Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 2 KR 478/03
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8/14 KR 765/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 39/05 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Versorgung mit der Säuglingsnahrung "Pregomin AS" ist nicht von dem in § 27 Abs 1 S 2 SGB 5 umschriebenen Krankenbehandlungsanspruch gedeckt (vgl BSG vom 28.1.1999 - B 8 KN 1/98 KR R = SozR 3-2500 § 31 Nr 6).
Das SGB 9 hat insoweit keine Änderung der Rechtslage mit sich gebracht. Ein Anspruch folgt somit auch nicht aus § 4 Abs 1 Nr 1 SGB 9, wie sich ausdrücklich aus Abs 2 S 2 der Vorschrift ergibt.
Das SGB 9 hat insoweit keine Änderung der Rechtslage mit sich gebracht. Ein Anspruch folgt somit auch nicht aus § 4 Abs 1 Nr 1 SGB 9, wie sich ausdrücklich aus Abs 2 S 2 der Vorschrift ergibt.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. August 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für die selbst beschaffte Säuglingsnahrung "Pregomin AS" von Dezember 2002 bis Sommer 2004.
Der 2000 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit Anfang 2002 im Wege der Familienmitversicherung krankenversichert. Er leidet seit dem dritten Lebensmonat an starker Neurodermitis und multiplen Nahrungsmittelallergien. Die Klinik für Kinderheilkunde im Klinikum der D.-Universität hielt aufgrund dessen eine Umstellung der Ernährung auf Hydrolysat-Nahrung für notwendig und empfahl den Eltern unter dem 24. Januar 2002 zunächst nur Pregomin und Muttermilch zu verwenden. Am 4. Dezember 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für das Präparat "Pregomin AS". Die Beklagte beauftragte hieraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen mit der Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens. Dr. L. führte in seinem Gutachten vom 6. Dezember 2002 aus, der Krankenbehandlungsanspruch umfasse nicht die Behandlung mit Hydrolysat-Nahrungen wie Pregomin. Dies habe das Bundessozialgericht entschieden. Zwar sei im Frühjahr/Sommer 2002 eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinien vorgesehen gewesen, nach der ausnahmsweise eine Verordnung eiweißhochhydrolysierter Elementar-Diäten längstens bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres möglich gewesen wäre, wenn eine Kuhmilcheiweißallergie mit schwerwiegender Symptomatik bei Säuglingen bestünde. Diese geänderten Arzneimittel-Richtlinien seien jedoch nicht rechtskräftig geworden, da sie in anderem Zusammenhang vom Bundesgesundheitsministerium beanstandet worden seien. Hieraufhin lehnte die Beklagte die Kostenübernahme der Hydrolysat- Nahrung durch Bescheid vom 29. Januar 2003 ab.
Hiergegen richtete sich der am 28. Februar 2003 eingelegte Widerspruch. Zur Begründung legte der Kläger einen Bescheid der Bosch BKK vor, wonach diese sich bereit erklärt hatte, gegenüber ihrer Versicherten die Kosten für die erforderliche Hydrolysat-Nahrung für ihren Sohn bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres zu übernehmen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 25. April 2003 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, Pregomin diene ausschließlich der Ernährung und sei als Lebensmittel beziehungsweise Krankenkost definiert. Eine Zulassung als Arzneimittel liege nicht vor. Auch sei Hydrolysat-Nahrung kein Heilmittel, weil sie zum Verzehr und nicht zur äußeren Einwirkung auf den Körper bestimmt sei. Damit entfalle die gesetzliche Grundlage für eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung.
Gegen den zurückweisenden Widerspruch richtet sich die am 13. Mai 2003 vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhobene Klage. Der Kläger ist der Ansicht, die Entscheidung der Beklagten verletze seine Grundrechte. Durch Urteil vom 12. August 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Einsatz von "Pregomin AS" sei dadurch gekennzeichnet, dass er an die Stelle von für den Kläger unzuträglichen Nahrungsmitteln trete. Ursächlich für die heilende Wirkung sei demnach nicht in erster Linie die Einnahme des Mittels, sondern die Vermeidung des in normaler Nahrung enthaltenen Milcheiweißes. Im Vordergrund stehe daher der Ersatz der unzuträglichen Nahrung durch die Hydrolysat-Nahrung und nicht die möglicherweise auch vorhandene heilende Wirkung. Folglich diene "Pregomin AS" überwiegend dem Zweck der Ernährung und sei daher grundsätzlich kein vom Versorgungsanspruch nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) umfasstes Arzneimittel. Ein Anspruch des Klägers ergäbe sich auch nicht aus den lediglich im Entwurf vorliegenden neuen Arzneimittelrichtlinien. Ein Anspruch leite sich auch nicht aus § 4 Abs. 1 Ziff. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) her, da das SGB V insoweit das speziellere Recht sei und dem SGB IX vorgehe.
