S 13 KR 208/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 208/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Leistung im Sinne einer interstitiellen Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation.

Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Im April 2003 wurde bei ihm ein lokal begrenztes Prostatakarzinom diagnostiziert.

Unter dem 19.05.2003 beantragte er über das Westdeutsche Prostatazentrum in L Kostenübernahme für eine interstitielle Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation. Hierbei handelt es sich um eine kuratives strahlentherapeutisches Verfahren zur Behandlung des lokal begrenzten Prostatakarzinoms.

Mit Bescheid vom 26.05.2003 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab.

In der Zeit vom 19.05.2003 bis 29.05.2003 ließ der Kläger die Behandlung einschließlich notwendiger Vor- und Nachuntersuchungen von den Ärzten für Urologie Dres. O und E in L durchführen, wofür ihm privat insgesamt 8.103,06 Euro in Rechnung gestellt wurden. Die Rechnung ist vom Kläger ausgeglichen worden.

Sein Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.05.2003 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2003 zurückgewiesen. In der vertragsärztlichen Versorgung dürften Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die im sogenannten Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) keine Berücksichtigung gefunden hätten, als sogenannte neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erst dann erbracht werden, wenn sie vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anerkannt seien. Für die interstitielle Brachytherapie mit permanenten Seed-Implantaten fehle eine solche Anerkennung.

Hiergegen richtet sich die am 28.07.2003 erhobene Klage. Der Kläger trägt vor, dass es sich bei der interstitiellen Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation im Vergleich zu den etablierten vertragsärztlichen Behandlungsformen um eine Therapie handele, die diesen in der Wirkung überlegen, mit dem geringsten Eingriff und den wenigsten Nebenwirkungen verbunden und kostengünstiger sei. In den USA würden cirka 50% der lokal begrenzten Prostatakarzinome einer Brachytherapie zugeführt und auch in Europa fände sie zunehmende Verbreitung.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2003 zu verurteilen, ihm auf die Rechnung der Dres. O und E vom 10.06.2003 8.103,06 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Bescheide für rechtmäßig.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht Befundberichte des Arztes für Urologie I sowie des Arztes für Urologie M, beide aus J, eingeholt.

Außerdem ist eine Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen aus dem Verfahren S 40 KR 162/03 vor dem Sozialgericht Dortmund beigezogen worden. Danach wird die interstitielle Brachytherapie bei lokal begrenztem Prostatakarzinom unter Anwendung von implantierten Permanent-Seeds aufgrund eines Antrags der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 24.04.2003 derzeit überprüft.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die eingeholten Befundberichte, die beigezogene Auskunft sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid vom 26.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2003 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung seiner Kosten für die selbstbeschaffte interstitielle Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation.

Die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung (SGB V) sind nicht erfüllt.

Danach hat die Krankenkasse die einem Versicherten für eine selbstbeschaffte Leistung entstandenen Kosten zu erstatten, soweit sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und die Leistung notwendig war.

Bei der durchgeführten interstitiellen Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation handelt es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung, welche die Beklagte im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB nicht rechtzeitig hätte erbringen können, weil zur Behandlung des Prostatakarzinoms verschiedene etablierte vertragsärztliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten.

Ebenso wenig hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Kostenübernahme zu Unrecht abgelehnt. Ein Anspruch auf Kostenübernahme scheitert daran, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in seinen Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien) bislang keine Empfehlung für die interstitielle Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation bei lokal begrenztem Prostatatkarzinom abgegeben hat.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

Behandlungsmethoden der besonderen Therapierichtungen sind dabei nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht ausgeschlossen. Jedoch müssen Qualität und Wirksamkeit auch dieser Leistungen nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen.

Die Feststellung, dass eine vertragsärztliche Behandlung dem geforderten Versorgungsstandard entspricht, obliegt dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur dann erbracht werden, wenn der Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen unter anderem über die Anerkennung des diagnostischen oder therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat (BSG Urt. v. 16.09.1997, 1 RK 28/95, Urt. v. 08.02.2000, B 1 KR 18/99 B, Urt. v. 19.02. 2002, B 1 KR 16/00 R, Urt. v. 19.02.2003, B 1 KR 18/01 R).

Die interstitielle Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation ist eine "neue" Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V, da sie sich sowohl hinsichtlich der Deutung der Krankheitssymptome als auch hinsichtlich des therapeutischen Vorgehens von bisher anerkannten Methoden unterscheidet und im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen nicht aufgeführt ist.

Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat bislang keine Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen oder therapeutischen Nutzens dieser neuen Methode abgegeben. Vielmehr wird sie derzeit aufgrund eines Antrags der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 24.04.2003 erst überprüft.

Die Rechtswidrigkeit der Leistungsverweigerung lässt sich auch nicht als sogenannter "Systemmangel" begründen.

Ein solcher Systemmangel liegt nach der zitierten Rechtsprechung dann vor, wenn die Entscheidung des Bundesausschusses trotz Erfüllung der für die Überprüfung einer neuen Behandlungsmethode notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen unterblieben oder verzögert worden ist (BSG, Urt. v. 19.02. 2002, B 1 KR 16/00 R mit weiteren Nachweisen).

Dafür ist bezüglich des Therapiekonzepts einer interstitiellen Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation bei lokal begrenztem Prostatakarzinom nichts ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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