L 4 P 14/03

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 1 P 130/00
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 P 14/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 1/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ambulante Pflegedienste dürfen nur innerhalb des im Versorgungsvertrag festgelegten Einzugsbereichs Pflegeleistungen zu Lasten der Pflegekassen erbringen.
Selbständige dürfen jedenfalls dann nicht als Pflegekräfte eingesetzt werden, wenn sie nicht selbst die qualitativen Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 und 3 SGB XI erfüllen.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 3.785,60 DM für Pflegeleistungen hat, die er für die Versicherte der Beklagten K ... J ... in ...L ...-L ...erbracht hat.

Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in N ..., der für seine Mitglieder bundesweit Pflegeleistungen erbringt. Er ist in S ...-A ... von den Pflegekassen als ambulanter Pflegedienst zugelassen. In dem Rahmenvertrag nach § 75 des Sozialgesetzbuches – Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) zur ambulanten pflegerischen Versorgung zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen und den Vereinigungen der Träger der Pflegedienste heißt es:

§ 6 Der Pflegebedürftige ist in der Wahl des Pflegedienstes frei. Wählt er einen Pflegedienst außerhalb des örtlichen Einzugsbereichs seines Wohn- bzw. Aufenthaltsortes, trägt er die evt. entstehenden Mehrkosten.

§ 9 Innerhalb ihres Einzugsbereiches sind die Pflegedienste im Rahmen ihrer personellen Möglichkeiten verpflichtet, die Pflegebedürftigen zu versorgen, die die Pflegeleistungen dieser Einrichtung in Anspruch nehmen wollen. Im Rahmen des Versorgungsauftrages hat jeder Pflegedienst die individuelle Versorgung der Pflegebedürftigen mit Pflegeleistungen jeder Zeit, bei Tag und Nacht einschl. an Sonn- und Feiertagen zu gewährleisten. Dies kann in Kooperation mit anderen Einrichtungen geschehen. Pflegedienste, die Leistungen nach diesem Vertrag in Kooperation mit anderen Einrichtungen erbringen, schließen mit ihrem Kooperationspartner einen Kooperationsvertrag ab. Dieser ist den Landesverbänden der Pflegekassen unverzüglich vorzulegen. Die fachliche Verantwortung für die Leistungserbringung des Kooperationspartners trägt gegenüber den Pflegebedürftigen und den Pflegekassen der zugelassene Pflegedienst. Dieser rechnet auch die vom Kooperationspartner erbrachten Leistungen mit den Pflegekassen ab.

§ 19 Die Dienstpläne sind nachvollziehbar zu dokumentieren. Bei der Einsatzplanung des Personals sind - die Arbeitszeit des Personals unter Berücksichtigung von Zeiten für Fortbildung und Teambesprechungen sowie die Ausfallzeiten insbesondere durch Krankheit und Urlaub,

- die Zeiten, die für die Versorgung der Pflegebedürftigen im Einzelfall einschließlich der dazu gehörenden Maßnahmen erforderlich sind,

- leitende, administrative und organisatorische Aufgaben

sowie

- die im Rahmen der Kooperation auf regionaler Ebene wahrzunehmenden Aufgaben des Pflegedienstes

angemessen zu berücksichtigen.

§ 33 (1) Grundlage für die Festlegung der örtlichen Einzugsbereiche für die ambulante pflegerische Versorgung ist die kreisfreie Stadt oder der Landkreis. Für die Festlegung von Einzugsbereichen können kreisfreie Städte und angrenzende Landkreise sowie mehrere Landkreise zusammengefasst werden, um eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Versorgung anzubieten; dabei sind beispielsweise die Besiedlungsdichte, Altersstruktur, Topographie, soziale Infrastruktur und Landespflegeplanung sowie bestehende Versorgungsstrukturen zu berücksichtigen.

(2) Bei der Abgrenzung der Einzugsbereiche der Pflegedienste sollen auch die Einzugsbereiche angrenzender Bundesländer berücksichtigt werden.

