L 1 RA 85/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 8 RA 254/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 RA 85/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Februar 2001 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Oktober 2000 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme nach Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschafts-überführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, die Zeit vom 16. Mai 1977 bis 31. Dezember 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) bzw. zum Zusatzversorgungssystem Nr. 3 der Anlage 1 zum AAÜG und die für diese Zeit nachgewiesenen Arbeitsentgelte festzustellen.

Der am ...Januar 1940 geborene Kläger schloss sein am 27. Juli 1959 begonnenes Hochschulstudium am 14. September 1965 ab. Die Urkunde für die Verleihung des akademischen Grades eines Diplom-Ingenieurs wurde am 14. September 1965 ausgestellt. Ab 01. Oktober 1965 arbeitete der Kläger beim VE Bau- und Montagekombinat O., Betriebsteil F., als Diplom-Ingenieur sowie ab 01. April 1966 als Technologe. Ab 21. Juni 1967 war er beim VE Tiefbaukombinat F. als HAN-Bauleiter für Wasserwirtschaft sowie ab 01. Januar 1969 als technischer Leiter des Betriebsteiles F. tätig. Das Arbeitsverhältnis mit dem inzwischen umbenannten VE Verkehrs- und Tiefbaukombinat F. endete zum 31. Januar 1972. Ab 01. Februar 1972 arbeitete der Kläger beim VEB Bezirksfleischkombinat F. als Ingenieur für Investitionen bis zum 10. Mai 1977. Das Arbeitsverhältnis endete durch einen am 26. April 1977 abgeschlossenen Aufhebungsvertrag.

Im hier streitigen Zeitraum ab 16. Mai 1977 arbeitete der Kläger als Abteilungsleiter Projektierung bei der ZBO E. sowie ab 01. Oktober 1985 zusätzlich als 1. Stellvertreter des Betriebsleiters. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der Kündigung des Klägers zum 31. Dezember 1989.

Eine Versorgungszusage über Ansprüche auf Leistungen aus einer Zusatzversorgung erhielt er nicht. Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) entrichtete er während der gesamten Zeit nicht. Ab 01. Januar 1990 übte er keine versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Vom 09. Februar 1990 bis 23. Mai 1991 war er arbeitslos gemeldet.

Am 26. August 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die Beschäftigungszeiten vom 01. Oktober 1965 bis 31. Dezember 1989 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech festzustellen. Die Beklagte zog Kopien aus der Akte über das Kontenklärungsverfahren bei. Der Kläger reichte ergänzend Unterlagen über seine erzielten Verdienste ein.

