L 2 RJ 212/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 678/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 RJ 212/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 17. Oktober 2000 insoweit geändert, als der Bescheid vom 12. März 1996 abgeändert worden ist. Die Beklagte wird verpflichtet, diesen Bescheid für die Zeit vom 01. August 1994 bis 31. Januar 1996 zurückzunehmen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Regelaltersrente bereits ab 01. August 1994 zu gewähren ist.

Der am ... 1929 geborene Kläger war bis 30. September 1990 beim VEB (B) Vereinigte H. P.-S. bzw. der H. GmbH beschäftigt. Mit letztgenanntem Unternehmen schloss er am 05. Oktober /28. September 1990 eine Vereinbarung gemäß der Verordnung vom 08. Februar 1990 über die Gewährung des Vorruhestandsgeldes. Danach verpflichtete sich der Arbeitgeber, an den Kläger ein Vorruhestandsgeld in Höhe von 534 DM monatlich bis zur Gewährung der Alters- bzw. Invalidenrente, bis Juni 1994, zu zahlen.

Unter dem 16. November 1990 beantragte der Kläger beim Arbeitsamt Potsdam, ihm für die Zeit ab 03. Oktober 1990 Vorruhestandsgeld zu gewähren. Er gab an, Anspruch auf Altersrente ab dem 65. Lebensjahr zu haben. Mit Bescheid vom 27. September 1991 bewilligte die Bundesanstalt für Arbeit Vorruhestandsleistungen ab 01. Oktober 1990, längstens jedoch bis zum Rentenbezug, in Höhe von 655 DM monatlich. In der nachfolgenden Zeit wurde das Vorruhestandsgeld bis auf 1317 DM erhöht und zum 31. Juli 1994 eingestellt. Mit Schreiben vom 06. Mai 1992 erteilte das Arbeitsamt Potsdam dem Kläger einen Leistungsnachweis über den Bezug von Vorruhestandsgeld für die Zeit vom 03. Oktober bis 31. Dezember 1990 und wies darauf hin, dass diese Zeit dem Träger der Rentenversicherung nicht gemeldet worden sei. Diese Zeiten seien im Bedarfsfall nachzuweisen, so dass der Leistungsnachweis sorgfältig aufzubewahren sei. Nachdem der Kläger seine Versicherungsnummer mitgeteilt hatte, übermittelte die Bundesanstalt für Arbeit maschinell am 01. Oktober 1993, am 07. März 1994 und am 20. Juli 1994 die Zeiten vom 01. Januar 1992 bis 31. Dezember 1992, 01. Januar 1993 bis 31. Dezember 1993 bzw. vom 01. Januar 1994 bis 31. Juli 1994 als Vorruhestandsgeldbezug (Schriftsatz der Beklagten vom 10. Juli 2002).

Auf den am 20. Februar 1996 gestellten Antrag, auf den die Kontenklärung eingeleitet wurde und erfolgte, gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12. März 1996 Regelaltersrente ab 01. Februar 1996. Die Anspruchsvoraussetzungen seien seit dem 31. Juli 1994 erfüllt. Die Rente werde vom Antragsmonat an geleistet, weil der Antrag erst nach Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats gestellt worden sei, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt gewesen seien.

Am 30. April 1996 beantragte der Kläger, ihm die Rente ab dem 65. Lebensjahr nachzuzahlen. Er sei davon ausgegangen, dass das Arbeitsamt eine Meldung zum Rentenversicherungsträger mache.

Mit Schreiben vom 14. Mai 1996 lehnte dies die Beklagte unter Hinweis auf § 99 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab.

Am 03. September 1996 beantragte der Kläger erneut die Überprüfung des Rentenbeginns und Gewährung der Regelaltersrente ab 01. August 1994.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 1996 lehnte die Beklagte dies erneut mit derselben Begründung ab.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass ein Rentenantrag erforderlich sei. Er habe angenommen, dass das Arbeitsamt den Rentenbeginn automatisch mitteile.

Auf eine telefonische Anfrage teilte das Arbeitsamt Potsdam der Beklagten mit, es sei davon ausgegangen worden, dass der Kläger um die Beantragung seiner Rente gewusst habe. Zusammen mit der Ausreichung der Antragsformulare für das von der Bundesanstalt für Arbeit zu zahlende Vorruhestandsgeld seien auch Merkblätter an die Betriebe mit der Verpflichtung verteilt worden, diese den Antragstellern auszuhändigen.

Mit dem am 14. August 1998 als Einschreiben zur Post aufgegebenen, dem Kläger erst am 10. September 1998 zugegangenen Widerspruchsbescheid vom 11. August 1998 wurde der Widerspruch unter Hinweis auf die Gründe im angefochtenen Bescheid zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 09. Oktober 1998 beim Sozialgericht Potsdam Klage erhoben und vorgetragen:

Im Hinblick auf den Hinweis in der Vereinbarung mit der H. GmbH, wonach die Zahlung des Vorruhestandsgeldes bis zur Gewährung der Alters- bzw. Invalidenrente, in seinem Fall also bis Juni 1994, erfolge, und aufgrund der mit Mitarbeitern des Arbeitsamtes Luckenwalde geführten Gespräche sei er davon ausgegangen, dass ihm mit Vollendung des 65. Lebensjahres die Altersrente ohne weiteres Zutun gewährt werden würde. Er habe seinen Antrag auf Vorruhestandsgeld im Betrieb abgegeben. Seitens des Betriebes seien keine Erklärungen zum Vorruhestandsgeld abgegeben worden. Er habe auch kein Merkblatt erhalten. Im Juli 1994 sei die Zahlung des Vorruhestandsgeldes ohne einen Hinweis eingestellt worden. Er sei davon ausgegangen, dass irgendwann automatisch die Altersrente gezahlt werde. Seit Juli 1994 habe er von seinen Ersparnissen gelebt. Angesichts der allgemein als lang bekannten Bearbeitungszeiten habe er zunächst keine Veranlassung gesehen, tätig zu werden. Er sei später dann stutzig geworden, dass die Rente immer noch nicht gezahlt wurde. Nachdem ihm in Gesprächen mit Bekannten geraten worden sei, wegen der Zahlungen zur Rentenstelle zu gehen, habe er dies im Februar 1996 getan und dort erstmalig erfahren, dass er einen Antrag stellen müsse. Vor dem 20. Februar 1996 habe er keinerlei Kontakt zu einem Rentenversicherungsträger gehabt.