In § 4 des Versorgungsvertrages nach § 72 SGB XI – ambulante Pflege zwischen dem Kläger und den Landesverbänden der Pflegekassen heißt es:

(1) Der örtliche Einzugsbereich des Pflegedienstes umfasst:

Stadtgebiet N ... und Altlandkreis

(2) Die Festlegung des örtlichen Einzugsbereichs schließt den Abschluss von Versorgungsverträgen mit anderen Pflegediensten zur Versorgung der Pflegebedürftigen im selben Einzugsbereich nicht aus.

(3) Der Pflegebedürftige ist jederzeit in der Wahl des Pflegedienstes frei. Wählt er einen Pflegedienst außerhalb des örtlichen Einzugsbereiches seines Wohn- und Aufenthaltsortes, können hierdurch entstehende Mehrkosten nicht gegenüber der Pflegekasse geltend gemacht werden.

In anderen Bundesländern hat der Kläger keine Zulassungsanträge gestellt, nach seinen Angaben weil er dann jeweils die in den dortigen Verträgen genannten Voraussetzungen erfüllen müsste. Der Kläger ist auf die Krankenhausnachsorgepflege spezialisiert. Geleistet werden hauptsächlich die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung. Die Pflege wird grundsätzlich bis zu acht Wochen angeboten. Ist ein Dauerpflegefall zu erwarten, wird das nach ca. vier Wochen mitgeteilt, damit sich die Beteiligten darauf einrichten können. In den weiteren vier Wochen kann regelmäßig eine Pflege organisiert werden. In einigen Fällen wird auch Dauerpflege geleistet. Die Pflege wird durch eine komplette Rund-um-Betreuung an 24 Stunden gegen ei n Entgelt von 168,00 EUR pro Tag erbracht. Außerhalb des Einzugsgebietes werden nur Personen gepflegt, die alternativ in ein Pflegeheim gehen müssten.

Im Jahr werden etwa 160 Pflegebedürftige gepflegt, die Zahl der gegenwärtigen Pflegefälle gibt der Kläger mit 43 an. Hierfür werden Angestellte mit unbefristeten und mit befristeten Verträgen eingesetzt; Belastungsspitzen werden mit selbständigen Pflegekräften abgedeckt. Die in der Pflege eingesetzten Personen haben bis auf zwei Ausnahmen keine nach dem SGB XI anerkannte Ausbildung. Sie sind vom Kläger auf die Pflege vorbereitet worden. In der Geschäftsstelle in N ...arbeiten fünf examinierte Pflegekräfte. Nach seiner Darstellung hat der Kläger Kooperationsverträge mit anderen Einrichtungen geschlossen und dort auch Büroraum und die Benutzung von Bürohilfsmitteln erkauft. Dort befinden sich sechs examinierte Pflegekräfte, die die ungelernten Pflegepersonen beaufsichtigen und kontrollieren.

Die Versicherte J ... erhält von der Beklagten seit dem 1. April 1995 Leistungen der Pflegestufe II und seit dem 11. Januar 2000 Leistungen der Pflegestufe III. Der Kläger beantragte bei der Beklagten die Erstattung von Pflegeleistungen für die Zeit vom 12. bis 31. Januar 2000 im Umfang der Pflegestufe II in Höhe von 1.800,00 DM und für die Zeit vom 1. bis 29. Februar 2000 ebenfalls im Umfang der Pflegestufe II in Höhe von 1.800,00 DM. Die Beklagte zahlte die Rechnungsbeträge. Die für die Zeit vom 1. bis 10. März 2000 mit Rechnung vom 13. April 2000 in Höhe von 1.785,60 DM verlangte Kostenerstattung lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 13. Juli 2000 ab, weil die Versicherte nicht im örtlichen Einzugsbereich wohne, für den der Kläger als ambulanter Pflegedienst zugelassen sei. Der örtliche Einzugsbereich des Klägers umfasse das Stadtgebiet von N ... sowie den Altlandkreis. Mit einer weiteren Rechnung verlangte der Kläger die Differenz zwischen den Kosten für die Pflegestufe II und III für die Zeit vom 12. Januar bis 29. Februar 2000 in Höhe von 2.000,00 DM. Mit Rechnung vom 13. März 2000 beantragte der Kläger weiter die Kosten für die Arzneimittelabgabe und deren Überwachung für die Zeit vom 11. Januar bis 29. Februar 2000 in Höhe von 476,00 bzw. 690,00 DM. Die Beklagte zahlte nur den Betrag für den Monat Februar in Höhe von 690,00 DM. Die Zahlung der Arzneimittelgabe für die Zeit vom 1. bis 10. März 2000 in Höhe von 238,00 DM lehnte sie mit Schreiben vom 13. Juli 2000 ebenfalls ab.

