Zuschuss i.H.v. 48.086 DM erhalten. Ferner habe sie weitere Darlehen bei der E Bank (50.000 DM) und bei der XA (28.000 DM) aufgenommen sowie einen Bausparvertrag i.H.v. 20.000 DM eingesetzt. Die Darlehen bei der E Bank und der XA habe sie weitestgehend aus der Conterganrente bedient.

Die Wohnung sei auch hinsichtlich ihrer Größe angemessen. Jedenfalls könne sich die Klägerin insoweit auf Vertrauensschutz berufen, da der Beklagte (in einem Aktenvermerk ursprünglich) selbst davon ausgegangen sei, dass eine Wohnungsgröße bis zu 130 m² nicht zu beanstanden sei. Im Übrigen müsse Berücksichtigung finden, dass sie nur 1,50 m groß sei und keine Arme habe. Etwaige Schränke seien daher nur bis zu einer Höhe von 1,20 m nutzbar. Stauraum müsse sie in die Breite verlagern. Die Nutzung eines Kellers beispielsweise für den Gebrauch einer Waschmaschine sei ihr nicht möglich, da sie die feuersicheren Türen nicht öffnen könne. Bei der Wohnungsgröße müsse auch in Rechnung gestellt werden, dass sie eine Assistenz (teilweise auch nachts) benötige, die in der Wohnung schlafen müsse. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Wohnung umfassend und mit erheblichem Aufwand behindertengerecht eingerichtet worden sei.

Der Beklagte habe bei der Bescheiderteilung außerdem nicht beachtet, dass die Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalte und damit einen Anspruch auf Bewilligung eines Mehrbedarfs habe. Es bestehe zudem ein Mehrbedarf bei den Stromkosten.

Sofern der Beklagte erstmalig im Widerspruchbescheid die Erwerbsfähigkeit der Klägerin in Zweifel gezogen habe, sei dies nicht nachvollziehbar. Ihr Gesundheitszustand sei seit Jahren stabil. Lediglich körperliche Arbeiten seien ihr nicht möglich. Gegenüber dem Beklagten habe sie sich nicht abweichend geäußert. Problematisch sei allein, dass für geringfügige Beschäftigungen meist kein behindertengerechter Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werde.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 09.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die begehrte Leistung zu bewilligen.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend gehalten und die Auffassung vertreten, die Klägerin habe insbesondere nicht nachgewiesen, dass die Eigentumswohnung weitestgehend aus Mitteln der Conterganrente erworben worden sei.

Mit Einverständnis der Beteiligten hat das SG am 20.07.2017 durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden und der Klage stattgegeben. Es hat den Beklagten verpflichtet, die Leistungen an die Klägerin nach dem SGB II im Zeitraum von Dezember 2012 bis November 2013 als Zuschuss und (im Sinne eines Grundurteiles) in gesetzlicher Höhe zu erbringen.

Die Klägerin sei dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. Insbesondere sei sie erwerbsfähig. Sie sei in der Vergangenheit in der Lage gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ihr Gesundheitszustand sei seither unverändert. Zudem werde die Erwerbsfähigkeit über § 44a SGB II fingiert, da der Beklagte keine Prüfung der Erwerbsfähigkeit vorgenommen habe. Es gelte die "Nahtlosigkeitsregelung", wonach der Beklagte bis zur Feststellung der Erwerbsunfähigkeit zur Zahlung der Leistungen verpflichtet bleibe. Die Klägerin sei auch hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II. Insbesondere stelle die Eigentumswohnung kein die Hilfebedürftigkeit ausschließendes Vermögen dar, denn die Verwertung der Eigentumswohnung würde eine besondere Härte bedeuten (§ 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II). Dies folge daraus, dass die Wohnung zu großen Teilen aus Mitteln der Conterganrente und der Ausgleichsabgabe angeschafft worden sei. Insoweit müsse der Rechtsgedanke aus § 11a SGB II herangezogen werden. Es sei widersinnig, wenn zwar die Conterganrente selbst nach dieser Vorschrift geschont werde, das damit erworbene Vermögen aber verwertet werden müsse. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Stadt C die Anschaffung der Wohnung mit öffentlichen Mitteln gefördert habe. Wenn bei öffentlicher Förderung einerseits, andererseits die Verwertung der Wohnung erwartet werde, sei dies in sich widersprüchlich. Die Conterganrente selbst habe außer Betracht zu bleiben, da sie gemäß § 18 ContStifG nicht bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit berücksichtigt werden dürfe. Die Klägerin verfüge auch nicht über sonstige Einnahmen aus Erwerbstätigkeit, da sie letztmalig bis 2005 gearbeitet habe. Die KfZ-Beihilfen des Landschaftsverbandes seien zweckbestimmt. Der Versagensbescheid vom 08.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2013 stehe einer Bewilligung der Leistungen nicht entgegen, da sich diese Bescheide durch die darlehensweise Bewilligung vom 03.09.2013 erledigt hätten.