Weder von seinem ehemaligen Arbeitgeber, noch vom Arbeitsamt oder der Beklagten sei er auf die Beantragung der Regelaltersrente hingewiesen worden. Eine solche Hinweispflicht bestehe zumindest seitens der Beklagten nach § 115 Abs. 6 SGB VI. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 23/95 sei auf die Notwendigkeit der Rentenantragstellung dann hinzuweisen, wenn es sich um einen Fall des Rentenanspruches aufgrund der Vollendung des 65. Lebensjahres handele und der Versicherungsträger das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen generell aufgrund des Versicherungskontos ohne Befragung der Versicherten feststellen könne. Selbst wenn im Versicherungskonto die Erfüllung der Wartezeit nicht ersichtlich gewesen sei, habe eine solche Hinweispflicht bestanden. Die Beklagte habe damit rechnen müssen, dass im Beitrittsgebiet die Zeiten vor 1991 in vielen Fällen überhaupt noch nicht im Versicherungskonto gespeichert gewesen seien. Der fehlende Hinweis sei alleiniger Grund für die verspätete Antragstellung gewesen. Für diese Pflichtverletzung habe die Beklagte im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches einzustehen. Sie habe den Kläger nicht auf die klar zutage liegende Rentenantragstellung, die auch so zweckmäßig gewesen sei, dass jeder verständige Versicherte sie mutmaßlich nutzen würde, hingewiesen.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, eine Hinweispflicht habe im Rahmen des § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI nicht bestanden, da bereits eine Aufklärung durch das zuständige Arbeitsamt mittels Merkblattes erfolgt sei. Diesem sei zu entnehmen, dass der Anspruch auf Vorruhestandsgeld erlösche, sofern ein Anspruch auf Regelaltersrente nicht geltend gemacht werde. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfaltspflicht habe der Kläger somit die Notwendigkeit einer Rentenantragstellung erkennen müssen. Im Übrigen seien vor der im Februar 1996 erfolgten Rentenantragstellung im Versicherungskonto lediglich die vom Arbeitsamt maschinell eingespielten Daten des Vorruhestandsgeldbezuges wohl vom 01. Januar 1991 bis 31. Juli 1994 (43 Kalendermonate) gespeichert gewesen, so dass nach dem angesprochenen Urteil des BSG eine Hinweispflicht gerade nicht bestanden habe. Es sei auch der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem eingetretenen sozialrechtlichen Schaden nicht ersichtlich. Allein das unterbliebene Ersuchen des Klägers um Beratung sei für die verspätete Rentenantragstellung ursächlich.

Das Sozialgericht hat die Auskunft des Arbeitsamtes Potsdam vom 19. Juli 1999 eingeholt.

Darin ist mitgeteilt, dass mit der Ausreichung der Vorruhestandsgeldanträge an die Betriebe diesen auch Merkblätter mit der Verpflichtung übergeben worden seien, diese den Antragstellern auszuhändigen. Der Kläger habe am 16. November 1990 auf dem Antrag auf Vorruhestandsgeld angegeben, er habe Anspruch auf Altersrente ab dem 65. Lebensjahr. Es sei deswegen davon auszugehen, dass dem Kläger bekannt gewesen sei, ab wann ihm Altersrente zustehe, so dass er einen entsprechenden Antrag hätte stellen können.

Mit Urteil vom 17. Oktober 2000 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 12. März 1996 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 1998 verurteilt, dem Kläger Regelaltersrente ab 01. Juli 1994 zu gewähren: Der Kläger sei aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zu behandeln, als hätte er seinen Rentenantrag bereits im Juli 1994 gestellt. Zwar sei weder ein Beratungs- oder Auskunftsfehler noch eine Verletzung der Hinweispflicht seitens der Beklagten gegeben, da der Kläger erstmalig am 20. Februar 1996 mit der Beklagten in Kontakt getreten sei. Die Beklagte müsse sich jedoch den Beratungsmangel des Arbeitsamtes zurechnen lassen, da jene Behörde im Zeitpunkt des Beratungsbedarfs des Klägers dessen aktueller Anspruchspartner gewesen sei (Hinweis auf BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 22). Das Arbeitsamt hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass eine nahtlose Weiterzahlung von nunmehr Regelaltersrente nur dann geschehen könne, wenn er einen entsprechenden Antrag innerhalb der Antragsfrist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI stelle. Die Außerachtlassung dieser Hinweispflicht sei ursächlich dafür, dass der Kläger keinen fristgemäßen Rentenantrag gestellt habe, sondern sich in Sicherheit gewähnt habe, dass die Zahlung der Altersrente nahtlos an die Einstellung der Vorruhestandsgeldleistung ohne neuerlichen Antrag erfolgen würde.

Gegen das ihr am 23. November 2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. Dezember 2000 eingelegte Berufung der Beklagten.

