L 11 SB 26/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 45 Vs 567/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 11 SB 26/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 03. Mai 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten, soweit sie nicht vom Beklagten anerkannt wurden, sind auch nicht für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der beim Kläger bestehende Grad der Behinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "RF" - Rundfunkgebührenbefreiung - und "G" - erhebliche Gehbehinderung - nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG).

Bei dem 1962 in W geborenen Kläger war im Rahmen einer von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Berlin veranlassten nervenärztlichen Begutachtung durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie K. B vom 23. September 1996 eine "hebephrene Psychose" festgestellt worden. Daraufhin gewährte ihm die LVA Berlin rückwirkend ab 1. Juni 1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Am 9. September 1997 ging beim Versorgungsamt Berlin ein Antrag des Klägers nach dem SchwbG ein, den der Kläger mit seit einer Blinddarmoperation im Jahre 1970 bestehenden Beschwerden und Krämpfen im Unterbauch begründete. Das Versorgungsamt zog die Unterlagen der LVA bei und holte einen Befundbericht von der behandelnden Allgemeinmedizinerin Dr. med. B F vom 28. September 1997 ein. Auf die gutachterliche Stellungnahme des Arztes Dr. B vom 28. Oktober 1997 stellte das Versorgungsamt Berlin durch Bescheid vom 26. November 1997 beim Kläger einen GdB von 70 wegen folgender Funktionsbeeinträchtigungen fest:

a) seelische Erkrankung
b) Verwachsungsbeschwerden nach Bauchoperation, Nabelhernie;

Intern bewertete es den Behinderungskomplex zu a) mit einem Einzel-GdB von 70 und zu b) mit einem Einzel-GdB von 10. Die Feststellung weiterer Behinderungen bzw. gesundheitlicher Merkmale lehnte es mangels Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen ab. Hiergegen erhob der Kläger unter Vorlage von Befunden der Röntgenpraxis Dr. K- DM D betreffend Untersuchungen des Magen-Darmbereiches vom 28. November 1997 und 22. Dezember 1997 Widerspruch und führte aus, er könne seit der Operation im Jahre 1970 weder normal essen, sprechen, schlucken, gehen noch atmen. Nach Einholung einer weiteren gutachtlichen Stellungnahme des Arztes D R F vom 2. Februar 1998 wies das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin durch Widerspruchsbescheid vom 3. April 1998 den Widerspruch zurück.

Mit der am 8. April 1998 beim Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Zuerkennung eines GdB von 100 weiter verfolgt. Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 1998 hat er geltend gemacht, er begehre auch die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, die kostenlose Beförderung im öffentlichen Personenverkehr sowie die Gebührenermäßigung/ Gebührenbefreiung für einen Fernsprechanschluss (Sozialanschluss). Bis zum 31. August 1998 sei er von der Rundfunkgebührenpflicht befreit gewesen. Eine erneute Befreiung sei vom Sozialamt Berlin-Marzahn jedoch abgelehnt worden.

Das SG hat ein medizinisches Sachverständigengutachten von dem Chefarzt der II. Inneren Abteilung des W-Krankenhauses Prof. Dr. med. L vom 21. Oktober 1998 eingeholt. Als beim Kläger bestehende Gesundheitsstörungen hat Prof. Dr. L festgestellt:

1. Hebephrene Psychose
2. Zustand nach Appendektomie 1970
3. Zustand nach Übernähung eines perforierten Ulcus ventriculi
4. Zustand nach laparoskopischer Adhäsiolyse und Abtragen eines entzündeten Appendixstumpfes
5. Verdacht auf chronische Gastritis/Ulcuskrankheit

Der Sachverständige hat ausgeführt, der GdB bezüglich der psychiatrischen Erkrankung zu Ziffer 1 betrage 70, der GdB bezüglich der unter den Ziffern 2-5 aufgeführten internistischen Erkrankungen betrage insgesamt 20. Daraus sei ein Gesamt-GdB von 80 zu bilden, da sich der internistische und der seelische Leidenskomplex aufeinander auswirken würden. Ansonsten könnten auf internistischem Gebiet keine wesentlichen pathologischen Befunde erhoben werden, insbesondere fänden sich keine Befunde, die in irgendeinem signifikantem Zusammenhang mit den geklagten Beschwerden stünden. Der festgestellte Zustand bestehe in dieser Auswirkung seit Januar 1998, da zu diesem Zeitpunkt die laparoskopische Operation der Adhäsiolyse und Restappendektomie durchgeführt worden sei.

