L 6 V 34/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 6 (12) V 119/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 V 34/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 28. Mai 1997 abgeändert. Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 6. August 1990 und 27. Juni 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 1994 verurteilt, Schadensausgleich nach einem Vergleichseinkommen nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 zuzüglich des Ortszuschlags nach Stufe 2 des Bundesbesoldungsgesetzes zugewähren. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichenKosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, nach welchem Vergleichseinkommen (VE) der der Klägerin zu gewährende Schadensausgleich nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu bemessen ist.

Die Klägerin ist die Witwe des im Juli 1918 geborenen und im Januar 1990 im Alter von 72 Jahren verstorbenen Tierarztes Dr. B ... L ... (im folgenden: Beschädigter).

Der Beschädigte bezog wegen der Schädigungsfolgen

1. Doppelseitige, rechts produktiv-indurative, links produktiv-bronchiektatische Lungentuberkulose;
2. Thorakoplastik links bei erheblicher Rippenschwellschwarte;
3. Rechtsherzschädigung erheblichen Grades

Versorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit(MdE) um 100 v.H. (Bescheide vom 23. Dezember 1955 und 10. September 1971) sowie - seit März 1976 - Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe II (Bescheid vom 17. Mai 1976). Des weiteren bezog er seit 1960 Berufsschadensausgleich, zuletzt nach einem VE der Besoldungsgruppe A 15 zuzüglich Ortszuschlag Stufe 2 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) (Bescheide vom 17. Mai 1962 und 24. März 1977).

Nachdem er im Januar 1990 an einer auf die Schädigungsfolgen zurückzuführenden respiratorischen Globalinsuffizienz verstorben war, bewilligte der Beklagte der Klägerin auf Antrag zunächst Witwenrente (Bescheid vom 08. Mai 1990) und hernach Ausgleichsrente sowie Schadensausgleich nach einem VE des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 15 des BBesG zuzüglich des Ortszuschlages Stufe 2, gekürzt auf 75% (Bescheid vom 06. August 1990).

Mit ihrem hiergegen am 28. August 1990 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Schadensausgleich sei nach der Sondervorschrift des § 40a Abs. 3 Satz 1 BVG i.V.m. der Verwaltungsvorschrift (VV) Nr. 5 zu dieser Vorschrift zu berechnen, da der Beschädigte in einem Umfang hilflos gewesen sei, der demjenigen der Pflegezulage Stufe III entspreche, ohne allerdings eine solche Leistung bezogen oder beantragt zu haben. Diese Hilflosigkeit habe vor dem Tod für einen Zeitraum von mehr als sechs Mona ten bestanden. Zur Begründung legte sie u.a. einen Bericht des behandelnden Arztes D ... aus O ... vom 25. Oktober 1989 vor, den dieser zu einem Antrag des Beschädigten auf Leistungen wegen Schwerstpflegebedürftigkeit erstellt hatte. Hierin ist die Rede von einer starken Luftnot bei geringster körperlicher Anstrengung, von einem körperlichen Abbau, einer starken Schwäche und Gewichtsabnahme, Appetitlosigkeit, völlige Abmagerung und einem Morbus Parkinson. Die Prognose sei fraglich bis schlecht, in absehbarer Zeit sei keine Besserung zu erwarten, eher eine Verschlimmerung; vielleicht sei durch die aktuelle Behandlung eine Besserung in ab sehbarer Zeit möglich. In dem ebenfalls vorgelegten Behandlungs bericht des M ... B ... L ..., wo der Beschädigte nach 14-tägiger stationärer Behandlung am 18. Januar 1990 verstorben war, heißt es u.a., dass ein progredientes, generalisiertes Lungenemphysem bestanden habe, das im letzten Jahr zu einer erheblichen Gasaustauschstörung, einem sogenannten Posttuberkulosesyndrom, geführt habe.

Der Beklagte lehnte die begehrte Neuberechnung des Schadensausgleiches nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme seines beratenden Arztes Dr. O ... aus M ... ab, weil eine nicht nur vorübergehende Hilflosigkeit nach Stufe III aus den aktenkundigen Unterlagen nicht erkennbar sei (Bescheid vom 27. Juni 1994). Unter Einbeziehung dieses Bescheides wies er so dann aus denselben Gründen den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 11. August 1994).

