S 20 SO 7/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 7/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 1/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2005 sowie der Bescheide vom 03.11.2004, 25.11.2004 und 14.02.2005 verurteilt, dem Kläger die für die Zeit vom 01.04.2004 bis 31.03.2005 unter dem Vorbehalt der Rückforderung bzw. darlehensweise gezahlte Hilfe zum Lebensunterhalt als Zuschuss ohne Anrechnung des aus dem Blindengeld angesparten Vermögens zu belassen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger die für die Zeit vom 01.04.2004 bis 31.03.2005 darlehensweise gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt als Zuschuss ohne Anrechnung von durch Blindengeld angespartem Vermögen zu belassen ist.

Der 1973 geborene Kläger leidet an Multipler Sklerose und damit einhergehend an einer ausgeprägten Sehstörung; er ist mittlerweile erblindet. Er ist als Schwerbehinderter anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 100 (Merkzeichen: B,G,H,RF). Er erhält seit 01.06.2002 monatlich Blindengeld nach dem nordrhein-westfälischen "Gesetz über Hilfen für Blinde und Gehörlose" (GHBG). Dieses betrug zunächst 567,00 Euro, steigerte sich ab 01.07.2002 auf 579,00 Euro und beträgt seit 01.07.2003 monatlich 585,00 Euro. Dies ergibt für die Zeit vom 01.06.2002 bis 31.03.2004 einen Gesamtbetrag von 12.780,00 Euro. Von dem Blindengeld, das laufend auf sein Girokonto überwiesen wurde, zahlte der Kläger von Januar 2003 bis Juli 2004 monatlich 200,00 Euro in einen Fonds (Franklin Templeton Investment Funds) und erwarb dadurch Anteile an diesem Fonds; weitere Beträge zahlte er auf ein Sparbuch bei der C Kreditbank ein.

Bis 31.03.2004 bezog der Kläger Sozialhilfe von der Stadt C ohne Anrechnung des – dort bekannten – durch Blindengeld angesparten Vermögens. Als er nach E zog, um in einer Blindenschule die Blindenschrift zu erlernen, beantragte er am 09.03.2004 bei dem Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt. Zu diesem Zeitpunkt betrug das Guthaben auf dem Sparbuch 5.433,38 Euro, aus den Fonds-Anteilen 3.478,65 Euro, insgesamt 8.912,03 Euro.

Nachdem der Beklagte für den Zeitraum von April bis Juni 2004 Leistungen unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zum Abschluss der Prüfung über den Einsatz des Vermögens gezahlt hatte (vgl. Bescheide vom 16.04. und 04.05.2004), lehnte er durch Bescheid vom 27.07.2004 die beantragte Hilfe zum Lebensunterhalt ab mit der Begründung, der Kläger verfüge über Vermögen in Höhe von 7.633,03 Euro (8.912,03 Euro abzüglich Freibetrag von 1.279,00 Euro), das er zur Deckung seines Bedarfs zum täglichen Leben vorrangig einzusetzen habe; das aus der "Blindenrente" angesparte Vermögen sei nicht als geschütztes Vermögen anzuerkennen. Zugleich forderte der Beklagte in diesem Bescheid die Rückzahlung der für die Monate April bis Juli 2004 gezahlten Leistungen in Höhe von 2.802,16 Euro. Dagegen erhob der Kläger am 13.08.2004 Widerspruch.

Am 20.08.2004 beantragte er beim Verwaltungsgericht (VG) Aachen – 1 M 000/00 – den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Gewährung vorläufiger laufender Hilfe zum Lebensunterhalt. Durch Beschluss vom 05.10.2004 schlug das VG Aachen den Beteiligten den Abschluss folgenden Vergleichs vor:

1.Der Antragsgegner gewährt dem Antragsteller für die Zeit ab 20.08.2004 zunächst bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides über den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27. Juli 2004 so lange regelsatzmäßige Hilfe zum Lebensunterhalt als Darlehen gemäß § 89 BSHG wie das vom Antragsgegner zugrunde gelegte verwertbare Vermögen des Antragstellers in Höhe von 7.633,03 Euro noch nicht verbraucht ist. Sollte der Widerspruch ohne Erfolg bleiben und der Kläger hiergegen klagen, verlängert sich die Praxis der darlehensweisen Hilfegewährung bis zum Verbrauch des Vermögens bzw. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren.

2.Der Antragsgegner verzichtet bis zur Entscheidung über den Widerspruch bzw. bei Klageerhebung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Klage auf die Rückforderung bisher gezahlter Sozialhilfeleistungen.