Gegen das Urteil richtet sich die am 20. August 2003 beim Hessischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Zur Begründung trägt der Kläger vor, ein Leistungsanspruch in Form eines Kostenerstattungsanspruchs ergäbe sich aufgrund der Bestimmungen des SGB IX. Der aufgrund des SGB IX geltend gemachte Anspruch sei ein anderer, wesentlich weitergehender, umfassenderer, als der nach dem SGB V. Völlig unbeachtet und in der Entscheidung unberücksichtigt lasse das angefochtene Urteil die eindeutigen Atteste zahlreicher Fachärzte. Schließlich sähen die Arzneimittel-Richtlinien in der am 26. Februar 2002 vom Vorsitzenden des Bundesausschusses unterschriebenen Fassung vor, dass Eiweiß-Hydrolysate in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. August 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für "Pregomin-AS" mit Wirkung vom 1. Dezember 2002 zu erstatten, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen; weiterhin wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung des Klägers ist jedoch sachlich unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht durch Urteil vom 12. August 2003 abgewiesen. Der Bescheid vom 29. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2003 ist rechtmäßig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger die Kosten für "Pregomin-AS" mit Wirkung vom 1. Dezember 2002 zu erstatten.
Nach § 13 Abs. 3 SGB V hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die für die Beschaffung der Leistung aufgewendeten Kosten zu erstatten. Da der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs tritt, kann er nur bestehen, soweit die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die gesetzlichen Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen haben. Zwar hat der Kläger als Familienversicherter grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen zur Behandlung seiner Neurodermitis, die als behandlungsbedürftiger regelwidriger Körperzustand Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist. Die Versorgung mit "Pregomin AS" ist jedoch nicht von dem in § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V umschriebenen Krankenbehandlungsanspruch gedeckt (vgl. BSG vom 28. Januar 1999, Az: B 8 KN 1/98 R, SozR 3-2500 § 31 Nr. 6). Die von der Krankenkasse zu gewährende Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung unter anderem nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V die Versorgung mit Arznei-, Verbands-, Heil- und Hilfsmitteln. Dem Bundessozialgericht folgend geht der Senat davon aus, dass die Versorgung mit "Pregomin AS" allenfalls Anspruch auf Versorgung mit einem Arzneimittel sein kann (BSG vom 28. Januar 1999, a.a.O.). "Pregomin AS" ist jedoch, und auch insoweit folgt der Senat dem Bundessozialgericht, kein Arzneimittel im Sinne des § 27 SGB V. Nach § 2 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) sind Arzneimittel Substanzen, deren bestimmungsgemäße Wirkung darin liegt, Krankheitszustände zu erkennen, zu heilen, zu bessern, zu lindern oder zu verhüten. § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmt, dass Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln haben. Apothekenpflicht besteht nach § 43 Abs. 1 AMG ausschließlich für diejenigen Mittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG sind. Wie § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG ausdrücklich klarstellt, sind Lebensmittel im Sinne des § 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) keine Arzneimittel. Lebensmittel sind nach § 1 Abs. 1 LMBG Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden. Trotz der zweifellos krankheitslindernden Eigenschaften von Pregomin AS ist der Einsatz des Mittels dadurch gekennzeichnet, dass es an die Stelle von für den Kläger unzuträglichen Nahrungsmitteln tritt. Ursächlich für die heilende Wirkung ist demnach nicht in erster Linie die Einnahme des Mittels, sondern die Vermeidung des in normaler Nahrung enthaltenen Milcheiweißes. Folglich dient Pregomin AS überwiegend dem Zweck der Ernährung und ist daher grundsätzlich kein vom Versorgungsanspruch nach dem SGB V umfasstes Arzneimittel (BSG vom 28. Januar 1999, a.a.O.).
Ein Leistungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Hiernach hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen ... Eiweißhydrolysate ausnahmsweise in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen werden. Zwar hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in seiner Sitzung am 26. Februar 2002 beschlossen, dass Eiweißhydrolysate unter bestimmten Voraussetzungen für Säuglinge, nämlich bei Kuhmilcheiweißallergie mit schwerwiegender klinischer Symptomatik verordnungsfähig sind. Das damals zuständige Bundesministerium für Gesundheit hat diese Richtlinien indessen, was unstreitig ist, nach § 94 Abs. 1 Satz 2 SGB V mit der Wirkung beanstandet, dass diese nicht in Kraft getreten sind. Darüber hinaus wären die Richtlinien auf den Kläger nicht anwendbar gewesen, da er zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits das zweite Lebensjahr vollendet hatte und damit kein Säugling mehr war.