Am 20. Oktober 2000 hat der Kläger beim Sozialgericht Köln Klage erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 4.499,60 DM verlangt. Das Sozialgericht Köln hat die Klage mit Beschluss vom 23. November 2000 an das Sozialgericht Halle verwiesen.

Der Kläger hat zur Begründung der Klage vorgetragen, sein Anspruch ergebe sich aus dem Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung und dem Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI zwischen ihm und den Landesverbänden der Pflegekassen in Sachsen-Anhalt. Die Beklagte hat dagegen die Ansicht vertreten, der Kläger könne nur im örtlichen Einzugsbereich, also im Stadtgebiet N ... und im Altlandkreis, Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Pflegeversicherung erbringen. Ambulante Pflegeleistungen außerhalb des vertraglich definierten Einzugsbereiches seien mit dem gültigen Versorgungsvertrag nicht in Einklang zu bringen. Die vom Kläger praktizierte Betreuung entspreche nicht der ambulanten Versorgung im Sinne des Gesetzes und der vertraglichen Bestimmungen. Es sei fraglich, wie der Pflegedienst zum Beispiel die nach § 80 SGB XI geforderten Qualitätsmaßstäbe bei dieser Art der Betreuung sicherstelle (z.B. ständige Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft für die Planung der Pflegeprozesse, fachgerechte Führung der Pflegedokumentation). Eine Abrechnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege, die außerhalb des örtlichen Einzugsbereichs des Klägers erbracht würden, sei ebenfalls nicht vertragskonform. Soweit sie Zahlungen geleistet habe, seien diese irrtümlich erfolgt. Hieraus könne der Kläger keine Rechte herleiten.

Das Sozialgericht Halle hat die Klage mit Urteil vom 8. Juli 2003 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Erstattung der Kosten für die Medikamentengabe und deren Überwachung scheitere daran, dass für diese Leistung die gesetzliche Krankenversicherung, aber nicht die soziale Pflegeversicherung zuständig sein könne. Auch für die Pflegeleistungen könne der Kläger keine Zahlungen von der Beklagten verlangen. Der Kläger habe die Pflegeleistungen bei der Beklagten nicht beantragt. Auch die Versicherte habe das nicht getan. Beantragt worden sei nur die Kostenübernahme für die Medikamentengabe und die Überwachung. Eine Erstattung komme daher nur im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Beziehungen in Betracht. Nach dem Versorgungsvertrag umfasse der örtliche Einzugsbereich nur das Stadtgebiet N ... und den Altlandkreis. Da die Versicherte außerhalb dieses Einzugsgebietes – nämlich in der Nähe von K ... – im häuslichen Umfeld gepflegt worden sei, habe der Kläger Leistungen außerhalb seines örtlichen Einzugsbereiches erbracht, die die Beklagte nicht zu vergüten habe.

