Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 KR 315/99
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 30/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 7/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 5 Abs. 2 des Rahmenvertrages zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband untersagt dem Apotheker eine Stückelung in Form der Abgabe unterschiedlicher Packungsgrößen, sofern nicht der Arzt durch einen besonderen Vermerk auf die Abweichung der Verordnungsmenge vom Inhalt der Packung hinweist.
Der Verstoß gegen § 5 Abs. 2 des Rahmenvertrages erlaubt der Krankenkasse jedoch nur dann eine Retaxierung des Preises, wenn ihr durch die Abgabeform ein wirtschaftlicher Nachteil entstanden ist. Unterlässt der Apotheker lediglich die erforderliche Gegenzeichnung durch den Arzt, kann die Krankenkasse die Sanktion nur aus den Vertragsmaßnahmen des § 7 Abs. 1 des Rahmenvertrages auswählen.
Der Verstoß gegen § 5 Abs. 2 des Rahmenvertrages erlaubt der Krankenkasse jedoch nur dann eine Retaxierung des Preises, wenn ihr durch die Abgabeform ein wirtschaftlicher Nachteil entstanden ist. Unterlässt der Apotheker lediglich die erforderliche Gegenzeichnung durch den Arzt, kann die Krankenkasse die Sanktion nur aus den Vertragsmaßnahmen des § 7 Abs. 1 des Rahmenvertrages auswählen.
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Mai 2001 wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.879,02 EUR nebst 4% Zinsen zu zahlen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von verausgabten Arzneimitteln in Höhe von 17.450,96 DM (8.922,53 EUR).
Der Kläger ist Apotheker und leitet die Kreuzgang-Apotheke in Burg bei Magdeburg. Dem Rechtsstreit liegen vier gleichgelagerte Sachverhalte aus der Zeit von Juli 1997 bis Februar 1998 zu Grunde. Im ersten Fall gab der Kläger am 4. Juli 1997 an den Patienten M. E. , der bei der Beklagten krankenversichert ist, das Hormonpräparat Norditropin ab. Grundlage war eine Verordnung der Pädiatrischen Universitätsklinik Magdeburg vom 25. Juni 1997. Das Rezept lautete auf "Norditropin 24 IE Amp. Nr. 15". Das Arzneimittel Norditropin wird im Handel lediglich mit Einheiten zu 20, 10 oder 1 Ampulle angeboten. Der Kläger gab das Medikament in 15 Einzelpackungen N 1 mit jeweils einer Ampulle Norditropin aus. Dafür stellte er der Beklagten 16.332,30 DM (15 x 1.088,82 DM) in Rechnung. Mit Schreiben vom 24. November 1998 teilte die Beklagte mit, dass sie eine Taxberichtigung vornehme und von dem Rechnungsbetrag 5.252,73 DM absetze. In den Erläuterungen zu den Korrekturgründen hieß es: "Abgabe wirtschaftlicher Einzelmengen, Stückelung falsch, RV § 5 Abs. 1 und 2". Dagegen legte der Kläger am 28. Januar 1999 Einspruch ein und forderte die Beklagte zur Kostenerstattung auf. Mit Schreiben vom 26. Februar 1999 wies die Beklagte den Einspruch des Klägers zurück. In einem weiteren Fall gab der Kläger an den Patienten M. E. am 13. März 1998 eine Packung N2 mit 10 Ampullen und drei Einzelpackungen N1 mit jeweils einer Ampulle ab. Die Verordnung der Pädiatrischen Universitätsklinik Magdeburg vom 6. März 1998 lautete auf "Norditropin 24 IE Amp. Nr. 13". Der Kläger stellte der Beklagten insgesamt 14.069,57 DM in Rechnung (1 x 10.803,11 DM und 3 x 1.088,82 DM). Mit inhaltlich gleicher Begründung wie zuvor erhielt der Kläger eine Taxbeanstandung der Beklagten vom 27. April 1999 über 3.103,13 DM. Dagegen legte er am 19. Juli 1999 Einspruch ein. Mit Schreiben vom 28. April 1999 teilte Dr. M. , Oberarzt an der Universitätsklinik Magdeburg, mit, dass der Patient M. E. wegen eines Wachstumshormonmangels behandelt werde und sich in dreimonatigen Abständen vorstelle. Dabei werde bei der jeweiligen Konsultation exakt der 90-Tage-Bedarf errechnet und das Rezept entsprechend ausgestellt. Die Abpackungsgrößen von 10 bzw. 20 Ampullen seien mit einer wirtschaftlichen Verordnungsweise nicht vereinbar, da relativ schnell die Übersicht für den Patienten über Verfallsdaten verloren gehen könne. Es handele sich bei dem Rezept vom 6. März 1998 um eine ärztlich gewünschte Verpackungsgröße. Im dritten Fall händigte der Kläger aufgrund einer Verordnung vom 4. September 1998 über "Norditropin 24 IE Amp. Nr. 15", dem Patienten M. E. am 11. September 1998 eine N2-Packung mit 10 Ampullen und fünf N1-Einzelpackungen aus. Der Kläger stellte der Beklagten dafür 14.834,68 DM (1 x 9.343,23 DM und 5 x 1.098,29 DM) in Rechnung. Mit Schreiben vom 7. Juli 1999 beanstandete die Beklagte auch diese Abrechnung im Hinblick auf 5.216,87 DM und verrechnete diesen Betrag später mit weiteren Forderungen des Klägers. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben am 9. August 1999 erfolglos Einspruch ein. Im vierten Fall verordnete die Pädiatrische Universitätsklinik Magdeburg am 4. Februar 1998 dem Patienten B. M. "Humatrope 18 IE 15 Amp.". Der Kläger gab dem Patienten am 24. Februar 1998 eine Packung N2 mit zehn Ampullen und fünf Einzel-Packungen N1 mit einer Ampulle ab, wofür er der Beklagten 12.220,03 DM (1 x 8.137,68 DM und 4.082,35 DM) in Rechnung stellte. Mit Schreiben vom 14. April 1999 beanstandete die Beklagte diese Abrechnung im Hinblick auf 3.878,23 DM und strich die Kosten für die abgegebene Packung mit fünf Ampullen abzüglich 5% Rabatt komplett. Den retaxierten Betrag verrechnete die Beklagte anschließend mit weiteren Forderungen des Klägers. Dagegen legte der Kläger ebenfalls erfolglos Einspruch ein. Mit Schreiben vom 26. April 1999 teilte Dr. M. mit gleichlautender Begründung wie im Schreiben vom 28. April 1999 mit, dass es sich bei den 15 Ampullen um eine ärztlich gewünschte Verpackungsgröße handele.
Der Kläger hat sich gegen die Retaxierung mit der am 27. Dezember 1999 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage gewandt. Er hat vorgetragen, dass die Beklagte zu Unrecht die vier Taxbeanstandungen vorgenommen und ihm Geldbeträge in Höhe von insgesamt 17.450,96 DM vorenthalten habe. Es liege kein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 des Rahmenvertrages (RV) vor. Sinn und Zweck dieser Vorschrift bestünden darin zu verhindern, dass zu große Mengen an Arzneimitteln abgegeben werden, die entweder den konkreten Bedarf überstiegen oder die Gefahr des Verfalls mit sich brächten. Dagegen habe er nicht verstoßen, da er bei der Abgabe des verordneten Norditropin dem ärztlichen Verordnungswunsch Folge geleistet habe. Wie dem Schreiben der Pädiatrischen Universitätsklinik vom April 1999 zu entnehmen sei, seien aus gutem Grund ganz bestimmte Mengen verordnet worden. Jedoch selbst wenn er gegen eine Regelung des RV verstoßen haben sollte, dürfe die Beklagte dies nicht zum Anlass für eine Retaxation nehmen. Der RV sehe in § 7 Abs. 1 sogenannte Vertragsmaßnahmen in Form der Verwarnung, der Vertragsstrafe und in ernsten Fällen des Ausschlusses des Apothekers von der Versorgung vor. Andere Sanktionen kenne weder der RV noch der für Sachsen-Anhalt geltende Arzneiliefervertrag (AVL) noch das Gesetz. An diesen abschließenden Katalog hätte sich die Beklagte halten müssen. Darüber hinaus fehle es für die Taxbeanstandungen der Beklagten an einer Anspruchsgrundlage. Es liege keine falsche Berechnung für Arzneimittel durch den Apotheker vor. Ferner hätte die Beklagte ihn vor der Taxbeanstandung anhören müssen. Selbst wenn man einen Anspruch bejahe, stünde der Beklagten keine Schadensersatzforderung zu. Auch wenn er sich vor Ausgabe der Medikamente mit dem jeweils verordnenden Arzt in Verbindung gesetzt und nachgefragt hätte, ob die auf dem Rezept genannte Menge exakt eingehalten werden solle, hätten die verordnenden Ärzte diese Frage in sämtlichen Fällen unter Berücksichtigung der Schreiben von Dr. M. bejaht. Damit wäre auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten der von der Beklagten behauptete "Schaden" in gleicher Höhe eingetreten. Wenn er sich in dem von der Beklagten geforderten Sinne verhalten und tatsächlich nur eine kleinere Menge abgegeben hätte, wäre den betroffenen Patienten der Rest später nochmals verordnet oder die Verordnung durch nochmalige Gegenzeichnung auch wegen der Restmenge bestätigt worden. Die Beklagte könne jedoch nur den Ersatz des Schadens verlangen, der ihr konkret entstanden sei. An diesem mangele es jedoch. Die Beklagte hätte entweder aufgrund einer exakten Mengenanweisung des verordnenden Arztes genau denselben Preis zahlen müssen oder einen höchst geringfügigen Teil der Kosten sparen können. Darüber hinaus habe er einen Anspruch auf Kostenerstattung nach Bereicherungsrecht und nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Er sei ferner nicht verpflichtet, bei der Universitätsklinik darauf hinzuwirken, dass die Pädiatrische Klinik ihr Verschreibungsverhalten ändere. Es sei weiterhin ausgeschlossen, die Belieferung der umstrittenen Rezepte ganz oder teilweise abzulehnen, da der Apotheker nach der Apothekenbetriebsordnung keinen nennenswerten Spielraum zur Beeinflussung der ärztlichen Verschreibungspraxis habe. Die Therapiehoheit bleibe beim Arzt und die in ihrem Rahmen getroffenen Verordnungsentscheidungen müsse der Apotheker letztendlich – von den wenigen gesetzlich festgelegten Ausnahmen einmal abgesehen – durchweg ausführen. Dabei ziehe auch der ALV einen engen Rahmen um die Handlungsmöglichkeiten des Apothekers, wenn es um Korrekturen eines Rezeptes gehe. Auf welchem Wege Änderungen erreicht werden können, werde durch § 3 Teil II Ziffer 1 ALV geregelt. Danach sei der Apotheker lediglich in begründeten Ausnahmefällen berechtigt, Änderungen hinsichtlich der Menge vorzunehmen, und dies sei nur nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt möglich, wobei eine einfache (etwa telefonische) Abstimmung nicht ausreiche. Der Arzt müsse die Änderung vielmehr gegenzeichnen.