3.Zur Sicherung des Rückforderungsanspruchs tritt der Antragsteller seine Ansprüche aus dem Spargutachten und dem Fondsguthaben bis zu einer Höhe von 7.633,03 Euro an den Antragsgegner ab. Der Antragsgegner erklärt, dass er unter sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten eine Freigabe von Forderungen aus diesem Vermögen prüfen wird, wenn der Antragsteller darlegt und belegt, dass er Teile seines Sparvermögens für Anschaffungen benötigt, die unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des ihm gewährten Landesblindengeldes dem Ausgleich seiner Sehbehinderung bzw. Erblindung zu dienen bestimmt und geeignet sind (z.B. Anschaffung eines Blindenhundes, blindengerechte Zusatz- geräte für Computer u. dgl.).

4.Der Antragsgegner wird die darlehensweise Gewährung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt in einen Zuschuss umwandeln, wenn sich im Laufe des Widerspruchsverfahrens bzw. nach rechtskräftiger Entscheidung in einem Klageverfahren ergeben sollte, dass die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht von der Inanspruchnahme des vorgenannten Vermögens abhängig gemacht werden durfte. Für diesen Fall wird er die Rückforderung der in der Zeit vom 1. April bis zum 31. Juli 2004 geleisteten Hilfe verzichten und die Hilfe für die Zeit vom 1. bis zum 19. August 2004 nachzahlen.

Nachdem die Beteiligten den Vergleich übereinstimmend angenommen hatten, bewilligte der Beklagte durch Ausführungsbescheide vom 03. und 25.11.2004 darlehensweise Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 20.08. bis 31.12.2004 auf der Grundlage des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG).

Durch Widerspruchsbescheid vom 11.01.2005 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Sozialhilfeablehnungsbescheid vom 27.07.2004 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 00.00.0000 Klage erhoben.

Durch Bescheid vom 14.02.2005 hat der Beklagte "ab dem 01.11.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt in Form eines Darlehens gem. § 91 des Sozialgesetzbuches, 12. Buch (SGB XII)" bewilligt. Dagegen hat der Kläger unter dem 08.03.2005 Widerspruch erhoben.

Der Beklagte hat mitgeteilt, der Kläger habe Sozialhilfe als Darlehen

- nach dem BSHG von April bis Dezember 2004 in Höhe von 6.418,67 Euro

- nach dem SGB XII von Januar bis März 2005 in Höhe von 1.500,72 Euro

erhalten, insgesamt 7.919,39 Euro.

Hierauf hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aus einer Rentennachzahlung 2.473,97 Euro erstattet.

Der Bürgermeister der Stadt C hat auf Anfrage des Gerichts mit Schreiben vom 08.04.2005 mitgeteilt, er habe bei der seinerzeitigen Gewährung der Sozialhilfe an den Kläger in analoger Anwendung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 04.09.1997 – 5 C 8/97 – auf einen Einsatz des aus Blindengeld angesparten Vermögens verzichtet, da der Einsatz dieses Vermögens nach seiner Auffassung eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG dargestellt hätte.