Daraufhin hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin - Versorgungsamt - durch Bescheid vom 8. Januar 1999 den GdB rückwirkend für die Zeit ab Januar 1998 mit 80 festgesetzt und den in den angefochtenen Bescheiden genannten Behinderungskomplex b) mit dem Begriff "Adhäsiolyse" ergänzt. Weiterhin hat es ausgeführt, sonstige Funktionsbeeinträchtigungen bzw. gesundheitliche Merkmale lägen nicht vor und könnten deshalb nicht festgestellt werden.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 3. Mai 1999 die Klage abgewiesen und der Beklagten die Erstattung von einem Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Bescheid des Versorgungsamtes vom 8. Januar 1999 sei gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Ein höherer GdB stehe dem Kläger nach dem Ergebnis der medizinischen Begutachtung nicht zu. Anhaltspunkte für das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" seien nicht erkenntlich. Auch lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger bewegungsunfähig sei, da nach dem Sachverständigengutachten die Extremitäten im Wesentlichen unauffällig seien.

Gegen den ihm am 15. Juni 1999 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich der Kläger mit seiner am 18. Juni 1999 beim Landessozialgericht Berlin eingelegten Berufung, mit der er sein Begehren unter Vorlage von Kopien der Befunde des Facharztes für Chirurgie Dr. med. B vom 14. Dezember 1998 und der Röntgen- und Nuklearmedizinpraxis Dr. med. J und Dipl. Med. H vom 14. September 1999 weiter verfolgt.

Aus dem Vorbringen des Klägers entnimmt der Senat den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. Mai 1999 aufzuheben und den Bescheid des Versorgungsamtes Berlin vom 26. November 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin vom 3. April 1998 sowie den Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin - Versorgungsamt - vom 8. Januar 1999 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen GdB von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "RF" und "G" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die gesundheitlichen Voraussetzungen für einen höheren GdB als 80 sowie für das Merkzeichen "G" auch weiterhin nicht für gegeben.

Der Senat hat den Arztbrief des Unfallkrankenhaus Berlin vom 29. Mai 1999 beigezogen und einen Befund- und Behandlungsbericht von der behandelnden Allgemeinmedizinerin Dr. med. B F vom 29. November 1999 nebst weiterer Arztbriefe des Unfallkrankenhaus Berlin vom 15. und 22. Oktober 1999 eingeholt.

Im Auftrag des Senats hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. R am 20. Juni 2000 ein medizinisches Sachverständigengutachten gefertigt. Hierbei hat er als auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet beim Kläger bestehende dauernde Funktionsbeeinträchtigung eine "schizophrene Psychose" festgestellt, die einen GdB von 70 bedinge. Weiter hat er ausgeführt, bezüglich der sonstigen auf internistisch-chirurgischem Gebiet bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen bleibe es bei der Beurteilung von Prof. Dr. L. Der Gesamt-GdB sei mit 80 zu veranschlagen. Wesentliche Behinderungen, die den Kläger daran hindern würden, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder die seine Bewegungs- und Orientierungsfähigkeit im Straßenverkehr einschränken würden, lägen nicht vor. Jedoch könne der Kläger wegen seiner psychotischen Erkrankung ständig nicht mehr an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen.

Daraufhin hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 12. Juli 2000 erklärt, es werde folgendes Anerkenntnis abgegeben:

I. Der Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin - Versorgungsamt - vom 8. Januar 1999 wird abgeändert.

II. Ab Januar 1998 liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "RF" vor.

III. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten trägt der Beklagte zur Hälfte.

IV. Der Rechtsstreit wird insoweit für erledigt erklärt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichts- und der Schwerbehindertenakte des Klägers, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist, soweit sie das Merkzeichen "RF" betrifft, wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis, welches als allgemeine Prozessvoraussetzung in jedem Stadium des Klage- und auch des Rechtsmittelverfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, muss bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 6. Auflage 1998, Randziffer 15 ff, 19, 20 ff Vor § 51 SGG). Gegenstand des Berufungsverfahrens waren gemäß §§ 157, 95, 96 Abs. 1 SGG zunächst der Bescheid des Versorgungsamtes Berlin vom 26. November 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin vom 3. April 1998 sowie der Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin - Versorgungsamt - vom 8. Januar 1999, in denen die Gewährung eines höheren GdB als 80 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "RF" abgelehnt worden sind. Durch den Schriftsatz des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin vom 12. Juli 2000, welcher nach Auffassung des Senates nach seinem Wortlaut einen über ein Teilanerkenntnis gemäß § 101 Abs. 1 SGG hinausgehenden Verfügungssatz in Form eines Ausführungsbescheides (§ 31 Zehntes Sozialgesetzbuch - SGB X -) enthält, ist der Kläger betreffend das begehrte Merkzeichen "RF" umfassend klaglos gestellt worden, weil sich die Zuerkennung des Merkzeichens auch rückwirkend auf den geltend gemachten Zeitraum ab Ende August 1998 bezieht. Insoweit fehlte es im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 20. Juli 2000 an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung des Berufungsverfahrens.