Gegen das ihm am 24.07.2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22.08.2017 Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, die Verwertung der Eigentumswohnung stelle keine besondere Härte im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II dar. Die Klägerin habe keinen konkreten Nachweis dafür vorgelegt, dass die Wohnung aus Mitteln der Conterganrente angeschafft worden sei. Das SG habe in dem angefochtenen Urteil selbst ausgeführt, dass entsprechende Nachweise nicht vollständig vorgelegt worden seien und habe das Urteil allein auf die Argumentation der Klägerin gestützt. Die Wohnungsgröße liege zwischen 119 und 130 m², was als unangemessen anzusehen sei. Bei der Prüfung der angemessenen Wohnungsgröße sei ein Aufschlag aufgrund der gesundheitlichen Situation der Klägerin bereits berücksichtigt worden. Die Wohnung sei dennoch als unangemessen anzusehen. Eine besondere Härte könne sich nicht daraus ergeben, dass die Wohnung teilweise aus Mitteln der Conterganrente erworben worden sei. Auch habe das SG bei der Urteilsfindung zu Unrecht nicht die Erhöhung der Conterganrente durch das 3. ContStifG ab September 2013 auf rund 5.760 EUR monatlich berücksichtigt. Das BSG habe in dem Urteil vom 12.10.2017, B 4 AS 19/16 R ausgeführt, die Verwertung von Vermögen - im dortigen Fall einer Lebensversicherung - sei nicht ausgeschlossen, soweit diese aus Mitteln des SGB II angespart worden sei. Weitere Leistungsanträge habe die Klägerin nicht gestellt. Sie habe letztmalig am 14.08.2013 bei dem Beklagten vorgesprochen.

Soweit das SG von einer fingierten Erwerbsfähigkeit der Klägerin ausgegangen sei, sei das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt worden, denn das SG habe vorher keinen diesbezüglichen Hinweis erteilt. Die Klägerin habe sich in einem Schlichtungsgespräch am 14.08.2013 verpflichtet, bei einer ärztlichen Untersuchung mitzuwirken. Sie habe sich jedoch in der Folgezeit geweigert, einen Arzttermin wahrzunehmen. Zuletzt habe die Klägerin vom 04.10. bis 31.12.2006 eine Arbeitsgelegenheit wahrgenommen. Ebenso sei nach Sinn und Zweck des SGB II als System zur Existenzsicherung zu berücksichtigen, dass die Klägerin aufgrund der laufenden Conterganrente über erhebliche finanzielle Mittel verfüge, die es ungerechtfertigt erscheinen ließen, ihr neben diesen Mitteln Leistungen nach dem SGB II zukommen zu lassen.

Den Versagensbescheid vom 08.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2013 hat der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.12.2020 (klarstellend) aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.07.2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Eine besondere Härte im Falle einer Verwertung der Eigentumswohnung ergebe sich bereits daraus, dass diese behindertengerecht aus Mitteln der Ausgleichsabgabe umgebaut worden sei. Im Übrigen sei es schwer bis unmöglich, eine vergleichbare Wohnung zu finden. Die Probleme, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ergäben sich nicht aus der Leistungsfähigkeit an und für sich, sondern seien in der Behinderung angelegt. Ihrer Verpflichtung, eine ärztliche Untersuchung wahrzunehmen, sei sie nachgekommen.

Am 27.10.2020 fand auf Veranlassung des Beklagten zur Feststellung des Leistungsvermögens der Klägerin eine ärztliche Untersuchung durch den medizinischen Dienst des Beklagten statt. Ein schriftliches Ergebnis dieser Untersuchung lag bis zum Verhandlungstermin am 03.12.2020 noch nicht vor.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge des Beklagten, Prozessakten des SG Köln, S 5 AS 1652/17, S 5 AS 22/14, S 30 AS 2626/15, S 30 AS 1200/15 und S 30 AS 4157/17), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

A) Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage gerichtet auf die zuschussweise Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 01.12.2012 bis 30.11.2013 dem Grunde nach stattgegeben.

I. Neben dem angefochtenen Urteil ist Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens der Bescheid vom 03.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 25.02.2015 (§ 95 SGG) betreffend den Leistungszeitraum vom 01.12.2012 bis 30.11.2013. Ziel der Klage ist sowohl die Gewährung der Leistungen als Zuschuss anstelle eines Darlehens als auch die Bewilligung höherer Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen.

II. Ausgehend von diesem Begehren ist die Klage in vollem Umfang zulässig.

Mit Blick auf die Gewährung von Leistungen in dem streitigen Zeitraum als Zuschuss anstelle eines Darlehens muss lediglich der Rechtsgrund der Zahlung verändert werden. Statthaft ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1, 56 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010, B 4 AS 5/09 R, juris Rn. 10 m.w.N.), gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen. Zur Frage der Einhaltung der Klagefrist nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in den Gründen der angefochtenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch ihr Begehren auf Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen dem Grunde nach verfolgt die Klägerin zulässigerweise (mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage; §§ 54 Abs. 1, 56 SGG). Dabei ist unter verständiger Würdigung des Lebenssachverhaltes und Auslegung des Widerspruchs vom 07.10.2013 sowie des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2015 davon auszugehen, dass schon vorprozessual zwischen den Beteiligten nicht nur die Umstellung von darlehensweisen auf zuschussweise Leistungen in Rede stand, sondern auch die Höhe der Leistungen als solches einschließlich der Gewährung von Mehrbedarfen (insbesondere für Strom, Warmwasser und wegen der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Mehrbedarfe schon vor dem hier maßgebenden Zeitraum Gegenstand verschiedener Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten gewesen sind. Dass die Klägerin die von ihr fortlaufend geltend gemachten Mehrbedarfe auch weiterhin beanspruchen würde, konnte vor diesem Hintergrund bei objektiver Betrachtung durch den Beklagten keinem Zweifel unterliegen. Ferner ist von Bedeutung, dass die geltend gemachten Mehrbedarfe untrennbarer Bestandteil des gesetzlichen Regelbedarfs sind (vgl. etwa BSG, Urteil vom 14.02.2013, B 14 AS 48/12 R, juris Rn. 9) und jedenfalls dann von Amts wegen berücksichtigt werden müssen, wenn - wie im vorliegenden Fall - konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Mehrbedarfs vorliegen. Eine gesonderte Antragstellung war insoweit nicht erforderlich (vgl. dazu BSG a.a.O. juris Rn. 10 sowie BSG, Urteil vom 06.05.2010, B 14 AS 3/09 R, juris Rn. 14).

