S 24 KN 58/04 KR

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 24 KN 58/04 KR
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 B 23/04 KN KR NZB
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger die Kosten für das Arzneimittel Cialis erstatten muss.

Der am XX.XX.XXXX geborene Kläger leidet an Erektionsstörungen. Zur Behandlung verschrieb ihm der niedergelassene Vertragsarzt Dr. Q aus I das Arzneimittel Viagra (Wirkstoff: Sildenafil) auf Privatrezepten. Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 23. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 06. März 2001 ab, hierfür Kosten zu übernehmen. Mit rechtskräftigem Urteil vom 26. Juli 2002 (Az.: S 24 KN 81/01 KR) verurteilte die Kammer die Beklagte u.a., dem Kläger das Arzneimittel Viagra nach Maßgabe vertragsärztlicher Verordnung als Sachleistung zu gewähren". In der Folgezeit ließ sich der Kläger dieses Medikament auf Privatrezepten verschreiben und kaufte es anschließend in der Apotheke. Die Beklagte erstattete ihm jeweils die Kosten abzüglich des gesetzlichen Eigenanteils.

Wegen besserer Verträglichkeit verschrieb Dr. Q dem Kläger auf Privatrezepten vom 04. März 2003, 26. Juni 2003 und 20. August 2003 anstelle von Viagra das Arzneimittel Cialis" (Wirkstoff: Tadalafil). Der Kläger verauslagte hierfür insgesamt 234,25 Euro und beantragte anschließend, ihm diesen Betrag zu erstatten. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 17. Januar 2004 ab, weil Cialis" nach Ziffer 17.1 f der Arzneimittelrichtlinien nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse verordnet werden dürfe. Aus dem Urteil der Kammer vom 26. Juli 2002 könne der Kläger für das Medikament Cialis keine Rechtsansprüche herleiten.

Dagegen hat der Kläger am 19. März 2003 Klage erhoben und vorgetragen, Cialis gehöre zur selben Stoffgruppe wie Viagra.

Deshalb sei die Beklagte aufgrund des rechtskräftigen Urteils der Kammer vom 26. Juli 2002 weiterhin zur Kostenerstattung verpflichtet.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 25. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 17. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Arzneimittel Cialis, das ihm der niedergelassene Internist Dr. Q mit Privatrezepten vom 04. März 2003, 26. Juni 2003 und 20. August 2003 verschrieben hat, Kosten in Höhe von 234,25 Euro abzüglich des gesetzlichen Eigenanteils zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Klageerwiderung auf die Gründe des Widerspruchbescheids.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist zulässig, weil ihr die Rechtskraft des Kammerurteils vom 26. Juli 2002 aus dem Verfahren S 24 KN 81/01 KR nicht entgegensteht. Nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Soweit der Kläger den Ablehnungsbescheid vom 25. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 17. Januar 2004 mit der Anfechtungsklage angreift (§ 95 SGG), handelt es sich um einen neuen Streitgegenstand, über den die Kammer am 26. Juli 2002 noch nicht entscheiden konnte. Auch über die Frage, ob der Kläger (mit der Leistungsklage) die Kostenerstattung für das Arzneimittel Cialis fordern kann, hat die Kammer noch nicht entschieden. Denn das rechtskräftige Kammerurteil vom 26. Juli 2002 verpflichtet die Beklagte nur, dem Kläger das Arzneimittel Viagra" mit dem Wirkstoff Sildanafil (nicht: Cialis" mit dem Wirkstoff Tadalafil) nach Maßgabe vertragsärztlicher Verordnung" (d.h. nicht aufgrund von Privatrezepten) als Sachleistung" (und nicht im Kostenerstattungsverfahren) zu gewähren.

Die Klage ist aber unbegründet.

Der Kläger ist nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind. Er hat nämlich keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Arzneimittel Cialis, weil die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) nicht erfüllt sind.

Nach dieser Vorschrift sind Versicherten die Kosten in der entstandenen Höhe für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, wenn sie dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Fall) oder die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2.Fall).

Der Erwerb des Arzneimittels Cialis war keinesfalls unaufschiebbar. Denn der Kläger hat sich das Medikament nicht im Rahmen einer Notfallbehandlung beschafft, um akute Lebens- bzw. Leibesgefahren abzuwenden oder unzumutbaren Schmerzen entgegenzuwirken (1. Fall).

Die Kosten für das Arzneimittel Cialis sind dem Kläger auch nicht dadurch" entstanden, dass die Beklagte die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Fall). Der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Kostenlast besteht nämlich nur, wenn der Versicherte die Leistung beantragt und die Entscheidung der Krankenkasse abwartet, bevor er sich die Leistung selbst beschafft. Denn nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Fall SGB V ist der Versicherte erst berechtigt, das Arzneimittel zu erwerben und Kostenerstattung zu verlangen, nachdem sich die Krankenkasse geweigert hat, ihn mit dem benötigten Medikament zu versorgen. Andernfalls hätte der Gesetzgeber zwischen unaufschiebbaren und sonstigen Leistungen nicht unterscheiden müssen, weil die Kostenerstattung dann bereits möglich wäre, wenn ein Sachleistungsanspruch, der dem Versicherten an sich zusteht, im System der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung nicht erfüllt werden konnte. Diese Überlegung macht deutlich, dass der Erstattungsanspruch des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V auf die Kosten beschränkt ist, die durch die Ablehnung der Krankenkasse verursacht wurden, die also danach entstanden sind (BSG, Urteil vom 15. April 1997, Az.: 1 BK 31/96).

Legt man diese Gesichtspunkte zugrunde, ist für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch kein Raum. Denn der Kläger hatte sich das Arzneimittel Cialis" mit den Privatrezepten vom 04. März 2003, 26. Juni 2003 und 20. August 2003 bereits verschafft, bevor die Beklagte ihren Ablehnungsbescheid vom 25. August 2003 erließ. Bei dieser Sachlage fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsverweigerung und Kostenentstehung.

Der Kläger ist auch nicht aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er das Arzneimittel Cialis jeweils erst nach dem 25. August 2003 erworben. Denn die Tatsache, dass der Kläger das Arzneimittel vor dem 25. August 2003 erworben hat, kann die Beklagte mit keiner Amtshandlung ungeschehen machen oder sonst korrigieren. Ein bestimmtes Verhalten des Betroffenen, das Voraussetzung für einen Anspruch ist, kann nämlich durch den Herstellungsanspruch weder negiert noch geschaffen werden (Gagel, SGb 2000, 517, 518; vgl. auch BSG, Urteil vom 25. Januar 1994, Az: 7 RAr 50/93, SozR 3-4100 § 249e Nr. 4).

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Die Kammer hat die Berufung nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 144 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved