L 16 KR 53/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 9 Kr 79/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 53/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 25/01 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 12. Februar 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Abrechenbarkeit der facharztgruppenspezifischen Ordinationsgebühr nach B I Ziffer 1 des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) sowie der Konsultationsgebühr nach B I Ziffer 2 EBM in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung, wenn Krankenhäuser ambulante Operationen gemäss § 115 b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) durchführen.

Die Rechtsvorgängerin des Klägers führte als Universitätsklinik ambulante Operationen entsprechend § 115 b Abs. 1 SGB V durch und stellte der Beklagten in der Zeit vom 27.03. bis 08.07.1996 Ordinations- und Konsultationsgebühren in Rechnung. Mit Abrechnungen vom 11.04., 12.07., 26.07., 29.07. und 06.08.1996 kürzte die Beklagte die auf die vorgenannten Gebühren entfallenden Beträge um insgesamt DM 351,-- DM. Sie begründete die Kürzungen hinsichtlich der Ordinationsgebühren damit, dass gemäss B I Ziffer 1 EBM jeweils nach Versichertengruppe nicht die Punktzahl für die jeweils handelnden Fachärzte, sondern die Punktzahl 180 anzusetzen sei, die laut EBM u.a. für Institutionen mit Einzelleistungsabrechnungen gelte. Mit Abrechnung vom 12.02.1996 lehnte die Beklagte auch die Zahlung der in Rechnung gestellten Konsultationsgebühren ab mit der Begründung, dass diese weder durch ermächtigte Krankenhausärzte noch durch ermächtigte Institute mit Einzelleistungsabrechnung geltend gemacht werden könnten.

Gegen diese Kürzungen hat die Rechtsvorgängerin des Klägers am 02.09.1996 Klage erhoben und vorgebracht, die Krankenhausseite sei an der Neufassung des zum 01.01.1996 in Kraft getretenen EBM nicht beteiligt gewesen. Dieser sei auf Bundesebene zwischen der kassenärztlichen Bundesvereinigung und den GKV-Spitzenverbänden vereinbart worden. Die gesetzliche Regelung in § 115 b SGB V sowie die im dreiseitigen Vertrag auf Bundesebene vereinbarten Rahmenbedingungen zum ambulanten Operieren im Krankenhaus könnten durch die Regelung in einer Gebührenordnung nicht außer Kraft gesetzt werden. Bei Erbringung gleicher Leistungen müßten für Krankenhäuser und Vertragsärzte zwingend die gleichen Punktzahlen abrechenbar sein, um dem Grundsatz einer einheitlichen Vergütung für Krankenhäuser und Vertragsärzte gerecht zu werden. Daran ändere auch nichts, dass mit Inkrafttreten des neuen EBM bestimmte Leistungen u.a. zur Komplexgebühr neu zusammengefaßt und zum Teil anders bewertet worden seien. Soweit die Beklagte auf ein unterschiedliches Leistungsspektrum im Bereich der Vertragsärzte einerseits und der Krankenhäuser andererseits abstelle, stehe dies nicht in Einklang mit der tatsächlichen Situation in den Krankenhäusern. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Patient bereits vor- oder sogar ausdiagnostiziert sei, da er für die Durchführung der ambulanten Operation im Krankenhaus nicht unbedingt der Einweisung durch einen niedergelassenen Vertragsarzt bedürfe. Selbst im Falle einer Überweisung auf Veranlassung eines niedergelassenen Arztes könne der Krankenhausarzt gemäss dem dreiseitigen Vertrag in medizinisch begründeten Fällen sogar bereits durchgeführte Untersuchungen nochmals veranlassen bzw. zusätzlich erforderliche, auf das eigene Fachgebiet bezogene diagnostische Leistungen im Krankenhaus durchführen lassen. In jedem Falle sei der die ambulante Operation durchführende Arzt nach dem dreiseitigen Vertrag verpflichtet, in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob der Gesundheitszustand des Patienten überhaupt eine ambulante Durchführung der Operation erlaube. Der Aufwand im Zusammenhang mit der Durchführung einer ambulanten Operation sei in Krankenhäusern nicht geringer als der hierbei entstehende Aufwand im vertragsärztlichen Bereich. Insofern sei es nicht gerechtfertigt, lediglich die mit 180 Punkten bewertete Sonderordinationsgebühr anzusetzen. Auch der von der Kassenseite häufig vorgetragene Hinweis auf den Landesinvestitionskostenzuschuss und darauf, dass die Aufwendungen für die Einrichtung (wie z.B. Miete, Personal etc.) im Krankenhaus ohnehin vorgehalten und über öffentliche Mittel finanziert würden, rechtfertige nicht die geringere Vergütung. Aufwendungen wie Miete, Personal etc. rechneten zu den Betriebskosten, die gerade nicht über Investitionskostenzuschüsse, sondern durch die Abrechnung mit den Krankenkassen zu finanzieren seien. Die Rechtsvorgängerin des Klägers hat Musterberechnungen vorgelegt und vorgetragen, hieraus werde, bis auf eine einzige Ausnahme, durchgehend eine signifikante Absenkung von bis zu 84,09 % der abrechenbaren Punktzahlen für die im einzelnen aufgeführten Leistungen deutlich. Dies zeige, dass die angestrebte Vergütungspraxis im Bereich der ambulanten Operationen für die Krankenhäuser zu einer völlig inakzeptablen finanziellen Situation führe. Die Regelung des § 115 b Abs. 1 Ziffer 2 SGB V bezwecke eine gleichwertige Sonderregelung für den Bereich des ambulanten Operierens außerhalb der Regelungen für Institutsermächtigungen mit Einzelleistungsabrechnung. Dementsprechend verbiete sich auch eine Eingruppierung der ambulante Operationen durchführenden Krankenhäuser als "ermächtigte Krankenhausärzte" bei der Abrechnung der Konsultationsgebühr nach B I Ziffer 2 EBM. Die Rechtsvorgängerin des Klägers hat Kopien des am 01.04.1993 in Kraft getretenen "Vertrages nach § 115 b Abs. 1 SGB V - ambulantes Operieren im Krankenhaus - (geschlossen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung), der am 01.01.1994 in Kraft getretenen "Vereinbarung zu den regelungsbedürftigen Tatbeständen des Vertrages nach § 115 b Abs. 1 SGB V (geschlossen zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und den gesetzlichen Krankenkassen) sowie der am 01.07.1993 in Kraft getretenen Vereinbarung zu den regelungsbedürftigen Tatbeständen des Vertrages nach § 115 b SGB V (geschlossen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft) vorgelegt, auf die Bezug genommen wird.