Ein Anspruch folgt auch nicht aus § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX, wie sich schon aus Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift ergibt (vgl. zum Regelungszweck Götze in Hauch/Noftz, SGB IX, Kommentar, Stand 12/04, § 4 Rz. 1). Der Senat verweist insoweit auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe und sieht von einer erneuten Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die vom Kläger geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für die selbst beschaffte Säuglingsnahrung "Pregomin AS" von Dezember 2002 bis Sommer 2004.
Der 2000 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit Anfang 2002 im Wege der Familienmitversicherung krankenversichert. Er leidet seit dem dritten Lebensmonat an starker Neurodermitis und multiplen Nahrungsmittelallergien. Die Klinik für Kinderheilkunde im Klinikum der D.-Universität hielt aufgrund dessen eine Umstellung der Ernährung auf Hydrolysat-Nahrung für notwendig und empfahl den Eltern unter dem 24. Januar 2002 zunächst nur Pregomin und Muttermilch zu verwenden. Am 4. Dezember 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für das Präparat "Pregomin AS". Die Beklagte beauftragte hieraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen mit der Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens. Dr. L. führte in seinem Gutachten vom 6. Dezember 2002 aus, der Krankenbehandlungsanspruch umfasse nicht die Behandlung mit Hydrolysat-Nahrungen wie Pregomin. Dies habe das Bundessozialgericht entschieden. Zwar sei im Frühjahr/Sommer 2002 eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinien vorgesehen gewesen, nach der ausnahmsweise eine Verordnung eiweißhochhydrolysierter Elementar-Diäten längstens bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres möglich gewesen wäre, wenn eine Kuhmilcheiweißallergie mit schwerwiegender Symptomatik bei Säuglingen bestünde. Diese geänderten Arzneimittel-Richtlinien seien jedoch nicht rechtskräftig geworden, da sie in anderem Zusammenhang vom Bundesgesundheitsministerium beanstandet worden seien. Hieraufhin lehnte die Beklagte die Kostenübernahme der Hydrolysat- Nahrung durch Bescheid vom 29. Januar 2003 ab.
Hiergegen richtete sich der am 28. Februar 2003 eingelegte Widerspruch. Zur Begründung legte der Kläger einen Bescheid der Bosch BKK vor, wonach diese sich bereit erklärt hatte, gegenüber ihrer Versicherten die Kosten für die erforderliche Hydrolysat-Nahrung für ihren Sohn bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres zu übernehmen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 25. April 2003 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, Pregomin diene ausschließlich der Ernährung und sei als Lebensmittel beziehungsweise Krankenkost definiert. Eine Zulassung als Arzneimittel liege nicht vor. Auch sei Hydrolysat-Nahrung kein Heilmittel, weil sie zum Verzehr und nicht zur äußeren Einwirkung auf den Körper bestimmt sei. Damit entfalle die gesetzliche Grundlage für eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung.
Gegen den zurückweisenden Widerspruch richtet sich die am 13. Mai 2003 vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhobene Klage. Der Kläger ist der Ansicht, die Entscheidung der Beklagten verletze seine Grundrechte. Durch Urteil vom 12. August 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Einsatz von "Pregomin AS" sei dadurch gekennzeichnet, dass er an die Stelle von für den Kläger unzuträglichen Nahrungsmitteln trete. Ursächlich für die heilende Wirkung sei demnach nicht in erster Linie die Einnahme des Mittels, sondern die Vermeidung des in normaler Nahrung enthaltenen Milcheiweißes. Im Vordergrund stehe daher der Ersatz der unzuträglichen Nahrung durch die Hydrolysat-Nahrung und nicht die möglicherweise auch vorhandene heilende Wirkung. Folglich diene "Pregomin AS" überwiegend dem Zweck der Ernährung und sei daher grundsätzlich kein vom Versorgungsanspruch nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) umfasstes Arzneimittel. Ein Anspruch des Klägers ergäbe sich auch nicht aus den lediglich im Entwurf vorliegenden neuen Arzneimittelrichtlinien. Ein Anspruch leite sich auch nicht aus § 4 Abs. 1 Ziff. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) her, da das SGB V insoweit das speziellere Recht sei und dem SGB IX vorgehe.