III. Die Klage ist auch in vollem Umfang begründet, weil die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind und die Klägerin dadurch in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG verletzt ist. Denn sie hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II im Zeitraum vom 01.12.2012 bis 30.11.2013 als Zuschuss anstelle eines Darlehens.

1. Der Versagensbescheid vom 08.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2013 steht der Leistungsgewährung jedenfalls inzwischen nicht mehr entgegen, weil der Beklagte diese Entscheidung aufgehoben hat.

2. Die Klägerin gehört dem Grunde nach zu dem nach dem SGB II leistungsberechtigten Personenkreis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und im streitigen Zeitraum die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht.

3. Der Senat kann offenlassen, ob die Klägerin im streitigen Zeitraum erwerbsfähig im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 2 SGB II gewesen ist.

a) Dafür spricht allerdings, dass sie bis zum Jahr 2005 tatsächlich einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, und sich ihr Gesundheitszustand nach ihrem Vortrag seither nicht wesentlich geändert hat. Allein der Umstand, dass die Klägerin anlässlich einer Vorsprache bei dem Beklagten gesagt haben soll, sie sehe sich nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, begründet keinen substantiierten Hinweis auf eine tatsächlich bestehende Erwerbsunfähigkeit. Die Klägerin hat insoweit erläutert, dass ihre Aussage sich auf die fehlende Zurverfügungstellung eines behindertengerechten Teilzeitarbeitsplatzes bezogen hat. Es ist nicht erkennbar, aus welchen konkreten Tatsachen sich eine Erwerbsunfähigkeit der Klägerin ergeben sollte. Die sich aus der Conterganschädigung ergebende körperliche Behinderung bedingt die Notwendigkeit eines behindertengerechten Arbeitsplatzes, führt jedoch erkennbar nicht zu einer Leistungseinschränkung dergestalt, dass jegliche Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit mehr als 15 Stunden wöchentlich ausgeschlossen wäre. Dies scheint nach den bisherigen Angaben der Beteiligten im Übrigen auch das Ergebnis der am 27.10.2020 auf Veranlassung des Beklagten durchgeführten ärztlichen Untersuchung zu sein.

b) Unabhängig davon, ob die Klägerin tatsächlich erwerbsfähig (gewesen) ist, kann sich der Beklagte jedenfalls nicht auf eine ggf. fehlende Erwerbsfähigkeit der Klägerin stützen. Wenn der Beklagte die Erwerbsfähigkeit bezweifelt, ist er gehalten, ein Verfahren nach § 44a SGB II gerichtet auf die Feststellung der Erwerbsfähigkeit einzuleiten. Da er dies (unstreitig) nicht getan hat, bleibt er als Träger der Leistungen nach dem SGB II solange zur Zahlung verpflichtet, bis die Erwerbsunfähigkeit tatsächlich feststeht (vgl. dazu die Nahtlosigkeitsregelung in § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II), d.h. die Erwerbsfähigkeit ist aus rechtlichen Gründen anzunehmen, wenn kein Feststellungsverfahren eingeleitet worden ist (BSG, Urteil vom 05.08.2015, B 4 AS 9/15 R, juris Rn. 14 m.w.N., BSG Urteil vom 02.04.2014, B 4 AS 26/13 R, juris Rn. 49). Der Beklagte darf die fehlende Erwerbsfähigkeit nicht einwenden, ohne den zuständigen Sozialhilfeträger einzuschalten (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R). Die durch den SGB II Träger erbrachten Leistungen des § 44a SGB II stellen insoweit also nicht nur vorläufige, sondern dem Betroffenen endgültig zustehenden Leistungen dar.

Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen im Übrigen Bezug auf die Ausführungen des SG, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG).

c) Soweit der Beklagte mit der Berufung die Gewährung rechtlichen Gehörs rügt, weil das SG vor Erlass des Urteils nicht auf seine Überzeugung bezüglich der Erwerbsfähigkeit der Klägerin hingewiesen hat, greift dies nicht durch. Die Klägerin hat schriftsätzlich zu der nach ihrer Auffassung bestehenden Erwerbsfähigkeit vorgetragen. Der Beklagte hatte Gelegenheit, zu diesem Vortrag Stellung zu nehmen. Das Gericht ist nicht gehalten, im Vorfeld eines Urteils zu allen rechtlichen Gesichtspunkten, auf die es seine Entscheidung stützt, hinzuweisen und seine Rechtsauffassung anzukündigen. Dies gilt jedenfalls wenn - wie im vorliegenden Fall - die wesentlichen Argumente bereits zwischen den Beteiligten ausgetauscht worden sind. (vgl. zum Ganzen etwa Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Auflage 2020, § 62 Rn. 8a).