Die Rechtsvorgängerin des Klägers hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 351,22 DM zu zahlen, hilfsweise, die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Ablehnung der streitigen Vergütung sei zu Recht erfolgt. Die Ordinationsgebühr sei eine Komplexgebühr, in der arztgruppenspezifisch verschiedene Standardleistungen zusammengefaßt würden. Ihrer Kalkulation lägen die von der kassenärztlichen Vereinigung ermittelten durchschnittlichen Leistungen sowie die hiermit verbundenen Kosten der verschiedenen Arztgruppen zugrunde. Hierin seien beispielsweise auch Investitionskosten enthalten. Die Gebühr decke den Aufwand des Vertragsarztes in einem ganzen Quartal. Der Ansatz der Ordinationsgebühr mit 180 Punkten für ermächtigte Krankenhaus ärzte, nicht genannte Arztgruppen oder Institutionen mit Einzelabrechnung stehe im Einklang mit der Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen. Dieser Ansatz sei auch sachgerecht, weil im Krankenhausbereich weder Investitionskosten gedeckt werden müßten, noch der dort im Zusammenhang mit einer ambulanten Operation entstehende Aufwand mit dem der Vertragsärzte in einem Quartal zu vergleichen sei. Während im Krankenhaus der Patient kurz vor der Operation beim Operateur und unter Umständen beim Anästhesisten vorstellig werde und ggfls. nach der Operation zum Verbandswechsel komme, habe der ambulant operierende Vertragsarzt nicht nur die im Zusammenhang mit der ambulanten Operation entstehenden Kosten, sondern die im ganzen Quartal entstehenden Kosten abzudecken. Daraus ergebe sich, dass ein vergleichbarer Sachverhalt in Relation zum niedergelassenen Bereich im Krankenhaus nicht vorliege. Eine identische Vergütung würde deshalb die ungleichen Chancen des am bulant operierenden niedergelassenen Arztes im Vergleich zum einem im Krankenhausbereich ambulant operierenden Arzt festschreiben. Das Bundessozialgericht - BSG - habe in ständiger Rechtsprechung (z.B. zu Vergütungsabschlägen bei Notfall-Leistungen in Universitätskliniken) anerkannt, dass sachlich bestehende Unterschiede im Interesse einer gleichwertigen Behandlung von niedergelassenen Ärzten und dem Krankenhausbereich zu berücksichtigen seien. Die Konsultationsgebühr sei für die Krankenhäuser nach Maßgabe des EBM nicht abrechenbar. Diese Gebühr dürfe von den Vertragsärzten bei lediglich telefonischem Arzt-/Patienten-Kontakt anstelle der Ordinationsgebühr abgerechnet werden. Eine solche Gebühr sei auch für ermächtigte Krankenhausärzte im EBM nicht vorgesehen. Der EBM sei Teil eines komplexen Vergütungssystems und solle eine Steuerung des Leistungsverhaltens bewirken. Auch bei den Komplexgebühren handele es sich um steuernde Bewertungsnormen, hinter denen das Bestreben stehe, der Tendenz zu Leistungsausweitungen und einem damit einhergehenden Punktwertverfall entgegenzuwirken.