Sie trägt vor: Das Urteil des Sozialgerichts sei schon deswegen fehlerhaft, weil frühestmöglicher Rentenbeginn der Regelaltersrente der 01. August 1994 sein könne. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe im Übrigen nicht, da der Kläger weder das Arbeitsamt noch die Beklagte um Beratung ersucht habe. Die vom Sozialgericht angesprochene Rechtsprechung des BSG sei nicht einschlägig, da sich die dortigen Kläger jeweils rechtzeitig an den zuständigen Leistungsträger gewandt hätten. Zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung sei im Versicherungskonto lediglich die Zeit vom 01. Januar 1992 bis 31. Juli 1994 gespeichert gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 17. Oktober 2000

aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, nachdem er seine Klage hinsichtlich eines Anspruches auf Regelaltersrente vor dem 01. August 1994 zurückgenommen hat,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Beratungspflicht der Beklagten würde ad absurdum geführt, wenn dieser Beratungspflicht ein Beratungsersuchen des Klägers voranzugehen hätte. Mitarbeiter des Arbeitsamtes könne er als Zeugen nicht benennen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten ( ...) und des Arbeitsamtes Potsdam ( ...), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist, soweit darüber nach der teilweisen Klagerücknahme hinsichtlich eines Zeitraumes vor dem 01. August 1994 noch zu entscheiden ist, im Wesentlichen unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 1998 verurteilt, dem Kläger auch noch für die Zeit vom 01. August 1994 bis 31. Januar 1996 Regelaltersrente zu gewähren. Die Beklagte ist verpflichtet, den insoweit entgegenstehenden Bescheid vom 12. März 1996 zurückzunehmen. Soweit das Sozialgericht im angefochtenen Urteil diesen Bescheid selbst teilweise geändert hat, ist es hierzu im Rahmen der allein in Betracht kommenden Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nicht befugt gewesen, so dass der Tenor des Urteils des Sozialgerichts allein diesbezüglich klarzustellen ist.

Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. m. dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen Verletzung der aus § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI resultierenden Hinweispflicht.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Der Bescheid vom 12. März 1996 ist rechtswidrig, soweit er Regelaltersrente für eine Zeit vom 01. August 1994 bis 31. August 1996 versagt hat.

Die Voraussetzungen zur Gewährung einer Regelaltersrente hat der Kläger im Juli 1994 erfüllt.

Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Der Kläger wurde am 05. Juli 1994 65 Jahre alt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) mit Beitragszeiten (§ 51 Abs. 1 SGB VI) erfüllt. Bei ihm liegen 595 Monate Beitragszeit vor (vgl. Anlage 3 S. 4 des Bescheides vom 12. März 1996).

Nach § 99 Abs. 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

Wegen des erst am 20. Februar 1996 gestellten Antrages auf Regelaltersrente würde danach diese Rente zwar erst ab 01. Februar 1996 beginnen. Die Beklagte hat jedoch ihre Hinweispflicht aus § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI verletzt. Wäre sie ihrer diesbezüglichen Verpflichtung nachgekommen, hätte der Kläger innerhalb der Dreimonatsfrist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI den erforderlichen Rentenantrag gestellt, so dass die Regelaltersrente zum 01. August 1994 hätte beginnen können. Dieses Recht kann der Kläger im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches durchsetzen.

Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber erwachsenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch schafft kein neues Recht. Er ermöglicht lediglich Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger seiner Pflicht (in vollem Umfang) nachgekommen wäre. Voraussetzung ist, dass die verletzte Pflicht dem Sozialleistungsträger gerade gegenüber dem Versicherten obliegt, diesem also ein entsprechendes subjektives Recht eingeräumt ist. Die objektiv rechtswidrige (nicht notwendig schuldhafte) Pflichtverletzung muss zumindest gleichwertig (neben anderen Bedingungen) einen Nachteil des Versicherten bewirkt haben. Schließlich muss die verletzte Pflicht darauf gerichtet gewesen sein, den Betroffenen gerade vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren (Schutzzweckzusammenhang; BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 1 = BSGE 79, 168).

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts liegt allerdings eine Verletzung der Beratungs- und Auskunftspflicht nach den §§ 14, 15 SGB I nicht vor.

Nach § 14 SGB I hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.

Nach § 15 Abs. 1 bis 3 SGB I sind die nach Landesrecht zuständigen Stellen sowie die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, neuerdings auch der sozialen Pflegeversicherung, verpflichtet, über alle sozialen Angelegenheiten nach diesem Gesetzbuch Auskünfte zu erteilen. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auf die Benennung der für die Sozialleistungen zuständigen Leistungsträger sowie auf alle Sach- und Rechtsfragen, die für die Auskunftssuchenden von Bedeutung sein können und zu deren Beantwortung die Auskunftsstelle im Stande ist. Die Auskunftsstellen sind verpflichtet, untereinander und mit den anderen Leistungsträgern mit dem Ziel zusammenzuarbeiten, eine möglichst umfassende Auskunftserteilung durch eine Stelle sicherzustellen.

Voraussetzung für das Entstehen einer Beratungspflicht nach § 14 SGB I ist ein Beratungsbegehren oder zumindest ein konkreter Anlass zur Beratung. Für eine Auskunftspflicht nach § 15 SGB I ist es ebenfalls erforderlich, dass ein entsprechender Informationsbedarf des Versicherten für den zuständigen Versicherungsträger oder eine andere auskunftspflichtige Stelle offen zutage tritt (BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 1). Grundsätzlich sind die Sozialleistungsträger mithin lediglich gehalten, auf entsprechende Anfragen der Versicherten hin, diese zu beraten. Allerdings ist ein Versicherungsträger, auch wenn ein Beratungsbegehren nicht vorliegt, gehalten, die Versicherten bei Bestehen eines konkreten Anlasses von sich aus auf klar zutage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist, dass sie ein verständiger Versicherter mutmaßlich nutzen würde (sog. Spontanberatung). Die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu tage tritt, ist allein nach objektiven Merkmalen zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 16 m.w.N.).

