L 16 KR 73/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 73/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 31 KR 54/98 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Keine Befreiung von Arzneimittelzuzahlung, wenn die Altersrente und der anzurechende Teil der Unfallrente die maßgebende Einkommensgrenze überschreitet.
Die Klägerin begehrt die vollständige Befreiung von der Arzneimittelzuzahlung. Sie bezieht eine Altersrente und eine Unfallrente nach einer MdE von 40 %.
Die Klägerin kann die begehrte Befreiung nicht verlangen, weil ihr Einkommen die maßgebende monatliche Einkommensgrenze von 1.708 DM (1997) übersteigt. Dabei ist die Altersrente voll und die Unfallrente teilweise als Einkommen zu berücksichtigen. Von der Unfallrente bleibt nur der Anteil anrechnungsfrei, welcher der bei gleicher MdE zu gewährenden Beschädigungsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz entspricht. Dieser Teil der Unfallrente stellt einen Ausgleich für einen unfallbedingten Mehrbedarf dar.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid vom 07.05.1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin ab Januar 1997 die vollständige Befreiung von der Zuzahlung zu Arznei-, Verbands- und Heilmitteln sowie für Fahrtkosten verlangen kann.

Die 1934 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie war für 1996 von der Zuzahlungspflicht befreit. Ihren am 05.12.1996 gestellten Antrag auf weitere vollständige Befreiung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.01.1997 mit der Begründung ab, das Einkommen der Klägerin überschreite die ab 01.01.1997 gültige Einkommensgrenze von 1.708,-- DM monatlich. Neben ihrer BfA-Altersrente in Höhe von 1.279,34 DM beziehe sie aus der gesetzlichen Unfallversicherung eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. in Höhe von monatlich 789,50 DM. Hiervon sei nur ein Betrag von 287,-- DM als Ausgleich eines unfallbedingten Mehrbedarfs anrechnungsfrei. Der anzurechnende Betrag der Verletztenrente sei 502,50 DM. Zusammen mit der BfA-Rente komme die Klägerin auf monatliche Einnahmen zum Lebensunterhalt in Höhe von insgesamt 1.781,84 DM.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Widerspruch eingelegt und am 13.08.1997 vor dem Sozialgericht Detmold Klage erhoben. Zur Begründung machte sie im wesentlichen geltend, ihre Einkommenslage habe sich im Vergleich zu 1996 nicht geändert. Zudem habe die Beklagte zu geringe Freibeträge von ihrem Einkommen in Abzug gebracht. Von der BfA beziehe sie eine Rente als Schwerbehinderte und Erwerbsunfähige. Ihr stehe nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG ein Freibetrag von monatlich 1.110,-- DM zuzüglich eines Betrages von 798,-- DM als Schwerstbeschädigtenzulage nach Abs. 5 Stufe VI dieser Vorschrift zu.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.1997 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.05.1998 u.a. mit folgender Begründung abgewiesen: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf vollständige Befreiung von der Zuzahlung ab Januar 1997, weil in der Zuzahlung keine für sie unzumutbare Belastung liege. Mit ihrem Einkommen überschreite sie die für 1997 geltende Einkommensgrenze von 1.708,-- DM und die aktuelle Grenze von 1.736,-- DM. Als Einnahmen zum Lebensunterhalt seien ihre Altersrente von zumindest derzeit 1.279,34 DM und ein Verletztenrentenanteil von 497,50 DM (bzw. bis zum 30.06.1997 von 501,50 DM), mithin zusammen 1.776,84 DM (bzw. bis zum 30.06.1997 1.780,84 DM) als anrechenbares Einkommen vorhanden. Unzutreffend gehe die Klägerin von einem weit höheren Freibetrag aus. Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung werde bis zur Höhe des Betrages nicht berücksichtigt, als sie in der Kriegsopferversorgung bei gleicher MdE der Beschädigtengrundrente (§ 31 Abs. 1 BVG) entspreche. Die Klägerin verkenne, daß die für die Berechnung des Freibetrages maßgebliche MdE verbindlich durch den Unfallversicherungsträger vorgegeben werde. Die Krankenkasse habe die Entscheidung der zuständigen Berufsgenossenschaft über Art und Höhe der Verletztenrente ohne die Möglichkeit einer eigenen Überprüfung ihrer Entscheidung zugrundezulegen. Die Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel habe die Unfallfolgen mit einer MdE von 40 v.H. und nicht, was für eine Erwerbsunfähigkeit nach § 31 Abs. 1 BVG erforderlich wäre, mit 100 v.H. festgestellt. Nur die nach der MdE von 40 v.H ... berechnete Grundrente nach § 31 Abs. 1 BVG (bis zum 30.06.1997 288,-- DM bzw. ab dem 01.07.1997 292,-- DM jeweils bei einer MdE von 40 v.H.) gelte nach dem Willen des Gesetzgebers als der Teil der Verletztenrente, der nicht ausschließlich - etwa wie die voll anzurechnende Altersrente - Lohnersatzfunktion hat, sondern eine Art Ausgleich für Schmerzen und schädigungsbedingten Mehraufwand darstellt. Nur dieser Anteil der Verletztenrente sei bei der Einkommensanrechnung für die Zuzahlungen unberücksichtigt zu lassen. Der restliche Teil sei jedoch als reines Erwerbsersatzeinkommen voll anzurechnen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die gewährte Verletztenrente keine Schwerstbeschädigtenzulage nach § 51 Abs. 5 Stufe VI BVG, denn dafür werde eine unfallbedingte MdE von 100 Prozent vorausgesetzt. Dies sei bei der Klägerin trotz ihrer anerkannten Behinderungen nicht der Fall. Schließlich könne die Klägerin keine Rechte aus der für das Jahr 1996 bewilligten vollständigen Zuzahlungsbefreiung herleiten. Diese Befreiung sei nämlich bis zum 31.12.1996 befristet gewesen. Ein Vertrauensschutz für die Zukunft sei hierdurch nicht begründet worden.