Mit Bescheid vom 20. März 2000 stellte die Beklagte die Zeit vom 01. Oktober 1965 bis 10. Mai 1977 als nachgewiesene Zeiten der AVItech sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte fest. Die Feststellung der Zeiten vom 16. Mai 1977 bis 31. Dezember 1989 lehnte sie ab, da sie aufgrund fehlender Voraussetzungen nicht diesem Zusatzversorgungssystem zugeordnet werden könnten. Denn die Beschäftigung sei nicht in einem volkseigenen Betrieb (VEB) oder diesem gleichgestellten Betrieb ausgeübt worden, wie es die Versorgungsordnung erfordere. Zur Begründung seines dagegen am 27. April 2000 eingegangenen Widerspruches, dem der Kläger weitere Unterlagen beifügte, machte er geltend, als Leiter der Projektierungsabteilung der ZBO E. habe er gemäß § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 (GBl. Seite 487 - 2. DB) zur Versorgungsordnung vom 17. August 1950 zu den Versorgungsberechtigten aus dem Kreis der technischen Intelligenz gehört. In § 1 Abs. 2 der 2. DB seien den volkseigenen Betrieben Betriebe aus dem Bereich der Landwirtschaft gleichgestellt worden. Da die ZBO erst auf der Grundlage des Ministerratsbeschlusses vom 02. August 1962 gebildet worden sei, habe sie in der 2. DB noch nicht genannt werden können. Gemäß dem Musterstatut für die ZBO und auch in der Praxis sei die ZBO den volkseigenen Baubetrieben gleichgestellt worden. Durch Ministerratsbeschluss vom 01. Juni 1962 sei geregelt worden, dass Kadern, die im Besitz einer zusätzlichen Altersversorgung gewesen seien, diese Altersversorgung bei einem Einsatz in der Landwirtschaft erhalten bliebe. Sein Anspruch auf Zusatzversorgung aufgrund der Tätigkeit beim Bezirksfleischkombinat sei bei Übernahme in die ZBO damit auch erhalten geblieben. Hilfsweise beantrage er, die Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 3 der Anlage 1 zum AAÜG zu prüfen. Denn gemäß Musterstatut der ZBO vom 02. August 1962 seien Leiter und Stellvertreter gleich zu behandeln gewesen. In den Arbeitsverträgen sei seine Stellvertreterposition enthalten. Es sei Anliegen der Versorgungsordnung gewesen, dem Anspruch auf einen höheren Lebensstandard der technischen Intelligenz in wichtigen Wirtschaftsbereichen zu entsprechen. Zu diesen Wirtschaftsbereichen habe die ZBO gehört. Er werde schlechter gestellt als hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02. Oktober 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, die Beschäftigungszeit vom 16. Mai 1977 bis 31. Dezember 1989 als Abteilungsleiter in der ZBO E. könne nicht als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem anerkannt werden. Eine positive Versorgungszusage habe zu Zeiten der DDR nicht bestanden. Ohne erteilte Zusage lägen Zugehörigkeitszeiten vor, wenn konkret eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden sei, die ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst sei. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit in der ZBO entspreche zwar der technischen Qualifikation, die § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I Seite 844) verlange. Bei der ZBO habe es sich jedoch nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb oder einen gleichgestellten Betrieb gehandelt, wie es die Versorgungsordnung erfordere. Die ausgeübte Beschäftigung als Abteilungsleiter könne lediglich zu den so genannten Ermessensfällen gerechnet werden. Eine bis zur Schließung der Versorgungssystem am 30. Juni 1990 nicht getroffene Ermessensentscheidung der damals dazu berufenen Stellen könne nicht durch eine Ermessensentscheidung des bundesdeutschen Versorgungsträgers nachgeholt beziehungsweise ersetzt werden. Auch ein Einzelvertrag, der einen Anspruch auf eine Altersversorgung begründen könne, läge nicht vor. Der Widerspruchsbescheid ist dem Kläger am 12. Oktober 2000 zugegangen.

Mit am 17. Oktober 2000 eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger die Überprüfung des Feststellungsbescheides vom 20. März 2000 bezüglich Differenzen in den Jahren 1966 und 1967 aufgrund von Gehaltsänderungen und bat um Korrektur für den Zeitraum vom 01. Januar 1966 bis 20. Juni 1967. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2000 änderte die Beklagte daraufhin den Bescheid vom 20. März 2000 hinsichtlich der in den Jahren 1966 und 1967 festgestellten Arbeitsentgelte ab. Erneut lehnte sie die begehrte Feststellung für die Zeit vom 16. Mai 1977 bis 31. Dezember 1989 ab.

Der Kläger hat am 07. November 2000 vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) Klage erhoben und geltend gemacht, die Zeit vom 16. Mai 1977 bis 31. Dezember 1989 sei als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Unerheblich sei, dass die ZBO kein VEB gewesen sei, da alle Merkmale eines VEBs vorgelegen hätten. Die Regelungen über eine Einbeziehung durch Ermessensentscheidung hätten Personen betroffen, die nicht den Titel eines Ingenieurs oder Technikers gehabt hätten. Die ZBO habe als Baubetrieb Produktions- und Gesellschaftsbauten vorwiegend auf dem Land innerhalb der Kreisebene projektiert und errichtet. Sie sei dem Rat des Kreises beziehungsweise dem Rat des Bezirkes unterstellt gewesen, von diesen beauflagt worden und ihm gegenüber rechenschaftspflichtig gewesen. Selbstverständlich habe er sich in Gesprächen bemüht, in die AVItech einbezogen zu werden. Einen schriftlichen Antrag habe er nicht gestellt. Eine positive Entscheidung sei nicht getroffen worden, da ihm nahegelegt worden sei, als Voraussetzung für eine derartige Einbeziehung in die Partei der SED einzutreten. Da er weder habe eintreten wollen noch in der Partei gewesen sei, sei eine Einbeziehung für ihn dann nicht in Frage gekommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 20. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Oktober 2000 zu verpflichten, die Zeit vom 16. Mai 1977 bis 31. Dezember 1989 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ergänzend ausgeführt, bei der ZBO habe es sich um eine zwischengenossenschaftliche Einrichtung gehandelt. Aufgrund des genossenschaftlichen Eigentums könne eine Zuordnung zu den den volkseigenen Betrieben gleichgestellten Betrieben nicht erfolgen.