Die Beklagte selbst oder die in § 15 Abs. 1 SGB VI genannten Stellen haben gegenüber dem Kläger keine Beratungspflicht verletzt. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts erklärt hat, hat er bis zum Tag seiner Rentenantragstellung keinerlei Kontakt mit einem Rentenversicherungsträger gehabt. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass er einen entsprechenden Informationsbedarf wegen seiner Regelaltersrente gegenüber den in § 15 Abs. 1 SGB I genannten Stellen geäußert hat. Dies ist schon deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger nach seinem Vorbringen davon ausgegangen ist, ihm werde Regelaltersrente automatisch gezahlt. Auch das Sozialgericht ist insoweit keiner anderen Auffassung gewesen.

Allerdings hat das Sozialgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG (BSGE 51, 89; BSG SozR 1200 § 14 Nrn. 19 und 29, SozR 1200 § 381 Nr. 44 und insbesondere SozR 3-1200 § 14 Nr. 22) gemeint, das Arbeitsamt habe den Kläger auf die Beantragung der Regelaltersrente hinweisen müssen. Der Senat vermag dem nicht zu folgen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann sich ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch grundsätzlich auch aus dem fehlerhaften Verhalten anderer Behörden ergeben. Einer anderen Behörde als der für die Entscheidung über die begehrte Leistung befugten Stelle kann eine Beratungspflicht, deren Verletzung zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gegen die zuständige Behörde führt, dann obliegen, wenn die andere Behörde vom Gesetzgeber im Sinne einer Funktionseinheit "arbeitsteilig" in das Verfahren eingeschaltet ist. Einen Herstellungsanspruch hat das BSG auch bei Bestehen eines Konkurrenzverhältnisses zwischen zwei Leistungen angenommen. Die Verpflichtung der Leistungsträger und sonstiger Behörden (z. B. Versicherungsämter), Leistungsempfänger auch über Gegenstände zu beraten, die ihren eigenen Bereich überschreiten, und die Verpflichtung des zur Entscheidung befugten Leistungsträgers, sich das fehlerhafte Handeln eines anderen Leistungsträgers zurechnen zu lassen, erschöpft sich nach dem Urteil des BSG in SozR 3-1200 § 14 Nr. 22 indes nicht mit den dort aufgeführten Fallgruppen (u. a. Hinweis auf BSGE 51, 89 = SozR 2200 § 381 Nr. 44, SozR 1200 § 14 Nr. 19). Eine solche Annahme würde der Bedeutung, die Aufklärung und Beratung für das Funktionieren des dem einzelnen Versicherten zum Teil schwer verständlichen, gegliederten Leistungssystems der sozialen Sicherheit haben, nicht gerecht. Der Versicherte wäre diesem ihm häufig nur schwer zugänglichen System weitgehend ausgeliefert und an der Verwirklichung seiner sozialen Rechte erheblich gehindert, wenn ihm derjenige Leistungsträger, der ihm bei einer bestimmten Sachlage gegenüber steht, nicht in weiterem Umfang jeweils rechtzeitig, vollständig und richtig auch auf für ihn besonders wichtige und für den Leistungsträger selbst ohne Weiteres überschaubare Gesichtspunkte hinweisen würde, die den Zuständigkeitsbereich eines anderen Leistungsträgers betreffen. Aufgrund dieser Zusammenhänge sei eine dem zuständigen Leistungsträger zurechenbare Beratungspflicht einer anderen Behörde zumindest auch dann anzunehmen, wenn die Zuständigkeitsbereiche beider Stellen materiell-rechtlich eng miteinander verknüpft seien, die andere Behörde im maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund eines bestehenden Kontaktes der aktuelle "Ansprechpartner" des Versicherten sei und die Behörde aufgrund der ihr bekannten Umstände erkennen könne, dass bei dem Versicherten im Hinblick auf das andere sozialrechtliche Gebiet ein dringender Beratungsbedarf in einer gewichtigen Frage bestehe. Nur der in der konkreten Situation dem Versicherten gegenüberstehende Leistungsträger sei in der Lage, die notwendigen Hinweise in Bezug auf solche Veränderungen zu geben, die Reaktionen des Betroffenen auf einem anderen Rechtsgebiet gegenüber einem anderen Leistungsträger erforderlich machten.

Es kann dahinstehen, ob das Arbeitsamt vom Gesetz im Sinne einer Funktionseinheit "arbeitsteilig" in das Renten(antrags)verfahren eingeschaltet ist.

Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB I sind Anträge auf Sozialleistungen auch von allen anderen Leistungsträgern, also auch von den Arbeitsämtern (§ 19 Abs. 2 SGB I), von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegenzunehmen. Daraus folgt jedoch nicht, dass diese Stellen darüber hinaus in weiterem Umfang am Rentenverfahren beteiligt sind. Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I beschränkt sich ihre Mitwirkung allein darauf, solche Anträge unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Diese Vorschrift begründet mithin gegenüber dem Berechtigten einerseits die Verpflichtung, Anträge entgegenzunehmen und andererseits, sie unverzüglich weiterzuleiten. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann insoweit mithin nur bestehen, wenn gegen eine dieser beiden Pflichten verstoßen wurde (vgl. auch BSG SozR 3-5910 § 91 a Nr. 7). Ein solcher Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor.