4. Die Klägerin war auch hilfebedürftig gemäß §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II, da sie weder über bedarfsdeckendes Einkommen (dazu a) und b)) noch über den Freibetrag nach § 12 SGB II hinausgehendes Vermögen verfügte (dazu c)).

a) Der Bedarf der Klägerin setzte sich zusammen aus dem Regelbedarf gemäß § 20 SGB II (i.H.v. 374 EUR monatlich für Dezember 2012 und i.H.v. 382 EUR monatlich ab Januar 2013). Hinzuzurechnen sind neben den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 6 und Abs. 7 SGB II.

aa) Soweit die Klägerin die Bewilligung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs. 4 SGB II (in der hier maßgebenden bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung) beansprucht, lagen dessen Voraussetzungen nicht vor. Nach Satz 1 dieser Regelung wurde bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 SGB XII erbracht wurden, ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Insoweit hat die Klägerin weder vorgetragen noch nachgewiesen, im streitigen Zeitraum entsprechende Leistungen erhalten zu haben. Die ihr bewilligten Leistungen in Form der Kfz-Beihilfe stellen keine Leistungen im Sinne von § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II dar, sondern lediglich solche, die der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dienten.

bb) Zur Überzeugung des Senats steht der Klägerin jedoch ein Mehrbedarf für die Bereitung von Warmwasser gemäß § 21 Abs. 7 SGB II (in der hier maßgebenden seit dem 01.01.2011 geltenden Fassung) zu. Danach wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 SGB II anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person, die - wie die Klägerin - das 15. Lebensjahr vollendet hat, jeweils 2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 oder 4 SGB II (§ 21 Abs. 7 Nr. 1 SGB II), soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht oder ein Teil des angemessenen Warmwasserbedarfs nach § 22 Abs. 1 SGB II anerkannt wird. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Warmwassererzeugung in der Wohnung der Klägerin erfolgt dezentral über die hierfür vorgesehenen Vorrichtungen in Bad (Durchlauferhitzer) und Küche (Boiler). Des Weiteren hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert sowie durch Vorlage der Atteste der Dres. S und V belegt, dass sich über den in § 21 Abs. 7 SGB II pauschalierten Betrag hinaus ein Mehrbedarf auch daraus ergibt, dass sie mehrmals pro Woche - idealerweise täglich - darauf angewiesen ist ein Vollbad zu nehmen, um die sich durch die körperlichen Gegebenheiten ergebenden Fehlbelastungen auszugleichen und die Muskulatur geschmeidig zu halten, da hierfür Maßnahmen der Physiotherapie und das wöchentliche Schwimmen nicht ausreichen. Dies ist mit Blick auf die dauerhafte muskuläre Mehr- bzw. Überbelastung der Wirbelsäule und der Füße, die letztlich die Funktion von Armen und Händen bei der Klägerin übernehmen müssen, für den Senat auch plausibel, nachdem er sich hiervon aufgrund des persönlichen Erscheinens der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung selber einen Eindruck verschaffen konnte. Die genaue Höhe des Mehrbedarfs wird der Beklagte ggf. durch Schätzung zu ermitteln haben (vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 47/14 R zur Schätzung der Stromkosten für den Betrieb einer Gastherme; § 202 SGG i.V.m. § 287 Zivilprozessordnung [ZPO]).

cc) Des Weiteren ist neben dem Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II auch ein Mehrbedarf für die anfallenden Stromkosten über den im Regelbedarf hierfür enthaltenen Anteil (i.H.v. 26,80 EUR) hinaus zu berücksichtigen. Zwar besteht - anders als für die durch die Bereitung von Warmwasser anfallenden Kosten (s.o.) - eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Übernahme weiterer Stromkosten nicht. Diese sind grundsätzlich in dem pauschalierten Regelbedarf nach § 20 SGB II bereits enthalten. Über diesen Anteil hinausgehende Stromkosten sind daher grundsätzlich von den Leistungsberechtigten selbst zu tragen.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die erhöhten Stromkosten aufgrund der besonderen Sachlage unvermeidbar sind. In einem solchen Fall kann - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - über § 21 Abs. 6 SGB II (in der hier maßgebenden seit dem 03.06.2010 geltenden Fassung) ein Mehrbedarf für Stromverbrauch in Betracht kommen. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn die Klägerin ist für die Belange des täglichen Bedarfs auf die dauerhafte Nutzung von Elektrogeräten angewiesen, die im Rahmen einer durchschnittlichen, auf Wirtschaftlichkeitserwägungen basierenden Haushaltsführung nicht, oder jedenfalls nicht in diesem Umfang anfallen.

So muss sie aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen zur Wäschepflege nicht nur - wie in Normalhaushalten üblich - eine Waschmaschine, sondern auch einen Wäschetrockner nutzen. Sie kann nicht darauf verwiesen werden, die Wäsche manuell an einem Wäscheständer zu trocknen, weil sie körperlich nicht dazu in der Lage ist, die hierfür erforderlichen Verrichtungen zu vollziehen. Ebenso wenig ist es ihr nach Auffassung des Senats zumutbar, hierfür dauerhaft Hilfskräfte hinzuziehen.

Desweitern benötigt die Klägerin einen Gefrierschrank, um die von der Assistenz für sie vorbereiteten Lebensmittel einfrieren zu können. Die Klägerin hat nachvollziehbar geschildert, dass die tägliche Zubereitung frischer Speisen für sie selbst sehr beschwerlich ist und viel Zeit in Anspruch nehmen würde.

Ebenso benötigt sie eine Spülmaschine zur Reinigung des Geschirrs, welches sie nicht in der notwendigen Häufigkeit zumutbar selbst manuell im Spülbecken reinigen kann.

Die so fortlaufend entstehenden Strommehrkosten, die zur Überzeugung des Senats auch der Höhe nach nicht nur unwesentlich über dem durchschnittlichen Bedarf liegen, sind auch unabweisbar im Sinne von § 21 Abs. 6 (Satz 2) SGB II, weil sie nicht durch Zuwendungen Dritter bzw. unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Klägerin zu decken sind.

Etwaige Einsparmöglichkeiten sind nicht erkennbar und werden auch von dem Beklagten nicht geltend gemacht. Zuwendungen Dritter, die die Klägerin zur Deckung des Bedarfes verwenden müsste, liegen ebenfalls nicht vor. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus den Leistungen nach dem ContStifG.

