Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 47 Vu 337/95
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VU 56/97-11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juli 1997 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin seit Januar 1991 einen Anspruch auf Versorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.
Die im Jahre 1935 in L geboren Klägerin lebt seit 1949 durchgehend im Beitrittsgebiet.
Sie war u.a. in der Zeit vom 14.August bis 18. Oktober 1961 (Einweisungsentscheidung der Volkspolizeiinspektion L vom 14. August 1961), vom 26. Juni bis 11. Juli 1973 (Einweisungsentscheidung des Amtsarztes des Stadtbezirks L vom 22. Juni 1973) und vom 14. März bis 25. April 1989 (Einweisungsentscheidung des Stellvertretenden Stadt-bezirksarztes des Rates des Stadtbezirks Berlin-L Dr. D vom 2. März 1989 aufgrund des Antrages der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K) in der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses Herzberge zwangsweise untergebracht.
Im November 1991 und erneut im September 1993 beantragte sie Versorgung nach dem StrRehaG in Verbindung mit dem BVG. In ihrem Antrag machte sie geltend, sie sei wegen der politischen Inhaftierung ihres geschiedenen Mannes 1965 bis einschließlich 8. November 1989 politisch verfolgt, misshandelt sowie physisch und psychisch gefoltert und mehrmals ihrer Freiheit beraubt worden. Am 14. März 1989 sei mit brutaler Gewalt ihre Wohnungstür eingeschlagen und sie in die Psychiatrie H zwangseingewiesen worden. Man habe sie dort mit Spritzen vollgepumpt und ihr 40 Tabletten pro Tag verabreicht. Sie habe infolge dessen nicht mehr sprechen, laufen, sehen, gehen und lesen können. Sie sei wie gelähmt gewesen. Die Folgen seien u.a. eine Darmverengung und Gallenschmerzen mit anschließender Gallenoperation sowie ein Herzinfarkt mit Lungenembolie gewesen.
Das Landgericht Berlin erklärte mit Beschluss vom 18. März 1993 - (550 Rh) 3 Js 712/92 (116/91) - die Einweisungsentscheidungen der Volkspolizeiinspektion L vom 14. August 1961 sowie des Amtsarztes des Stadtbezirks L vom 22.Juni 1973 für rechtsstaatswidrig und rehabilitierte die Klägerin insoweit. Außerdem stellte es fest, dass die Klägerin in der Zeit vom 14. August 1961 bis zum 18. Oktober 1961 und vom 29. Juni 1973 bis zum 11. Juli 1973 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hatte. Auf die Beschwerde der Klägerin änderte das Kammergericht mit Beschluss vom 16. Juni 1993 -3 Ws 291/93 REHA - den vorgenannten Beschluss dahingehend ab, dass es auch die Einweisungsentscheidung des Stellvertretenden Stadtbezirksarztes des Rates des Stadtbezirks Berlin-L vom 2. März 1989 als rechtsstaatswidrig aufhob und feststellte, dass die Klägerin auch in der Zeit vom 14. März bis 25. April 1989 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hatte. Zudem stellte es fest, dass die aufgrund der für rechtsstaatswidrig erklärten Einweisungsentscheidung des Amtsarztes des Stadtbezirks L vom 22. Juni 1973 erlittene Freiheitsentziehung vom 26. Juni bis 11. Juli 1973 dauerte.
Aus der Epikrise des O-Z-Krankenhauses vom 4.Oktober 1989 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 5. September bis zum 25. September 1989, welche zu den Verwaltungsakten gereicht wurde, ergibt sich u.a., dass dort am 8. September 1989 eine Cholecystektomie (Entfernung der Gallenblase) nach einer akuten Cholecystitis (Gallenblasenentzündung) mit Gallenblasenhydrops (pralle Füllung der beträchtlich vergrößerten Gallenblase mit heller wässrigschleimiger Flüssigkeit) bei Cholecystolithiasis (Gallensteinerkrankung) und Papillenstenose durchgeführt worden ist.