Im Übrigen ist das Arbeitsamt nur insoweit "arbeitsteilig" in ein Verfahren beim Rentenversicherungsträger eingeschaltet, als die Verwirklichung von rentenrechtlichen Zeiten betroffen ist. Nach § 149 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VI führt der Träger der Rentenversicherung für jeden Versicherten ein Versicherungskonto, das nach einer Versicherungsnummer geordnet ist. In dem Versicherungskonto sind die Daten, die für die Durchführung der Versicherung sowie die Feststellung und Erbringung von Leistungen einschließlich der Rentenauskunft erforderlich sind, zu speichern. Zu diesen Daten gehören auch solche, die eine Anrechnungszeit begründen, also Zeiten des Bezuges von Vorruhestandsgeld vor dem 01. Januar 1992 (§ 252 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b SGB VI) und Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitssuchende gemeldet waren und u. a. eine öffentlich-rechtliche Leistung, wie hier das Vorruhestandsgeld, bezogen haben (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI). Solche sind nach § 193 SGB VI von der Bundesanstalt für Arbeit zu melden. Insoweit trifft die Bundesanstalt für Arbeit eine besondere Pflicht, darauf hinzuwirken, dass der Kläger solche Zeiten verwirklichen kann, insbesondere also auf das Erfordernis der Arbeitslosmeldung oder die Folgen der fehlenden Arbeitslosmeldung hinzuweisen (vgl. BSGE 63, 112, 115). Um einen solchen Sachverhalt geht es vorliegend ebenfalls nicht.

Eine weitere vom Gesetz vorgesehene arbeitsteilige Einschaltung des Arbeitsamtes im Sinne einer Funktionseinheit im Renten(antrags)verfahren vermag der Senat nicht zu erkennen.

Das BSG hat zwar im o. g. Urteil in SozR 3-1200 § 14 Nr. 22 ausgeführt, dass in Zeiten der Arbeitslosigkeit, insbesondere bei Beendigung des Leistungsbezuges, ein unmittelbarer Kontakt des Versicherten zur Arbeitsverwaltung bestehe, die insoweit der aktuelle Ansprechpartner sei. Es liege auch eine enge materielle und verfahrensrechtliche Verknüpfung des Leistungsbezuges aus der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe mit der Rentenversicherung vor. Dies gilt, wie bereits dargelegt, sicherlich für die Zeit nach dem Ende des Bezuges von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder einer anderen Leistung der Bundesanstalt für Arbeit im Hinblick auf die Verwirklichung einer Anrechnungszeit in der Rentenversicherung. Hingegen besteht der Schutzzweck dieser arbeitsteiligen Funktionseinheit zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und dem Rentenversicherungsträger nicht darin, den Betroffenen vor einer verspäteten Rentenantragstellung zu bewahren. Deswegen kann aus einer solchen - aus anderen Gründen - bestehenden engen materiellen und verfahrensrechtlichen Verknüpfung zwischen den beiden Sozialleistungsträgern keine Verpflichtung des Arbeitsamtes abgeleitet werden, den Kläger auf das Erfordernis einer Rentenantragstellung hinzuweisen.

Ob das BSG in der o. g. Entscheidung darüber hinaus der Auffassung gewesen ist, dass der Sozialleistungsträger, der aktueller "Ansprechpartner" ist, bei Wegfall einer von ihm gewährten Leistung verpflichtet ist, den Berechtigten an den Sozialleistungsträger zur Beratung zu verweisen, der als möglicher weiterer Leistungsträger in Betracht kommt, weil ansonsten eine mögliche andere Sozialleistung vollständig untergehen kann, ist für den vorliegenden Fall nicht erheblich. Das BSG hat eine solche Pflicht in diesem Urteil deswegen bejaht, weil ansonsten der Bestand der Anwartschaft für eine Rente wegen Erwerbsminderung wegen der seit 1984 erforderlichen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auf dem Spiel gestanden hat. Jener Sachverhalt ist mit dem Vorliegenden nicht vergleichbar, denn der Kläger erleidet wegen der verspäteten Antragstellung keinen vollständigen Verlust seines Rechts auf Regelaltersrente.

Unabhängig davon hat das Arbeitsamt jedenfalls deswegen keine Beratungspflicht gegenüber dem Kläger verletzt, weil es nicht von einem Beratungsbedarf ausgehen musste. Mit einem Beratungsersuchen ist der Kläger, ausgehend von seiner Vorstellung, die Altersrente werde automatisch gezahlt, wohl nicht an das Arbeitsamt herangetreten; dies ist zumindest nicht nachweisbar. Bei einer solchen Sachlage kommt eine so genannte Spontanberatung nur in Betracht, wenn für das Arbeitsamt erkennbar geworden wäre, dass der Kläger bezüglich seiner Regelaltersrente Informationsbedarf gehabt hätte. Nach dem Urteil des BSG in SozR 3-1200 § 14 Nr. 22 ist ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer Beratung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger (allein) dann geboten, wenn das Arbeitsamt davon ausgehen musste, dass der Versicherte über die einschlägigen Regelungen noch nicht ausreichend informiert ist. Insoweit ist erforderlich, dass der Versicherte in irgendeiner Weise sich geäußert hat, die einen entsprechenden Schluss zulässt (vgl. auch BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 9).

Es lässt sich nicht feststellen, was Inhalt der Gespräche war, die der Kläger nach seinem Schriftsatz vom 04. Februar 1999 mit Mitarbeitern des Arbeitsamtes Luckenwalde führte. Der Kläger hat entsprechende Zeugen nicht benennen können. Insoweit lässt sich nicht aufklären, ob der Kläger in irgendeiner Weise gegenüber dem Arbeitsamt Luckenwalde seine Rechtsunkenntnis bezüglich der Gewährung einer Regelaltersrente zum Ausdruck brachte.

Ohne jegliche Anhaltspunkte war das Arbeitsamt jedenfalls nicht verpflichtet, den Kläger darauf hinzuweisen, dass Regelaltersrente nur gewährt werden kann, wenn diese auch beantragt wird. Es durfte vielmehr davon ausgehen, dass das Erfordernis einer Rentenantragstellung allgemein bekannt ist.