Mit Urteil vom 12.02.1999, auf das Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Gegen dieses ihm am 22.02.1999 zugestellte Urteil hat die Rechtsvorgängerin des Klägers am 12.03.1999 Berufung eingelegt. Der Kläger ist als Rechtsnachfolger mit Wirkung ab 01.01.2001 in das Verfahren eingetreten. Er wiederholt seine Auffassung, durch eine Änderung des EBM bzw. dessen Auslegung durch die Kassenseite dürfe die Wirksamkeit der gesetzlichen Regelung in § 115 b Abs. 1 Ziffer 2 SGB V nicht aufgehoben werden. Zwischen den Vertragspartnern sei eine gleiche Vergütung wie im vertragsärztlichen Bereich auf der Grundlage des EBM vereinbart worden. Deswegen müßten nach Festlegung einer facharztgruppenspezifischen Differenzierung im EBM die Krankenhäuser an dieser Vergütung teilnehmen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 12.02.1999 abzuändern und die Beklagte zur verurteilen, an ihn, den Kläger, 351,22 DM zu zahlen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Ergänzend weist sie darauf hin, im Rahmen der "Anlage zu einer ergänzenden Vereinbarung zum Vertrag über das ambulante Operieren im Krankenhaus zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkasse und der Deutschen Krankenhausgesellschaft" sei für die erbrachten Leistungen ein fester Punktwert von 8 Pfennigen vereinbart worden. Das bedeute, dass bei einer Steigerung der Leistungsmenge dieses Mengenrisiko zu Lasten der direkt vergütenden Krankenkasse gehe, während im niedergelassenen Bereich aufgrund der strikten Budgetierung der Gesetzgeber dieses Risiko auf Seiten der Ärzte angesiedelt habe.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) schliessen sich dem Antrag des Klägers an.

Die Beigeladene zu 2) hält das Ergebnis und die Argumentation des Sozialgerichts für nicht überzeugend. Das Gericht verkenne die vom Gesetzgeber vorgegebene Systematik, soweit es ein Krankenhaus, welches ambulante Operationen durchführe, mit den in B I Ziffer 1 EBM aufgeführten "Institutionen mit Einzelleistungsabrechnung" gleichsetze. Hierunter fielen entsprechend der in diesem Zusammenhang ebenfalls im EBM aufgeführten "ermächtigten Krankenhausärzte" nur die gemäss § 117 ff. SGB V gesonderten ermächtigten Institutsambulanzen. Anders stelle sich die Situation beim ambulanten Operieren gemäss § 115 b SGB V dar. Hier habe der Gesetzgeber gerade nicht den Weg über die Verpflichtung der Zulassungsausschüsse zur Ermächtigung gewählt. Er habe die Krankenhäuser kraft Gesetzes ohne weitere Zulassungsvoraussetzung zur ambulanten Durchführung bestimmter Operationen zugelassen. Deshalb verbiete es sich, den Krankenhäusern bei der Durchführung ambulanter Operationen die Abrechenbarkeit der facharztgruppenspezifischen Ordinationsgebühr zu verweigern. Das Sozialgericht lasse bei seiner Interpretation des § 115 b Abs. 1 Nr. 2 SGB V die Grundsätze der Vertragsauslegung völlig außer acht. Denn die Vertragsparteien hätten in dem Vertrag "Ambulantes Operieren im Krankenhaus" eine einheitliche Vergütung auf der Grundlage des EBM vereinbart. Dies bedeute selbstverständlich auch, dass für den Fall der Festsetzung einer facharztgruppenspezifischen Differenzierung im EBM beide Vertragsparteien (also auch die Krankenhäuser) an dieser facharztgruppenspezifischen Vergütung teilnehmen könnten.