Die Klägerin hat gegen den ihr am 16.05.1998 zugestellten Gerichtsbescheid am 16.06.1998 Berufung eingelegt und vorgetragen: Die ihr zustehenden Freibeträge seien nicht voll berücksichtigt worden. Sie habe 1986 einen Berufsunfall erlitten. Von der Berufsgenossenschaft erhalte sie eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. Sie sei 100 Prozent schwerbehindert. Seit 1988 sei ihr zusätzlich das Merkmal "aG" zuerkannt worden. Ab 1993 sei sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Berufsgenossenschaft wälze die Schmerzmedikamenten-, Heilmittel-, Verband- und Fahrtkosten auf die Beklagte ab, die die Kosten seit 1997 nicht mehr voll übernehme. Dies sei nicht korrekt, weil sich ihr Einkommen nicht erhöht habe.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

Die Beklagte beantragt,

Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend und ihre angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

Die Klägerin ist ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 01.09.1998 zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.09.1998 geladen worden. Sie ist im Termin weder erschienen noch vertreten gewesen. Ihr Nichterscheinen hat sie durch Vorlage eines ärztlichen Attestes des Arztes für Orthopädie Dr. B. entschuldigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte die Streitsache im Termin zur mündlichen Verhandlung auch in Abwesenheit der Klägerin entscheiden, weil diese in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Ein Grund zur Vertagung liegt nicht vor, weil dem Fax der Klägerin vom 16.09.1998 nicht das Begehren nach der persönlichen Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu entnehmen ist.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 07.05.1998 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 08.01.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.09.1997 ist nämlich nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin kann nämlich die Befreiung von der Zuzahlungspflicht zu Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie für Fahrtkosten ab Januar 1997 nicht verlangen.

Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im Berufungsverfahren haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, die Anlaß für eine andere Beurteilung des Sachverhalts sein könnten. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte die Befreiung von der Zuzahlung nicht aufgehoben. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung über die Befreiung war diese befristet bis zum 31.12.1996. Für die Zeit ab Januar 1997 führte die Beklagte auf den Antrag der Klägerin vom 03.12.1996 ein neues Verwaltungsverfahren durch. Die Voraussetzungen für die Befreiung waren in diesem Verfahren - wie geschehen - zu überprüfen und wurden von der Beklagten zu Recht verneint. Die Beklagte war insbesondere nicht an ihre frühere Falschbeurteilung (Unterlassen der teilweisen Anrechnung der Verletztenrente) gebunden. Aus der früheren Falschbeurteilung erwächst zugunsten der Klägerin kein Vertrauensschutz bei einer neuen Überprüfung der Voraussetzungen in einem späteren Zeitraum.

Abschließend weist der Senat darauf hin, daß auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Befreiung von Zuzahlungen nach § 61 SGB V die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Einnahme zum Lebensunterhalt (nur) insoweit nicht zu berücksichtigen ist, als sie der bei gleicher MdE zu gewährenden Beschädigtengrundrente nach dem BVG entspricht (BSG, Urteil vom 08.12.1992 - 1 RK 11/92 - in: SozR 3-2500 § 61 Nr. 1 ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlaß, die Revision zuzulassen besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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