Gegen das Urteil richtet sich die am 20. August 2003 beim Hessischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Zur Begründung trägt der Kläger vor, ein Leistungsanspruch in Form eines Kostenerstattungsanspruchs ergäbe sich aufgrund der Bestimmungen des SGB IX. Der aufgrund des SGB IX geltend gemachte Anspruch sei ein anderer, wesentlich weitergehender, umfassenderer, als der nach dem SGB V. Völlig unbeachtet und in der Entscheidung unberücksichtigt lasse das angefochtene Urteil die eindeutigen Atteste zahlreicher Fachärzte. Schließlich sähen die Arzneimittel-Richtlinien in der am 26. Februar 2002 vom Vorsitzenden des Bundesausschusses unterschriebenen Fassung vor, dass Eiweiß-Hydrolysate in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. August 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für "Pregomin-AS" mit Wirkung vom 1. Dezember 2002 zu erstatten, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen; weiterhin wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung des Klägers ist jedoch sachlich unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht durch Urteil vom 12. August 2003 abgewiesen. Der Bescheid vom 29. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2003 ist rechtmäßig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger die Kosten für "Pregomin-AS" mit Wirkung vom 1. Dezember 2002 zu erstatten.
Nach § 13 Abs. 3 SGB V hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die für die Beschaffung der Leistung aufgewendeten Kosten zu erstatten. Da der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs tritt, kann er nur bestehen, soweit die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die gesetzlichen Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen haben. Zwar hat der Kläger als Familienversicherter grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen zur Behandlung seiner Neurodermitis, die als behandlungsbedürftiger regelwidriger Körperzustand Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist. Die Versorgung mit "Pregomin AS" ist jedoch nicht von dem in § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V umschriebenen Krankenbehandlungsanspruch gedeckt (vgl. BSG vom 28. Januar 1999, Az: B 8 KN 1/98 R, SozR 3-2500 § 31 Nr. 6). Die von der Krankenkasse zu gewährende Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung unter anderem nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V die Versorgung mit Arznei-, Verbands-, Heil- und Hilfsmitteln. Dem Bundessozialgericht folgend geht der Senat davon aus, dass die Versorgung mit "Pregomin AS" allenfalls Anspruch auf Versorgung mit einem Arzneimittel sein kann (BSG vom 28. Januar 1999, a.a.O.). "Pregomin AS" ist jedoch, und auch insoweit folgt der Senat dem Bundessozialgericht, kein Arzneimittel im Sinne des § 27 SGB V. Nach § 2 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) sind Arzneimittel Substanzen, deren bestimmungsgemäße Wirkung darin liegt, Krankheitszustände zu erkennen, zu heilen, zu bessern, zu lindern oder zu verhüten. § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmt, dass Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln haben. Apothekenpflicht besteht nach § 43 Abs. 1 AMG ausschließlich für diejenigen Mittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG sind. Wie § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG ausdrücklich klarstellt, sind Lebensmittel im Sinne des § 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) keine Arzneimittel. Lebensmittel sind nach § 1 Abs. 1 LMBG Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden. Trotz der zweifellos krankheitslindernden Eigenschaften von Pregomin AS ist der Einsatz des Mittels dadurch gekennzeichnet, dass es an die Stelle von für den Kläger unzuträglichen Nahrungsmitteln tritt. Ursächlich für die heilende Wirkung ist demnach nicht in erster Linie die Einnahme des Mittels, sondern die Vermeidung des in normaler Nahrung enthaltenen Milcheiweißes. Folglich dient Pregomin AS überwiegend dem Zweck der Ernährung und ist daher grundsätzlich kein vom Versorgungsanspruch nach dem SGB V umfasstes Arzneimittel (BSG vom 28. Januar 1999, a.a.O.).
Ein Leistungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Hiernach hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen ... Eiweißhydrolysate ausnahmsweise in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen werden. Zwar hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in seiner Sitzung am 26. Februar 2002 beschlossen, dass Eiweißhydrolysate unter bestimmten Voraussetzungen für Säuglinge, nämlich bei Kuhmilcheiweißallergie mit schwerwiegender klinischer Symptomatik verordnungsfähig sind. Das damals zuständige Bundesministerium für Gesundheit hat diese Richtlinien indessen, was unstreitig ist, nach § 94 Abs. 1 Satz 2 SGB V mit der Wirkung beanstandet, dass diese nicht in Kraft getreten sind. Darüber hinaus wären die Richtlinien auf den Kläger nicht anwendbar gewesen, da er zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits das zweite Lebensjahr vollendet hatte und damit kein Säugling mehr war.
Ein Anspruch folgt auch nicht aus § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX, wie sich schon aus Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift ergibt (vgl. zum Regelungszweck Götze in Hauch/Noftz, SGB IX, Kommentar, Stand 12/04, § 4 Rz. 1). Der Senat verweist insoweit auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe und sieht von einer erneuten Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die vom Kläger geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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