Gegen das ihm am 15. Juli 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. August 2003 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass nach dem Versorgungsvertrag der Pflegebedürftige jederzeit bei der Wahl des Pflegedienstes frei sei. Soweit ein Pflegedienst ausgewählt werde, der außerhalb seines örtlichen Einzugsbereichs tätig werden solle, könnten die Mehrkosten nicht gegenüber der Pflegekasse geltend gemacht werden. Daraus ergebe sich, dass eine Pflege über den örtlichen Bereich hinaus möglich sei. Er sei ein gemeinnütziger Verein und pflege alle Mitglieder im gesamten Bundesgebiet; deshalb habe er sich dazu entschlossen, die von ihm zu erbringende Pflege in einer 24-Stunden-Betreuung zu erbringen. Das Pflegepersonal werde entsprechend den gesetzlichen Vorgaben durch ihn betreut und überwacht. Bei diversen Kontrollen bei Pflegebedürftigen seien die einzelnen Pflegekassen mit der Qualität der Pflege stets zufrieden gewesen. Der Betrag für die ambulante Krankenpflege werde nicht mehr geltend gemacht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 8. Juli 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 3.785,60 DM bzw. 1935,55 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, die Regelung im Versorgungsvertrag, wonach der Pflegebedürftige in der Wahl des Pflegedienstes frei sei, sei nicht mit der Legitimation verbunden, Leistungen auch außerhalb des Einzugsbereichs im Auftrag der Pflegekassen zu erbringen und abzurechnen. Zwar reiche es für die Zulassung einer Pflegeeinrichtung aus, wenn sie in einem Bundesland zugelassen sei. Die Konkretisierung des gesetzlich vorgesehenen Einzugsbereichs im Versorgungsvertrag berechtige den Pflegedienst zur Versorgung Pflegebedürftiger, die in diesem Einzugsbereich wohnten, auch wenn die zuständige Pflegekasse nicht ihren Sitz in diesem Einzugsbereich habe. Die Auffassung des Klägers stehe der gesetzlichen Verpflichtung zur Festlegung der örtlichen Einzugsbereiche entgegen und würde diese Vorschrift ad absurdum führen.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigt worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist aber sachlich nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger den verlangten Betrag von 3.785,60 DM zu zahlen.

Mit der Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verlangt der Kläger von der Beklagten die Vergütung für Pflegeleistungen, die er für die Versicherte der Beklagten, K ... J ..., erbracht hat.

Der Anspruch gegen die Beklagte kann sich nur auf den Versorgungsvertrag zwischen dem Kläger und den Landesverbänden der Pflegekassen stützen. Der Kläger ist mit Wirkung für alle Pflegekassen in N ... als Pflegedienst zugelassen (§ 72 Abs. 2 SGB XI). Nach § 72 Abs. 4 Satz 3 SGB XI ist die Beklagte grundsätzlich verpflichtet, die Leistungen der Pflegeeinrichtung nach Maßgabe des Achten Kapitels des SGB XI zu vergüten. Nach dem Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung ist der zugelassene Pflegedienst zur Abrechnung der bewilligten Pflegeleistungen mit der Pflegekasse berechtigt, den der Versicherte für die Durchführung der Pflege beauftragt hat (§ 14 Abs. 1 des Versorgungsvertrages). Nach § 15 Abs. 1 des Versorgungsvertrages erfolgt die Abrechnung der Pflegeleistungen monatlich. Die Rechnungen sind bei der Pflegekasse oder einer von ihr benannten Abrechnungsstelle einzureichen. Der Kläger hat Rechnungen im Sinne dieser Regelungen eingereicht und damit die formalen Voraussetzungen für die Zahlung durch die Beklagte erfüllt. Das ist unter den Beteiligten nicht streitig.

Maßgeblich für die Entscheidung des Rechtsstreits ist, ob der Kläger nur innerhalb des im Versorgungsvertrag festgelegten Einzugsbereichs ambulante Pflegeleistungen im Sinne des SGB XI erbringen kann oder ob er dies bundesweit tun darf.

Nach § 75 SGB XI schließen die Landesverbände der Pflegekassen unter Beteiligung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen mit den Vereinigungen der Träger der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen im Land gemeinsam und einheitlich Rahmenverträge mit dem Ziel, eine wirksame und wirtschaftliche pflegerische Versorgung der Versicherten sicherzustellen. Die Rahmenverträge sind für die Pflegekassen und die zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Inland unmittelbar verbindlich. In den Verträgen sind unter anderem die Grundsätze zur Festlegung der örtlichen oder regionalen Einzugsbereiche der Pflegeeinrichtungen zu regeln, um Pflegeleistungen ohne lange Wege möglichst orts- und bürgernah anzubieten (§ 75 Abs. 2 Nr. 8 SGB XI).