Der Kläger trägt vor, das Blindengeld angespart zu haben, um davon Mehraufwendungen bestreiten zu können, die durch seine Blindheit bedingt seien. Zunächst habe er für ein computergestütztes Vorlesesystem gespart; dieses sei aber zwischenzeitlich von der Krankenkasse gewährt worden. Es kämen aber auch andere Dinge in Betracht, die er sich mittels des (angesparten) Blindengeldes anschaffen könne, z.B. eine sprechende Personenwaage, eine sprechende Küchenwaage, ein sprechendes Fieberthermometer, eine sprechende Uhr, einen Daisy-Player (für Hörbücher), einen Anrufbeantworter mit großen Tasten, ein Festtelefon mit Freisprechanlage und großen Tasten oder ein Handy mit Sprachausgabe, desweiteren eine Spezialausbildung für einen von der Krankenkasse gewährten Blindenführhund; nicht alle durch Blindheit bedingten Mehraufwendungen würden durch andere Leistungsträger gedeckt. Der Kläger ist der Auffassung, wenn das Blindengeld nicht als Einkommen im Rahmen der Sozialhilfebedürftigkeitsprüfung angerechnet werden dürfe, müsse dies auch für Vermögen gelten, das aus dem Blindengeld angespart worden sei; dieses Vermögen einsetzen zu müssen, bedeute für ihn eine unzumutbare Härte und diskriminiere ihn gegenüber nicht behinderten Sozialhilfeempfängern.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27.07. 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.01. 2005 sowie der Bescheide vom 03.11.2004, 25.11.2004 und 14.02.2005 zu verurteilen, ihm die für die Zeit vom 01.04.2004 bis 31.03.2005 unter dem Vorbehalt der Rückforderung bzw. darlehensweise gezahlte Hilfe zum Lebensunterhalt als Zu- schuss ohne Anrechnung des aus dem Blindengeld angesparten Vermögens zu belassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, dass die von der Stadt C erwähnte Entscheidung des BVerwG zur Anrechenbarkeit von durch Erziehungsgeld angespartem Vermögen ergangen und nicht auf durch Blindengeld angespartes Vermögen übertragbar sei. Soweit solches Vermögen vorrangig zur Bestreitung des Lebensunterhaltes eingesetzt werde, stehe es zwar nicht mehr in dem Umfang zu den Zwecken zur Verfügung, denen es das GHBG grundsätzlich gewidmet habe; dies treffe den Kläger aber nicht hart. Der Beklagte behauptet, das Blindengeld werde monatlich bewilligt; er meint, es müsse deshalb von dem Leistungsberechtigten zur Bestreitung der durch die Blindheit bedingten laufenden Mehraufwendungen stets auch laufend monatlich verbraucht werden, um die Zwecke, die mit der Zahlung des Blindengeldes verfolgt würden, zu erfüllen. Im Gegensatz zum Erziehungsgeld stelle sich Blindengeld nicht als familienpolitische verhaltenssteuernde Sozialleistung dar, sondern solle grundsätzlich und ausschließlich dem Ausgleich von tatsächlichen laufenden Mehraufwendungen dienen. Soweit hieraus aber Vermögen angespart werde, sei die gesetzliche Zweckbestimmung nicht (mehr) erfüllt, so dass der vorrangige Einsatz dieses Vermögens zur Beschaffung des Lebensunterhaltes keine Härte darstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und des sonstigen Inhalts der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten (2 Bände) und der Akte des VG Aachen ( 1 M 000/00), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand ist nicht nur der Ablehnungs- und Rückforderungsbescheid vom 27.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2005, sondern auch gem. § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die in Ausführung des verwaltungsgerichtlichen Vergleichs ergangenen Darlehensbescheide vom 03.11. und 25.11.2004 sowie gem. § 96 SGG der Darlehensbescheid vom 14.02.2005. Denn durch diese Bescheide hat der Beklagte während des Vorverfahrens bzw. nach Klageerhebung den Bescheid vom 27.07.2004, durch den Hilfe zum Lebensunterhalt abgelehnt worden war, dahingehend abgeändert, dass nunmehr Hilfe zum Lebensunterhalt darlehensweise bewilligt wurde. Wegen dieser Bescheide ist also kein gesondertes Vorverfahren erforderlich. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert. Er hat Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt als Zuschuss für den gesamten streitbefangenen Zeitraum vom 01.04.2004 bis 31.03.2005, da die Sozialhilfe nicht vom Einsatz des durch Blindengeld angesparten Vermögens abhängig gemacht werden darf. Soweit der Beklagte durch den Bescheid vom 14.02.2005 Sozialhilfe darlehensweise ab 01.11.2004 nach dem SGB XII bewilligt hat, handelt es sich offenbar um ein Versehen und hat er den Zeitraum ab 01.01.2005 gemeint. Denn zum Einen war durch die Bescheide vom 03.11. und 25.11.2004 bereits Sozialhilfe für November und Dezember bewilligt worden; zum Anderen gilt das SGB XII erst ab dem 01.01.2005.

Nach dem bis 31.12.2004 geltenden § 11 Abs. 1 BSHG und dem ab 01.01.2005 geltenden § 19 Abs. 1 SGB XII ist Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, wenn jemand seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. Einzusetzendes Einkommen des Klägers war – unstreitig – im streitigen Zeitraum nicht vorhanden. Das monatlich gezahlte Blindengeld bleibt als Einkommen unberücksichtigt, da es einem anderen Zweck dient als die Sozialhilfe; es soll die durch Blindheit bedingten Mehraufwendungen ausgleichen (vgl. §§ 77 Abs. 1 Satz 1 BSHG, 83 Abs. 1 SGB XII i.V ...m. § 1 Abs. 1 Satz 1 GHBG). Streitig ist zwischen den Beteiligten lediglich, ob der Kläger Geldvermögen einzusetzen hat. Diese Frage ist zu verneinen.

Nach § 88 Abs. 1 BSHG und § 90 Abs. 1 SGB XII ist grundsätzlich das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Zum Geldvermögen des Klägers gehören auch seine aus dem Blindengeld erworbenen Fondsanteile und angesparten Bankguthaben (Sparbuch). Vom Einsatz dieses Vermögens darf die Sozialhilfe jedoch nicht abhängig gemacht werden, weil dies für den Kläger eine Härte bedeutet (§ 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG, § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII). Andernfalls stünde ihm das (angesparte) Blindengeld nicht mehr für die Zwecke zur Verfügung, für die es nach dem GHBG bestimmt ist.

Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 GHGB dient das Blindengeld dem Ausgleich der durch Blindheit bedingten Mehraufwendungen, soweit diese nicht durch vorrangige Sozialleistungsträger gedeckt werden (vgl. NRW-Landtagsdrucksache 12/2340, S.34). Es wird einkommensunabhängig gewährt. Entgegen der Auffassung des Beklagten und anders als die Hilfe zum Lebensunterhalt wird das Blindengeld nicht monatlich bewilligt, sondern lediglich – wie eine Rente – monatlich gezahlt. Weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass die Zweckbestimmung des Blindengeldes auf einen monatlichen Verbrauch gerichtet ist. Die Mehraufwendungen, die durch Blindheit bedingt werden, können – dies zeigen die vom Kläger aufgeführten Beispiele – erheblich sein und den monatlichen Betrag des Blindengeldes bei Weitem übersteigen. Deshalb kann es durchaus sinnvoll und dem Zweck des GHBG dienlich sein, das Blindengeld anzusparen, um sich auch größere Anschaffungen zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen leisten zu können. Dieser Zweck könnte nicht mehr erreicht werden, wenn der Blinde dieses Vermögen zum Lebensunterhalt einsetzen müsste. Auch wenn das Erziehungsgeld einem anderen Zweck dient als das Blindengeld, sind die vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 04.09.1997 – 5 C 8/97 (BVerwGE 105,199 = FEVS 48,4 = NJW 1998, 397 = ZFSH/SGB 1997, 734 = NDV-RD 1997, 130 = DVBl. 1997, 1444 = DÖV 1998, 36 = ZfS 1998, 116) aufgestellten Grundsätze zur Verwertbarkeit von angespartem Vermögen auf den vorliegenden Fall übertragbar. Das BVerwG hat im Wesentlichen auf die Zweckbestimmung der angesparten Leistung abgestellt. Solange die spezifische Zweckbestimmung der Leistung besteht und erfüllt werden kann, kommt es nicht darauf an, ob der gesetzliche Zweck der Leistung durch die laufende Leistung oder durch Vermögen, das aus der Leistung angespart worden ist, erfüllt wird (ebenso: VGH München, Urteil vom 09.10.1996 – 12 B 94.3806 = VGHE BY 49,189 = NVwZ-RR 1997, 296 = FEVS 47,304). Auf das Blindengeld übertragen bedeutet dies: Solange die Blindheit besteht und Mehraufwendungen verursacht, darf der Blinde das Blindengeld Monat für Monat einsetzen oder auch ansparen, um (größere) Mehraufwendungen auszugleichen, ohne dies zur Bestreitung des Lebensunterhalts einsetzen zu müssen. Würden die Träger der Sozialhilfe dies von bedürftigen Blinden verlangen, liefe dies auf eine Benachteiligung blinder Sozialhilfeantragsteller gegenüber Blinden, die nicht sozialhilfebedürftig sind, hinaus; denn während die Erstgenannten das durch Blindengeld angesparte Vermögen zum Lebensunterhalt einsetzen müssten, dürften die Zuletztgenannten das Geld – entsprechende Zweckbestimmung des GHBG – zum Ausgleich der durch Blindheit bedingten Mehraufwendungen ausgeben. Darüber hinaus würden blinde Sozialhilfeantragsteller, die das durch Blindengeld angesparte Vermögen einsetzten müssten, gegenüber sehenden sozialhilfebedürftigen Menschen benachteiligt, da diese Sozialhilfe zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts erhielten, während jenen diese Leistungen versagt blieben, weil sie ihr durch Blindengeld angespartes Vermögen – der Zweckbestimmung des Gesetzes zuwider – zur Bestreitung des Lebensunterhalt einsetzen müssten. Die Anrechnung des angesparten Blindengeldes ist daher eine Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG bzw. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII.

Die Kammer brauchte nicht mehr über die dem Kläger als Zuschuss zustehende Sozialhilfe für die Zeit vom 01. bis 19.08.2004 und die Rückforderung der für die Zeit vom 01.04. bis 31.07.2004 geleisteten Sozialhilfe zu entscheiden, da sich die Beteiligten hierüber durch die Ziffer 4 des verwaltungsgerichtlichen Vergleichs vom 05.10.2004 – abhängig vom rechtskräftigen Ausgang dieses Hauptsacheverfahrens – abschließend geeinigt haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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