Das Sozialgericht hat den Beschluss über das Musterstatut für die zwischengenossenschaftliche Bauorganisation der LPG vom 02. August 1962 (GBl. II Seite 531) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen.

Mit Urteil vom 27. Februar 2001 hat es die Beklagte verpflichtet, unter Abänderung des Bescheides vom 20. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Oktober 2000 die Zeit vom 16. Mai 1977 bis 31. Dezember 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) und die für diese Zeit nachgewiesenen Arbeitsentgelte festzustellen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, die ZBO sei ein den volkseigenen Betrieben gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 der Verordnung vom 17. August 1950 gewesen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 16. Mai 2001 zugestellte Urteil am 31. Mai 2001 Berufung vor dem Landessozialgericht für das Land Brandenburg eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, bei der ZBO habe es sich um eine zwischengenossenschaftliche Einrichtung und nicht um einen volkseigenen Betrieb gehandelt. Die ZBO sei auch nicht den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellt gewesen, da sie nicht in § 1 Abs. 2 der 2. DB konkret aufgelistet gewesen sei. Nach den vorhandenen Unterlagen sei kein Beschäftigter der ZBO E. in die AVItech einbezogen gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Februar 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, die ZBO - gegründet nach dem Musterstatut vom 02. August 1962 - hätten nicht in der 2. DB vom 24. Mai 1951 konkret aufgelistet werden können. Die Gleichstellung mit einem volkseigenen Betrieb werde belegt durch die Entlohnung nach dem Rahmenkollektivvertrag der volkseigenen Bauindustrie, die Zugehörigkeit zur Industriegewerkschaft Bau-Holz, dem Prinzip der Einzelleitung des Betriebes, während Genossenschaften durch den Vorsitzenden und ein Vorstandsmitglied vertreten worden seien, den Betriebsplan als Teil des Kreisbauplanes des Rates des Kreises, der Entrichtung der Produktionsfondsabgabe wie ein volkseigener Betrieb und der Arbeit nach dem Kontenrahmen der volkseigenen Betrieb sowie der Bildung eines Prämienfonds und Zahlung einer Jahresendprämie wie volkseigene Betriebe. Er habe im Laufe seiner beruflichen Entwicklung in Kader- und Entlohnungsgesprächen bei den Arbeitgebern jeweils auf die Möglichkeit des Abschlusses von Einzelverträgen und die Zusatzversorgung der Intelligenz verwiesen und gebeten, dahingehende Anträge zu stellen. Dies sei aus Unkenntnis oder Desinteresse nicht erfolgt. Mit der Einführung der FZR sei dann auf diese verwiesen und angedeutet worden, dass nur in besonders verdienstvollen Fällen solch eine Auszeichnung beantragt werden könne. Versäumnisse und Unterlassungen seines Betriebes könnten ihm nicht angelastet werden. Der FZR sei er nicht beigetreten, da er zunächst die versprochenen Leistungen von 2,5 % Steigerungssatz für unrealistisch gehalten habe. Darüber hinaus habe er erwartet und darauf vertraut, dass er mit zunehmender Berufstätigkeit und zunehmenden Verdiensten schon die Möglichkeit haben würde, in die Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen zu werden, weil ältere Bekannte dies auch geschafft hätten.