Darüber hinaus sind Versorgungsverträge mit den einzelnen Pflegeeinrichtungen zu schließen (§ 72 Abs. 1 SGB XI). In dem Versorgungsvertrag sind Art, Inhalt und Umfang der allgemeinen Pflegeleistungen festzulegen, die von der Pflegeeinrichtung während der Dauer des Vertrages für die Versicherten zu erbringen sind. Der Versorgungsvertrag ist für die Pflegeeinrichtung und für alle Pflegekassen im Inland unmittelbar verbindlich. Versorgungsverträge dürfen nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die den Anforderungen des § 71 SGB XI genügen und die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten; ein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages besteht, soweit und solange die Pflegeeinrichtung diese Voraussetzungen erfüllt. Bei ambulanten Pflegediensten ist der örtliche Einzugsbereich in den Versorgungsverträgen so festzulegen, dass lange Wege möglichst vermieden werden.

Das Gesetz selbst sieht damit vor, dass der Versorgungsauftrag im Versorgungsvertrag örtlich zu beschränken ist. Es spricht deshalb alles dafür, dass der Kläger nur für Pflegeleistungen im örtlichen Einzugsbereich, der vertraglich festgelegt ist, als Pflegedienst im Sinne des § 72 SGB XI zugelassen ist. Dieses Ergebnis wird durch den Zweck der Festlegung eines örtlichen Einzugsbereichs gestützt, der sich aus dem Gesetzeswortlaut unmittelbar ergibt. § 75 Abs. 2 Nr. 8 SGB XI nennt als Ziel der Regelung, dass Pflegeleistungen ohne lange Wege möglichst orts- und bürgernah anzubieten sind. Die orts- und bürgernahe Pflege sichert die kurzfristige Einsatzmöglichkeit der Pflegeperson und stellt damit ein qualitatives Merkmal dar. Sie dient nicht in erster Linie der wirtschaftlichen Erbringung der Pflegeleistungen. Der örtlichen Beschränkung der Pflege auf den Einzugsbereich kommt vielmehr qualitätssichernde Bedeutung zu. Der zugeordnete Einzugsbereich ist auch groß genug, um dem Pflegedienst in Konkurrenz mit anderen Pflegediensten die Chance einer wirtschaftlich gesicherten Existenz zu verschaffen.

Allerdings hat des Bundessozialgericht (BSG) für den Bereich der Hilfsmittelerbringer entschieden, dass diese Leistungen bundesweit erbringen dürfen, wenn sie auf Landesebene zugelassen sind (Urteil vom 23. Januar 2003 – B 3 KR 7/02 R – SozR 4–2500 § 33 Nr. 1). In diesem Zulassungsverfahren seien die Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit des Leistungserbringers in der gesetzlichen Krankenversicherung zu überprüfen. Die Hilfsmittelerbringung lässt sich jedoch mit der Pflege von hilfebedürftigen Versicherten, die durch die Dauerleistung und den täglichen Einsatz der Pflegeperson gekennzeichnet ist, nicht vergleichen. Für die Hilfsmittelerbringung spielt regelmäßig die räumliche Entfernung zwischen dem Lieferanten und dem Versicherten keine oder nur eine geringe Rolle. Das Hörgerät, über dessen Leistung das BSG in dem genannten Urteil entschieden hat, kann dem Versicherten zukommen, auch wenn dieser nicht im Nahbereich des Leistungserbringers lebt. Allerdings war in dem genannten Fall die Anpassung des Hörgerätes, die wiederum eine räumliche Nähe zum Versicherten notwendig macht, durch Einschaltung des verordnenden HNO-Arztes gewährleistet. Im Pflegebereich kann die Pflege selbstverständlich nur durchgeführt werden, wenn eine Person sich in nicht allzu großer Entfernung von der zu pflegenden Person befindet. Der Kläger stellt die Pflege sogar dadurch sicher, dass die Pflegepersonen für die Zeit der Pflege bei dem Versicherten leben und eine Pflege für 24 Stunden anbieten. Dennoch ist damit die gesetzlich gewünschte Qualität der Pflege noch nicht gesichert.

