S 3 AL 52/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AL 52/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 11.12.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2003 verurteilt, dem Kläger auch für den Zeitraum vom 01.03.2002 bis zum 31.03.2002 Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu bewilligen. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des dem Kläger gewährten Insolvenzgeldes.

Der Kläger war als Maurer bei der Firma F2. U2 GmbH & Co. KG (nachfolgend: U2 GmbH) in F beschäftigt. Seit März 2002 zahlte der Arbeitgeber keinen Lohn mehr. Deshalb erklärte der Kläger in einem Gespräch am 23.04.2002 gegenüber der Geschäftsleitung der U2 GmbH, dass er das Arbeitsverhältnis kündige. Eine schriftliche Kündigung erfolgte nicht. Am 28.04.2002 nahm der Kläger eine neue Beschäftigung bei der Firma T in M auf.

Der Kläger beantragte am 24.06.2002 bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld und machte über diesen Weg rückständige Arbeitsentgeltansprüche gegenüber der U2 GmbH für den Zeitraum vom 01.03.2002 bis zum 23.04.2002 geltend. Über das Vermögen der U2 GmbH wurde am 01.07.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt Dr. U zum Insolvenzverwalter bestimmt. Der Insolvenzverwalter bescheinigte dem Kläger rückständige Arbeitsentgeltansprüche für den Monat März 2002 in Höhe von 1.698,56 EUR und für den Zeitraum vom 01.04.2002 bis zum 23.04.2002 in Höhe von 1.381,72 EUR. Gleichzeitig übersandte er eine zwischen ihm und dem Kläger am 26.10.2002 geschlossene "Auflösungsvereinbarung". Hierin heißt es u. a., dass das am 17.03.1993 zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 23.04.2002 beendet worden sei.

Mit Bescheid vom 11.12.2002 bewilligte die Beklagte Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.04.2002 bis zum 23.04.2002 in Höhe von 1.381,72 EUR.

Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt. Er vertritt die Auffassung, dass ihm Insolvenzgeld auch für die offenen Arbeitsentgeltansprüche aus dem Monat März 2002 zu gewähren sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2003 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dem Kläger stünden keine weiteren Insolvenzgeldansprüche zu. Die mündliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur U2 GmbH vom 23.04.2002 sei gemäß § 623 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht wirksam gewesen. Die rückwirkend geschlossene Auflösungsvereinbarung vom 26.10.2002 werde nicht anerkannt, so dass das Arbeitsverhältnis am Tage der Insolvenz des Arbeitgebers noch nicht beendet gewesen sei. Insolvenzgeld könne daher nur für die Monate April bis Juni 2002 gezahlt werden. Über den 23.04.2002 hinaus habe der Kläger keinen Entgeltanspruch, da er durch seine Kündigung deutlich gemacht habe, nicht zur Fortsetzung der Tätigkeit bereit gewesen zu sein.

Am 26.02.2003 hat der Kläger Klage erhoben. Er verweist darauf, dass er bereits zum 28.04.2002 eine neue Arbeit aufgenommen habe. Die Beklagte dürfe sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf die mangelnde Form der Kündigung nach § 623 BGB berufen.

Mit Beschluss vom 05.05.2003 wurde der Insolvenzverwalter, Herr Rechtsanwalt Dr. U zum Verfahren beigeladen. Der Beigeladene vertritt die Auffassung, dass die Auflösungsvereinbarung vom 26.10.2002 rechtlich zulässig sei. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der U2 GmbH sei damit zum 23.04.2002 beendet worden und dem Kläger Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.03.2002 bis zum 23.04.2002 zu zahlen.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.12.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2003 zu verurteilen, ihm auch für den Zeitraum vom 01.03.2002 bis zum 31.03.2002 Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu bewilligen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Insolvenzgeld-Nr. 5055) waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 11.12.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2003 ist insoweit rechtswidrig, als dem Kläger ein zu geringes Insolvenzgeld bewilligt worden ist. Der Kläger ist hierdurch in seinen Rechten verletzt (§ 54 Abs. 2 SGG).

Nach § 183 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (Insolvenzereignis), für die vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

Der Kläger war bei der U2 GmbH als Arbeitnehmer beschäftigt. Über das Vermögen der Arbeitgeberin wurde am 01.07.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Insolvenzgeldanspruch sichert rückständige Arbeitsentgeltansprüche nur für die letzten, dem Insolvenzereignis vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses (vgl. Roeder in Niesel, SGB III, 2. Auflage, § 183 Rz. 47). Zwar hat der Kläger seine Beschäftigung bei der U2 GmbH am 23.04.2002 beendet. Die von ihm mündlich ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses war jedoch gemäß § 623 BGB unwirksam. Rechtsfolge wäre, dass das Arbeitsverhältnis auch über den 23.04.2002 hinaus fortbestand. Insolvenzgeld wäre dann nur für die Monate April 2002 bis Juni 2002 zu bewilligen. Der Arbeitsentgeltausfall nach Ende der Beschäftigung ist einbezogen, wenn das Arbeitsverhältnis andauert (vgl. Roeder, a. a. O.). Dies stellt keinen Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben dar. Das Arbeitsverhältnis des Klägers zur U2 GmbH wurde auch nicht durch die Aufnahme seiner neuen Tätigkeit bei der Firma T beendet.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat jedoch der Aufhebungsvertrag vom 26.10.2002 das Arbeitsverhältnis des Klägers zur U2 GmbH mit Ablauf des 23.04.2002 aufgelöst. Ein Aufhebungsvertrag kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ein Arbeitsverhältnis auch rückwirkend zu dem vereinbarten Termin auflösen, wenn das Arbeitsverhältnis bereits außer Vollzug gesetzt war (BAG, Urteil vom 10.12.1998, Az: 8 AZR 324/97, NZA 1999, 422). Da der Kläger nach dem 23.04.2002 nicht mehr für die U2 GmbH beschäftigt war, konnte das Arbeitsverhältnis auch mit rückwirkender Kraft zu diesem Termin aufgelöst werden. Die "Auflösungsvereinbarung" vom 26.10.2002 wahrt das Schriftformerfordernis des § 623 BGB. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der U2 GmbH wurde mithin rechtswirksam zum 23.04.2002 beendet. Die 3-Monats-Frist des § 183 Abs. 1 S. 1 SGB III endet mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger hat damit auch Anspruch auf Gewährung von Insolvenzgeld wegen der rückständigen Lohnzahlungen der U2 GmbH aus dem Zeitraum vom 01.03.2002 bis zum 31.03.2002.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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