Nach der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 6 SGB II (vgl. BT-Drs. 17/1465 S. 9) ist der atypische und überdurchschnittliche Mehrbedarf vorrangig durch alle verfügbaren Mittel zu decken. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere gewährte Leistungen anderer Leistungsträger als der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (z.B. Unterhaltsvorschuss, Leistungen der Kranken und Pflegekassen), Zuwendungen Dritter (z.B. von Familienangehörigen) können in Form von Sach-, Geld- oder Dienstleistungen gewährt werden. Auf die rechtliche Einordnung als Einnahmen kommt es insoweit nicht an.

Zwar verfügt die Klägerin neben den ihr zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II über (erhebliche) monatliche Zahlungen aus der Conterganrente. Diese Leistungen bleiben jedoch gemäß § 18 Abs. 1 ContStifG bei der Berechnung der Leistungen außer Betracht. Ihnen kommt im Wesentlichen eine Entschädigungsfunktion für die Betroffenen zu, wodurch vorrangig entgangene Lebensmöglichkeiten ausgeglichen werden sollen. Infolgedessen ist die Conterganrente (einschließlich der jährlichen Sonderzahlung) zur Bestreitung des Lebensunterhaltes weder bestimmt noch geeignet (vgl. Finanzgericht [FG] Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2016, 12 K 2756, juris Rn. 33 unter Hinweis auf Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.04.2016, III R 28/15) und muss daher auch zur Deckung jedenfalls existenzsichernder Mehrbedarfe nicht eingesetzt werden (a.A. möglicherweise FG Baden-Württemberg a.a.O. Rn. 40). Vielmehr werden solche Mehrbedarfe regelhaft durch weitere konkret definierte und bezifferte Leistungen nach dem ContStifG, dem SGB V oder des Sozialhilfeträgers ausgeglichen und sind nur in diesen Fällen als "Leistungen Dritter" zu berücksichtigen (so etwa Köhler in Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 4/20, § 21 Rn. 80). So hat die Klägerin etwa in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die notwendige Neuanschaffung der elektrischen Toilette sowie der für den Betrieb der Toilette entstehende Mehrbedarf teilweise von der Krankenversicherung getragen und teilweise aus (besonderen) Mitteln der Conterganstiftung (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ContStifG) gedeckt wird.

Hinzu kommt, dass Einnahmen für die Deckung der in § 21 Abs. 6 SGB II vorgesehenen Sonderbedarfe nur berücksichtigt werden, wenn feststeht, dass und in welchem Umfang Geldleistungen und sonstige Zuwendungen Dritter tatsächlich zugeflossen sind. Der Zufluss solcher Leistungen muss konkret nachgewiesen sein und darf nicht lediglich unterstellt oder vermutet werden. Es kommt allein auf den tatsächlichen Zufluss bereiter Mittel, also von Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II, an (Behrend in jurisPK-SGB II, Stand: 02.07.2020, § 21 Rn. 96). In gleicher Weise wie beim Vermögenseinsatz gelten - bezogen auf die Unabweisbarkeit des Bedarfs - auch für die Berücksichtigung von Erwerbseinkommen oder sonstigem Einkommen die allgemeinen Grundsätze zum Einkommenseinsatz nach den §§ 11 ff. SGB II. Auch bei besonderen Bedarfen im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II sind daher etwa zweckbestimmte Einnahmen anrechnungsfrei (§ 11a Abs. 3 SGB II) und Freibeträge aus Erwerbstätigkeit (§ 11b Abs. 3 SGB II) dem Leistungsberechtigten zu belassen (Behrend a.a.O. Rn. 100).

Nach dieser Maßgabe wäre es ein nicht auflösbarer Wertungswiderspruch die als Entschädigungsleistung im Sinne von § 11a SGB II gedachte Conterganrente, deren genaue Höhe und Zuflusszeitpunkt von den Betroffenen nicht mitgeteilt werden muss, und deren Art und Weise der Verwendung allein der Entscheidung des Betroffenen obliegt, ohne dass er hierüber Rechenschaft ablegen müsste, zwar einerseits nach § 18 Abs. 1 ContStifG anrechnungsfrei zu lassen, jedoch andererseits den Einsatz der Entschädigungszahlung zur Deckung des unabweisbaren Lebensbedarfs zu fordern. Nach § 18 Abs. 1 ContStifG bleiben bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem SGB II, SGB III, SGB V und SGB XII sowie dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Leistungen nach dem ContStifG außer Betracht. Die gesetzgeberische Grundentscheidung, Entschädigungszahlungen im Sinne von § 11a SGB II oder nach dem ContStifG den Betroffenen zu belassen und diesen gerade nicht zuzumuten, von diesen Zahlungen ihren existenziellen Bedarf zu decken, wird durch § 21 Abs. 6 SGB II nicht konterkariert. Denn auch ein über dem Regelfall liegender Mehrbedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II gehört zu den existenzsichernden Leistungen, die einen Mindestlebensstandard für die betroffenen Leistungsberechtigten sicherstellen sollen. Sinn und Zweck der Entschädigungsleistung würde vereitelt, wenn diese gerade nicht verpflichtend zur Sicherung der Lebensgrundlage einzusetzende Zahlung auf dem Umweg über § 21 Abs. 6 SGB II im Ergebnis doch zur Sicherung des Existenzminimums herangezogen würde (wie hier - unter kritischer Würdigung der Gesetzesbegründung - S. Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 21 Rn. 72).