Es liegen auch keine Hinweise dafür vor, dass das Arbeitsamt den Eindruck erweckt hat, eine Rentenantragstellung sei entbehrlich. Erst recht lässt sich der vorliegenden Verwaltungsakte des Arbeitsamtes Potsdam nichts dafür entnehmen, das Arbeitsamt habe bereits alles veranlasst bzw. werde das Erforderliche veranlassen, damit der Kläger zum 01. August 1994 im unmittelbaren Anschluss an das Bezugsende des Vorruhestandsgeldes Regelaltersrente erhalte.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch trägt jedoch das geltend gemachte Begehren wegen Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI seitens der Beklagten.

Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der Rentenversicherung die Beteiligten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen.

Sinn und Zweck des § 115 Abs. 6 SGB VI ist es, die nicht ausreichend Informierten vor Nachteilen aus dem Antragsprinzip zu bewahren. Diese Vorschrift wurde durch das Rentenreformgesetz 1992 zugleich mit § 99 SGB VI eingeführt, in dem die Auswirkung des Antragszeitpunktes auf den Rentenbeginn bestimmt wird. Durch § 99 SGB VI werden gravierendere Folgen an die Antragstellung bzw. deren Zeitpunkt geknüpft als nach dem bis dahin geltenden Recht. Als Korrektiv hierfür ist die Regelung des § 115 Abs. 6 SGB VI vorgesehen. Da die Adressaten derartiger Hinweise bestimmbar sind und die Regelung den Schutz der einzelnen Versicherten bezweckt, ist davon auszugehen, dass diesen auch ein subjektives Recht auf Erteilung eines Hinweises zustehen soll. Die Verpflichtung zur Hinweiserteilung scheidet nicht deswegen aus, weil der Versicherte sich nicht rechtzeitig rat- oder auskunftssuchend an den Versicherungsträger gewandt hat. Hinweise sind ihrem Wortsinn nach kurze Mitteilungen, die auf etwas aufmerksam machen oder zu etwas anregen sollen. Demgegenüber liegt eine Auskunft vor, wenn eine erklärende oder aufklärende Mitteilung auf eine Frage hin erfolgt. Daraus ergibt sich, dass für das Entstehen einer Verpflichtung des Versicherungsträgers zur Erteilung eines Hinweises eine Anfrage des Versicherten nicht erforderlich ist. Als Inhalt des Hinweises nennt § 115 Abs. 6 SGB VI die Notwendigkeit einer Antragstellung für den Erhalt einer Leistung. Sofern der Antrag bestimmten Erfordernissen genügen muss, die nicht völlig selbstverständlich sind, müssen auch diese angegeben werden. Der Hinweis des Versicherungsträgers muss deshalb auch eine Mitteilung der Frist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI enthalten (BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 1). Die Formulierung des Gesetzes "in geeigneten Fällen" ist ein gerichtlich voll überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff. Der Inhalt dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist durch Gesetzesauslegung zu ermitteln (BSG SozR 3-2600 § 115 Nrn. 1 und 2).

Nach der Gesetzesbegründung und dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sind geeignete Fälle solche, in denen es nahe liegt, dass Versicherte Leistungen in Anspruch nehmen wollen, wie zum Beispiel bei der Regelaltersrente und bei der Hinterbliebenenrente. Hier liegt ein geeigneter Bereich vor, in dem die allgemeine Aufklärungs- und Informationspflicht zu einer konkreten Informationspflicht ausgebaut werden kann. Da eine solche Informationspflicht wegen der unzureichenden Unterlagen nicht generell erfüllbar ist, ist die Selbstverwaltung aufgerufen, die Personengruppen näher zu bestimmen (BSG SozR 3-2600 § 115 Nrn. 1 und 2). In letztgenannter Entscheidung sind allerdings Zweifel daran geäußert worden, ob der Rentenversicherungsträger in allen Fällen einer Anspruchsberechtigung auf die Regelaltersrente verpflichtet ist, den Hinweis auf die Rentenantragstellung zu geben. Gerade hier handele es sich, neben der Hinterbliebenenrente, um die in der Bevölkerung bekannteste Rentenart. Des Hinweises bedürften allerdings die Berechtigten, wo es für Ungeschulte schwierig sei, die gesetzliche Regelung zu durchschauen und Gestaltungsmöglichkeiten zu erkennen. Letztgenannte Anforderungen sind vom BSG bisher aber nicht als Voraussetzung für die Hinweispflicht gefordert worden (vgl. auch BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 4). Der Senat hält daher gestützt auf die Gesetzesbegründung den Bezug einer Regelaltersrente für einen geeigneten Fall des § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI.

§ 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI verpflichtet den Rentenversicherungsträger allerdings nicht, auf die Stellung von Rentenanträgen hinzuweisen, wenn und solange keine Veranlassung zu der Annahme besteht, dass die Versicherten auch ohne einen solchen Hinweis von einer Rentenantragstellung Gebrauch machen. Auf eine ohnehin von den Versicherten praktizierten Verfahrensweise muss der Versicherungsträger nicht noch hinweisen. Vielmehr muss der Versicherungsträger erst dann tätig werden, wenn er erkennen kann, dass Versicherte den Rentenantrag aus Unwissenheit nicht stellen (so auch BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 2). Dies ist dann anzunehmen, wenn im Monat der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen ein Rentenantrag noch nicht vorliegt. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass Anträge auf insbesondere Regelaltersrente regelmäßig einige Zeit vor der absehbaren Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen gestellt werden, um einen zeitgerechten Beginn der Rentenzahlungen sicherzustellen. Darauf weisen die Rentenversicherungsträger im Rahmen ihrer allgemeinen Aufklärung auch regelmäßig hin. Fehlt es somit zu dem genannten Zeitpunkt an einem Rentenantrag, lässt dies grundsätzlich den Schluss zu, dass dies auf Unkenntnis des betreffenden Versicherten beruht (BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 5).