Im Übrigen ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. Mai 1999 unbegründet. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser kann von dem Beklagten die Feststellung eines höheren GdB als 80 sowie die Zuerkennung des Merkzeichens "G" gemäß §§ 1, 3, 4 SchwbG nicht verlangen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 SchwbG ist eine Behinderung im Sinne dieses Gesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen, körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 10 bis 100 festzustellen (§ 3 Abs. 2 SchwbG). Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so ist gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 SchwbG der GdB nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei der GdB-Bewertung sind weiterhin die in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) in ihrer jeweils geltenden Fassung niedergelegten Kriterien zu berücksichtigen. Zwar beruhen die AHP weder auf dem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften, so dass sie keinerlei Normqualität haben, dennoch sind sie als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, deshalb normähnliche Auswirkungen haben und im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden sind (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 1997 - 9 RVs 4/95 -; BSGE 72, 285 f). Nach den AHP ist bei der Beurteilung des GdB in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten "Einzel-GdB" bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Behinderungen zu prüfen, ob und wie weit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. In der Regel führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad um 10 bedingen, nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei dem (Gesamt-)GdB berücksichtigt werden könnte. Auch bei leichteren Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei den entsprechend den AHP gebildeten "Einzel-GdB" handelt es sich lediglich um Ansatzgrößen, mit denen die Einschätzung des (Gesamt-)GdB einerseits vorbereitet, andererseits nachvollziehbar begründet und damit überprüfbar gemacht wird; der "Einzel-GdB" ist keiner eigenen Feststellung zugänglich; er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar; ihm kommt keine Bindungswirkung zu (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 1997 - 9 RVs 15/96 -; Urteil vom 5. Mai 1993 - 9/9a RVs 2/92 - in SozR 3-3870 § 4 SchwbG Nr. 5 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist für den Zeitraum bis Ende 1997 ein höherer GdB als 70 und für die Zeit ab Januar 1998 ein höherer GdB als 80 nicht gerechtfertigt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme, d. h. aus allen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gewonnenen medizinischen Erkenntnissen, insbesondere aber aus den medizinischen Sachverständigengutachten des Chefarztes der II. Inneren Abteilung des W-Krankenhauses Prof. Dr. med. L vom 21. Oktober 1998 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. R vom 20. Juni 2000. Die Sachverständigen haben die bei dem Kläger bestehenden Behinderungen und ihre Auswirkungen nach umfassender eigener Untersuchung und unter Berücksichtigung der ihnen vorgelegten medizinischen Unterlagen zutreffend festgestellt und in Übereinstimmung mit den AHP bewertet.

Das bei dem Kläger bestehende und bereits in dem von der LVA Berlin veranlassten Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie K B vom 23. September 1996 als "hebephrene Psychose" und vom gerichtlichen Sachverständigen Dr. Rockstroh als "schizophrene Psychose" diagnostizierte seelische Leiden des Klägers rechtfertigt auch derzeit noch keinen höheren GdB als 70. Nach den Feststellungen von Dr. Rockstroh ist das Leiden des Klägers zwar gekennzeichnet durch Wahnvorstellungen, insbesondere bezogen auf sein den Magen-Darm-Bereich bestehendes Erkrankungsbild, die einhergehen mit erheblichen sozialen Anpassungsstörungen und der Einbuße seiner beruflichen Leistungsfähigkeit und Möglichkeiten. Gleichwohl hat der Kläger durch sein Wahnsystem eine relative Stabilisierung erfahren, er kann selbständig leben und sich selbständig versorgen und lässt in einem geringen Umfang auch Interessen erkennen. Von daher ist der GdB dem mittleren Bereich der für langdauernde Psychosen im floriden Stadium je nach Einbuße der beruflichen und sozialen Anpassungsmöglichkeiten in den AHP 1996 Ziffer 26.3 auf Seite 59 vorgesehenen Bewertungsrahmen von 50 bis 100 zuzuordnen, für einen höheren GdB als 70 wird derzeit keine Grundlage gesehen. Die beim Kläger bestehenden Verwachsungsbeschwerden nach diversen Bauchoperationen sowie die bei ihm bestehende Nabelhernie rechtfertigen bis Januar 1998 maximal einen GdB von 10 sowie im Hinblick auf die im Januar 1998 durchgeführte Adhäsiolyse und Restappendektomie dann einen Einzel-GdB von maximal 20. So fanden sich bei der von Prof. Dr. L durchgeführten Untersuchung auf internistischem Gebiet keine wesentlichen pathologischen Befunde, insbesondere keine Befunde, die in irgendeinem signifikantem Zusammenhang zu den geklagten Beschwerden stehen. Der beim Kläger bestehende Allgemein- und Ernährungszustand wurde von Prof. Dr. L als gut befunden, so dass die vom Kläger immer wieder beklagten Magen-Darm-Probleme noch nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Ernährungs- und Kräftezustandes geführt haben, die nach den AHP 1996 Ziffer 26.10 Seite 95 bis 98 einen höheren GdB als 10 für diesen Leidenskomplex rechtfertigen könnten.