Mit ihrer am 22. August 1994 beim Sozialgericht (SG) eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt: Obwohl ein An trag auf Gewährung einer Pflegezulage aus ungeklärten Gründen unterblieben sei, habe beim Beschädigten in den letzten Monaten vor dem Tode ein so schweres Krankenlager bestanden, dass zumindest die Voraussetzungen der Pflegestufe III erfüllt gewesen seien. Dieser Zustand habe mindestens seit Mitte 1989 vorgelegen. Die Leistungsvoraussetzungen seien aber auch dann erfüllt, wenn dieser Zustand zwar nicht für mehr als sechs Monate bestanden habe, ohne den Tod indes mehr als sechs Monate bestanden hätte.

Zur weiteren Begründung hat sie erneut ein Attest des Arztes D ... vorgelegt, worin es heißt, der Gesundheitszustand des Beschädigten habe sich im letzten halben Jahr infolge des progredienten Lungenemphysems und der Herzschädigung bedeutend verschlechtert; er habe unter großer Luftnot gelitten; hinzu sei es zu einer Gewichtsabnahme von 80 kg auf 51,5 kg gekommen, die ihn sehr geschwächt sich habe; Luftnot und Schwäche hätten ihn gezwungen, fast den ganzen Tag zu liegen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06.08.1990 unter Einschluß des Bescheides vom 27.06.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.08.1994 zu verurteilen, ihr Schadensausgleich gemäß § 40a Abs. 3 BVG nach der Besoldungsgruppe A 14 zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, ein Zustand der Hilflosigkeit entsprechend der Stufe III für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten könne nicht als nachgewiesen angesehen werden, zumal auch erst im Oktober 1989 ein Antrag auf Leistungen wegen Schwerstpflegebedürftigkeit gestellt worden sei. Es könne überdies nur von einer vorübergehenden Hilflosigkeit ausgegangen werden, die aufgrund der zwangsläufigen weiteren Entwicklung der Erkrankung noch vor Ablauf von sechs Monaten zum Tode geführt habe.

Nach Einschätzung der vom SG befragten Sachverständigen Dr. L ..., Internistin im Knappschaftskrankenhaus R ...h ..., lag ein Zustand der Hilflosigkeit der Stufe III erst ab September 1989, also etwa vier Monate vor dem Tode, nachweislich vor. Dagegen, dass ein solcher Zustand bereits früher vorgelegen habe, spreche insbesondere, dass der Beschädigte noch in der Lage gewesen sei, sich im August 1989 einer umfangreichen stationären Diagnostik in Bad W./L. zu unterziehen. Auf dieser Grundlage hat das SG die Klage abgewiesen, weil ein Zustand der Hilflosigkeit der Stufe III für mehr als sechs Monate nicht erwiesen sei. Auch die Prognose, ein solcher Zustand hätte ohne den Tod vorgelegen, könne zu keinem anderen Ergebnis führen, wenn der Tod durch die die Hilflosigkeit verursachenden Gesundheitsstörungen eintrete (Urteil vom 28. Mai 1997, den Bevollmächtigten der Klägerin am 12. Juli 1997 zugestellt).

Mit ihrer Berufung vom 18. Juli 1997 hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt: Beim Beschädigten habe seit etwa zwei Jahren vor dem Tod eine ständige Bettlägerigkeit bestanden; die Untersuchung im August 1989 in Bad W. sei nur unter außergewöhnlichen Anstrengungen und mit erheblichen Hilfeleistungen der Klägerin durchzuführen gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 28.05.1997 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06.08.1990 unter Einschluß des Bescheides vom 27.06.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.08.1994 zu verurteilen, ihr Schadensausgleich gemäß § 40 a Abs. 3 BVG nach der Besoldungsgruppe A 14 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint weiterhin, die von der Klägerin begehrte Berechnung des Schadensausgleiches könne nicht erfolgen, da die einschlägigen Vorschriften Witwen nur vor den negativen Folgen eines plötzlich und unerwartet eintretenden Todes schützen sollten. Hier sei der Tod aber nicht Folge eines unerwartet von außen hinzutretenen Ereignissen gewesen, sondern Schlußpunkt einer kontinuierlichen Verschlechterung der Lungenfunktionsstörung. Der Krankheitsverlauf sei üblich und zu erwarten gewesen; ein außergewöhnlicher Krankheitsverlauf sei nicht festzustellen.