Die zu erbringenden Pflegeleistungen müssen den Qualitätsanforderungen des SGB XI, insbesondere § 71 SGB XI, entsprechen. Andernfalls würde die Festlegung bestimmter Anforderungen an die Pflegedienste im Gesetz und in den Verträgen leer laufen. 71 und § 80 SGB XI enthalten Vorgaben für das einzusetzende Pflegepersonal, die die Qualität der Pflege sichern sollen. Nach § 71 Abs. 1 SGB XI muss der Pflegedienst die pflegerische und hauswirtschaftliche Versorgung der Pflegebedürftigen unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft sicherstellen. Für den Fall der Verhinderung der verantwortlichen Pflegefachkraft muss eine andere ausgebildete Pflegefachkraft zur Verfügung stehen. Die Qualifikation der Pflegefachkräfte muss gegenüber der Pflegekasse nachgewiesen werden. § 71 Abs. 2 SGB XI regelt die Voraussetzungen für die Anerkennung als Pflegefachkraft. Danach ist neben dem Abschluss einer Ausbildung als Krankenschwester oder Krankenpfleger, Kinderkrankenschwester oder Kinderkrankenpfleger nach dem Krankenpflegegesetz oder als Altenpflegerin oder Altenpfleger nach Landesrecht eine praktische Berufserfahrung in dem erlernten Pflegeberuf von zwei Jahren innerhalb der letzten fünf Jahre erforderlich. Werden überwiegend behinderte Menschen gepflegt und betreut, können auch Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger bzw. Heilerzieherinnen und Heilerzieher mit praktischer Berufserfahrung von zwei Jahren als ausgebildete Pflegefachkraft eingesetzt werden. In den Gemeinsamen Grundsätzen und Maßstäben zur Qualitätssicherung einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von Qualitätsprüfungen nach § 80 SGB XI in der ambulanten Pflege vom 31. Mai 1996, abgedruckt in Hauck/Wilde, SGB XI, C 440, sind unter 3.1.31 die geeigneten Pflegekräfte im Rahmen der häuslichen Pflegehilfe aufgeführt. Neben den Fachkräften, die § 72 SGB XI benennt, sind auch Personen zugelassen, die über eine Ausbildung im Bereich der Pflege und verwandter Berufe verfügen, also speziell für die Pflege oder vergleichbare Tätigkeiten ausgebildete Personen. Hilfskräfte und angelernte Kräfte werden unter der fachlichen Anleitung der Fachkraft tätig.

Beim Einsatz von Pflegehilfskräften ist nach § 17 Abs. 3 Satz 2 des Rahmenvertrages sicherzustellen, dass Pflegefachkräfte die fachliche Überprüfung des Pflegebedarfs, die Anleitung der Hilfskräfte und die Kontrolle der geleisteten Arbeit gewährleisten. Die ausgebildete Pflegefachkraft, die den Anforderungen des § 71 SGB XI entspricht, kann ihre ständige Verantwortung nur wahrnehmen, wenn sie mit allen Pflegekräften in engem Kontakt steht und schnell bei auftretenden Problemen, z.B. Ausfall von Pflegekräften und Schwierigkeiten bei der Pflege, eingreifen kann. Nach § 5 des Versorgungsvertrages hat der Pflegedienst im Rahmen seiner Versorgungspflicht die individuelle Versorgung der Pflegebedürftigen mit Pflegeleistung zu jeder Zeit, bei Tag und Nacht einschließlich an Sonn- und Feiertagen zu gewährleisten. Dies kann in Kooperation mit anderen Einrichtungen geschehen oder durch Beteiligung an regionalen Kooperationen mit anderen Einrichtungen, welche unverzüglich den Landesverbänden der Pflegekassen zu benennen sind.