Im Rahmen des von der Klägerin ebenfalls betriebenen Verfahrens nach dem Schwerbehindertengesetz gelangte u.a. ein Entlassungsbericht des vorgenannten Krankenhauses vom 27. Mai 1991 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 12. April bis zum 20. Mai 1991 zu den Schwerbehindertenakten. Darin wird u.a. ein Vorderwandmyokardinfarkt bei Hypertonus Stadium III und alimentärer Adipositas mit Hyperlipoproteinämie Typ III beschrieben. Die Klägerin sei wegen eines akuten Vorderwandinfarkts unter dem Bild eines akuten Lungenödems stationär aufgenommen worden.
Auf Veranlassung des Beklagten erstatteten u.a. der Arzt für Innere Medizin Dr. D am 18. August 1994 und die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. D am 7. August 1995 aufgrund der am 18. August und am 11. Oktober 1994 erfolgten Untersuchungen ein Gutachten über die Klägerin.
Daraufhin lehnte der Beklagte den von der Klägerin gestellten Antrag nach dem StrRehaG ab. Eine Anerkennung der von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen (Herzinfarkt mit Lungenembolie, Gallenoperation, Folgen psychischer Folter) als Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG sei nicht möglich, da nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, dass diese Leiden mit der psychiatrischen Zwangseinweisung und der diesbezüglichen Therapie in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang ständen. Nach den versorgungsärztlichen Untersuchungsergebnissen hätten keine Gesundheitsstörungen festgestellt werden können, die auf die Zwangseinweisungen zurückzuführen seien (Bescheid vom 19. September 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 1995).
Das Sozialgericht hat im anschließenden Klageverfahren zunächst die folgenden - die Klägerin betreffenden - medizinischen Unterlagen beigezogen: Patientenakte der Psychiatrischen Beratungsstelle des Fachkrankenhauses für Neurologie und Psychiatrie Berlin-L (im Folgenden zitiert als Patientenakte), die Krankenakte des Städt. Krankenhauses H (zitiert im Folgenden als Krankenakte) sowie ein nervenfachärztliches Gutachten vom 5. November 1973 des Fachkrankenhauses für Neurologie und Psychiatrie Berlin-L (jeweils entnommen aus: Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin zum Verfahren Dr. K u.a. wegen Freiheitsberaubung zum Nachteil der Klägerin -30 Js 1340/93 -.
Im Anschluss hat es den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H vom Behandlungszentrum für Folteropfer beim Klinikum W zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 3. Januar 1997 u.a. die Auffassung vertreten, dass beim dritten stationären Aufenthalt in der psychiatrischen Abteilung des Städt. Krankenhauses H im Frühjahr 1989 zwar der Klägerin eine zu hohe neuroleptische Medikation verabreicht worden sei. Art und Höhe der damaligen Medikation seien jedoch keinesfalls ursächlich mit den internistischen Erkrankungen (Gallensteinleiden, hoher Blutdruck, erhöhte Konzentration der Blutfette, beide Herzinfarkte) verknüpft.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. Juli 1997 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen und den Zwangsaufenthalten in der Psychiatrie vom 14. August bis zum 18. Oktober 1961, vom 26. Juni bis zum 11. Juli 1973 und vom 14. März bis zum 25. April 1989 könne nicht hergestellt werden. Zur Begründung dessen stützte sich das Sozialgericht vor allem auf das von ihm eingeholte psychiatrische Sachverständigengutachten sowie auf die versorgungsärztlichen Gutachten der Ärzte Dr. D und Dr. D ...
Gegen den ihr am 6. August 1997 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14. August 1997 Berufung eingelegt.
Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass ihr geltend gemachter Anspruch auf Versorgung begründet sei. Sie bleibe dabei, dass man sie erst durch die Behandlung in der Psychiatrie 1989 bewusst und willkürlich krank gemacht habe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juli 1997 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 1995 zu verurteilen, ihr unter Anerkennung von
- Zustand nach Gallenblasenoperation 1989,
- Herzleistungsminderung bei koronarer Herzkrankheit mit zurückliegendem Herzinfarkt,
- Bluthochdruck,
- Fettstoffwechselstörungen sowie Schwächung des Immunsystems als Schädigungsfolgen der Freiheitsentziehung vom 14. März bis 25. April 1989
Versorgung nach dem StrRehaG ab 1. Januar 1991 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Die die Klägerin betreffenden Versorgungsakten (7381/91 und 01-4070 H/93) sowie die Schwerbehindertenakte lagen dem Senat ebenso vor wie die Akten der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin in der Sache Dr. K u.a. - 30 Js 1340/93 - (Band I bis IV sowie Beistücke I bis III).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen, da der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtmäßig ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung nach dem StrRehaG in Verbindung mit dem BVG seit Januar 1991.