Die Beklagte hat vorgetragen, aus § 5 Abs. 2 RV sei zu entnehmen, dass immer nur eine Packungsgröße, nämlich die nächst kleinere Packung oder ein Vielfaches dieser Packung, abgegeben werden dürfe. Nur dadurch könne die Wirtschaftlichkeit der Abgabe von Einzelmengen sichergestellt werden. Die Abgabe wirtschaftlicher Einzelmengen sei unabhängig von der Frage zu bewerten, ob dem Apotheker ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Belieferung des Patienten aufgrund einer wirksamen Verordnung zustehe oder nicht. Der Kläger hätte die Möglichkeit gehabt, vor Abgabe des Arzneimittels den Arzt zu der Abgabe der zusätzlichen Menge zu befragen und gegebenenfalls auf der Verordnung einen entsprechenden Vermerk gegenzeichnen zu lassen. Aus der Mengenangabe der Verordnung allein, d.h. ohne einen entsprechenden Zusatz (exakt, genau) sei der Kläger nicht berechtigt gewesen, aufgrund der eindeutigen Vorschrift des § 5 Abs. 2 RV eine nichtwirtschaftliche Packungsmenge abzugeben.
Das Sozialgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 10. Mai 2001 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass die von der Beklagten in Höhe von 17.450,96 DM vorgenommene Kürzung im Einklang mit § 5 Abs. 2 RV und § 10 ALV stehe. Aufgrund der zivilrechtlichen Natur des RV und des AVL sei eine Anhörung nicht erforderlich gewesen. Darüber hinaus sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, anstelle der Retaxierung eine der in § 7 RV genannten Maßnahmen ergreifen zu müssen. Diese Regelung belasse der betroffenen Krankenkasse selbst die Entscheidung, ob sie überhaupt eine oder gegebenenfalls mehrere der dort genannten Maßnahmen ergreife. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Krankenkasse bei einem Vertragsverstoß vorrangig das Mittel der Verwarnung zu ergreifen habe. Der Kläger habe in den relevanten vier Fällen mit der Abgabe der exakten Menge laut Rezept gegen § 5 Abs. 2 RV verstoßen. Er sei lediglich berechtigt gewesen, die nächst kleinere Packungsgröße an die Mitglieder der Beklagten auszuliefern. Eine ausführliche Erläuterung, die erst nach der Retaxierung durch die Beklagte erfolgt sei, könne den Zweck des Vermerkes auf dem Rezept nicht ersetzen. Darüber hinaus sei kein Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 2 AVL gegeben. Es habe keine Notlage in der Art bestanden, dass die Ärzte nicht erreichbar gewesen seien. Die von der Beklagten vorgenommenen Taxbeanstandungen stellten darüber hinaus keine Schadensersatzansprüche dar, so dass es nicht auf einen Schaden der Beklagten ankomme. Darüber hinaus stehe der Verpflichtung des Klägers aus § 5 Abs. 2 RV auch nicht die Regelung des § 17 Abs. 2 Apothekerbetriebsordnung entgegen, wonach die abgegebenen Arzneimittel den Verschreibungen entsprechen müssten. Der Zweck der Apothekenbetriebsordnung werde nicht unterlaufen, wenn der Apotheker eine geringere Menge des Hormonpräparates Norditropin bzw. Humatrope abgebe als verordnet worden sei. Zwar müsse sich ein Apotheker nach dieser Vorschrift auch hinsichtlich der Quantität an die ärztliche Verordnung halten, doch gelte dies lediglich für Überdosierungen, nicht für die Abgabe einer geringeren als der verordneten Menge, weil sich dadurch keine Gesundheitsgefährdungen ergeben könnten.
Gegen das ihm am 13. Juni 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Juli 2001 Berufung eingelegt. Der Kläger verweist auf sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren. Ergänzend trägt er vor, dass unabhängig von der zivilrechtlichen Natur des Rechtsverhältnisses zwischen Apotheker und Krankenkasse in § 7 RV eine Anhörungspflicht der Beklagten im Falle eines Rahmenvertragsverstoßes ausdrücklich normiert sei. Strafmaßnahmen, die über die in § 7 RV eingeräumten Sanktionen hinaus gingen, seien nicht zulässig. Der RV enthalte keine Regelung über Retaxationen, so dass nur die im RV vereinbarten Sanktionen anzuwenden seien. Im Übrigen hätten die Vertragsmaßnahmen des § 7 RV nur die zuständigen Landesverbände der Krankenkasse ergreifen dürfen. Die Vereinbarung in § 5 Abs. 2 RV sei weiterhin gemäß § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nichtig, denn sie verstoße gegen das Substitutionsverbot gemäß § 17 Abs. 5 Apothekerbetriebsordnung. Nach der Vorgabe des Gesetzgebers müsse sich ein Apotheker bei der Abgabe verschriebener Arzneimittel auch hinsichtlich der Menge an die ärztliche Verordnung halten. Diese Regelung stehe nicht zur Disposition der Parteien des RV. Selbst wenn man von der Wirksamkeit des § 5 Abs. 2 RV ausginge, enthalte diese Vorschrift keine abschließende Regelung. Im Einzelfall müsse der Apotheker berechtigt sein, Gründe dafür darzulegen, dass sein davon abweichendes Verhalten gerechtfertigt gewesen sei. Ansonsten widerspreche dies im Übrigen jeglicher Praxis zwischen den Krankenkassen und den Apothekern. Die Krankenkassen gäben durchweg den Apothekern im Falle eines augenscheinlichen Vertragsverstoßes im Rahmen des Taxbeanstandungsverfahrens die Gelegenheit, sich zu exkulpieren. Ferner habe es eines gesonderten ärztlichen Vermerks auf den Verordnungen hinsichtlich der Abgabemenge nicht bedurft, da der Apotheker gewusst habe, dass und aus welchen Gründen die verordnenden Ärzte auf der Abgabe exakt der verordneten Menge bestanden hätten. Die Krankenkasse müsse ihren Standpunkt hinsichtlich des Verschreibungsverhaltens den betreffenden Ärzten gegenüber auf direktem Wege durchsetzen und dürfe nicht versuchen, ihr Ziel auf dem Umweg der Bestrafung eines Apothekers zu erreichen, der sich rechtlich korrekt verhalten habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Mai 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17.450,96 DM nebst 10% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, dass eine Anhörung gemäß § 7 RV nur dann zu erfolgen habe, wenn die in dieser Vorschrift vorgesehenen Vertragsmaßnahmen im Sinne einer Sanktion ausgesprochen werden sollten. Die Taxbeanstandung jedoch sei unabhängig von der Möglichkeit der Vertragsmaßnahmen nach dem RV durchzuführen. Die Verhängung einer Vertragsmaßnahme nach § 7 RV sei als zusätzliche mögliche Sanktion und nicht als einzige Sanktion bei Verstößen zu sehen. Allein die Tatsache, dass der Kläger angeblich gewusst habe, dass und aus welchen Gründen die verordnenden Ärzte auf der Abgabe exakt dieser Menge bestanden hätten, befreie ihn nicht von der Verpflichtung, einen bestätigenden Vermerk vom Arzt einzuholen. Dieser Vermerk diene seiner eigenen Absicherung, aber auch ihr zur Klarheit. Hinsichtlich des Anwendungsverhältnisses zwischen RV und ALV habe der Rahmenvertrag Vorrang. Der Arzneiliefervertrag gelte, soweit er den Bestimmungen des RV nicht widerspreche. Da der RV über Retaxationen keine Regelungen enthalte, gelte somit die Regelung des ALV, die diesbezüglich nicht mit den Regelungen des Rahmenvertrages im Widerspruch stehe.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Akte der Beklagten verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigt worden.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 124 Abs. 2 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft, da der Streitwert die Beschwerdegrenze von 500 EUR übersteigt. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG).