Die Beigeladenen zu 8) und 9) schliessen sich dem Antrag der Beklagten an.

Der Beigeladene zu 10) hat schriftsätzlich vorgebracht, die Bemessung der Ordinationsgebühr für ambulante Operationen im Krankenhaus entsprechend dem Fachgebiet des die Operation durchführenden Arztes wäre nicht sachgerecht. Bei ambulant durchgeführten Operationen im Krankenhaus würden in der Regel nur der Eingriff selbst und die direkt unmittelbar darauf folgenden Leistungen, z.B. Verbandsleistungen, durch das Krankenhaus erbracht. Die weitere ambulante Behandlung übernehme in der Regel ein niedergelassener Vertragsarzt. Werde dagegen ein Patient ambulant von einem niedergelassenen Vertragsarzt operiert, z.B. einem Frauenarzt, so befänden sich die Patienten in der Regel in längerer Behandlung dieses Arztes, der dann auch im Zusammenhang mit der ambulant durchgeführten Operation alle weiteren Folgeleistungen durchführe. Allerdings müßte darauf hingewiesen werden, dass die Beigeladene hinsichtlich der Zuordnung ambulant operierender Krankenhäuser zur Ordinatsgebühr 1 früher eine andere Auffassung vertreten habe. Die damals im Kreise der Mitglieder des Arbeitsausschusses des Bewertungsausschusses gefaßte Meinungsbildung sei inzwischen nach mehrmaligen erneuten Erörterungen revidiert worden. Der Arbeitsausschuss des Bewertungsausschusses sehe es eher als sachgerecht an, ambulant operierende Krankenhäuser den "Institutionen mit Einzelleistungsabrechnung" in der Ordinationsgebühr Nr. 1 zuzuordnen. Speziell auch für ambulant operierende Krankenhäuser sei letztendlich diese Formulierung zur Ordinationsgebühr Nr. 1 in den EBM aufgenommen worden. Zur Klarstellung gegenüber der früheren Meinungsbildung habe der Arbeitsausschuss des Bewertungsausschusses am 29.09.1999 den Interpretationsbeschluss Nr. 43 gefaßt, der laute: "Krankenhäuser, die unter den Vorgaben des § 115 SGB V ambulante Operationen als vertragsärztliche Leistungen durchführen, werden hinsichtlich der Ordinationsgebühr Nr. 1 den "Institutionen mit Einzelleistungsabrechnung" zugeordnet. (Ordinationsgebühr: 180 Punkte)." Dieser Interpretationsbeschluss Nr. 43 werde in einer der nächsten Ausgaben des Deutschen Ärzteblattes veröffentlicht. Er solle die einheitliche Handhabung bei der Zumessung der Ordinationsgebühr Nr. 1 bei der Durchführung ambulanter Operationen in Krankenhäusern sicherstellen. Durch die Zuordnung ambulant operierender Krankenhäuser zu den "Institutionen mit Einzelleistungsabrechnung" ergebe sich, dass die Konsultationsgebühr Nr. 2 von Krankenhäusern, die auf der Basis des § 115 b SGB V ambulante Operationen durchführen, nicht berechnet werden könne. Die Auflistung von Arztgruppen in der Legende der Konsultationsgebühr Nr. 2, welche diese Position abrechnen können, sei abschließend.