Die Rehabilitation der Klägerin durch den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 18. März 1993 sowie des Kammergerichts vom 16. Juni 1993 im Hinblick auf die Freiheitsentziehungen für die Zeit vom 14. August bis zum 18. Oktober 1961, vom 26. Juni bis 11.Juli 1973 sowie vom 14. März bis 25. April 1989 und die diesen zugrunde liegenden Einweisungsentscheidungen begründen gemäß §§ 3 Abs. 1, der gemäß § 2 entsprechend Anwendung findet, 16 Abs. 1 StrRehaG vom 29.Oktober 1992 (Bundesgesetzblatt I S. 1814 - mit Wirkung vom 5. Juli 1997 bekannt gegeben durch Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften vom 1. Juli 1997, Bundesgesetzblatt I S. 1609, 1613) grundsätzlich einen Anspruch der Klägerin auf soziale Ausgleichsleistungen für Nachteile, die ihr durch die Freiheitsentziehung entstanden sind. Hierzu gehört auch die geltend gemachte Versorgung nach § 21 StrRehaG, für deren Gewährung gemäß der Zuständigkeitsregelung in § 25 Abs. 4 Satz 1 StrRehaG ausschließlich der Beklagte zuständig ist. Danach erhält ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag eine Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG, § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG. Welche Leistungen im Einzelnen die Versorgung umfasst, ist § 9 BVG zu entnehmen.
Nach § 84 a BVG steht Personen, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten, Versorgung nach dem BVG mit den für dieses Gebiet nach dem Einigungsvertrag (EV) geltenden Maßgaben frühestens ab 1. Januar 1991 zu (siehe auch § 24 StrRehaG). Nach Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Maßgabe i des EV werden die neuen Versorgungsansprüche auf Antrag festgestellt. Wird der Antrag bis zum 31. Dezember 1993 gestellt, so beginnen die Versorgungsansprüche mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind, frühestens mit dem Monat Januar 1991.
Die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG - hier eine infolge der rechtsstaatswidrigen Freiheitsentziehung erlittene gesundheitliche Schädigung und die gesundheitlichen Folgen der Schädigung (Gesundheitsstörung) - müssen nach den im sozialgerichtlichen Verfahren an die richterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen voll bewiesen werden. Hierfür ist es nicht notwendig, dass die Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indes ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch zweifelt, d.h., dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt. Dabei kommen zum Nachweis der gesundheitlichen Schädigungen nicht nur herkömmliche Beweismittel (Zeugen, Urkunden u.ä.), sondern nach § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG), der gemäß § 25 Abs. 4 Satz 2 StrRehaG Anwendung findet, auch die Angaben der Klägerin in Betracht, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Klägers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, soweit die Angaben nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
Demgegenüber bedarf es für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der gesundheitlichen Schädigung und der geltend gemachten Gesundheitsstörung nach § 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG nur der Wahrscheinlichkeit. Die Wahrscheinlichkeit ist dann gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr bzw. gewichtigere Tatsachen für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang sprechen. Lediglich die Möglichkeit eines Zusammenhangs oder ein zeitlicher Zusammenhang genügt allerdings nicht (vgl. insoweit Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht - Kommentar -, 7. Auflage, § 1 BVG Rdnr. 64, 65 mit weiteren Nachweisen). Nach der im Versorgungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung ist im Übrigen zu beachten, dass nicht jeder Umstand, der irgendwie zum Erfolg beigetragen hat, rechtlich beachtlich ist, sondern nur die Bedingungen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg diesen wesentlich herbeigeführt haben (Fehl in Wilke, a.a.O., § 1 BVG Rdnr. 67 mit weiteren Nachweisen).
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Gegebenheiten ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin heute bzw. seit 1991 bestehenden Gesundheitsstörungen keine Folge der genannten rechtsstaatswidrigen Freiheitsentziehungen sind. Die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen können weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung anerkannt werden. Dies ergibt sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus den bereits im Verwaltungsverfahren von dem Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. D und Dr. De, welche der Senat im Wege des Urkundenbeweises (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage 1997, Rdnr. 12 b zu § 118 mit weiteren Nachweisen) bei der Entscheidungsfindung verwertet hat, sowie dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H.