Auf Antrag der Beklagten ist mit Beschluss vom 11. Oktober 2002 die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Februar 2001 ausgesetzt worden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, Versicherungsnummer ..., die vom Kläger eingereichte den Zeitraum von 1955 bis 1989 betreffende Personalakte und das Musterstatut für die zwischengenossenschaftliche Bauorganisation der LPG vom 02. August 1962 (GBl. II Seite 531) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht erhoben und damit insgesamt zulässig. Sie ist auch begründet. Denn das Sozialgericht hat zu Unrecht die Beklagte verurteilt, die Zeit vom 16. Mai 1977 bis 31. Dezember 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech und die für diese Zeit nachgewiesenen Arbeitsentgelte festzustellen.

Die vom Kläger in Kombination erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Denn der Kläger hat gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 und 2 AAÜG keinen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 16. Mai 1977 bis 31. Dezember 1989, in der er bei der ZBO E. tätig war, als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem sowie auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Entgelte.

Die begehrten Feststellungen im Verfahren nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ähnlich und außerhalb des Rentenfeststellungsverfahrens des Rentenversicherungsträgers durchzuführen ist, setzt voraus, dass der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst wird. Dies ist dann der Fall, wenn aus bundesrechtlicher Sicht zum 01. August 1991 Versorgungsansprüche oder Versorgungsanwartschaften bestanden haben bzw. die Voraussetzungen hierfür am 30. Juni 1990 vorgelegen haben oder wenn einmal vor dem 30. Juni 1990 nach den Gegebenheiten in der DDR in deren System eine Versorgungsanwartschaft erlangt worden war, die nach den Regelungen der Versorgungssysteme bei einem Ausscheiden entfiel.

Eine Versorgungsanwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hatten grundsätzlich alle diejenigen, die am 30. Juni 1990 eine Versorgungszusage hatten, die - wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten - Leistungen aus dem Versorgungssystem hätten beziehen können. Eine Versorgungsanwartschaft hatten darüber hinaus auch diejenigen, denen vor dem 30. Juni 1990 eine solche durch Einzelfallregelung zuerkannt worden war, die mangels tatsächlicher oder rechtlicher Änderung auch noch bis zum 30. Juni 1990 hätte fortbestehen müssen, die jedoch vor dem 30. Juni 1990 rechtsstaatswidrig zurückgenommen worden war. Darüber hinaus hatten auch alle diejenigen eine Versorgungsanwartschaft "erworben", denen aus bundesrechtlicher Sicht nach den Gegebenheiten der DDR, d. h. nach den insoweit vom Einigungsvertrag noch partiell übernommenen Regelungen der Versorgungssysteme, wären diese unter Beachtung des Gleichheitsgebotes umgesetzt worden, eine Anwartschaft auf eine Versorgung durch Einzelfallregelung am 30. Juni 1990 hätte zuerkannt werden müssen. Hierzu zählen alle diejenigen, die, wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten, zum 01. Juli 1990 im - jetzt - rechtsstaatlichen Umfeld Leistungen aus dem Versorgungssystem hätten beanspruchen können.