Die Verwaltungsakten der Beklagten haben neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger aktivlegitimiert. Denn der Vergütungsanspruch eines gemäss § 115 b Abs. 2 SGB V zur ambulanten Durchführung von Operationen zugelassenen Krankenhauses richtet sich nach § 115b Abs. 2 Satz 4 unmittelbar gegen die Krankenkasse. Mit Wirkung ab 01.01.2001 ist der Kläger als selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts an die Stelle der bisherigen medizinischen Einrichtung der Universität getreten. Die dem Aufgabenbereich der medizinischen Einrichtungen zuzurechnenden Rechte und Pflichten des Landes und der Universität sind im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Kläger übergegangen. Gemäss § 2 Abs. 3 der "Verordnung über die Errichtung des Universitätsklinikums xxxxx als Anstalt des öffentlichen Rechts" vom 01.12.2000 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land NRW Nr. 54 vom 22.12.2000 S. 725) werden vom Kläger auch die den Fachbereich Medizin betreffenden Verwaltungsaufgaben einschließlich der Wirtschaftsverwaltung wahrgenommen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung erfolgt die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung durch den Vorstand.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte durfte die für die streitgegenständlichen, nach § 115b Abs. 1 SGB V durchgeführten ambulanten Operationen in Rechnung gestellten Vergütungen hinsichtlich der Ordinationsgebühr auf einen Punktwert von 180 kürzen und bezüglich der Konsultationsgebühr gänzlich ablehnen.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 6 Abs. 1 des am 01.04.1993 in Kraft getretenen "Vertrages nach § 115b Abs. 1 SGB V - Ambulantes Operieren im Krankenhaus -", geschlossen zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkasse, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Danach werden die im Katalog des § 3 und die prä- und postoperativen Leistungen nach §§ 4 bzw. 5 "auf der Grundlage des EBM nach den für die Versicherten geltenden vertragsärztlichen Vergütungssätzen vergütet". Von der in § 6 Abs. 3 vorgesehenen Möglichkeit, in geeigneten Fällen Komplexgebühren für die Vergütung von operativen Leistungen und Nebenleistungen zu vereinbaren, haben die Vertragspartner nach den übereinstimmenden Ausführungen aller im Termin erschienenen Beteiligten bislang keinen Gebrauch gemacht.

Mit dieser dreiseitigen Vereinbarung entsprachen die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen dem gesetzlichen Auftrag des § 115b Abs. 1 SGB V, einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen sowie einheitliche Vergütungen für Krankenhäuser und Vertragsärzte und Maßnahmen zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit zu vereinbaren. Mit Wirkung vom 01.01.1993 hatte der Gesetzgeber mit Einfügung des § 115b durch Art. 1 Nr. 71 des Gesundheitsstruktur-Gesetzes vom 21.12.1992 (BGBl. I S. 2266) das Leistungsspektrum des Krankenhauses um die Möglichkeit des ambulanten Operierens erweitert. Nach der amtlichen Begründung im Gesetzentwurf der Fraktionen vom 06.11.1992 (Bundestags-Drucksache 12/3608, S. 103) sollten teure vollstationäre Behandlungen vermieden werden, wenn medizinisch aufgrund der Fortschritte im operativen Bereich eine ambulante Durchführung operativer Eingriffe möglich sei. In § 115b Abs. 4 SGB V hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung für die Zeit bis zum Abschluss dreiseitiger Verträge getroffen. Sie gestattete den Krankenhäusern nach entsprechender Mitteilung über die beabsichtigten ambulant durchführbaren operativen Eingriffe deren Abrechnung. Bezüglich der Vergütung regelte § 115b Abs. 4 Satz 3: "Die Vergütung richtet sich nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab mit den für die Versicherten gelten den Vergütungssätzen".