Die Berufung des Klägers ist überwiegend begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, ihm für die verausgabten Arzneimittel weitere 8.879,02 EUR zu zahlen.
Der Kläger verlangt formal zutreffend im Wege der Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG die Bezahlung der verausgabten Arzneimittel, weil über seinen Kostenanspruch ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat. Voraussetzung für die echte Leistungsklage ist ein Gleichordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten, das gleichzeitig eine (einseitig) hoheitliche Regelung der handelnden Behörde durch Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten – und damit eine Klage nach § 54 Abs. 4 SGG – ausschließt (BSG, Urteil vom 24. Januar 1990 - 3 RK 11/88 - SozR 3 - 2200 § 376 d Nr. 1). Eine gesetzliche Ermächtigung der Krankenkassen zum Erlass von Verwaltungsakten gegenüber den freiberuflich tätigen Apothekern besteht ebenso wenig wie ein Über-/Unterord-nungsverhältnis. Vielmehr sieht das Gesetz in Form des § 129 Sozialgesetzbuch – Fünf-tes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) eine vertragliche Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Apothekern vor. Die Beklagte hat den Vergütungsanspruch auch nicht in der Form eines Verwaltungsaktes abgelehnt. Die Schreiben der Beklagten vom 24. November 1998, vom 27. April 1999, vom 14. April 1999 und vom 7. Juli 1999 stellen dem Erklärungswert nach lediglich Zahlungsverweigerungen dar, nicht aber hoheitliche Regelungen. Hierfür spricht auch die äußere Form der Schreiben, denn sie sind weder als "Bescheid" bezeichnet noch enthalten sie eine Rechtsbehelfsbelehrung noch wird die Ablehnung der Kostenübernahme begründet.
Dem Kläger steht ein Zahlungsanspruch in Höhe von weiteren 8.879,02 EUR wegen der von ihm für die Mitglieder der Beklagten gelieferten Arzneimittel (Hauptforderung) zu.
Grundlage für den Vergütungsanspruch des Klägers ist der Arznei-Lieferungsvertrag (ALV) zwischen dem Landesapothekerverein Sachsen-Anhalt und den Landesverbänden der Krankenkassen Sachsen-Anhalt vom 1. Januar 1996, da es um die Versorgung von Versicherten durch einen Apotheker im Bundesland Sachsen-Anhalt geht. Dieser Vertrag füllt den Rahmenvertrag im Sinne von § 129 SGB V aus.
§ 129 SGB V regelt den Abschluss von Rahmenverträgen über die Arzneimittelversorgung, und zwar in Abs. 2 und 4 auf Bundesebene und in Abs. 5 auf Landesebene. Nach § 129 Abs. 2 SGB V regeln die Spitzenverbände der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker in einem gemeinsamen Rahmenvertrag das Nähere für die Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte. Diesen bundeseinheitlichen Rahmenvertrag (RV) haben die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Deutsche Apothekerverband am 10. März 1993 geschlossen; der Vertrag ist am 1. Juli 1993 in Kraft getreten. Nach § 129 Abs. 5 SGB V können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkrankenkassen mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge schließen. Ein solcher ergänzender Vertrag im Sinne von § 129 Abs. 5 Satz 2 SGB V stellt der ALV vom 1. Januar 1996 dar. Dieser hat nach § 129 Abs. 5 Satz 2, Abs. 3 SGB V Rechtswirkung für die Apotheken, wenn sie einem Mitgliedsverband einer Organisation der Apotheker auf Landesebene angehören und die Satzung des Verbandes vorsieht, dass die von der Organisation abgeschlossenen Verträge dieser Art Rechtswirkung für die dem Verband angehörenden Apotheken haben, oder wenn die Apotheken dem Vertrag beitreten. Die nach § 129 SGB V abgeschlossenen Verträge regeln dabei vorrangig nicht die Beziehungen zwischen den vertragschließenden Verbänden, sondern zwischen den einzelnen Krankenkassen und den Apothekern. Sie wirken insoweit normativ. Der Kläger ist Mitglied des Landesapothekervereins Sachsen-Anhalt, so dass der ALV zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits wirksam geworden ist.
Dem Kläger steht nach dem ALV ein vertraglicher Anspruch auf Bezahlung der abgegebenen Arzneimittel zu. Nach § 3 Teil I Nr. 4 ALV erfolgt die Abgabe von Arzneimitteln zu Lasten der angegebenen Krankenkasse aufgrund einer ordnungsgemäß ausgestellten vertragsärztlichen Verordnung. Eine vertragsärztliche Verordnung ist ordnungsgemäß ausgestellt, wenn sie neben Mittel und Menge die Angaben nach § 3 Abs. 3.1. enthält. Für die Erfüllung dieses vertraglichen Zahlungstatbestandes ist es nicht erheblich, in welcher Packungsgröße das Medikament abgegeben wird. Somit ergibt sich ein grundsätzlicher Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen der an die Versicherten Ernst und Miertsch abgegebenen Medikamente in Höhe von insgesamt 57.456,58 DM.
Die Beklagte nahm überwiegend zu Unrecht eine Retaxierung vor. Vertragswidriges Verhalten nach der Bestimmung des § 5 Abs. 2 RV berechtigt die Beklagte nicht in jedem Fall zu der vorgenommenen Kürzung.
Bei unklarer ärztlicher Verordnung hinsichtlich Packungsgröße, Menge je Packung, Darreichungsform oder bei einer Arzneiverordnung nur unter der Wirkstoffbezeichnung bestehen nach Maßgabe der §§ 3, 4, 5 des Rahmenvertrages der Spitzenverbände sowie nach § 3 Teil II ALV bestimmte Verhaltenspflichten des Apothekers zur Sicherstellung einer preisgünstigen Arzneiversorgung. So ist nach § 5 Abs. 2 des Rahmenvertrages der Apotheker verpflichtet, die nächst kleinere Packung oder ein Vielfaches dieser Packung, jedoch nicht mehr als die verordnete Menge, abzugeben und zu berechnen, wenn die verordnete Menge vom Inhalt einer Packung abweicht. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Arzt durch einen besonderen Vermerk auf die Abweichung hinweist.
Der Kläger hat auch gegen diese Bestimmung des § 5 Abs. 2 RV verstoßen, als er den Versicherten E. und M. exakt die verschriebenen Verordnungsmengen auslieferte. Die verschriebenen Mengen wichen vom Inhalt der Packungen ab. Es befand sich hinsichtlich der Abweichung auch kein besonderer Vermerk des Arztes auf der Verordnung, dass exakt die genannte Menge und keine andere abgegeben werden soll. Eine Stückelung in Form der Abgabe unterschiedlicher Packungsgrößen, wie sie vom Kläger vorgenommen worden ist, ist nicht vom Wortlaut der Regelung umfasst. Nach § 5 Abs. 2 RV darf immer nur eine Packungsgröße abgegeben werden. § 5 Abs. 2 RV untersagt es damit dem Apotheker, die verordnete Menge in (regelmäßig teureren) Teilmengen abzugeben. Schutzzweck dieser Bestimmung ist damit allein das Wirtschaftlichkeitsgebot.
Der Verstoß gegen § 5 Abs. 2 RV berechtigt die Beklagte jedoch nicht in jedem Fall zu einer Retaxierung. Bei Verstößen gegen die Vertragspflichten des Rahmenvertrages bzw. des Arznei-Lieferungsvertrages sieht der Rahmenvertrag grundsätzlich als Sanktion nur die Vertragsmaßnahmen des § 7 Abs. 1 RV vor. Danach können die zuständigen Landesverbände der Krankenkassen 1. eine Verwarnung, 2. eine Vertragsstrafe bis zu 50.000,- DM aussprechen; bei gröblichen und wiederholten Verstößen sieht der Rahmenvertrag den Ausschluss des Apothekenleiters von der Versorgung der Versicherten bis zur Dauer von zwei Jahren vor (3.). Die Landesverbände der Krankenkassen können diese Sanktionen nur nach Anhörung des Betroffenen und im Benehmen mit dem zuständigen Mitgliedsverband aussprechen. Eine entsprechende Regelung enthält § 13 AVL mit der Besonderheit, dass von der Anhörung des Landesapothekervereins im Einzelfall abgesehen werden kann.