Unter den Anwendungsbereich des AAÜG nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG fallen somit auch diejenigen, die nach den Regelungen der Versorgungssysteme obligatorisch im Sinne einer "gebundenen Verwaltung" und ohne Entscheidung des Versorgungsträgers in den Kreis der Versorgungsberechtigten hätten einbezogen werden müssen, weil sie die abstrakt-generellen Voraussetzungen hierfür insoweit erfüllt hatten. Dies war der Fall bei denjenigen, die am 30. Juni 1990 und deswegen auch am 01. August 1991 nach der Art der ausgeübten Beschäftigung, der hierfür vorgesehenen beruflichen Qualifikation sowie der Beschäftigungsstelle aus bundesrechtlicher Sicht in das Versorgungssystem einzubeziehen waren und denen eine Zusage auf Versorgung hätte erteilt werden müssen. Aus bundesrechtlicher Sicht waren hingegen zu diesem Zeitpunkt nicht einbezogen diejenigen, die nach den Versorgungsordnungen oder Durchführungsbestimmungen oder sonstigen Regelungen der ehemaligen DDR lediglich durch Einzelvertrag oder Einzelentscheid oder Ermessensentscheidung hätten einbezogen werden können. Denn eine derartige Ermessensentscheidung, die auch der Erzeugung politischen und gesellschaftlichen Wohlerhaltens diente, könnte allein aus der Sicht der DDR und nach deren Maßstäben getroffen werden. Sie darf infolge dessen mangels sachlicher, objektivierbarer, bundesrechtlich nachvollziehbarer Grundlage nicht rückschauend ersetzt werden. In den Grenzen des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG können die Vorschriften des AAÜG auch auf solche Personen Anwendung finden, die in der Vergangenheit in der DDR zwar nicht zum 30. Juni 1990, aber zu irgendeinem Zeitpunkt davor eine konkrete Versorgungszusage oder auch eine Einzelentscheidung oder eine einzelvertragliche Regelung zur Einbeziehung in das Versorgungssystem und damit eine rechtliche Position hatten, die aus bundesrechtlicher Sicht einer Versorgungsanwartschaft entsprach. Sofern sie diese nach den Regelungen des Versorgungssystems - etwa infolge Wechsel des Beschäftigungsverhältnisses - wieder verloren hatten, fingiert § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG insoweit das Fortbestehen der Versorgungsanwartschaft, "soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei Ausscheiden vor dem Leistungsfall" vorsahen. Der Verlust gilt als nicht eingetreten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft somit - anders als § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG - ausdrücklich an eine formale Rechtsposition in der ehemaligen DDR an, bestimmt jedoch bundesrechtlich, dass ein nach den Regelungen der Versorgungssysteme eingetretener Verlust der Anwartschaft unbeachtlich und daher davon auszugehen ist, dass am 30. Juni 1990 und deshalb zum 01. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft bestand (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 10. April 2002, B 4 RA 34/01 R mit weiteren Nachweisen).

Auch wenn die Vorschriften des AAÜG Anwendung finden, ist weiter Voraussetzung, dass eine "Zeit der Zugehörigkeit in einem Versorgungssystem" zurückgelegt und damit auch eine gleichgestellte Pflichtbeitragszeit im Sinne von § 5 Abs. 1 AAÜG vorliegt. Dies ist der Fall, wenn in dieser Zeit eine Beschäftigung ausgeübt wurde, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war, das in der Anlage 1 und 2 zum AAÜG aufgelistet war.

Ob eine derartige Zeit nach § 5 Abs. 1 AAÜG vorliegt, ist ausschließlich durch eine objektive Auslegung des Bundesrechts und unter Beachtung des Gleichheitssatzes zu ermitteln. Es kommt mithin weder auf die Auslegung der Versorgungsordnungen durch die Staatsorgane der DDR an noch auf deren Verwaltungspraxis. Nur in faktischer Anknüpfung an die von der DDR erlassenen Versorgungsordnung ist zu klären, ob in der Zeit, für die die Feststellung begehrt wird, eine nach den jeweiligen Kriterien der Versorgungsordnung in Verbindung mit den Durchführungsbestimmungen sowie den sonstigen, diese ergänzenden bzw. ausfüllenden abstrakt-generellen Regelungen eine in der Versorgungsordnung genannte Beschäftigung oder Tätigkeit individuell und konkret ausgeübt worden ist und ob die in der Versorgungsordnung als zwingende Voraussetzung für eine Einbeziehung, das heißt für die Pflicht auf Erteilung einer Versorgungszusage genannte notwendige berufliche Qualifikation zur Ausübung dieser konkreten Beschäftigung bei der entsprechenden "Arbeitsstelle" vorgelegen hat (vgl. Urteil des BSG vom 09. April 2002, B 4 RA 25/01 R).

Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 AAÜG. Denn er hatte am 30. Juni 1990 keine Anwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 1 Satz 2 AAÜG "erworben". Weder war ihm eine Versorgungszusage erteilt noch war zu seinen Gunsten eine Ermessensentscheidung ergangen noch eine einzelvertragliche Abrede getroffen worden.