Für die von der Klägerin geltend gemachten internistischen Leiden fehlt es an dem erforderlichen ursächlichen Zusammenhang.
Zwar können als bleibende Gesundheitsstörungen und damit als Schädigungsfolgen auch solche anerkannt werden, die keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bedingen und auch keine Behinderung darstellen ( z.B. reizlose, funktionell bedeutungslose Narben; vgl. Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1983- AHP1983 -, S. 23), so dass als Schädigungsfolge auch der "Verlust der Gallenblase ohne wesentliche Störungen" anerkannt werden könnte, der mit einer MdE von 0 v.H. zu bewerten wäre ( AHP 1983, S. 79). Jedoch haben sowohl Dr. D als auch der gerichtliche Sachverständige ausgeschlossen, dass die orale und intravenöse Verabreichung von Medikamenten anlässlich der zwangsweisen Unterbringung der Klägerin vom 14. März bis 25. April 1989 kausal für die operative Gallenblasenentfernung im September 1989 war. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die histologische Untersuchung des Operationspräparates. Diese ergab eine schwere chronische, vernarbende, älter ulcerierende und nekrotisierende Cholecystitis (Gallenblasenentzündung) und Pericholecystitis (Peri = die Umgebung betreffend) mit älteren Wandabszessen.
Hinsichtlich des bei der Klägerin bestehenden Herzleidens gilt, dass sie ihren ersten Infarkt erst im April des Jahres 1991 erlitt und damit weit nach den Ereignissen des Jahres 1989, die sie dafür verantwortlich macht. Darüber hinaus sprechen auch die Angaben im Entlassungsbericht des Oskar-Ziethen-Krankenhauses vom 27. Mai 1991 eindeutig gegen die von der Klägerin behauptete Kausalität, worauf Dr. D überzeugend hinweist. Denn danach stellte sich das Infarktereignis als akute Komplikation der alters- und anlagebedingten und durch diverse Risikofaktoren begünstigten (Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und Übergewicht) coronaren Herzkrankheit dar und lasse sich keinesfalls auf die durchgeführten Therapien während der Zwangseinweisungen zurückführen. Diese Einschätzung wird ebenfalls von Dr. De unter Berufung auf den bereits genannten Entlassungsbericht geteilt. Diesem sei zu entnehmen, dass bereits deutliche und fortgeschrittene Faktoren vorhanden gewesen seien, die einen Infarkt hätten begünstigen können. Auch der gerichtliche Sachverständige sieht keinen Zusammenhang zwischen der Art und Höhe der neuroleptischen Medikation im Frühjahr 1989 und der Herzerkrankung der Klägerin.
Soweit die Klägerin Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen als Gesundheitsstörungen geltend macht, besteht für den erforderlichen kausalen Zusammenhang nach dem Gutachten von Dr. D überhaupt kein Anhalt.
Der Senat sieht keinen Anlass, an den Einschätzungen von Dr. De, Dr. D sowie des gerichtlichen Sachverständigen zu zweifeln. Die Gutachten sind sachlich, widerspruchsfrei und sorgfältig, die bestehenden Befunde sind vollständig erhoben sowie vor dem Hintergrund der allgemein geltenden Begutachtungsmaßstäbe ausgewertet.
Den Bewertungen der Gutachter kann nicht entgegengehalten werden, dass die Klägerin durch die Beschlüsse des Landgerichts Berlin sowie des Kammergerichts rehabilitiert worden ist. Denn aus dem Umstand, dass die Einweisungsentscheidungen rechtsstaatswidrig waren, kann keinesfalls abgeleitet werden, dass es während des zwangsweisen Aufenthaltes der Klägerin in der Psychiatrie auch zu gesundheitlichen Schädigungen gekommen ist, die für die heute bestehenden Gesundheitsstörungen im Sinne der Entstehung bzw. Verschlimmerung auch nur mit dem Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit kausal im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung sein könnten.