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des am 01.04.1993 in Kraft getretenen Vertrages wie auch zum Zeitpunkt des Erlasses der gesetzlichen Vergütungsregelung für die Übergangszeit enthielt der einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) einzeln aufgeführte und bewertete Leistungen ohne Differenzierung nach der Zugehörigkeit des Ausführenden zu einer Facharztgruppe oder zum Bereich der niedergelassenen Ärzte/ermächtigten Krankenhausärzte bzw. Institutionen mit Einzelleistungsabrechnung. Es bestand deshalb für die Vertragspartner der dreiseitigen Vereinbarung wie auch den Gesetzgeber bei Schaffung der Übergangsregelung des § 115b Abs. 4 SGB V keinerlei Anlass, sich über eine diesbezügliche Differenzierung bei Anwendung des EBM Gedanken zu machen. Die Abrechnung der ambulant durchgeführten operativen Eingriffe sollte auf der Grundlage des EBM nach vertragsärztlichen Vergütungssätzen folgen. Eine darüber hinausgehen de differenzierende Willensbildung und Willensbetätigung hat nicht stattgefunden.

Ab 01.01.1996 ist der EBM geändert worden. Die bisher einzeln aufgeführten und bewerteten Leistungen wurden zu Leistungskomplexen nach dem gesetzlichen Auftrag des § 87 Abs. 2a SGB V zusammengefaßt. Die herausragendste Änderung stellt die Zusammenfassung von früher 128 Einzelleistungen zu den Ordinations- und Konsultationsgebühren (Nr. 1 und 2), zur Verwaltungsgebühr (Nr. 3) und zur Konsiliarpauschale (Nr. 4) dar. Die Ordinationsgebühren der Nr. 1 fallen für die verschiedenen Facharztgruppen unterschiedlich hochaus (60 bis 555 Punkte). Für ermächtigte Krankenhausärzte, nicht genannte Arztgruppen oder "Institutionen mit Einzelleistungsabrechnung" ist die Gebühr mit 180 Punkten festgelegt. Die Konsultationsgebühr beträgt für die im einzelnen aufgeführten Arztgruppen 50 Punkte. Nicht aufgeführte Arztgruppen "einschließlich ermächtigter Krankenhausärzte" können die Konsultationsgebühr nur abrechnen, wenn es sich ausschließlich um einen telefonischen Arzt-Patienten-Kontakt gehandelt hat. Der einheitliche Bewertungsmaßstab ist die auf der Grundlage von § 87 Abs. 1 SGB V zwischen der kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen im Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 3 SGB V vereinbarte Abrechnungsgrundlage. Deshalb geht der Einwand der Krankenhausseite im vorliegenden Rechtsstreit, sie sei an der Änderung des von dem dreiseitigen Vertrag in Bezug genommenen EBM nicht beteiligt gewesen, ins Leere.

Nach Auffassung des Senats lassen sich die Konsequenzen aus der Änderung des EBM für die Auslegung des § 6 der dreiseitigen Vereinbarung nicht im Wege der einfachen Vertragsauslegung ermitteln. Zwar ist grundsätzlich zunächst vom übereinstimmenden Parteiwillen auszugehen und bei unterschiedlicher Auffassung die Billigkeitmaßgeblich, d.h. das im Einzelfall objektiv nach den Umständen, den Verhältnissen der Parteien und ihren Erklärungen als angemessen gewollte, § 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Da sich der Parteiwille bei der Vereinbarung einer Vergütung auf der Grundlage des EBM nach vertragsärztlichen Vergütungssätzen nicht auf eine Differenzierung, wie sie ab 01.01.1996 im EBM vorgenommen worden ist, erstreckte, reicht die einfache Auslegung nicht, um zu einem nach dem Willen der Parteien gerechten Ergebnis zu gelangen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob insofern von einer Lücke im Vertrag oder einem Wegfall der Geschäftsgrundlage (Änderung äußerer Umstände, die nach den Vorstellungen der Beteiligten für den Vertragsabschluss wesentlich gewesen sind) auszugehen ist. Denn im ersten Fall ist es richterliche Aufgabe, die in dem Vertrag vorhandene Lücke durch sinngemäße Ergänzung des Parteiwillens auszufüllen und Widersprüche zu beseitigen. Im zweiten Fall führt der Wegfall der Geschäftsgrundlage zu einer Anpassung des Vertrages an die veränderten Umstände durch das Gericht. Erklärtes Ziel dieses Rechtsstreites ist eine Ergänzung bzw. Anpassung des Vertrages. Die Vertragsparteien selbst sind zu keinem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass mit der durch die Änderung des EBM bestehenden neuen Situation mangels vertraglicher Regelung jeglicher Vergütungsanspruch entfallen sollte. Die Krankenkassen haben, so die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat, seither entweder wie hier im streitigen Fall abgerechnet oder die höhere Gebühren unter Vorbehalt gezahlt.