Auch die nach der Begutachtung durch Prof. Dr. L erfolgten weiteren Untersuchungen des Klägers im Unfallkrankenhaus Berlin von Mai und Oktober 1999 ergaben bisher keine eindeutigen Befunde, die auf eine wesentliche Verschlechterung des Zustandes auf internistischem Gebiet hinweisen. Auch der Sachverständige Dr. R sah keinen Anlass wegen der im Berufungsverfahren vom Kläger vorgelegten und vom Senat beigezogenen weiteren medizinischen Befunde auf internistischem Gebiet von der Beurteilung durch Prof. Dr. L abzuweichen.

Demzufolge kam ausgehend von dem mit einem Einzel-GdB von 70 für die seelische Erkrankung am höchsten bewerteten Leidenskomplex eine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 80 erst ab Januar 1998 in Betracht. Ab diesem Zeitpunkt erreichte der Leidenskomplex auf internistischem Gebiet einen Schweregrad, der einen Einzel-GdB von 20 rechtfertigte und sich im Hinblick auf das besondere Verhältnis zwischen der psychotischen Erkrankung und der körperlichen Beschwerdesymptomatik in Form einer wechselseitigen Verstärkung eine Erhöhung der höchstbewerteten Einzelbewertung von 70 auf 80 rechtfertigte.

Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 SchwbG sind Schwerbehinderte, die in Folge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsunfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 4 Abs. 5 im Nahverkehr unentgeltlich zu befördern. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder in Folge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 60 Abs. 1 SchwbG). Nach den AHP 1996 Ziffer 30 S. 164 ff sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenkes in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden, z. B. bei einer dauernden Einschränkung der Lungenfunktion mittleren Grades oder bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 sowie bei hirnorganischen Anfällen ab einer mittleren Anfallshäufigkeit oder bei Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks, ist eine erhebliche Gehbehinderung anzunehmen. Weiterhin kann nach den vom Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 10. Dezember 1987 (Az: 9a RVs 11/87 - veröffentlicht in BSGE 62, 273 ff) entwickelten Maßstäben zur Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" ein Kriterium zur Beurteilung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sein, ob der Schwerbehinderte noch in der Lage ist, eine Gehstrecke von 2 km zu Fuß in etwa einer halben Stunde zurückzulegen. Die Einschätzung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist jedoch nicht allein vom Ergebnis eines Gehwegtestes abhängig, sondern auch davon, dass eine sich auf das Gehvermögen entsprechend auswirkende Behinderung vorliegt. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. So liegen auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen wie auch der Wirbelsäule bei dem Kläger nicht vor. Die neurologische Prüfung durch Dr. R wie auch die orientierende Untersuchung durch Prof. Dr. L blieben insoweit unauffällig. Zudem hatte der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. R diesem mitgeteilt, dass er insbesondere während des Urlaubs bei seinen Eltern gern zwei bis drei Stunden im Wald spazierengehe. Objektivierbare organische Befunde, die eventuell sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsbehinderungen von Seiten des Unterbauches begründen könnten, liegen nicht vor. Ebenso leidet der Kläger weder an einem Anfallsgeschehen, noch an sonstigen Störungen der Orientierungsfähigkeit. Wie auch aus den wiederholt von dem Kläger eingereichten Rechnungen wegen "Schwarzfahrens" mit der BVG ersichtlich, vermag der Kläger die öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin zu benutzen und sich in der Stadt zu orientieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
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