Die Gesetzesbegründung und der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens lässt erkennen, dass das Gesetz von typischen Sachverhalten ausgeht, bei denen eine Hinweispflicht bestehen soll. Sowohl bei der Regelaltersrente als auch bei der Hinterbliebenenrente verfügt der Versicherungsträger in der Regel über alle Daten, die erforderlich sind, um das Vorliegen der Rentenanspruchsvoraussetzungen festzustellen. Bei der Regelaltersrente wird im Regelfall bereits im Rahmen des für das 55. Lebensjahr vorgesehenen Kontenklärungsverfahrens (§ 109 SGB VI) festgestellt, ob die Wartezeit erfüllt ist; es wird selten vorkommen, dass ein Versicherter, der zu diesem Zeitpunkt die Wartezeit noch nicht erfüllt hat, dies später noch erreicht. Aus den genannten Beispielen lassen sich die wesentlichen Kriterien für die Annahme der Geeignetheit entnehmen, die das Gesetz für maßgeblich gehalten hat. Zum einen muss das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen vom Versicherungsträger generell aufgrund des Versichertenkontos ohne Befragung des Versicherten festgestellt werden können. Zum anderen muss es sich um Leistungen handeln, die vom Versicherten nicht nur in bestimmten Situationen, sondern im Regelfall von allen Versicherten in Anspruch genommen werden (BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 1). Dies bedeutet: Ohne einzelfallbezogene Sachaufklärung lassen sich die Anspruchsvoraussetzungen allein anhand der im Versicherungskonto gespeicherten Daten feststellen. Die Regelaltersrente gehört zu den Leistungen, die im Regelfall in Anspruch genommen werden (vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 5).

Werden allein diese von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Maßstäbe vorliegend zugrunde gelegt, kommt eine Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI nicht in Betracht. Die Beklagte hat vor dem im Februar 1996 eingeleiteten Kontenklärungsverfahren anhand des Versicherungskontos des Klägers nicht unmittelbar feststellen können, dass dieser die allgemeine Wartezeit für die Gewährung einer Regelaltersrente bereits erfüllt hatte. Das Versicherungskonto wies lediglich die maschinell übermittelten Zeiten des Bezuges von Vorruhestandsgeld für die Zeit vom 01. Januar 1992 bis 31. Juli 1994 (31 Kalendermonate) aus.

Allerdings geht die Hinweispflicht der Beklagten im Beitrittsgebiet wegen der dort jedenfalls vor Februar 1996 bestandenen Besonderheiten weiter. So durfte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass das Versicherungskonto des Klägers im Wesentlichen vollständig ist, weil im Beitrittsgebiet mit der Kontenklärung nach dem 03. Oktober 1990 überhaupt erst begonnen werden musste. Abweichend von den Verhältnissen in den alten Bundesländern war bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres somit ein Kontenklärungsverfahren noch nicht durchgeführt (§ 109 SGB VI). Das Versicherungskonto des Klägers musste sich angesichts dessen für die Beklagte als noch ungeklärt darstellen. Dies gilt umso mehr, als die Verpflichtung der Träger der Rentenversicherung zur Übersendung von Versicherungsverläufen und zur Kontenklärung nach § 274 b Abs. 1 SGB VI bis zum 31. Dezember 1996 ausgesetzt war.

Außerdem musste die Beklagte aufgrund der Verhältnisse im Beitrittsgebiet davon ausgehen, dass fast der gesamte Teil der Bevölkerung, jedenfalls für einen erheblichen Teil ihres Lebens, einer Beschäftigung nachgegangen war, so dass die Voraussetzungen einer Regelaltersrente regelmäßig vorliegen.

Dies gilt insbesondere, wenn das Versicherungskonto Lohnersatzleistungen ausweist, denn diese knüpfen an einem zuvor bestandenen Beschäftigungsverhältnis mit Bezug von beitragspflichtigem Arbeitsentgelt an. Weist ein Versicherungskonto, wie vorliegend, wenigstens für Zeiten nach dem 60. Lebensjahr solche Lohnersatzleistungen aus, so spricht die allgemeine Erfahrung ganz überwiegend dafür, dass eine zuvor ausgeübte Beschäftigung nicht erst vor kurzem aufgenommen wurde, sondern bereits länger, wenn nicht sogar das gesamte Leben nach Abschluss der Schulausbildung, ausgeübt wurde. Es ist erfahrungsgemäß unwahrscheinlich, dass Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres erstmalig eine Beschäftigung aufnehmen. Das Vorhandensein von bezogenen Lohnersatzleistungen im Versicherungskonto begründet somit die schon fast sichere Vermutung dafür, dass zugleich auch die allgemeine Wartezeit erfüllt ist.

Ein solcher Sachverhalt dürfte mithin bereits einen geeigneten Fall im Sinne des § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI darstellen, was vorliegend jedoch nicht zu entscheiden ist.

Jedenfalls dann, wenn der Kläger - wie hier - Vorruhestandsgeld bezog, das im Versicherungskonto gespeichert wurde, liegt ein solcher Fall vor.