Da keine Schädigungsfolgen festzustellen sind, besteht auch kein Anspruch auf Versorgung.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin seit Januar 1991 einen Anspruch auf Versorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.
Die im Jahre 1935 in L geboren Klägerin lebt seit 1949 durchgehend im Beitrittsgebiet.
Sie war u.a. in der Zeit vom 14.August bis 18. Oktober 1961 (Einweisungsentscheidung der Volkspolizeiinspektion L vom 14. August 1961), vom 26. Juni bis 11. Juli 1973 (Einweisungsentscheidung des Amtsarztes des Stadtbezirks L vom 22. Juni 1973) und vom 14. März bis 25. April 1989 (Einweisungsentscheidung des Stellvertretenden Stadt-bezirksarztes des Rates des Stadtbezirks Berlin-L Dr. D vom 2. März 1989 aufgrund des Antrages der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K) in der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses Herzberge zwangsweise untergebracht.
Im November 1991 und erneut im September 1993 beantragte sie Versorgung nach dem StrRehaG in Verbindung mit dem BVG. In ihrem Antrag machte sie geltend, sie sei wegen der politischen Inhaftierung ihres geschiedenen Mannes 1965 bis einschließlich 8. November 1989 politisch verfolgt, misshandelt sowie physisch und psychisch gefoltert und mehrmals ihrer Freiheit beraubt worden. Am 14. März 1989 sei mit brutaler Gewalt ihre Wohnungstür eingeschlagen und sie in die Psychiatrie H zwangseingewiesen worden. Man habe sie dort mit Spritzen vollgepumpt und ihr 40 Tabletten pro Tag verabreicht. Sie habe infolge dessen nicht mehr sprechen, laufen, sehen, gehen und lesen können. Sie sei wie gelähmt gewesen. Die Folgen seien u.a. eine Darmverengung und Gallenschmerzen mit anschließender Gallenoperation sowie ein Herzinfarkt mit Lungenembolie gewesen.
Das Landgericht Berlin erklärte mit Beschluss vom 18. März 1993 - (550 Rh) 3 Js 712/92 (116/91) - die Einweisungsentscheidungen der Volkspolizeiinspektion L vom 14. August 1961 sowie des Amtsarztes des Stadtbezirks L vom 22.Juni 1973 für rechtsstaatswidrig und rehabilitierte die Klägerin insoweit. Außerdem stellte es fest, dass die Klägerin in der Zeit vom 14. August 1961 bis zum 18. Oktober 1961 und vom 29. Juni 1973 bis zum 11. Juli 1973 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hatte. Auf die Beschwerde der Klägerin änderte das Kammergericht mit Beschluss vom 16. Juni 1993 -3 Ws 291/93 REHA - den vorgenannten Beschluss dahingehend ab, dass es auch die Einweisungsentscheidung des Stellvertretenden Stadtbezirksarztes des Rates des Stadtbezirks Berlin-L vom 2. März 1989 als rechtsstaatswidrig aufhob und feststellte, dass die Klägerin auch in der Zeit vom 14. März bis 25. April 1989 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hatte. Zudem stellte es fest, dass die aufgrund der für rechtsstaatswidrig erklärten Einweisungsentscheidung des Amtsarztes des Stadtbezirks L vom 22. Juni 1973 erlittene Freiheitsentziehung vom 26. Juni bis 11. Juli 1973 dauerte.
Aus der Epikrise des O-Z-Krankenhauses vom 4.Oktober 1989 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 5. September bis zum 25. September 1989, welche zu den Verwaltungsakten gereicht wurde, ergibt sich u.a., dass dort am 8. September 1989 eine Cholecystektomie (Entfernung der Gallenblase) nach einer akuten Cholecystitis (Gallenblasenentzündung) mit Gallenblasenhydrops (pralle Füllung der beträchtlich vergrößerten Gallenblase mit heller wässrigschleimiger Flüssigkeit) bei Cholecystolithiasis (Gallensteinerkrankung) und Papillenstenose durchgeführt worden ist.