Der Kläger war auch nicht durch den Feststellungsbescheid der Beklagten vom 20. März 2000 einbezogen worden. Denn hiermit hatte die Beklagte nicht entschieden, dass der Kläger schon vor dem 16. Mai 1977 in der DDR eine Versorgungsanwartschaft aufgrund einer Einbeziehung und damit damals eine Rechtsposition erlangt hatte, dass ihm - wenn man willkürliche Einzelentscheidungen ausschließt - Versorgungsleistungen gewährt worden wären. Der beklagte Versorgungsträger hat nämlich ausdrücklich nur darüber entschieden, ob die vom Kläger vom 01. Oktober 1965 bis 10. Mai 1977 im VE Bau- und Montagekombinat Ost, VE Tiefbaukombinat F. bzw. VE Verkehrs- und Tiefbaukombinat F. verrichtete Tätigkeit ihrer Art nach von der AVItech im Sinne von § 5 Abs. 1 AAÜG erfasst war. Nicht entschieden wurde, dass der Kläger damals in das Zusatzversorgungssystem der AVItech einbezogen worden war (vgl. Urteil des BSG vom 10. April 2002, B 4 RA 34/01 R).

Der Kläger hatte nach der hier als Anknüpfung in Betracht kommenden Versorgungsordnung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) aus bundesrechtlicher Sicht auch keine Versorgungsanwartschaft.

Zwar führte der Kläger den Titel eines Ingenieurs nach der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962 (GBl. II Seite 278) und hätte grundsätzlich in das Versorgungssystem der technischen Intelligenz aufgenommen werden können (vgl. § 1 Abs. 1 der 2. DB). Im Hinblick auf die von ihm ausgeübte Tätigkeit in der ZBO E. gehörte er jedoch nicht zum Kreis der obligatorisch in die Versorgungsordnung Einzubeziehenden. Denn er war während seiner Tätigkeit in der ZBO E. weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb noch in einem diesem gleichgestellten Betrieb gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in Verbindung mit § 1 der 2. DB beschäftigt, was Voraussetzung für eine Einbeziehung in dieses Versorgungssystem gewesen wäre. Dass die ZBO E. am 30. Juni 1990 von der DDR dem betrieblichen Anwendungsbereich der AVItech nicht zugeordnet worden war, wird auch durch die von der Beklagten gegebenen Auskunft, dass nach ihren Unterlagen kein Beschäftigter der ZBO E. in die AVItech einbezogen war, bestätigt. Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 10. April 2002, B 4 RA 34/01 R, ausgeführt hat, handelte es sich bei der Organisation einer zwischengenossenschaftlichen Bauorganisation (ZBO) nicht um einen volkseigenen Betrieb, sondern um eine so genannte kooperative Einrichtung im Sinne des § 13 des Gesetzes über die LPG vom 02. Juli 1982 (GBl. I Seite 443), die von den LPGen und ihren Partnern gebildet wurden, um bestimme Produktionsaufgaben in Form der genossenschaftlichen Zusammenarbeit gemeinsam zu lösen (vgl. Musterstatut für die ZBO der LPG vom 02. August 1962, GBl. II Seite 531). Im Übrigen unterschied die DDR zwischen volkseigenen Betrieben und Genossenschaften. Zu den Genossenschaften, die auf der Grundlage von Statuten gemeinschaftlich zu bewirtschaftendes Eigentum bildeten, zählten auch zwischengenossenschaftliche Einrichtungen. Die ZBO war auch nicht einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellt. Aus § 1 Abs. 2 der 2. DB ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte.

Aus bundesrechtlicher Sicht kommt es bei der Auslegung dieser Durchführungsbestimmung weder auf die praktische Handhabung der Versorgungsordnung der DDR noch auf deren Verwaltungspraxis an, um auszuschließen, dass beliebige Umstände außerhalb des von den Texten der Versorgungsordnung vorgegebenen Rahmens, die sich mangels gesicherter faktischer Beurteilungsgrundlage gerade nicht willkürfrei erschließen lassen, bei der Auslegung herangezogen werden. Dies bedeutet zugleich, dass es dem Gericht verwehrt ist, über den Rahmen des § 1 AAÜG hinaus Fallgruppen zu entwickeln, die nicht vom AAÜG erfasst sein konnten. Versorgungsrechtlich kommt es nicht darauf an, ob ein Betrieb "wirtschaftsrechtlich" einem VEB gleich stand, sondern darauf, ob § 1 Abs. 2 der 2. DB selbst eine solche Gleichstellung vorgenommen hat. Eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme am 30. Juni 1990 gegebenen abstrakt-generellen Regelungen der DDR ist, auch soweit sie in sich willkürlich sind, durch die vollziehende oder die Recht sprechende Gewalt nicht zulässig (vgl. auch Urteil des BSG vom 09. April 2002, B 4 RA 3/02 R). Dieser Auslegung von § 1 AAÜG schließt sich der Senat an.