Damit haben die Parteien des Rahmenvertrages festgelegt, welche Vertragsmaßnahmen im Falle einer Vertragsverletzung ergriffen werden können. Es stehen also die Verwarnung, eine Vertragsstrafe oder der Ausschluss des Apothekers zur Wahl. Der Begriff "können" bringt in diesem Zusammenhang nichts anderes zum Ausdruck als die Möglichkeit, zwischen den verschiedenen ausdrücklich aufgezählten Sanktionsmaßnahmen auszuwählen. Wenn in einem Vertrag ein Katalog spezieller Sanktionen für den Fall eines Vertragsverstoßes geregelt ist und ein Hinweis auf weitere Rechte, die einer Vertragspartei an anderer Stelle eingeräumt sind, fehlt, ist dieser normierte Katalog abschließend zu verstehen. Innerhalb dieses Sanktionskatalogs ist dem zuständigen Landesverband der Krankenkasse ein weitgehend freies Ermessen eingeräumt. Dieses Ermessen hat sich aber innerhalb des gesetzten Rahmens der Sanktionsmaßnahmen und der damit verbundenen Zielrichtung zu bewegen.
Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung findet überwiegend auch keine Rechtsgrundlage in § 10 ALV. § 10 ALV legt die formellen Voraussetzungen für Rechnungsberichtigungen und Taxbeanstandungen fest, insbesondere die von den Beteiligten einzuhaltende Fristen. Diese Norm zum Verfahrensweg sagt jedoch nichts darüber aus, wann eine Taxberichtigung zulässig ist. Dies erschließt sich erst aus dem Zusammenhang mit den weiteren Vertragsregeln. Die Frage, wie im Falle einer Taxberichtigung vorzugehen ist, steht im Zusammenhang mit den Regelungen zur Rechnungslegung. Die Taxberichtigung kommt zumindest dann in Betracht, wenn ein Apotheker den Abgabepreis für ein Arzneimittel falsch berechnet hat oder ggf. ein sonstiger Abrechnungsfehler aufgetreten ist. Die Taxberichtigung dient der Korrektur einer unrichtigen Abrechnung. Somit legen der RV bzw. der ihn ergänzende ALV ein ausgewogenes Instrumentarium für Leistungsstörungen jeglicher Art fest: Sofern das Arzneimittel nicht ordnungsgemäß verordnet wurde bzw. nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst ist, entsteht kein vertraglicher Anspruch auf Bezahlung der Leistung. Bei Verstößen von Apothekern gegen die Vertragspflichten stehen dem zuständigen Landesverband der Krankenkasse die Sanktionsmaßnahmen des § 7 RV zur Verfügung. Bei Unklarheiten im Rahmen der Abrechnung gibt es die Möglichkeit zur Rechnungs- und Taxberichtigung. Allerdings ist in diesem Rahmen zu differenzieren. Der Kläger kann eine Vertragsverletzung dadurch begehen, dass er das Medikament exakt entsprechend der ärztlichen Verordnung abgibt und sich dabei auch wirtschaftlich gegenüber der Krankenkasse verhält, indem er die wirtschaftlichste Packung abgibt (Fälle 2- 4). Die Vertragsverletzung kann aber auch (wie im ersten Fall) auf einem doppelten Regelungsverstoß beruhen, dass der Kläger das Medikament zwar entsprechend der ärztlichen Verordnung abgibt, jedoch zusätzlich nicht dabei die wirtschaftlichste Abgabeform wählt (Abgabe von 15 Einzelpackungen statt einer Packung N2 und fünf Packungen N1). In den Fällen 2 – 4 unterließ der Kläger lediglich die erforderliche Gegenzeichnung durch den verordnenden Arzt, dass exakt die Menge an den Versicherten auszugeben ist. Der Beklagten war insofern kein wirtschaftlicher Nachteil entstanden. Hätte sich der Kläger jedoch im ersten Fall auch wirtschaftlich gegenüber der Beklagten verhalten, hätte er der Beklagten nur 16.247,21 DM (5 x 1.088,82 DM und 1 x 10.803,11 DM) statt 16.332,30 DM (15 x 1.088,82 DM) in Rechnung gestellt. Dies ergibt eine Differenz von 85,09 DM (43,51 EUR). Es bestand für den Kläger die Möglichkeit, sich kostengünstiger im Rahmen des Rezepts zu verhalten. Bezüglich dieses Differenzbetrages infolge der Vertragsverletzung durch die Abgabe von 15 Einzelpackungen war die Beklagte berechtigt, eine Retaxierung vorzunehmen. Denn diese Vertragsverletzung in Form einer unwirtschaftlichen Abgabe steht den Falschberechnungen bzw. Abrechnungsfehlern wirtschaftlich betrachtet so nahe, dass der Beklagten ein Regelungsinstrument eingeräumt werden muss, um solche unwirtschaftlichen Vorgänge auf dem Rechnungswege zu beheben.
Die Beklagte geht aber zu Unrecht davon aus, dass sie mit ihren weiteren Taxbeanstandungen einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann, aufgrund dessen sie zur Rückforderung bzw. Verrechnung befugt sei (Schreiben der Beklagten vom 26.2.1998). Der Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 5 Abs. 2 RV und die damit vorliegende Vertragspflichtverletzung begründet keinen Schadensersatzanspruch. Es fehlt dafür an einer Anspruchsgrundlage. Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht eine vertragliche Beziehung. Die Leistungserbringung vollzieht sich nach den für die Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen. Innerhalb dieses Systems gewährleisten Regelungen, dass die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängt. Das wird dadurch erreicht, das dem Arzt oder sonstigen Leistungserbringer für Leistungen, die er unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt, keine Vergütung zusteht. Ihre Steuerungsaufgabe könnten diese Regelungen nicht erfüllen, wenn der Arzt oder der nichtärztliche Leistungserbringer die gesetz- oder vertragswidrig bewirkte Leistung über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder einen Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag im Ergebnis dennoch vergütet bekäme (BSG, Beschluss vom 17.5.2000 - B 3 KR 19/99 B, juris). Dies bedeutet aber auch, dass dem Leistungserbringer die ihm nach den Regelungen des Vertrages an sich zustehende Vergütung nicht über die Anwendung von außervertraglich geregelten Ersatzansprüchen genommen werden kann. Die Anwendung des § 280 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB ist damit ausgeschlossen. Für einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) fehlt es an einer Rechtsgutsverletzung. Der Kläger ist auch nicht zur Rückzahlung aus Bereicherungsrecht (gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) verpflichtet. Die Bezahlung durch die Beklagte für die im Umfang von 57.456,58 DM abgegebenen Arzneimittel erfolgte nicht rechtsgrundlos. Rechtsgrund für den Anspruch auf Bezahlung der abgegebenen Arzneimittel ist – wie bereits oben ausgeführt – der ALV. Die für den Zahlungsanspruch des Apothekers geltenden besonderen Voraussetzungen nach dem ALV sind erfüllt.
Die Berufung ist demnach überwiegend begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg ist insoweit aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 8.879,02 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Zinsanspruchs gelten mangels spezieller vertraglicher Regelung die Bestimmungen des BGB. Die Beklagte ist gemäß §§ 288, 291 BGB verpflichtet, die ausstehenden Beträge zu verzinsen. Zwar hat das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass in den in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallenden Rechtsgebieten für Verzugs- und Prozesszinsen grundsätzlich kein Raum ist. Eine Ausnahme gilt jedoch für jene Zahlungsansprüche, bei denen das Gesetz eine Zinszahlung ausdrücklich anordnet (BSG, Urteil vom 13.7.1992 – 7 RA 98/90, SozR 3-7610 § 291 Nr. 1) oder bereichsspezifische Besonderheiten zu beachten sind (BSG, Urteil vom 14.12.1988 - 9/4b RV 39/87, SozR 7610 § 291 Nr. 2; BSG, Urteil vom 4.3.2004 - B 3 KR 4/03 R - juris). Letzteres ist auch hier der Fall. Für die Arzneimittelversorgung schreibt § 129 SGB V vertragliche Regelungen für die Gewährleistung einer wirtschaftlichen Abgabe von Arzneimitteln in Apotheken vor. Ein Anspruch auf Prozesszinsen steht mit diesem Wirtschaftlichkeitsgebot der Abgabe nicht im Widerspruch. Die Modalitäten des Vergütungsanspruchs richten sich mangels einer Regelung im Rahmenvertrag nach dem ALV. In diesem Vertragswerk selbst sind Verzugszinsen bzw. Prozesszinsen nicht aufgenommen. Die untergesetzliche Regelung kann jedoch als ergänzungsfähig und nicht abschließend angesehen werden, da die Modalitäten des Vergütungsanpruchs nicht abschließend und völlig abweichend vom BGB geregelt sind. Bis zur Neufassung des § 69 SGB V seit 1.1.2000 (durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999 – BGBl. I 2626) wurde mit Ausnahme des Vertragsarztrechts sowie des Krankenhausrechts überwiegend die zivilrechtliche Natur von Verträgen mit Leistungserbringern bejaht (vgl. BSG, Urteil vom 10.7.1996 - 3 RK 29/95, SozR 3-2500 § 125 Nr. 6). Insofern können ergänzend die Bestimmungen des BGB angewandt werden. Seit der Neufassung nimmt die Regelung in § 69 Satz 3 SGB V ausdrücklich Bezug auf die Anwendung der BGB-Vorschriften, soweit die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Vierten Kapitel des SGB V vereinbar sind.