Im Rahmen des von der Klägerin ebenfalls betriebenen Verfahrens nach dem Schwerbehindertengesetz gelangte u.a. ein Entlassungsbericht des vorgenannten Krankenhauses vom 27. Mai 1991 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 12. April bis zum 20. Mai 1991 zu den Schwerbehindertenakten. Darin wird u.a. ein Vorderwandmyokardinfarkt bei Hypertonus Stadium III und alimentärer Adipositas mit Hyperlipoproteinämie Typ III beschrieben. Die Klägerin sei wegen eines akuten Vorderwandinfarkts unter dem Bild eines akuten Lungenödems stationär aufgenommen worden.
Auf Veranlassung des Beklagten erstatteten u.a. der Arzt für Innere Medizin Dr. D am 18. August 1994 und die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. D am 7. August 1995 aufgrund der am 18. August und am 11. Oktober 1994 erfolgten Untersuchungen ein Gutachten über die Klägerin.
Daraufhin lehnte der Beklagte den von der Klägerin gestellten Antrag nach dem StrRehaG ab. Eine Anerkennung der von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen (Herzinfarkt mit Lungenembolie, Gallenoperation, Folgen psychischer Folter) als Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG sei nicht möglich, da nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, dass diese Leiden mit der psychiatrischen Zwangseinweisung und der diesbezüglichen Therapie in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang ständen. Nach den versorgungsärztlichen Untersuchungsergebnissen hätten keine Gesundheitsstörungen festgestellt werden können, die auf die Zwangseinweisungen zurückzuführen seien (Bescheid vom 19. September 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 1995).
Das Sozialgericht hat im anschließenden Klageverfahren zunächst die folgenden - die Klägerin betreffenden - medizinischen Unterlagen beigezogen: Patientenakte der Psychiatrischen Beratungsstelle des Fachkrankenhauses für Neurologie und Psychiatrie Berlin-L (im Folgenden zitiert als Patientenakte), die Krankenakte des Städt. Krankenhauses H (zitiert im Folgenden als Krankenakte) sowie ein nervenfachärztliches Gutachten vom 5. November 1973 des Fachkrankenhauses für Neurologie und Psychiatrie Berlin-L (jeweils entnommen aus: Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin zum Verfahren Dr. K u.a. wegen Freiheitsberaubung zum Nachteil der Klägerin -30 Js 1340/93 -.
Im Anschluss hat es den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H vom Behandlungszentrum für Folteropfer beim Klinikum W zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 3. Januar 1997 u.a. die Auffassung vertreten, dass beim dritten stationären Aufenthalt in der psychiatrischen Abteilung des Städt. Krankenhauses H im Frühjahr 1989 zwar der Klägerin eine zu hohe neuroleptische Medikation verabreicht worden sei. Art und Höhe der damaligen Medikation seien jedoch keinesfalls ursächlich mit den internistischen Erkrankungen (Gallensteinleiden, hoher Blutdruck, erhöhte Konzentration der Blutfette, beide Herzinfarkte) verknüpft.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. Juli 1997 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen und den Zwangsaufenthalten in der Psychiatrie vom 14. August bis zum 18. Oktober 1961, vom 26. Juni bis zum 11. Juli 1973 und vom 14. März bis zum 25. April 1989 könne nicht hergestellt werden. Zur Begründung dessen stützte sich das Sozialgericht vor allem auf das von ihm eingeholte psychiatrische Sachverständigengutachten sowie auf die versorgungsärztlichen Gutachten der Ärzte Dr. D und Dr. D ...
Gegen den ihr am 6. August 1997 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14. August 1997 Berufung eingelegt.
Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass ihr geltend gemachter Anspruch auf Versorgung begründet sei. Sie bleibe dabei, dass man sie erst durch die Behandlung in der Psychiatrie 1989 bewusst und willkürlich krank gemacht habe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juli 1997 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 1995 zu verurteilen, ihr unter Anerkennung von
- Zustand nach Gallenblasenoperation 1989,
- Herzleistungsminderung bei koronarer Herzkrankheit mit zurückliegendem Herzinfarkt,
- Bluthochdruck,
- Fettstoffwechselstörungen sowie Schwächung des Immunsystems als Schädigungsfolgen der Freiheitsentziehung vom 14. März bis 25. April 1989
Versorgung nach dem StrRehaG ab 1. Januar 1991 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Die die Klägerin betreffenden Versorgungsakten (7381/91 und 01-4070 H/93) sowie die Schwerbehindertenakte lagen dem Senat ebenso vor wie die Akten der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin in der Sache Dr. K u.a. - 30 Js 1340/93 - (Band I bis IV sowie Beistücke I bis III).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen, da der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtmäßig ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung nach dem StrRehaG in Verbindung mit dem BVG seit Januar 1991.