Die Höhe des für den Betrieb der Haushaltsgeräte anfallenden Mehrbedarfs an den Stromkosten wird der Beklagte im Rahmen einer Schätzung zu ermitteln haben, wobei hierzu die von der Klägerin bereits am 28.11.2012 eingereichten Belege über die Leistungsaufnahme der einzelnen Geräte Ansatzpunkte liefern.

dd) Des Weiteren sind die Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen.

Diese sind in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, soweit sie angemessen sind. Im Falle der für ein Eigenheim anfallenden Kosten gehören hierzu die gesetzlichen Nebenkosten wie z.B. Grundsteuer- und Gebäudeversicherung, öffentliche Abgaben, Schornsteinfeger sowie die Kosten für Wasser und Heizung im Fälligkeitsmonat. Des Weiteren gehören die Zinszahlungen für auf der Immobilie lastende Darlehen zu den zu übernehmenden Unterkunftskosten. Tilgungsleistungen, die regelmäßig der Vermögensbildung dienen, sind von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II hingegen grundsätzlich nicht erfasst. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Immobilie bereits soweit abgezahlt ist, dass praktisch keine Zinszahlungen mehr anfallen und die Tilgungsraten weniger dem Aufbau als vielmehr dem Erhalt des Vermögens dienen, d.h. also die Vermögensbildung praktisch abgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 22.08.2012, B 14 AS 1/12 R; Piepenstock, in JurisPK-SGB II, Stand: 09.04.2020, § 22 Rn. 76 m.w.N.).

So verhält es sich hier. In dem streitigen Zeitraum war die Wohnung lediglich mit dem zinslosen Darlehen der Stadt C belastet, auf das monatliche Raten i.H.v. 102,26 EUR zu zahlen waren. Die Stadt C hat schriftlich erklärt, mit einer Stundung der Raten nicht einverstanden zu sein. In dem streitigen Zeitraum bestand auch nur eine geringe Restschuld von rund 6.000 EUR, so dass die Übernahme der Tilgungsraten nicht mehr der Vermögensbildung, sondern dem Erhalt der Immobilie diente. Anhaltspunkte dafür, dass die anfallenden Kosten nicht angemessen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gewesen sein könnten, liegen nicht vor und werden von dem Beklagten auch nicht geltend gemacht. Unbeschadet dessen oblag der Klägerin eine Kostensenkung schon deshalb nicht, weil der Beklagte ein Kostensenkungsverfahren nicht durchgeführt hat.

b) Dem so ermittelten Bedarf ist das Einkommen der Klägerin gegenüberzustellen.

Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Als Einkommen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II alle Einnahmen in Geld oder Geldwert zu berücksichtigen, mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper und Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Vom Einkommen sind nach näherer Maßgabe des § 11b SGB II Absetzungen für Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, bestimmte Versicherungsbeiträge, gewisse Altersvorsorgebeiträge, Werbungskosten und ein Freibetrag im Sinne von § 11b Abs. 3 SGB II vorzunehmen. Für die Berechnung des Einkommens ist jeweils der Monat des Zuflusses des Einkommens maßgeblich. Dies gilt auch für einmalige Einnahmen, soweit die Leistungen im Zuflusszeitpunkt noch nicht ausbezahlt worden sind und der Anspruch nicht bei der einmaligen Anrechnung in einem Monat entfallen würde (§ 11 SGB II). In diesem Fall ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig zu verteilen.

Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum nicht über Einnahmen aus Erwerbstätigkeit.

Zutreffend geht sie ferner davon aus, dass die Conterganrente gemäß der ausdrücklichen Anordnung in § 18 Abs. 1 ContStifG anrechnungsfrei bleibt (s.o. a), cc)). Auch die Leistungen der Pflegekasse in Form von Pflegegeld sowie der nach Art. 51 Abs. 1 PflegeVG zur Besitzstandswahrung vom Sozialamt der Stadt C gezahlte Betrag sind anrechnungsfrei (vgl. § 13 Abs. 5 Satz 1 SGB XI).

Soweit der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II unter dem Gesichtspunkt des "Abstandsgebotes" für unbillig erachtet und meint, angesichts der der Klägerin zur Verfügung stehenden Mittel sei die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II darüber hinaus nicht gerechtfertigt, findet diese Auffassung keine Stütze in den eindeutig formulierten gesetzlichen Regelungen.

Demgegenüber sind die Zinsen, welche die Klägerin aus dem vorhandenen Vermögen zieht unabhängig davon, ob das Vermögen aus der geschützten Conterganrente angespart worden ist, als Einkommen nach § 11 SGB II anzusehen und entsprechend zu berücksichtigen. Die Zinsen genießen keinen besonderen Schutz, weil sie keine Leistungen nach dem ContStifG, sondern Leistungen Dritter (nämlich der Bank) sind und auf dem mit diesem abgeschlossenen Rechtsgeschäft beruhen (BSG, Urteil vom 23.03.2010, B 8 SO 2/09 R, juris Rn. 19). Die Zinseinahmen sind grundsätzlich in dem Monat des Zuflusses zu berücksichtigen und nach § 6 Abs. 1 Arbeitslosengeld II Verordnung (ALG II - VO) um die Versicherungspauschale i.H.v. 30 EUR zu bereinigen. Im Monat Dezember 2012 sind der Klägerin Zinseinnahmen i.H.v. 127,56 EUR zugeflossen. Im Jahr 2013 belaufen sich ihre Zinseinnahmen auf insgesamt 174,41 EUR. Den genauen Zuflusszeitpunkt wird der Beklagte anhand (ggf. noch beizuziehender) Kontoauszüge der Klägerin zu ermitteln haben. Selbst wenn der Betrag als Einmalzahlung zugeflossen sein sollte, wäre auch für den entsprechenden Monat der Bedarf nicht vollständig gedeckt und durch die Berücksichtigung der Tilgungsleistung i.H.v. 102,26 EUR sowie der Mehrbedarfe für Strom und Warmwasser ein höherer als der bisher anerkannte Leistungsanspruch gegeben.

