S 33 AL 363/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AL 363/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ergänzungsbescheides vom 17.08.2004 und in Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 19.08.2004 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2004 verurteilt, dem Kläger ab dem 01.08.2004 Arbeitslosengeld ohne Anrechnung eines Minderungsbetrages gemäß § 140 SGB III zu zahlen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Minderung seines Anspruchs auf Zahlung von Arbeitslosengeld um 1.050,- EUR, welche die Beklagte mit einer verspäteten Arbeitssuchendmeldung begründet.

Der 1979 geborene Kläger arbeitete vom 10.06.2002 bis 07.11.2003 als Dachdecker. Auf seinen Antrag vom 27.11.2003 bewilligte ihm die Beklagte im folgenden Arbeitslosengeld ab dem Tag der Antragstellung für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 498,66 EUR wöchentlich in der Leistungsgruppe A, allgemeiner Leistungssatz in Höhe von 184,10 EUR wöchentlich. Auf Grund dieser Bewilligung bezog er Arbeitslosengeld bis zum 30.03.2004. Zu diesem Zeitpunkt bestand eine Restanspruchsdauer von 235 Tagen. Vom 31.03. bis 31.07.2004 arbeitete der Kläger als gewerblicher Helfer. Das Arbeitsverhältnis war bei Abschluss des Arbeitsvertrages bis zu diesem Zeitpunkt befristet.

Am 29.06.2004 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 01.08.2004.

Mit Ergänzungsbescheid vom 17.08.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Anspruchsminderung erfolge, weil er sich um 57 Tage verspätet arbeitssuchend gemeldet habe und somit seinen Verpflichtungen aus § 37 b SGB III nicht nachgekommen sei. Nach § 140 SGB III mindere sich der Anspruch des Klägers um 35,- EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung, höchstens jedoch für 30 Tage, hier mithin um 1.050,- EUR. Die Minderung erfolge, indem der Minderungsbetrag auf die halbe Leistung angerechnet werde. Die Anrechnung beginne am 01.08.2004 und sei voraussichtlich mit Ablauf des 18.10.2004 beendet.

Mit Bescheid vom 19.08.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 01.08.2004 nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 500,- EUR wöchentlich in der Leistungsgruppe A, allgemeiner Leistungssatz in Höhe von 188,16 EUR wöchentlich für eine Restanspruchsdauer von 235 Tagen. Gleichzeitig setzte sie den Zahlbetrag unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 17.08.2004 auf 94,08 EUR wöchentlich fest.

Den hiergegen binnen Monatsfrist eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er die Beklagte stets unverzüglich und nach seinen Kenntnissen über die Dauer des Arbeitsverhältnisses informiert habe. Er habe einen bis zum 31.07.2004 befristeten Arbeitsvertrag mit der Firma B in M geschlossen. Dieser Arbeitsvertrag und auch die Befristung auf 4 Monate seien der Beklagten bereits seit Anfang Mai 2004 bekannt. Der Kläger habe die Beklagte bei seiner Abmeldung entsprechend hierüber informiert. Dies sei auch ausdrücklich in der Bescheinigung des Arbeitgebers so angegeben worden. Während des befristeten Arbeitsverhältnisses sei ihm von dem Arbeitgeber zunächst in Aussicht gestellt worden, dass das Arbeitsverhältnis wahrscheinlich verlängert werde. Der Kläger habe dann Ende April 2004 die Beklagte aufgesucht und an der Rezeption unter Vorlage des Arbeitsvertrages mit der Firma B ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieser auf 4 Monate befristet sei, nach Aussage des Arbeitgebers wahrscheinlich jedoch verlängert werde. Dem Kläger sei daraufhin mitgeteilt worden, dass er jetzt nichts weiter zu veranlassen brauche. Er solle sich melden, wenn der Arbeitsvertrag auslaufe oder verlängert werde. Ende Juni 2004 habe er die Mitteilung des Arbeitgebers erhalten, dass jetzt verbindlich feststehe, dass sein Arbeitsvertrag nicht verlängert werde. Daraufhin habe er sich sofort am 29.06.2004 arbeitssuchend gemeldet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 20.10.2004 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Ergänzungsbescheides vom 17.08.2004 und in Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 19.08.2004 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2004 zu verurteilen, ihm ab dem 01.08.2004 Arbeitslosengeld ohne Anrechnung eines Minderungsbetrages gemäß § 140 SGB III zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten damit einverstanden waren.

Der Kläger ist durch die Bescheide vom 17. und 19.08.2004 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2004 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn diese Bescheide sind rechtswidrig. Die Beteiligte hat den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Arbeitslosengeld zu Unrecht gemäß § 140 SGB III um 1.050,- EUR gemindert, denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.

Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b SGB III nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet, so mindert sich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen auf Grund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt

1. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 400,- EUR 7,- EUR,

2. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 700,- EUR 35,- EUR und

3. bei einem Bemessungsentgelt über 700,- EUR 50,- EUR

für jeden Tag der verspäteten Meldung. Die Minderung ist auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet. Die Minderung erfolgt, in dem der Minderungsbetrag, der sich nach den Sätzen 2 und 3 ergibt, auf das halbe Arbeitslosengeld angerechnet wird. Gemäß § 37 b SGB III in der ab dem 01.07.2003 geltenden Fassung sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens 3 Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird. Die Pflicht zur Meldung gilt nicht bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis. Unverzüglich bedeutet "ohne schuldhaftes Zögern" (vgl. Gagel: SGB III, § 37 b, Rn. 15). Daraus folgt, dass eine Verletzung der in § 37 b SGB III normierten Obliegenheit nur dann angenommen werden kann, wenn die verspätete Meldung schuldhaft, also zumindest fahrlässig herbeigeführt wurde. Dies setzt wiederum voraus, dass die dem Versicherten auferlegte Obliegenheit hinreichend bestimmt ist. In Fällen der Arbeitsuchendmeldung nach befristeten Arbeitsverhältnissen kann ein Verschulden schon deshalb nicht festgestellt werden, weil sich aus dem Gesetz in keiner Weise ergibt, bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung zu erfolgen hat. Während § 37 b Satz 1 SGB III für Personen, deren Versicherungspflichtverhältnisse (durch Kündigung) enden noch klar regelt, dass die Meldung beim Arbeitsamt "unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts" zu erfolgen habe, legt § 37 b Satz 2 SGB III für befristete Arbeitsverhältnisse lediglich fest, dass die Meldung frühestens 3 Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen habe. Bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung spätestens zu erfolgen hat, ist dem Gesetz hingegen nicht zu entnehmen. Die seitens der Beklagten vertretene Auffassung, die Meldung habe in diesen Fällen binnen 7 Tagen nach dem in § 37 b Satz 2 SGB III genannten frühesten Zeitpunkt zu erfolgen, findet im Gesetz keine Stütze. Kann den § 37 b SGB III aber auf Grund der insofern unklaren Formulierung nicht entnommen werden, bis wann die Arbeitsuchendmeldung in Fällen befristeter Arbeitsverhältnisse spätestens zu erfolgen hat, so kann dem Kläger zur Überzeugung des Gerichts eine Obliegenheitsverletzung nicht vorgeworfen werden, wenn dieser sich erst relativ kurz vor Ablauf der Befristung arbeitsuchend meldet. Denn die Obliegenheiten der betreffenden Arbeitnehmer sind in diesen Fällen gesetzlich nicht hinreichend deutlich definiert. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Sanktionsfolge des § 140 SGB III auf Grund der unbestimmten Regelung in Fällen der Arbeitsuchendmeldung bei befristeten Arbeitsverhältnissen in § 37 b Satz 2 SGB III generell nicht eintreten kann. Dies wäre nur gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber die Obliegenheiten der Betroffenen für Fälle befristeter Arbeitsverhältnisse hinreichend konkret geregelt hätte (so im Ergebnis auch Sozialgericht Aachen, Urteile vom 24.09.2004 - S 8 AL 81/04, 20.10.2004 - S 11 AL 33/04 - und 15.12.2004 - S 11 AL 68/04 - sowie SG Augsburg, Urteil vom 07.09.2004 - S 1 AL 144/04 -).

Darüber hinaus greift § 140 SGB III auch deshalb nicht durch, weil nur der nach der verspäteten Meldung entstandene (§ 40 SGB I) Arbeitslosengeldanspruch der Minderung nach §§ 140, 37 b SGB III unterliegt. Die Minderung eines wiederbewilligten Rest-Anspruches ist von der Regelung nicht gedeckt. Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, so mindert sich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosengeld auf Grund des Anspruches zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Damit stellt das Gesetz auf das Entstehen des Stammrechts im Sinne von § 117 Abs. 1 SGB III ab. Infolgedessen erfasst die Regelung nicht die Fälle der Weiterbewilligung des Arbeitslosengeldes nach einer Zwischenbeschäftigung, weil in solchen Fällen keine neue Anwartschaftszeit von regelmäßig mindestens 12 Monaten Versicherungspflichtverhältnis (§§ 117 Abs. 1 Nr. 3, 123 Satz 1 Nr. 1 SGB III) gegeben ist (so auch Coseriu/Jakob in PK-SGB III, Rd. 15 zu § 140; Gagel, SGB III, Rd. 5 zu § 140). Sinn dieser Regelung ist zu verhindern, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld mehrmals gemäß § 140 SGB III gemindert wird. Die Tatsache, dass nach der ersten Arbeitslosmeldung keine Anspruchsminderung eingetreten ist, ist nach dem Gesetzeswortlaut unbeachtlich (vgl. SG Aachen, Urteil vom 05.11.2004 - S 8 AL 121/04 -; im Ergebnis auch SG Duisburg, Urteil vom 29.06.2004 - S 12 AL 369/03 - und SG Kassel, Gerichtsbescheid vom 05.11.2004 - S 17 AL 2141/04 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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