Die Rehabilitation der Klägerin durch den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 18. März 1993 sowie des Kammergerichts vom 16. Juni 1993 im Hinblick auf die Freiheitsentziehungen für die Zeit vom 14. August bis zum 18. Oktober 1961, vom 26. Juni bis 11.Juli 1973 sowie vom 14. März bis 25. April 1989 und die diesen zugrunde liegenden Einweisungsentscheidungen begründen gemäß §§ 3 Abs. 1, der gemäß § 2 entsprechend Anwendung findet, 16 Abs. 1 StrRehaG vom 29.Oktober 1992 (Bundesgesetzblatt I S. 1814 - mit Wirkung vom 5. Juli 1997 bekannt gegeben durch Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften vom 1. Juli 1997, Bundesgesetzblatt I S. 1609, 1613) grundsätzlich einen Anspruch der Klägerin auf soziale Ausgleichsleistungen für Nachteile, die ihr durch die Freiheitsentziehung entstanden sind. Hierzu gehört auch die geltend gemachte Versorgung nach § 21 StrRehaG, für deren Gewährung gemäß der Zuständigkeitsregelung in § 25 Abs. 4 Satz 1 StrRehaG ausschließlich der Beklagte zuständig ist. Danach erhält ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag eine Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG, § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG. Welche Leistungen im Einzelnen die Versorgung umfasst, ist § 9 BVG zu entnehmen.
Nach § 84 a BVG steht Personen, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten, Versorgung nach dem BVG mit den für dieses Gebiet nach dem Einigungsvertrag (EV) geltenden Maßgaben frühestens ab 1. Januar 1991 zu (siehe auch § 24 StrRehaG). Nach Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Maßgabe i des EV werden die neuen Versorgungsansprüche auf Antrag festgestellt. Wird der Antrag bis zum 31. Dezember 1993 gestellt, so beginnen die Versorgungsansprüche mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind, frühestens mit dem Monat Januar 1991.
Die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG - hier eine infolge der rechtsstaatswidrigen Freiheitsentziehung erlittene gesundheitliche Schädigung und die gesundheitlichen Folgen der Schädigung (Gesundheitsstörung) - müssen nach den im sozialgerichtlichen Verfahren an die richterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen voll bewiesen werden. Hierfür ist es nicht notwendig, dass die Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indes ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch zweifelt, d.h., dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt. Dabei kommen zum Nachweis der gesundheitlichen Schädigungen nicht nur herkömmliche Beweismittel (Zeugen, Urkunden u.ä.), sondern nach § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG), der gemäß § 25 Abs. 4 Satz 2 StrRehaG Anwendung findet, auch die Angaben der Klägerin in Betracht, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Klägers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, soweit die Angaben nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
Demgegenüber bedarf es für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der gesundheitlichen Schädigung und der geltend gemachten Gesundheitsstörung nach § 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG nur der Wahrscheinlichkeit. Die Wahrscheinlichkeit ist dann gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr bzw. gewichtigere Tatsachen für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang sprechen. Lediglich die Möglichkeit eines Zusammenhangs oder ein zeitlicher Zusammenhang genügt allerdings nicht (vgl. insoweit Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht - Kommentar -, 7. Auflage, § 1 BVG Rdnr. 64, 65 mit weiteren Nachweisen). Nach der im Versorgungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung ist im Übrigen zu beachten, dass nicht jeder Umstand, der irgendwie zum Erfolg beigetragen hat, rechtlich beachtlich ist, sondern nur die Bedingungen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg diesen wesentlich herbeigeführt haben (Fehl in Wilke, a.a.O., § 1 BVG Rdnr. 67 mit weiteren Nachweisen).
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Gegebenheiten ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin heute bzw. seit 1991 bestehenden Gesundheitsstörungen keine Folge der genannten rechtsstaatswidrigen Freiheitsentziehungen sind. Die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen können weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung anerkannt werden. Dies ergibt sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus den bereits im Verwaltungsverfahren von dem Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. D und Dr. De, welche der Senat im Wege des Urkundenbeweises (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage 1997, Rdnr. 12 b zu § 118 mit weiteren Nachweisen) bei der Entscheidungsfindung verwertet hat, sowie dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H.