Als Einkommen sind darüber hinaus die monatlichen Einnahmen aus der (etwaigen) Vermietung der Garage i.H.v. 30,68 EUR zu berücksichtigen. Sofern die Vermietung der Garage im streitigen Zeitraum nicht mehr erfolgt sein sollte, wird die Klägerin entsprechende Nachweise zu erbringen haben.

c) Der Hilfebedürftigkeit der Klägerin steht schließlich auch nicht etwaiges einsatzpflichtiges Vermögen - insbesondere nicht die von ihr bewohnte Eigentumswohnung - entgegen.

Gemäß § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Vermögen ist hierbei alles, was der Betroffene vor Antragstellung bereits innehat, im Unterschied zu Einkommen, worunter all dasjenige fällt, was der Betroffene nach Antragstellung dazu erhält (Geiger in Münder, Sozialgesetzbuch II, 6. Auflage 2017, § 11 Rn. 15 ff.). Nach § 12 Abs. 2 SGB II sind von dem Vermögen abzusetzen ein Grundfreibetrag i.H.v. 150 EUR je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 3.100 EUR sowie der Freibetrag für notwendige Anschaffungen i.H.v. 750 EUR (§ 12 Abs.2 Nr. 4 SGB II). Die nicht als Vermögen zu berücksichtigenden Gegenstände ergeben sich aus § 12 Abs. 3 SGB II. Gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II sind dies insbesondere Sachen und Rechte, deren Verwertung unwirtschaftlich ist oder eine besondere Härte für den Betroffenen darstellen würde. Die Bewertung erfolgt anhand des Verkehrswertes zum Zeitpunkt der Antragstellung, wobei erhebliche Wertänderungen zu berücksichtigen sind (§ 12 Abs. 4 SGB II). Maßgeblich für die Frage der Verwertbarkeit eines Gegenstandes ist auch, in welchem zeitlichen Rahmen die Verwertung am Markt realisiert werden kann. Ist eine (wirtschaftliche) Verwertung aufgrund der tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten erst nach Ablauf eines Zeitraumes von sechs Monaten möglich, so sind dem Betroffenen die Leistungen zunächst mangels Realisierbarkeit der Forderung als Zuschuss zu gewähren. Nach Ablauf der sechsmonatigen Frist hat eine erneute Prüfung der Verwertungsmöglichkeiten unter Einschluss einer Prognoseentscheidung zu erfolgen. Sofern die Verwertung zwar nicht unmittelbar, jedoch im Regelfall innerhalb des zeitlichen Rahmens von sechs Monaten möglich ist, sind die Leistungen als Darlehen zu erbringen (BSG, Urteil vom 27.01.2009, B 14 AS 42/07 R). Leistungsberechtigte sind nach den allgemeinen Grundsätzen des § 9 SGB II und der §§ 60 ff SGB I verpflichtet, alle zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit erforderlichen und möglichen Maßnahmen zu ergreifen und an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Verhindern Leistungsberechtigte die Aufklärung des Sachverhaltes und ist so eine Amtsermittlung durch die Behörde nicht möglich, gehen etwaige Unklarheiten zu ihren Lasten.

Davon ausgehend handelt es sich bei der von der Klägerin bewohnte Eigentumswohnung nicht um verwertbares Vermögen im Sinne von § 12 SGB II. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil vom 20.07.2017, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Es ist schon davon auszugehen, dass die Wohnung bereits nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II als angemessen anzusehen und damit geschützt ist. Nach der Rechtsprechung des BSG ist insoweit für einen Ein-Personen-Haushalt von einer angemessenen Größe von 80 m² auszugehen, wobei es sich allerdings nicht um eine starre Größe handelt. Vielmehr ist je nach Einzelfall ein Zuschlag zu der als angemessen erachteten Quadratmeterzahlt zu machen (BSG, Urteil vom 24.05.2017, B 14 AS 16/16 R, juris Rn. 24 f.). Hiernach ist grundsätzlich eine Erhöhung um 10 Prozent noch im angemessenen Rahmen. Aber auch dies stellt keine starre Grenze dar. Vielmehr kann aufgrund einer besonderen Bedarfslage auch eine weitergehende Erhöhung möglich sein (BSG, Urteil vom 24.05.2017, B 14 AS 16/16 R, juris Rn. 25).

Angesichts der bei der Klägerin bestehenden Conterganschädigung, durch die sie gezwungen ist, sämtliche Verrichtungen mit den Füßen durchzuführen sowie im Hinblick auf ihre Körpergröße können Schränke nur bis zu einer Höhe von 1,20 m genutzt werden. Insoweit ist sie gezwungen, Stauraum nicht in der Höhe, sondern in der Breite zu schaffen und zu nutzen, so dass unter diesem Gesichtspunkt eine deutliche Erhöhung der Wohnfläche geboten ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin plausibel dargelegt hat, mehrmals im Monat auf eine Assistenz angewiesen zu sein, die ggf. auch in der Wohnung übernachtet. Diese Gesichtspunkte sind bei der Ermittlung einer angemessenen Wohnungsgröße zu berücksichtigen, so dass insgesamt eine Wohnungsgröße von ca. 119 m² noch als angemessen anzusehen sein dürfte.