Allerdings verbleibt es bei einem Zinssatz von 4%. Für die am 1. Mai 2000 bereits fälligen Leistungen gilt gem. Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3 EGBGB (in der Fassung vom 27.6.2000) noch der Zinssatz von 4%. Der Anspruch auf Prozesszinsen steht dem Kläger ab 27. Dezember 1999 zu, weil an diesem Tag die Klage beim Sozialgericht eingegangen und daher die sozialgerichtliche Rechtshängigkeit nach § 94 SGG eingetreten ist. Der vertragliche Zahlungsanspruch war jedenfalls auch am 27.12.1999 fällig. Er ist bereits zehn Tage nach Eingang der Rechnung (§ 8 ALV) fällig geworden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Eine Kostenquotelung erscheint nicht angemessen, da der Kläger im Verhältnis zur zugesprochenen Summe nur marginal (in Höhe von 43,51 EUR) unterlegen ist.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.879,02 EUR nebst 4% Zinsen zu zahlen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von verausgabten Arzneimitteln in Höhe von 17.450,96 DM (8.922,53 EUR).
Der Kläger ist Apotheker und leitet die Kreuzgang-Apotheke in Burg bei Magdeburg. Dem Rechtsstreit liegen vier gleichgelagerte Sachverhalte aus der Zeit von Juli 1997 bis Februar 1998 zu Grunde. Im ersten Fall gab der Kläger am 4. Juli 1997 an den Patienten M. E. , der bei der Beklagten krankenversichert ist, das Hormonpräparat Norditropin ab. Grundlage war eine Verordnung der Pädiatrischen Universitätsklinik Magdeburg vom 25. Juni 1997. Das Rezept lautete auf "Norditropin 24 IE Amp. Nr. 15". Das Arzneimittel Norditropin wird im Handel lediglich mit Einheiten zu 20, 10 oder 1 Ampulle angeboten. Der Kläger gab das Medikament in 15 Einzelpackungen N 1 mit jeweils einer Ampulle Norditropin aus. Dafür stellte er der Beklagten 16.332,30 DM (15 x 1.088,82 DM) in Rechnung. Mit Schreiben vom 24. November 1998 teilte die Beklagte mit, dass sie eine Taxberichtigung vornehme und von dem Rechnungsbetrag 5.252,73 DM absetze. In den Erläuterungen zu den Korrekturgründen hieß es: "Abgabe wirtschaftlicher Einzelmengen, Stückelung falsch, RV § 5 Abs. 1 und 2". Dagegen legte der Kläger am 28. Januar 1999 Einspruch ein und forderte die Beklagte zur Kostenerstattung auf. Mit Schreiben vom 26. Februar 1999 wies die Beklagte den Einspruch des Klägers zurück. In einem weiteren Fall gab der Kläger an den Patienten M. E. am 13. März 1998 eine Packung N2 mit 10 Ampullen und drei Einzelpackungen N1 mit jeweils einer Ampulle ab. Die Verordnung der Pädiatrischen Universitätsklinik Magdeburg vom 6. März 1998 lautete auf "Norditropin 24 IE Amp. Nr. 13". Der Kläger stellte der Beklagten insgesamt 14.069,57 DM in Rechnung (1 x 10.803,11 DM und 3 x 1.088,82 DM). Mit inhaltlich gleicher Begründung wie zuvor erhielt der Kläger eine Taxbeanstandung der Beklagten vom 27. April 1999 über 3.103,13 DM. Dagegen legte er am 19. Juli 1999 Einspruch ein. Mit Schreiben vom 28. April 1999 teilte Dr. M. , Oberarzt an der Universitätsklinik Magdeburg, mit, dass der Patient M. E. wegen eines Wachstumshormonmangels behandelt werde und sich in dreimonatigen Abständen vorstelle. Dabei werde bei der jeweiligen Konsultation exakt der 90-Tage-Bedarf errechnet und das Rezept entsprechend ausgestellt. Die Abpackungsgrößen von 10 bzw. 20 Ampullen seien mit einer wirtschaftlichen Verordnungsweise nicht vereinbar, da relativ schnell die Übersicht für den Patienten über Verfallsdaten verloren gehen könne. Es handele sich bei dem Rezept vom 6. März 1998 um eine ärztlich gewünschte Verpackungsgröße. Im dritten Fall händigte der Kläger aufgrund einer Verordnung vom 4. September 1998 über "Norditropin 24 IE Amp. Nr. 15", dem Patienten M. E. am 11. September 1998 eine N2-Packung mit 10 Ampullen und fünf N1-Einzelpackungen aus. Der Kläger stellte der Beklagten dafür 14.834,68 DM (1 x 9.343,23 DM und 5 x 1.098,29 DM) in Rechnung. Mit Schreiben vom 7. Juli 1999 beanstandete die Beklagte auch diese Abrechnung im Hinblick auf 5.216,87 DM und verrechnete diesen Betrag später mit weiteren Forderungen des Klägers. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben am 9. August 1999 erfolglos Einspruch ein. Im vierten Fall verordnete die Pädiatrische Universitätsklinik Magdeburg am 4. Februar 1998 dem Patienten B. M. "Humatrope 18 IE 15 Amp.". Der Kläger gab dem Patienten am 24. Februar 1998 eine Packung N2 mit zehn Ampullen und fünf Einzel-Packungen N1 mit einer Ampulle ab, wofür er der Beklagten 12.220,03 DM (1 x 8.137,68 DM und 4.082,35 DM) in Rechnung stellte. Mit Schreiben vom 14. April 1999 beanstandete die Beklagte diese Abrechnung im Hinblick auf 3.878,23 DM und strich die Kosten für die abgegebene Packung mit fünf Ampullen abzüglich 5% Rabatt komplett. Den retaxierten Betrag verrechnete die Beklagte anschließend mit weiteren Forderungen des Klägers. Dagegen legte der Kläger ebenfalls erfolglos Einspruch ein. Mit Schreiben vom 26. April 1999 teilte Dr. M. mit gleichlautender Begründung wie im Schreiben vom 28. April 1999 mit, dass es sich bei den 15 Ampullen um eine ärztlich gewünschte Verpackungsgröße handele.
Der Kläger hat sich gegen die Retaxierung mit der am 27. Dezember 1999 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage gewandt. Er hat vorgetragen, dass die Beklagte zu Unrecht die vier Taxbeanstandungen vorgenommen und ihm Geldbeträge in Höhe von insgesamt 17.450,96 DM vorenthalten habe. Es liege kein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 des Rahmenvertrages (RV) vor. Sinn und Zweck dieser Vorschrift bestünden darin zu verhindern, dass zu große Mengen an Arzneimitteln abgegeben werden, die entweder den konkreten Bedarf überstiegen oder die Gefahr des Verfalls mit sich brächten. Dagegen habe er nicht verstoßen, da er bei der Abgabe des verordneten Norditropin dem ärztlichen Verordnungswunsch Folge geleistet habe. Wie dem Schreiben der Pädiatrischen Universitätsklinik vom April 1999 zu entnehmen sei, seien aus gutem Grund ganz bestimmte Mengen verordnet worden. Jedoch selbst wenn er gegen eine Regelung des RV verstoßen haben sollte, dürfe die Beklagte dies nicht zum Anlass für eine Retaxation nehmen. Der RV sehe in § 7 Abs. 1 sogenannte Vertragsmaßnahmen in Form der Verwarnung, der Vertragsstrafe und in ernsten Fällen des Ausschlusses des Apothekers von der Versorgung vor. Andere Sanktionen kenne weder der RV noch der für Sachsen-Anhalt geltende Arzneiliefervertrag (AVL) noch das Gesetz. An diesen abschließenden Katalog hätte sich die Beklagte halten müssen. Darüber hinaus fehle es für die Taxbeanstandungen der Beklagten an einer Anspruchsgrundlage. Es liege keine falsche Berechnung für Arzneimittel durch den Apotheker vor. Ferner hätte die Beklagte ihn vor der Taxbeanstandung anhören müssen. Selbst wenn man einen Anspruch bejahe, stünde der Beklagten keine Schadensersatzforderung zu. Auch wenn er sich vor Ausgabe der Medikamente mit dem jeweils verordnenden Arzt in Verbindung gesetzt und nachgefragt hätte, ob die auf dem Rezept genannte Menge exakt eingehalten werden solle, hätten die verordnenden Ärzte diese Frage in sämtlichen Fällen unter Berücksichtigung der Schreiben von Dr. M. bejaht. Damit wäre auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten der von der Beklagten behauptete "Schaden" in gleicher Höhe eingetreten. Wenn er sich in dem von der Beklagten geforderten Sinne verhalten und tatsächlich nur eine kleinere Menge abgegeben hätte, wäre den betroffenen Patienten der Rest später nochmals verordnet oder die Verordnung durch nochmalige Gegenzeichnung auch wegen der Restmenge bestätigt worden. Die Beklagte könne jedoch nur den Ersatz des Schadens verlangen, der ihr konkret entstanden sei. An diesem mangele es jedoch. Die Beklagte hätte entweder aufgrund einer exakten Mengenanweisung des verordnenden Arztes genau denselben Preis zahlen müssen oder einen höchst geringfügigen Teil der Kosten sparen können. Darüber hinaus habe er einen Anspruch auf Kostenerstattung nach Bereicherungsrecht und nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Er sei ferner nicht verpflichtet, bei der Universitätsklinik darauf hinzuwirken, dass die Pädiatrische Klinik ihr Verschreibungsverhalten ändere. Es sei weiterhin ausgeschlossen, die Belieferung der umstrittenen Rezepte ganz oder teilweise abzulehnen, da der Apotheker nach der Apothekenbetriebsordnung keinen nennenswerten Spielraum zur Beeinflussung der ärztlichen Verschreibungspraxis habe. Die Therapiehoheit bleibe beim Arzt und die in ihrem Rahmen getroffenen Verordnungsentscheidungen müsse der Apotheker letztendlich – von den wenigen gesetzlich festgelegten Ausnahmen einmal abgesehen – durchweg ausführen. Dabei ziehe auch der ALV einen engen Rahmen um die Handlungsmöglichkeiten des Apothekers, wenn es um Korrekturen eines Rezeptes gehe. Auf welchem Wege Änderungen erreicht werden können, werde durch § 3 Teil II Ziffer 1 ALV geregelt. Danach sei der Apotheker lediglich in begründeten Ausnahmefällen berechtigt, Änderungen hinsichtlich der Menge vorzunehmen, und dies sei nur nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt möglich, wobei eine einfache (etwa telefonische) Abstimmung nicht ausreiche. Der Arzt müsse die Änderung vielmehr gegenzeichnen.