Für die von der Klägerin geltend gemachten internistischen Leiden fehlt es an dem erforderlichen ursächlichen Zusammenhang.
Zwar können als bleibende Gesundheitsstörungen und damit als Schädigungsfolgen auch solche anerkannt werden, die keine messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bedingen und auch keine Behinderung darstellen ( z.B. reizlose, funktionell bedeutungslose Narben; vgl. Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1983- AHP1983 -, S. 23), so dass als Schädigungsfolge auch der "Verlust der Gallenblase ohne wesentliche Störungen" anerkannt werden könnte, der mit einer MdE von 0 v.H. zu bewerten wäre ( AHP 1983, S. 79). Jedoch haben sowohl Dr. D als auch der gerichtliche Sachverständige ausgeschlossen, dass die orale und intravenöse Verabreichung von Medikamenten anlässlich der zwangsweisen Unterbringung der Klägerin vom 14. März bis 25. April 1989 kausal für die operative Gallenblasenentfernung im September 1989 war. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die histologische Untersuchung des Operationspräparates. Diese ergab eine schwere chronische, vernarbende, älter ulcerierende und nekrotisierende Cholecystitis (Gallenblasenentzündung) und Pericholecystitis (Peri = die Umgebung betreffend) mit älteren Wandabszessen.
Hinsichtlich des bei der Klägerin bestehenden Herzleidens gilt, dass sie ihren ersten Infarkt erst im April des Jahres 1991 erlitt und damit weit nach den Ereignissen des Jahres 1989, die sie dafür verantwortlich macht. Darüber hinaus sprechen auch die Angaben im Entlassungsbericht des Oskar-Ziethen-Krankenhauses vom 27. Mai 1991 eindeutig gegen die von der Klägerin behauptete Kausalität, worauf Dr. D überzeugend hinweist. Denn danach stellte sich das Infarktereignis als akute Komplikation der alters- und anlagebedingten und durch diverse Risikofaktoren begünstigten (Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und Übergewicht) coronaren Herzkrankheit dar und lasse sich keinesfalls auf die durchgeführten Therapien während der Zwangseinweisungen zurückführen. Diese Einschätzung wird ebenfalls von Dr. De unter Berufung auf den bereits genannten Entlassungsbericht geteilt. Diesem sei zu entnehmen, dass bereits deutliche und fortgeschrittene Faktoren vorhanden gewesen seien, die einen Infarkt hätten begünstigen können. Auch der gerichtliche Sachverständige sieht keinen Zusammenhang zwischen der Art und Höhe der neuroleptischen Medikation im Frühjahr 1989 und der Herzerkrankung der Klägerin.
Soweit die Klägerin Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen als Gesundheitsstörungen geltend macht, besteht für den erforderlichen kausalen Zusammenhang nach dem Gutachten von Dr. D überhaupt kein Anhalt.
Der Senat sieht keinen Anlass, an den Einschätzungen von Dr. De, Dr. D sowie des gerichtlichen Sachverständigen zu zweifeln. Die Gutachten sind sachlich, widerspruchsfrei und sorgfältig, die bestehenden Befunde sind vollständig erhoben sowie vor dem Hintergrund der allgemein geltenden Begutachtungsmaßstäbe ausgewertet.
Den Bewertungen der Gutachter kann nicht entgegengehalten werden, dass die Klägerin durch die Beschlüsse des Landgerichts Berlin sowie des Kammergerichts rehabilitiert worden ist. Denn aus dem Umstand, dass die Einweisungsentscheidungen rechtsstaatswidrig waren, kann keinesfalls abgeleitet werden, dass es während des zwangsweisen Aufenthaltes der Klägerin in der Psychiatrie auch zu gesundheitlichen Schädigungen gekommen ist, die für die heute bestehenden Gesundheitsstörungen im Sinne der Entstehung bzw. Verschlimmerung auch nur mit dem Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit kausal im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung sein könnten.
Da keine Schädigungsfolgen festzustellen sind, besteht auch kein Anspruch auf Versorgung.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
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