Nach § 2 Abs. 1 Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld vom 08. Februar 1990 (GBl DDR I 1990, 42) - Vog-VO - hatten Anspruch auf Vorruhestandsgeld Arbeiter und Angestellte bei Beendigung des Arbeitsrechtsverhältnisses ab 5. Jahr vor Erreichen des Rentenalters, wenn sie die vereinbarte Arbeitsaufgabe wegen ärztlich festgestellter gesundheitlicher Nichteignung, infolge Rationalisierungsmaßnahmen oder Struktur-veränderungen oder wegen anderer von ihnen nicht zu vertretender Gründe nicht mehr ausüben konnten, ihnen keine zumutbare andere Arbeit im Betrieb oder in einem anderen Betrieb oder keine zumutbare Umschulung angeboten werden konnte und sie mindestens 25 Jahre (Männer) bzw. 20 Jahre (Frauen) versicherungspflichtig tätig waren, davon mindestens 5 Jahre vor Ausscheiden aus dem Arbeitsrechtsverhältnis.

Diese Anspruchsvoraussetzungen sind weder durch Anlage II Kap. VIII Sachgebiet E Abschnitt III Nr. 5 des Einigungsvertrages (EV) noch durch das Gesetz zur Änderung der Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld vom 26. Juli 1994 (BGBl I 1994, 1796) geändert worden.

Ein im Versicherungskonto ausgewiesener Bezug von Vorruhestandsgeld beweist mithin die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit.

Wären die Zeiten des Bezuges von Vorruhestandsgeld nicht maschinell, sondern in Schriftform von der Bundesanstalt für Arbeit gemeldet worden, so dass die Beklagte die Verwaltungsakte des Klägers zur Hand hätte nehmen müssen, dürfte ein - dann auf § 14 SGB I gestützter - sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kaum zweifelhaft sein. Eine maschinelle Übermittlung vermag ein anderes Ergebnis nicht zu begründen, denn die Beklagte hat sicherzustellen, dass sie die Daten, die sie zur Erfüllung der aus § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI resultierenden Hinweispflicht benötigt, maschinell abrufen kann.

Die Beklagte hätte bei geeigneter Vorsorge aus dem Versicherungskonto des Klägers vor dessen 65. Lebensjahr den Bezug von Vorruhestandsgeld erkennen können, so dass sie einen entsprechenden Hinweis auf die Antragstellung innerhalb der 3-Monatsfrist des § 99 Abs. 1 SGB VI hätte geben können. In diesem Fall hätte die Rente ab 01. August 1994 beginnen können. Der fehlende Hinweis der Beklagten auf das Erfordernis der Rentenantragstellung ist nämlich ursächlich dafür gewesen, dass der Kläger erst am 20. Februar 1996 den Antrag auf Regelaltersrente stellte.

Der Kläger wusste, wie aus dem von ihm unter dem 16. November 1990 gestellten Antrag auf Gewährung von Vorruhestandsgeld hervorgeht, dass er einen Anspruch auf Altersrente ab dem 65. Lebensjahr hatte. Nach seinem glaubhaften Vorbringen ist er davon ausgegangen, dass ihm die Regelaltersrente ohne Antrag - automatisch - gezahlt werde. Dies entspricht zwar nicht der in der Bevölkerung wohl allgemein vorherrschenden Ansicht. Es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der Kläger diese Ansicht im Verfahren nur vorgetäuscht hätte. Schon vor Erteilung des Bescheides vom 12. März 1996, mit dem für ihn erstmals die Folgen der verspäteten Antragstellung ersichtlich geworden sind, hat er diese Ansicht geäußert. Dies geht aus einem Vermerk anlässlich der Antragstellung am 20. Februar 1996 hervor. Dort ist festgehalten, dass der Kläger dachte, er werde vom Arbeitsamt Potsdam dem Rentenversicherungsträger gemeldet. Auch während des gesamten verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens hat er an diesem Vorbringen festgehalten. Unter Berücksichtigung der Verhältnisse der DDR ist diese Vorstellung des Klägers durchaus verständlich. Er war dort in ein System eingebunden, das ihm ein eigenverantwortliches Handeln gerade in Bezug auf die Gewährung einer Altersrente nicht abverlangt hätte. Es mag auch ungewöhnlich erscheinen, dass der Kläger bis Februar 1996 zuwartete, um sich nach dem Stand des Verfahrens bezüglich seiner Regelaltersrente bei der Beklagten zu informieren. Die von ihm dafür angeführte Begründung, die allgemein bekannte lange Bearbeitungszeit von Rentenanträgen, ist nicht von der Hand zu weisen, obwohl gerade der Fall des Klägers zeigt, dass die Beklagte in kürzester Zeit in der Lage gewesen ist, einen Bescheid zu erteilen. Hinzu gekommen sein mag hierbei auch die Vorstellung des Klägers, dass schon alles seinen Gang nehmen werde. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger das Erfordernis einer Rentenantragstellung schon vor dem 20. Februar 1996 bekannt geworden wäre. Er wurde zwar, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht erklärt hat, nach einer gewissen Zeit stutzig, dass immer noch kein Geld gekommen sei. Auf Anraten von Bekannten suchte er daraufhin die Rentenstelle auf. Erst dort wurde ihm erklärt, er müsse einen Antrag stellen, was er dann auch sofort tat. Der Senat hat keinen Zweifel an diesem Geschehensablauf.

Angesichts dessen ist der unterlassene Hinweis der Beklagten über das Erfordernis der Rentenantragstellung ursächlich dafür geworden, dass der Kläger erst am 20. Februar 1996 die Regelaltersrente beantragte. Wäre ihm rechtzeitig das Erfordernis der Antragstellung von der Beklagten mitgeteilt worden, hätte er einen solchen Antrag sofort gestellt. Dies wird durch den Sachverhalt, wie er sich am 20. Februar 1996 zutrug, belegt, wo der Kläger ebenfalls unmittelbar nach Kenntnis vom Erfordernis der Antragstellung entsprechend handelte.

Die Berufung der Beklagten muss daher in der Sache erfolglos bleiben; sie hat lediglich zum Teil in verfahrensrechtlicher Hinsicht Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Saved