Unabhängig davon stellt jedoch die Verwertung der Immobilie - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - jedenfalls eine besondere Härte für die Klägerin dar. Eine solche liegt gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II dann vor, wenn die Verwertung von dem Betroffenen ein Sonderopfer abverlangen würde, das weit über dasjenige hinausgeht, das die Verwertung einer Immobilie, die den Lebensmittelpunkt des Betroffenen bildet, ohnehin bedeutet. Auch insoweit folgt der Senat der Abwägung, die das SG umfassend und zutreffend vorgenommen hat.

Die Klägerin hat nachgewiesen, dass die Wohnung zumindest in weiten Teilen aus Mitteln der Conterganrente erworben worden ist. Das BSG hat in dem Urteil vom 12.10.2017, B 4 AS 19/16 R, juris Rn. 30 bestätigt, dass Vermögen, welches aus Mitteln erworben wird, denen eine Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion zukommt - wie z.B. Blindengeld oder eben Leistungen nach dem ContStifG - anders als aus Leistungen des SGB II angespartes Vermögen, ebenfalls nicht der Verwertung unterliegen. Zu berücksichtigen ist auch, dass es widersinnig wäre, die Anschaffung der Wohnung einerseits mit öffentlichen Mitteln zu fördern und diese mit solchen Mitteln umzubauen, andererseits jedoch die Verwertung der Wohnung zu verlangen.

Eine besondere Härte ergibt sich auch daraus, dass die Wohnung mit öffentlichen Mitteln umfassend umgebaut und auf die besonderen, behinderungsbedingten Bedürfnisse der Klägerin angepasst worden ist. Zu nennen sind hier insbesondere die Absenkung der Fenster und Türgriffe, die Gegensprechanlage, die Fußschalter zum Bedienen der Wasserhähne, die behindertengerechte Toilette und die Auszugselemente bei Kühlschrank und Elektrogeräten. Im Falle der Verwertung wäre die Klägerin gezwungen, eine vergleichbare Wohnung zu finden und ggf. erneut mit öffentlichen Mitteln behindertengerecht umzubauen.

Zu berücksichtigen ist dabei ferner, dass die Klägerin aufgrund ihrer schweren Behinderung oftmals auf das von ihr in der Nachbarschaft aufgebaute Netzwerk angewiesen ist. So hat sie in der mündlichen Verhandlung geschildert, dass sie bei der Bewältigung des Alltages auf die Unterstützung und Rücksichtnahme durch ihre Nachbarn zählen kann. Dies kann nicht ohne weiteres auch für ein neues Wohnumfeld vorausgesetzt werden.

Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände wäre die Klägerin durch die Verwertung der Wohnung in weit größerem Maße belastet, als andere Personen, denen eine Verwertung ihrer selbstgenutzten Immobilie zur Deckung des Lebensunterhalts zugemutet wird.

5. Die Klägerin hat keinen bezifferten Klageantrag gestellt, sondern höhere Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen und damit die Verurteilung des Beklagten dem Grunde nach (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG) beantragt. Der Erlass eines Grundurteils ist auch im Höhenstreit zulässig, wenn das Gericht den Sachverhalt so umfassend aufklärt, dass mit Wahrscheinlichkeit von höheren Leistungen ausgegangen werden kann, wenn man der Begründung der Klage folgt (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R, Rn. 16; BSG, Urteil vom 18.05.2010, B 7 AL 49/08 R, Rn. 9; BSG, Urteil vom 16.04.2013, B 14 AS 81/12 R, Rn. 10; LSG NRW, Urteil vom 28.11.2011, L 20 SO 82/07, Rn. 64 - alle juris; Haupt, in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Auflage 2020, § 130 Rn. 3-6).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Lediglich die konkrete Leistungshöhe basierend auf dem im jeweiligen Zuflussmonat anrechenbaren Einkommen aus den gezogenen Zinsen des Jahres 2013 sowie die Höhe der Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 6 und Abs. 7 SGB II für Strom und Warmwasser im streitigen Zeitraum werden von dem Beklagten vor Erteilung des Bescheides konkret zu ermitteln sein. Nach den getroffenen Feststellungen sind die Zinseinkünfte nicht bedarfsdeckend. Durch die bisher unberücksichtigt gebliebenen Mehrbedarfe für Strom und Warmwasser sowie die ebenfalls nicht berücksichtigten Tilgungszahlungen i.H.v. 102,26 EUR monatlich, ergibt sich selbst dann (für jeden einzelnen Monat des streitigen Zeitraumes) ein höherer Leistungsanspruch der Klägerin, wenn die Zinseinnahmen im Jahr 2012 bzw. 2013 nur auf einen Monat entfallen würden und die Klägerin Einnahmen aus der Vermietung der Garage i.H.v. 30,68 EUR monatlich gehabt hätte (s.o. 4., b)).

Die Feststellung des konkreten Auszahlungsanspruches der Höhe nach ist nicht Gegenstand des Grundurteils, sondern im Rahmen des aufgrund des Urteils zu erlassenden Bescheides von dem Beklagten auf Basis der Feststellungen des Urteils zu ermitteln. Der vollstreckungsfähige Inhalt des Urteils beschränkt sich auf die Verpflichtung des Beklagten einen entsprechenden Bescheid zu erteilen.

B) Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

C) Der Senat hat die Revision im Hinblick auf die Frage der Anrechenbarkeit der Conterganrente als Leistung Dritter auf die sich aus § 21 Abs. 6 SGB II ergebenden Mehrbedarfe zugelassen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Leistungen Dritter bei der Ermittlung des Sonderbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II zu berücksichtigen sind und auf welche Einsparmöglichkeiten Betroffene verwiesen werden können, ist höchstrichterlich bisher nicht geklärt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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