L 6 SF 584/04

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 584/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Überträgt ein ernannter Sachverständiger die Erstellung eines Gutachtens auf seinen Oberarzt, ist dieses im Gerichtsverfahren nicht verwertbar (vgl. BSG vom 29. November 1985 - Az.: 4a RJ 97/84; BVerwG vom 9. März 1984 - Az.: 8 C 97/83, Thüringer Landessozialgericht vom 9. September 2004 - Az.: L 6 SF 429/04).

2. Damit verletzt der ernannte Sachverständige die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße und verliert seinen Entschädigungsanspruch einschließlich der Erstattung der besonderen Leistungen, Schreibgebühren und MWSt.
Die Entschädigung des Antraggegners für das Gutachten vom 2. Februar 2004 wird auf 0,00 EUR festgesetzt.

Er hat 429,88 EUR an die Staatskasse zu erstatten.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Mit Beweisanordnung vom 22. Januar 2002 beauftragte der Berichterstatter des erkennenden Senats in dem Berufungsverfahren P. F .../. Landesversicherungsanstalt Thüringen (Az.: L 6 RJ 641/01) den Antragsteller sowie die Dres. L. und S. mit der Erstellung von Sachverständigengutachten. Mit Verfügung vom 30. Oktober 2003 beauftragte er Dr. H. anstelle von Dr. L. mit der Gutachtenserstellung.

Am 10. März 2004 gingen beim Thüringer Landessozialgericht ein Schreiben des Antragstellers vom 3. Februar 2004 ein, nach dem er "die Erstellung" des Gutachtens "und die damit verbundene Rechnungslegung" auf Dr. R. B. übertragen habe sowie das von diesem erstellte und unterzeichnete neurologische und neuropsychologische Gutachten vom 2. Februar 2004 (persönlichen Untersuchung des Klägers am 26. Januar 2004) sowie die Kostenrechnung vom 3. Februar 2004 (868,87 EUR). Mit Verfügung vom 16. März 2004 teilte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle Dr. B. mit, eine Entschädigung könne nicht erfolgen, weil er nicht mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt worden sei.

Mit Verfügung vom 15. März 2004 teilte der Berichterstatter dem Antragsteller mit, auf Grund der gesetzlichen Vorschriften könnten nur Gutachten des zum Sachverständigen Ernannten akzeptiert werden. Er entbinde den Antragsteller von der Pflicht zur Gutachtenserstattung.

Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 21. April 2004 (Eingang 28. April 2004) gewandt (Az.: L 6 SF 429/04). Zusätzlich hat er um Kostenerstattung für die Aktendurchsicht, Festlegung des weiteren Procedere in seiner Abteilung und die Nachbesprechung sowie die Zusatzdiagnostik und Schreibgebühren gebeten. Insgesamt begehrte er (einschließlich MWSt) 429,88 EUR. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 8 der Antragsakte verwiesen.

Mit Verfügung vom 30. April 2004 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dem Antragsteller diesen Betrag angewiesen.

Am 21. Juli 2001 hat sich der Antragsteller gegen diese Erstattung gewandt und ausgeführt, ein Entschädigungsanspruch nach § 3 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) bestehe nicht, weil der Antragsgegner keine persönliche Leistung erstellt habe. Insofern sei der Betrag zurück zu fordern.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Entschädigung des Antraggegners für das Gutachten des Dr. B. vom 2. Februar 2004 auf 0,00 EUR festzusetzen.

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat dem Antrag nicht abgeholfen und den Rechtsstreit dem erkennenden Senat vorgelegt.

Entscheidungsgründe:
Der nach § 16 Abs. 1 Satz 1 ZuSEG zulässige Antrag ist begründet.

Nach § 3 ZuSEG werden Sachverständige für ihre Leistungen entschädigt (Absatz 1). Diese beträgt nach für jede Stunde der erforderlichen Zeit 25 bis 52 EUR (Absatz 2).

Ein Sachverständiger verliert immer dann seinen Entschädigungsanspruch, wenn das Gutachten objektiv unverwertbar ist und er dies verschuldet hat (vgl. OLG Düsseldorf vom 31. Mai 2001 – Az.: 10 WF 10/01 in: JurBüro 2001, 537; OLG München vom 2. Dezember 1992 – Az.: 11 WF 1015/94 in: FamRZ 1995, 1598).

Hier war das Gutachten des Dr. B. vom 2. Februar 2004 im Verfahren Az.: L 6 RJ 641/01 nicht verwertbar. Die Vertretung des (ernannten) Antraggegners bei der Erstellung des Gutachtens durch seinen Oberarzt Dr. B. war unzulässig. Nach § 407a Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung – ZPO - ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Geschieht dies trotzdem, ist das Gutachten des nicht beauftragten Arztes im Verfahren nicht verwertbar (vgl. u.a. Bundessozialgericht (BSG) vom 29. November 1985 – Az.: 4a RJ 97/84 m.w.N., nach juris; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) vom 9. März 1984 – Az.: 8 C 97/83 in: NJW 1984, 2645, 2647; Senatsbeschluss vom 9. September 2004 – Az.: L 6 SF 429/04; Jessnitzer/Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 11. Auflage 2001, Rdnr. 231, 532). Der Antragsgegner hat auch durch grobe Fahrlässigkeit die Unverwertbarkeit verursacht. Durch die Nichtbeachtung der Beweisanordnung, in der er persönlich mit der Gutachtenserstellung beauftragt worden war, hat er die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Schon einfachste Überlegungen hätten bei ihm (angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO) zu dem Ergebnis führen müssen, dass die Übertragung der Verpflichtung auf seinen Oberarzt nicht zulässig war. Zumindest die Kenntnis dieser Vorschrift muss von dem Antragsgegner als Chefarzt einer Rehabilitationsklinik erwartet werden, umso mehr, als er nach eigenem Bekunden langjährig als Sachverständiger für verschiedene deutsche Gerichte tätig ist. Es handelt sich bei dem Fehler auch nicht um eine reine "Formalie", wie er annimmt, denn das fehlerhafte Verhalten führte immerhin – wie oben ausgeführt – zur Unverwertbarkeit des Gutachtens.

Insofern kommt weder die Sachverständigenentschädigung nach § 3 Abs. 1 und 2 ZuSEG noch eine Erstattung besonderer Leistungen (§ 8 ZuSEG), der Schreibgebühren oder der MWSt in Betracht.

Eine Erstattung der Kosten für den Antrag auf richterliche Feststellung ("Gebühr für Stellungnahme") scheidet überdies angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelungen in § 16 Abs. 5 Satz 2 ZuSEG aus.

Nachdem die Entschädigung somit zu Unrecht durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gewährt wurde, hat der Antragsgegner diese zurückzuzahlen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -, § 16 Abs. 2 Satz 4 ZuSEG).
Rechtskraft
Aus
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