Die Beklagte hat vorgetragen, aus § 5 Abs. 2 RV sei zu entnehmen, dass immer nur eine Packungsgröße, nämlich die nächst kleinere Packung oder ein Vielfaches dieser Packung, abgegeben werden dürfe. Nur dadurch könne die Wirtschaftlichkeit der Abgabe von Einzelmengen sichergestellt werden. Die Abgabe wirtschaftlicher Einzelmengen sei unabhängig von der Frage zu bewerten, ob dem Apotheker ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Belieferung des Patienten aufgrund einer wirksamen Verordnung zustehe oder nicht. Der Kläger hätte die Möglichkeit gehabt, vor Abgabe des Arzneimittels den Arzt zu der Abgabe der zusätzlichen Menge zu befragen und gegebenenfalls auf der Verordnung einen entsprechenden Vermerk gegenzeichnen zu lassen. Aus der Mengenangabe der Verordnung allein, d.h. ohne einen entsprechenden Zusatz (exakt, genau) sei der Kläger nicht berechtigt gewesen, aufgrund der eindeutigen Vorschrift des § 5 Abs. 2 RV eine nichtwirtschaftliche Packungsmenge abzugeben.
Das Sozialgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 10. Mai 2001 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass die von der Beklagten in Höhe von 17.450,96 DM vorgenommene Kürzung im Einklang mit § 5 Abs. 2 RV und § 10 ALV stehe. Aufgrund der zivilrechtlichen Natur des RV und des AVL sei eine Anhörung nicht erforderlich gewesen. Darüber hinaus sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, anstelle der Retaxierung eine der in § 7 RV genannten Maßnahmen ergreifen zu müssen. Diese Regelung belasse der betroffenen Krankenkasse selbst die Entscheidung, ob sie überhaupt eine oder gegebenenfalls mehrere der dort genannten Maßnahmen ergreife. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Krankenkasse bei einem Vertragsverstoß vorrangig das Mittel der Verwarnung zu ergreifen habe. Der Kläger habe in den relevanten vier Fällen mit der Abgabe der exakten Menge laut Rezept gegen § 5 Abs. 2 RV verstoßen. Er sei lediglich berechtigt gewesen, die nächst kleinere Packungsgröße an die Mitglieder der Beklagten auszuliefern. Eine ausführliche Erläuterung, die erst nach der Retaxierung durch die Beklagte erfolgt sei, könne den Zweck des Vermerkes auf dem Rezept nicht ersetzen. Darüber hinaus sei kein Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 2 AVL gegeben. Es habe keine Notlage in der Art bestanden, dass die Ärzte nicht erreichbar gewesen seien. Die von der Beklagten vorgenommenen Taxbeanstandungen stellten darüber hinaus keine Schadensersatzansprüche dar, so dass es nicht auf einen Schaden der Beklagten ankomme. Darüber hinaus stehe der Verpflichtung des Klägers aus § 5 Abs. 2 RV auch nicht die Regelung des § 17 Abs. 2 Apothekerbetriebsordnung entgegen, wonach die abgegebenen Arzneimittel den Verschreibungen entsprechen müssten. Der Zweck der Apothekenbetriebsordnung werde nicht unterlaufen, wenn der Apotheker eine geringere Menge des Hormonpräparates Norditropin bzw. Humatrope abgebe als verordnet worden sei. Zwar müsse sich ein Apotheker nach dieser Vorschrift auch hinsichtlich der Quantität an die ärztliche Verordnung halten, doch gelte dies lediglich für Überdosierungen, nicht für die Abgabe einer geringeren als der verordneten Menge, weil sich dadurch keine Gesundheitsgefährdungen ergeben könnten.
Gegen das ihm am 13. Juni 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Juli 2001 Berufung eingelegt. Der Kläger verweist auf sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren. Ergänzend trägt er vor, dass unabhängig von der zivilrechtlichen Natur des Rechtsverhältnisses zwischen Apotheker und Krankenkasse in § 7 RV eine Anhörungspflicht der Beklagten im Falle eines Rahmenvertragsverstoßes ausdrücklich normiert sei. Strafmaßnahmen, die über die in § 7 RV eingeräumten Sanktionen hinaus gingen, seien nicht zulässig. Der RV enthalte keine Regelung über Retaxationen, so dass nur die im RV vereinbarten Sanktionen anzuwenden seien. Im Übrigen hätten die Vertragsmaßnahmen des § 7 RV nur die zuständigen Landesverbände der Krankenkasse ergreifen dürfen. Die Vereinbarung in § 5 Abs. 2 RV sei weiterhin gemäß § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nichtig, denn sie verstoße gegen das Substitutionsverbot gemäß § 17 Abs. 5 Apothekerbetriebsordnung. Nach der Vorgabe des Gesetzgebers müsse sich ein Apotheker bei der Abgabe verschriebener Arzneimittel auch hinsichtlich der Menge an die ärztliche Verordnung halten. Diese Regelung stehe nicht zur Disposition der Parteien des RV. Selbst wenn man von der Wirksamkeit des § 5 Abs. 2 RV ausginge, enthalte diese Vorschrift keine abschließende Regelung. Im Einzelfall müsse der Apotheker berechtigt sein, Gründe dafür darzulegen, dass sein davon abweichendes Verhalten gerechtfertigt gewesen sei. Ansonsten widerspreche dies im Übrigen jeglicher Praxis zwischen den Krankenkassen und den Apothekern. Die Krankenkassen gäben durchweg den Apothekern im Falle eines augenscheinlichen Vertragsverstoßes im Rahmen des Taxbeanstandungsverfahrens die Gelegenheit, sich zu exkulpieren. Ferner habe es eines gesonderten ärztlichen Vermerks auf den Verordnungen hinsichtlich der Abgabemenge nicht bedurft, da der Apotheker gewusst habe, dass und aus welchen Gründen die verordnenden Ärzte auf der Abgabe exakt der verordneten Menge bestanden hätten. Die Krankenkasse müsse ihren Standpunkt hinsichtlich des Verschreibungsverhaltens den betreffenden Ärzten gegenüber auf direktem Wege durchsetzen und dürfe nicht versuchen, ihr Ziel auf dem Umweg der Bestrafung eines Apothekers zu erreichen, der sich rechtlich korrekt verhalten habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Mai 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17.450,96 DM nebst 10% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, dass eine Anhörung gemäß § 7 RV nur dann zu erfolgen habe, wenn die in dieser Vorschrift vorgesehenen Vertragsmaßnahmen im Sinne einer Sanktion ausgesprochen werden sollten. Die Taxbeanstandung jedoch sei unabhängig von der Möglichkeit der Vertragsmaßnahmen nach dem RV durchzuführen. Die Verhängung einer Vertragsmaßnahme nach § 7 RV sei als zusätzliche mögliche Sanktion und nicht als einzige Sanktion bei Verstößen zu sehen. Allein die Tatsache, dass der Kläger angeblich gewusst habe, dass und aus welchen Gründen die verordnenden Ärzte auf der Abgabe exakt dieser Menge bestanden hätten, befreie ihn nicht von der Verpflichtung, einen bestätigenden Vermerk vom Arzt einzuholen. Dieser Vermerk diene seiner eigenen Absicherung, aber auch ihr zur Klarheit. Hinsichtlich des Anwendungsverhältnisses zwischen RV und ALV habe der Rahmenvertrag Vorrang. Der Arzneiliefervertrag gelte, soweit er den Bestimmungen des RV nicht widerspreche. Da der RV über Retaxationen keine Regelungen enthalte, gelte somit die Regelung des ALV, die diesbezüglich nicht mit den Regelungen des Rahmenvertrages im Widerspruch stehe.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Akte der Beklagten verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigt worden.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 124 Abs. 2 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft, da der Streitwert die Beschwerdegrenze von 500 EUR übersteigt. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG).
Die Berufung des Klägers ist überwiegend begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, ihm für die verausgabten Arzneimittel weitere 8.879,02 EUR zu zahlen.