Auch unter Berücksichtigung des § 1 Abs. 1 Satz 3 2. DB hatte der Kläger keine Anwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 AAÜG erworben, da für die Einbeziehung nach dieser Vorschrift eine - jetzt nicht mehr ersetzbare - Ermessensentscheidung erforderlich war (vgl. BSG, Urteil vom 10. April 2002, B 4 RA 32/01 R).

Auch in das vom Kläger im Widerspruchsverfahren genannte Versorgungssystem der Anlage 1 Nr. 3 zum AAÜG der zusätzlichen Altersversorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft, eingeführt mit Wirkung vom 01. Januar 1998 durch die - nicht veröffentlichte - Anordnung vom 31. Dezember 1987 war der Kläger nicht einbezogen, da ihm keine Versorgungszusage erteilt worden war. Er hatte auch aus bundesrechtlicher Sicht keinen Anspruch auf Erteilung einer Zusage, da gemäß § 3 der Anordnung vom 31. Dezember 1987 die dort genannten Personen lediglich einbezogen werden konnten, nicht jedoch in jedem Fall einzubeziehen waren. Diese Ermessensentscheidung kann - wie oben ausgeführt - nach Bundesrecht nicht nachgeholt werden (vgl. auch BSG, Urteil vom 31. Juli 2002, B 4 RA 21/02 R, Presse-Mitteilung des BSG vom 02. August 2002, Nr. 40/02).

Das Verfahren war nicht auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, da der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der genannten Vorschriften des AAÜG in ihrer Anwendung auf den Kläger überzeugt ist. Art. 3 Abs. 1 und 3 Grundgesetz (GG) gebietet nicht, von jenen historischen Fakten, aus denen sich die Ungleichheiten bei der Anwendung des AAÜG ergeben, abzusehen und sie rückwirkend zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals Einbezogenen hat der Deutsche Bundestag als ein Teilergebnis der Verhandlung im Einigungsvertrag angesichts der historischen Bedingungen hinnehmen dürfen. Er hat durch § 1 Abs. 1 AAÜG in begrenztem Umfang DDR-Willkür ausgeschaltet. Zu einer Totalrevision war er indes nicht verpflichtet. Darüber hinaus tritt keine Perpetuierung versorgungsspezifischer DDR-Willkür im bundesrechtlichen Rentenversicherungsrecht ein. Versicherte können auch ohne Anwendung des § 6 Abs. 1 AAÜG dieselben Entgeltpunkte im SGB VI erreichen wie bei Anwendung des AAÜG. Dies gilt für alle Beschäftigungszeiten vor 1971 ohnehin. Ab Einführung der FZR hängt dies allerdings davon ab, ob Versicherte von ihrem Recht Gebrauch gemacht hatten, sich auch in der FZR zu dem dort vorgesehenen Höchstumfang zu versichern (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 2002, B 4 RA 3/02 R). Da der Kläger von der DDR niemals eine Versorgungszusage erhalten hatte, konnte er auch zu keinem Zeitpunkt die FZR-Sicherung wegen eines Vertrauens auf eine Zusatzversorgung im Alter hintanstellen. Die von ihm genannte Erwartung, mit Fortschreiten der Berufstätigkeit zum Ende seines Berufslebens in die AVItech einbezogen zu werden, weil dies bei älteren Bekannten erfolgt sei, beruhte nicht auf einem Anspruch hierauf, sondern auf einer Praxis, auf die er lediglich hoffte. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht gezwungen, diese Hoffnung des Klägers als schützenswertes Vertrauen rentenrechtlich zu berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung mehr, weil die entscheidungserheblichen Rechtsfragen durch die Urteile des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 09. und 10. April 2002, insbesondere B 4 RA 3/02 R und B 4 RA 34/01 R, sowie vom 31. Juli 2002, B 4 RA 21/02, geklärt sind.
Rechtskraft
Aus
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