Bei der hiernach erforderlichen Interessenabwägung erscheint es dem Senat billig und gerecht, die nach § 115b SGB V ambulant durchgeführten Eingriffe im Krankenhaus mit der im EBM vorgesehenen Gebühr für "ermächtigte Krankenhausärzte" bzw. "Institutionen mit Einzelleistungsabrechnung" zu vergüten. Das bedeutet im vorliegenden Falle, dass die Ordinationsgebühr ohne Berücksichtigung einer Zugehörigkeit zu einer Facharztgruppe mit einem einheitlichen Punktwert von 180 anzusetzen ist und eine Konsultationsgebühr grundsätzlich nicht anfällt (hier beschränkte sich die ärztliche Leistung nicht allein auf telefonische Arzt-Patienten-Kontakte). Dies erscheint dem Senat schon allein deshalb als gerechtfertigt, da beim niedergelassenen Arzt die Ordinationsgebühr für das ganze Quartal im Behandlungsfall nur ein Mal abrechnungsfähig ist. Dabei übersieht der Senat nicht, dass das ambulant operierende Krankenhaus sehr wohl die in den §§ 4 und 5 der dreiseitigen Vereinbarung aufgeführten prä- und postoperativen Leistungen zu erbringen hat. Bezüglich der postoperativen Leistungen ist allerdings in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass von fachlich verantwortlichen Krankenhausärzten nur postoperative Leistungen durchgeführt werden können, die erforderlich sind, um den Behandlungserfolg der im Krankenhaus durchgeführten ambulanten Operationen zu sichern bzw. zu festigen, und dass die Behandlungsdauer 14 Tage nicht überschreiten soll, ohne dass es einer erneuten Überweisung bedarf. Insofern trifft auch das von der Beigeladenen zu 10) vorgebrachte Argument zu, dass das ambulant operierende Krankenhaus in der Regel nur den Eingriff selbst und die unmittelbar sich anschließenden Leistungen (z.B. Verbandsleistungen) erbringt, die weitere ambulante Behandlung aber ein niedergelassener Vertragsarzt übernimmt. Wird dagegen ein Versicherter ambulant von einem niedergelassenen Arzt operiert, befindet er sich längere Zeit in der Behandlung dieses Arztes, der dann auch alle Folgeleistungen durchführt.

Die gesetzliche Regelung des § 115b SGB V steht dem zur Überzeugung des Senats nicht entgegen. Insbesondere zwingen weder die in§ 115b Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 gewählte Formulierung "einheitliche Vergütung für Krankenhäuser und Vertragsärzte" noch die für die Übergangszeit in Abs. 4 gewählte Vergütungsregelung zu der Festlegung auf eine identische Punktzahl wie für niedergelassene Fach ärzte. Denn der Gesetzgeber wollte, wie eingangs dargelegt, mit der Erweiterung des Leistungsspektrums der Krankenhäuser um die Möglichkeit des ambulanten Operierens die bis dahin bestehende Trennung zwischen ambulanter Versorgung einerseits und Krankenhausbehandlung andererseits durchbrechen und unter gleichartigen Leistungs- und Vergütungsbedingungen einen Wettbewerb zwischen niedergelassenen Vertragsärzten und Krankenhäusern öffnen. Zum damaligen Zeitpunkt regelte der von § 115b Abs. 4 Satz 3 in Bezug genommene EBM einheitliche Vergütungssätze für Krankenhäuser und Vertragsärzte.

Der niedrigere Ansatz erscheint auch deshalb sachgerecht, da im Falle wiederholter ambulanter Operationen in einem Quartal der betreffende Punktwert mehrfach abgerechnet werden darf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Revision nach § 144 Abs. 2 Ziffer 2 SGG zugelassen, da er der hier streitigen Abrechenbarkeit der facharztgruppenspezifischen Ordinationsgebühr nach B I Ziffer 1 EBM sowie der Konsultationsgebühr nach B I Ziffer 2 EBM in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung bei Durchführung ambulanter Operationen in Krankenhäuser gemäss § 115b SGB V grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Rechtskraft
Aus
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