Der Kläger verlangt formal zutreffend im Wege der Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG die Bezahlung der verausgabten Arzneimittel, weil über seinen Kostenanspruch ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat. Voraussetzung für die echte Leistungsklage ist ein Gleichordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten, das gleichzeitig eine (einseitig) hoheitliche Regelung der handelnden Behörde durch Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten – und damit eine Klage nach § 54 Abs. 4 SGG – ausschließt (BSG, Urteil vom 24. Januar 1990 - 3 RK 11/88 - SozR 3 - 2200 § 376 d Nr. 1). Eine gesetzliche Ermächtigung der Krankenkassen zum Erlass von Verwaltungsakten gegenüber den freiberuflich tätigen Apothekern besteht ebenso wenig wie ein Über-/Unterord-nungsverhältnis. Vielmehr sieht das Gesetz in Form des § 129 Sozialgesetzbuch – Fünf-tes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) eine vertragliche Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Apothekern vor. Die Beklagte hat den Vergütungsanspruch auch nicht in der Form eines Verwaltungsaktes abgelehnt. Die Schreiben der Beklagten vom 24. November 1998, vom 27. April 1999, vom 14. April 1999 und vom 7. Juli 1999 stellen dem Erklärungswert nach lediglich Zahlungsverweigerungen dar, nicht aber hoheitliche Regelungen. Hierfür spricht auch die äußere Form der Schreiben, denn sie sind weder als "Bescheid" bezeichnet noch enthalten sie eine Rechtsbehelfsbelehrung noch wird die Ablehnung der Kostenübernahme begründet.
Dem Kläger steht ein Zahlungsanspruch in Höhe von weiteren 8.879,02 EUR wegen der von ihm für die Mitglieder der Beklagten gelieferten Arzneimittel (Hauptforderung) zu.
Grundlage für den Vergütungsanspruch des Klägers ist der Arznei-Lieferungsvertrag (ALV) zwischen dem Landesapothekerverein Sachsen-Anhalt und den Landesverbänden der Krankenkassen Sachsen-Anhalt vom 1. Januar 1996, da es um die Versorgung von Versicherten durch einen Apotheker im Bundesland Sachsen-Anhalt geht. Dieser Vertrag füllt den Rahmenvertrag im Sinne von § 129 SGB V aus.
§ 129 SGB V regelt den Abschluss von Rahmenverträgen über die Arzneimittelversorgung, und zwar in Abs. 2 und 4 auf Bundesebene und in Abs. 5 auf Landesebene. Nach § 129 Abs. 2 SGB V regeln die Spitzenverbände der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker in einem gemeinsamen Rahmenvertrag das Nähere für die Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte. Diesen bundeseinheitlichen Rahmenvertrag (RV) haben die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Deutsche Apothekerverband am 10. März 1993 geschlossen; der Vertrag ist am 1. Juli 1993 in Kraft getreten. Nach § 129 Abs. 5 SGB V können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkrankenkassen mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge schließen. Ein solcher ergänzender Vertrag im Sinne von § 129 Abs. 5 Satz 2 SGB V stellt der ALV vom 1. Januar 1996 dar. Dieser hat nach § 129 Abs. 5 Satz 2, Abs. 3 SGB V Rechtswirkung für die Apotheken, wenn sie einem Mitgliedsverband einer Organisation der Apotheker auf Landesebene angehören und die Satzung des Verbandes vorsieht, dass die von der Organisation abgeschlossenen Verträge dieser Art Rechtswirkung für die dem Verband angehörenden Apotheken haben, oder wenn die Apotheken dem Vertrag beitreten. Die nach § 129 SGB V abgeschlossenen Verträge regeln dabei vorrangig nicht die Beziehungen zwischen den vertragschließenden Verbänden, sondern zwischen den einzelnen Krankenkassen und den Apothekern. Sie wirken insoweit normativ. Der Kläger ist Mitglied des Landesapothekervereins Sachsen-Anhalt, so dass der ALV zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits wirksam geworden ist.
Dem Kläger steht nach dem ALV ein vertraglicher Anspruch auf Bezahlung der abgegebenen Arzneimittel zu. Nach § 3 Teil I Nr. 4 ALV erfolgt die Abgabe von Arzneimitteln zu Lasten der angegebenen Krankenkasse aufgrund einer ordnungsgemäß ausgestellten vertragsärztlichen Verordnung. Eine vertragsärztliche Verordnung ist ordnungsgemäß ausgestellt, wenn sie neben Mittel und Menge die Angaben nach § 3 Abs. 3.1. enthält. Für die Erfüllung dieses vertraglichen Zahlungstatbestandes ist es nicht erheblich, in welcher Packungsgröße das Medikament abgegeben wird. Somit ergibt sich ein grundsätzlicher Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen der an die Versicherten Ernst und Miertsch abgegebenen Medikamente in Höhe von insgesamt 57.456,58 DM.
Die Beklagte nahm überwiegend zu Unrecht eine Retaxierung vor. Vertragswidriges Verhalten nach der Bestimmung des § 5 Abs. 2 RV berechtigt die Beklagte nicht in jedem Fall zu der vorgenommenen Kürzung.
Bei unklarer ärztlicher Verordnung hinsichtlich Packungsgröße, Menge je Packung, Darreichungsform oder bei einer Arzneiverordnung nur unter der Wirkstoffbezeichnung bestehen nach Maßgabe der §§ 3, 4, 5 des Rahmenvertrages der Spitzenverbände sowie nach § 3 Teil II ALV bestimmte Verhaltenspflichten des Apothekers zur Sicherstellung einer preisgünstigen Arzneiversorgung. So ist nach § 5 Abs. 2 des Rahmenvertrages der Apotheker verpflichtet, die nächst kleinere Packung oder ein Vielfaches dieser Packung, jedoch nicht mehr als die verordnete Menge, abzugeben und zu berechnen, wenn die verordnete Menge vom Inhalt einer Packung abweicht. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Arzt durch einen besonderen Vermerk auf die Abweichung hinweist.
Der Kläger hat auch gegen diese Bestimmung des § 5 Abs. 2 RV verstoßen, als er den Versicherten E. und M. exakt die verschriebenen Verordnungsmengen auslieferte. Die verschriebenen Mengen wichen vom Inhalt der Packungen ab. Es befand sich hinsichtlich der Abweichung auch kein besonderer Vermerk des Arztes auf der Verordnung, dass exakt die genannte Menge und keine andere abgegeben werden soll. Eine Stückelung in Form der Abgabe unterschiedlicher Packungsgrößen, wie sie vom Kläger vorgenommen worden ist, ist nicht vom Wortlaut der Regelung umfasst. Nach § 5 Abs. 2 RV darf immer nur eine Packungsgröße abgegeben werden. § 5 Abs. 2 RV untersagt es damit dem Apotheker, die verordnete Menge in (regelmäßig teureren) Teilmengen abzugeben. Schutzzweck dieser Bestimmung ist damit allein das Wirtschaftlichkeitsgebot.
Der Verstoß gegen § 5 Abs. 2 RV berechtigt die Beklagte jedoch nicht in jedem Fall zu einer Retaxierung. Bei Verstößen gegen die Vertragspflichten des Rahmenvertrages bzw. des Arznei-Lieferungsvertrages sieht der Rahmenvertrag grundsätzlich als Sanktion nur die Vertragsmaßnahmen des § 7 Abs. 1 RV vor. Danach können die zuständigen Landesverbände der Krankenkassen 1. eine Verwarnung, 2. eine Vertragsstrafe bis zu 50.000,- DM aussprechen; bei gröblichen und wiederholten Verstößen sieht der Rahmenvertrag den Ausschluss des Apothekenleiters von der Versorgung der Versicherten bis zur Dauer von zwei Jahren vor (3.). Die Landesverbände der Krankenkassen können diese Sanktionen nur nach Anhörung des Betroffenen und im Benehmen mit dem zuständigen Mitgliedsverband aussprechen. Eine entsprechende Regelung enthält § 13 AVL mit der Besonderheit, dass von der Anhörung des Landesapothekervereins im Einzelfall abgesehen werden kann.
Damit haben die Parteien des Rahmenvertrages festgelegt, welche Vertragsmaßnahmen im Falle einer Vertragsverletzung ergriffen werden können. Es stehen also die Verwarnung, eine Vertragsstrafe oder der Ausschluss des Apothekers zur Wahl. Der Begriff "können" bringt in diesem Zusammenhang nichts anderes zum Ausdruck als die Möglichkeit, zwischen den verschiedenen ausdrücklich aufgezählten Sanktionsmaßnahmen auszuwählen. Wenn in einem Vertrag ein Katalog spezieller Sanktionen für den Fall eines Vertragsverstoßes geregelt ist und ein Hinweis auf weitere Rechte, die einer Vertragspartei an anderer Stelle eingeräumt sind, fehlt, ist dieser normierte Katalog abschließend zu verstehen. Innerhalb dieses Sanktionskatalogs ist dem zuständigen Landesverband der Krankenkasse ein weitgehend freies Ermessen eingeräumt. Dieses Ermessen hat sich aber innerhalb des gesetzten Rahmens der Sanktionsmaßnahmen und der damit verbundenen Zielrichtung zu bewegen.
Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung findet überwiegend auch keine Rechtsgrundlage in § 10 ALV. § 10 ALV legt die formellen Voraussetzungen für Rechnungsberichtigungen und Taxbeanstandungen fest, insbesondere die von den Beteiligten einzuhaltende Fristen. Diese Norm zum Verfahrensweg sagt jedoch nichts darüber aus, wann eine Taxberichtigung zulässig ist. Dies erschließt sich erst aus dem Zusammenhang mit den weiteren Vertragsregeln. Die Frage, wie im Falle einer Taxberichtigung vorzugehen ist, steht im Zusammenhang mit den Regelungen zur Rechnungslegung. Die Taxberichtigung kommt zumindest dann in Betracht, wenn ein Apotheker den Abgabepreis für ein Arzneimittel falsch berechnet hat oder ggf. ein sonstiger Abrechnungsfehler aufgetreten ist. Die Taxberichtigung dient der Korrektur einer unrichtigen Abrechnung. Somit legen der RV bzw. der ihn ergänzende ALV ein ausgewogenes Instrumentarium für Leistungsstörungen jeglicher Art fest: Sofern das Arzneimittel nicht ordnungsgemäß verordnet wurde bzw. nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst ist, entsteht kein vertraglicher Anspruch auf Bezahlung der Leistung. Bei Verstößen von Apothekern gegen die Vertragspflichten stehen dem zuständigen Landesverband der Krankenkasse die Sanktionsmaßnahmen des § 7 RV zur Verfügung. Bei Unklarheiten im Rahmen der Abrechnung gibt es die Möglichkeit zur Rechnungs- und Taxberichtigung. Allerdings ist in diesem Rahmen zu differenzieren. Der Kläger kann eine Vertragsverletzung dadurch begehen, dass er das Medikament exakt entsprechend der ärztlichen Verordnung abgibt und sich dabei auch wirtschaftlich gegenüber der Krankenkasse verhält, indem er die wirtschaftlichste Packung abgibt (Fälle 2- 4). Die Vertragsverletzung kann aber auch (wie im ersten Fall) auf einem doppelten Regelungsverstoß beruhen, dass der Kläger das Medikament zwar entsprechend der ärztlichen Verordnung abgibt, jedoch zusätzlich nicht dabei die wirtschaftlichste Abgabeform wählt (Abgabe von 15 Einzelpackungen statt einer Packung N2 und fünf Packungen N1). In den Fällen 2 – 4 unterließ der Kläger lediglich die erforderliche Gegenzeichnung durch den verordnenden Arzt, dass exakt die Menge an den Versicherten auszugeben ist. Der Beklagten war insofern kein wirtschaftlicher Nachteil entstanden. Hätte sich der Kläger jedoch im ersten Fall auch wirtschaftlich gegenüber der Beklagten verhalten, hätte er der Beklagten nur 16.247,21 DM (5 x 1.088,82 DM und 1 x 10.803,11 DM) statt 16.332,30 DM (15 x 1.088,82 DM) in Rechnung gestellt. Dies ergibt eine Differenz von 85,09 DM (43,51 EUR). Es bestand für den Kläger die Möglichkeit, sich kostengünstiger im Rahmen des Rezepts zu verhalten. Bezüglich dieses Differenzbetrages infolge der Vertragsverletzung durch die Abgabe von 15 Einzelpackungen war die Beklagte berechtigt, eine Retaxierung vorzunehmen. Denn diese Vertragsverletzung in Form einer unwirtschaftlichen Abgabe steht den Falschberechnungen bzw. Abrechnungsfehlern wirtschaftlich betrachtet so nahe, dass der Beklagten ein Regelungsinstrument eingeräumt werden muss, um solche unwirtschaftlichen Vorgänge auf dem Rechnungswege zu beheben.
Die Beklagte geht aber zu Unrecht davon aus, dass sie mit ihren weiteren Taxbeanstandungen einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann, aufgrund dessen sie zur Rückforderung bzw. Verrechnung befugt sei (Schreiben der Beklagten vom 26.2.1998). Der Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 5 Abs. 2 RV und die damit vorliegende Vertragspflichtverletzung begründet keinen Schadensersatzanspruch. Es fehlt dafür an einer Anspruchsgrundlage. Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht eine vertragliche Beziehung. Die Leistungserbringung vollzieht sich nach den für die Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen. Innerhalb dieses Systems gewährleisten Regelungen, dass die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängt. Das wird dadurch erreicht, das dem Arzt oder sonstigen Leistungserbringer für Leistungen, die er unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt, keine Vergütung zusteht. Ihre Steuerungsaufgabe könnten diese Regelungen nicht erfüllen, wenn der Arzt oder der nichtärztliche Leistungserbringer die gesetz- oder vertragswidrig bewirkte Leistung über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder einen Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag im Ergebnis dennoch vergütet bekäme (BSG, Beschluss vom 17.5.2000 - B 3 KR 19/99 B, juris). Dies bedeutet aber auch, dass dem Leistungserbringer die ihm nach den Regelungen des Vertrages an sich zustehende Vergütung nicht über die Anwendung von außervertraglich geregelten Ersatzansprüchen genommen werden kann. Die Anwendung des § 280 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB ist damit ausgeschlossen. Für einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) fehlt es an einer Rechtsgutsverletzung. Der Kläger ist auch nicht zur Rückzahlung aus Bereicherungsrecht (gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) verpflichtet. Die Bezahlung durch die Beklagte für die im Umfang von 57.456,58 DM abgegebenen Arzneimittel erfolgte nicht rechtsgrundlos. Rechtsgrund für den Anspruch auf Bezahlung der abgegebenen Arzneimittel ist – wie bereits oben ausgeführt – der ALV. Die für den Zahlungsanspruch des Apothekers geltenden besonderen Voraussetzungen nach dem ALV sind erfüllt.
Die Berufung ist demnach überwiegend begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg ist insoweit aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 8.879,02 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Zinsanspruchs gelten mangels spezieller vertraglicher Regelung die Bestimmungen des BGB. Die Beklagte ist gemäß §§ 288, 291 BGB verpflichtet, die ausstehenden Beträge zu verzinsen. Zwar hat das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass in den in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallenden Rechtsgebieten für Verzugs- und Prozesszinsen grundsätzlich kein Raum ist. Eine Ausnahme gilt jedoch für jene Zahlungsansprüche, bei denen das Gesetz eine Zinszahlung ausdrücklich anordnet (BSG, Urteil vom 13.7.1992 – 7 RA 98/90, SozR 3-7610 § 291 Nr. 1) oder bereichsspezifische Besonderheiten zu beachten sind (BSG, Urteil vom 14.12.1988 - 9/4b RV 39/87, SozR 7610 § 291 Nr. 2; BSG, Urteil vom 4.3.2004 - B 3 KR 4/03 R - juris). Letzteres ist auch hier der Fall. Für die Arzneimittelversorgung schreibt § 129 SGB V vertragliche Regelungen für die Gewährleistung einer wirtschaftlichen Abgabe von Arzneimitteln in Apotheken vor. Ein Anspruch auf Prozesszinsen steht mit diesem Wirtschaftlichkeitsgebot der Abgabe nicht im Widerspruch. Die Modalitäten des Vergütungsanspruchs richten sich mangels einer Regelung im Rahmenvertrag nach dem ALV. In diesem Vertragswerk selbst sind Verzugszinsen bzw. Prozesszinsen nicht aufgenommen. Die untergesetzliche Regelung kann jedoch als ergänzungsfähig und nicht abschließend angesehen werden, da die Modalitäten des Vergütungsanpruchs nicht abschließend und völlig abweichend vom BGB geregelt sind. Bis zur Neufassung des § 69 SGB V seit 1.1.2000 (durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999 – BGBl. I 2626) wurde mit Ausnahme des Vertragsarztrechts sowie des Krankenhausrechts überwiegend die zivilrechtliche Natur von Verträgen mit Leistungserbringern bejaht (vgl. BSG, Urteil vom 10.7.1996 - 3 RK 29/95, SozR 3-2500 § 125 Nr. 6). Insofern können ergänzend die Bestimmungen des BGB angewandt werden. Seit der Neufassung nimmt die Regelung in § 69 Satz 3 SGB V ausdrücklich Bezug auf die Anwendung der BGB-Vorschriften, soweit die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Vierten Kapitel des SGB V vereinbar sind.
Allerdings verbleibt es bei einem Zinssatz von 4%. Für die am 1. Mai 2000 bereits fälligen Leistungen gilt gem. Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3 EGBGB (in der Fassung vom 27.6.2000) noch der Zinssatz von 4%. Der Anspruch auf Prozesszinsen steht dem Kläger ab 27. Dezember 1999 zu, weil an diesem Tag die Klage beim Sozialgericht eingegangen und daher die sozialgerichtliche Rechtshängigkeit nach § 94 SGG eingetreten ist. Der vertragliche Zahlungsanspruch war jedenfalls auch am 27.12.1999 fällig. Er ist bereits zehn Tage nach Eingang der Rechnung (§ 8 ALV) fällig geworden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Eine Kostenquotelung erscheint nicht angemessen, da der Kläger im Verhältnis zur zugesprochenen Summe nur marginal (in Höhe von 43,51 EUR) unterlegen ist.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat.
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