Der Kläger setzt ganz überwiegend Pflegehilfskräfte ein. Bei einer größeren Zahl von Pflegehilfskräften kann die Verantwortung nur wahrgenommen werden, wenn genügend Pflegefachkräfte zur fachlichen Anleitung und Prüfung vorhanden sind. Nach der Darstellung des Klägers sichert er die Kontrolle außerhalb des Einzugsbereichs durch Kooperationsverträge. Hierfür sollen sechs Fachkräfte zur Verfügung stehen. Da der Kläger bundesweit Pflegeleistungen erbringt, muss er entweder ständig neue Kooperationsverträge schließen oder die Fachkräfte müssten ständig unterwegs sein. Unter diesen Umständen ist zweifelhaft, ob die Qualität der Pflege gesetzeskonform gesichert ist, auch wenn es bisher nicht zu Beanstandungen gekommen sein sollte. Nach § 9 des Rahmenvertrages muss der Kläger die Kooperationsverträge den Landesverbänden der Pflegekassen unverzüglich vorlegen. Das ist hier nicht geschehen. Da der Kläger den Versorgungsvertrag mit den für Sachsen-Anhalt verantwortlichen Pflegekassen bzw. den Landesverbänden geschlossen hat, muss er die Verträge den hiesigen Kassen vorlegen. Diese haben jedoch für andere Bundesländer keine Prüfungsmöglichkeit; das gilt auch für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen in Sachsen-Anhalt. Soweit der Kläger für die Pflege selbständige Personen, die also nicht weisungsgebundene Arbeitnehmer sind, einsetzt, kann er die Pflege ohnehin nicht entsprechend § 71 Abs. 1 SGB XI anbieten. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Selbständigen die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 SGB XI erfüllten.

§ 4 Abs. 3 des Versorgungsvertrages räumt den Versicherten ein Wahlrecht unter den Pflegeeinrichtungen ein, unabhängig davon, ob sie in deren Einzugsbereich wohnen oder sich aufhalten. Er berechtigt aber nicht zugleich die Pflegedienste, außerhalb des festgelegten Einzugsbereichs tätig zu werden. Für die Auslegung des Klägers könnte an sich sprechen, dass der Anspruch des Versicherten auf freie Wahl des Pflegedienstes nur erfüllbar ist, wenn Pflegedienste außerhalb ihres Einzugsbereichs tätig werden dürfen. Insoweit sind die Verträge jedoch nicht gesetzeskonform. § 4 Abs. 3 des Vertrages kann nicht dazu führen, dass der Kläger außerhalb des vertraglich vereinbarten Einzugsbereichs Pflegeleistungen bundesweit erbringen kann.

Die Arbeitsweise des Klägers auf andere Pflegedienste übertragen, würde bedeuten, dass große überregionale Träger von Pflegediensten nur an einem Ort die Voraussetzungen nach § 71 Abs. 1 SGB XI erfüllen müssten. Im Übrigen könnten sie mit Pflegehilfskräften arbeiten. Auf diese Weise würden die Qualitätsanforderungen, die das Gesetz im Interesse der Versicherten für notwendig hält, ohne jede Wirkung bleiben und die Versicherten der Pflege allein durch Hilfskräfte, die der Gesetzgeber nicht für ausreichend hält, ausgesetzt sein. Vor den Folgen würde sie auch nicht ihr Wahlrecht schützen, weil für die Versicherten die Qualität der Versorgung nicht immer frühzeitig und in ausreichendem Umfang ersichtlich ist.

Der Kläger kann seine Ansprüche auch nicht auf eine Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683, 670 BGB stützen. Die ersatzweise Anwendung der zivilrechtlichen Regelungen zur Absicherung eines Anspruchs, den der Kläger aus dem Versorgungsvertrag und dem SGB XI nicht herleiten kann, kommt nicht in Betracht, weil hierdurch die gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben umgangen würden. Die Beziehungen zwischen dem Pflegedienst und der Pflegekasse richten sich nicht nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag, sondern nach dem SGB XI und den dort genannten Bedingungen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Mai 19972 – BSGE 34 S. 172; Urteil vom 17. Januar 1996 – 3 RK 26/94SozR 3-2500 § 129 Nr. 1). Es kann deshalb dahinstehen, ob der Kläger "ein Geschäft für einen anderen" besorgt hat, d. h. in dem Bewusstsein und mit dem Willen gehandelt hat, das Geschäft auch im Interesse eines anderen vorzunehmen. Der Kläger handelt aus seinem eigenen Vereinsinteresse. Bereicherungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte scheiden aus demselben Grund aus.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung für die Pflege der Versicherten Käthe Jentzsch, weil er die Pflege nicht unter den Bedingungen des Versorgungsvertrages geleistet hat. Die Klage ist unbegründet. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Halle ist zurückzuweisen.

Die Kostentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung.

Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entschiedenen Rechtsfrage zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Saved