Der Senat hat Befundberichte von Dr. B ..., Chefarzt des R ... in B .../L ..., und von Prof. Dr. M ..., Chefarzt des Marien-Krankenhauses in Bad Lippspringe, eingeholt. Dr. B ... hat gemeint, der im August 1989 festgestellte klinische Befund mit zunehmender Kachexie habe schon damals für eine schlechte Prognose gesprochen, zumal da zusätzlich Hinweise auf eine beginnende Parkinson sche Erkrankung vorlagen. Es sei damals eine Lebenserwartung von etwa ein bis zwei Jahren anzunehmen gewesen (Befundbericht vom 30. Dezember 1997). Prof. Dr. M ... hat mitgeteilt, dass bei der Aufnahme im M.-Krankenhaus im Januar 1990 bereits ein Pflegebedürfnis vorgelegen habe, dass zumindest mit demjenigen bei Verlust beider Hände oder Unterarme zu vergleichen sei. Obwohl es sich um eine fortschreitende chronische Erkrankung gehandelt habe, sei noch zum Zeitpunkt der Einweisung Anfang Januar 1990 die Prognose ungewiß gewesen. Es habe ein Dauerzustand vorgelegen, der sich allmählich weiter verschlechtern würde. Die dramatische Verschlechterung, die zum Tode geführt habe, sei zum Zeitpunkt der Aufnahme noch nicht abzusehen gewesen. Unter günstigen Umständen wäre es auch denkbar gewesen, dass es während der stationären Behandlung zu einer dauerhaften Stabilisierung auf sehr niedrigem Niveau hätte kommen können.

Wegen der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten (W-Akten, Grdlnr ...; B-Akten, Grdlnr ... sowie auf die Vorprozeßakten des SG Münster, Az.: S 6 V 122/88) Bezug genommen. Sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, weil die Klägerin durch die Bescheide vom 06. August 1990 und 27. Juli 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 1994 beschwert ist, §§ 86 Abs. 1, 95, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Diese Bescheide sind rechtswidrig, weil entgegen der Entscheidung des Beklagten ein Anspruch der Klägerin auf Berechnung des Schadensausgleichs nach einem - ungekürzten - VE entsprechend dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 zuzüglich Ortszuschlag Stufe 2 BBesG besteht, § 40a Abs. 3 Satz 1, 89 Abs. 1 BVG.

Danach ist die von der Klägerin begehrte Berechnung des Schadensausgleiches vorzunehmen, wenn der Beschädigte im Zeitpunkt seines Todes Anspruch auf die Rente eines Erwerbsunfähigen und auf eine Pflegezulage mindestens nach Stufe III wegen nicht nur vorüber gehender Hilflosigkeit hatte. Der Beschädigte, der im Zeitpunkt seines Todes Anspruch auf die Rente eines Erwerbsunfähigen (§ 31 Abs. 3 Satz 2 BVG) hatte, hatte zwar schon mangels eines entsprechenden Antrages keinen Anspruch auf Pflegezulage, so dass § 40a Abs. 3 Satz 1 keine unmittelbare Anwendung findet. Indes kann der Unterschiedsbetrag beim Schadensausgleich im Wege des Härteausgleichs nach § 89 Abs. 1 BVG gewährt werden, wenn der Beschädigte im Zeitpunkt des Todes nicht nur vorübergehend entsprechend hilflos war, ohne dass dies zu einem Anspruch auf entsprechende Leistung geführt hat, VV Nr. 5 zu § 40a BVG. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Auch wenn der Wortlaut des § 40a Abs. 3 Satz 1 BVG nicht eindeutig ist, so wird aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die die Begünstigung von durch Pflegebedürftigkeit des Ehemannes besonders beanspruchten Witwen beabsichtigt (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 02.10.1975, Az: 10 RV 145/75), deutlich, dass die nicht nur vorübergehende Hilflosigkeit eine solche der Stufe III sein muß. Es genügt also zur Anwendung dieser Sondervorschrift nicht, dass für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten Hilflosigkeit (zumindest der Stufe I) vorlag und dann jedenfalls ein für einen Monat vor dem Tode (vgl. VV Nr. 11 zu § 35 BVG) der Stufe III entsprechendes Ausmaß der Hilflosigkeit gegeben war.

Bei Auswertung der erhobenen Beweise spricht einiges dafür, dass beim Beschädigten im Zeitpunkt des Todes bereits für mehr als sechs Monate - also mindestens ab Anfang Juli 1989 - der für einen Anspruch auf Gewährung einer Pflegezulage der Stufe III erforderlicher Zustand der Hilflosigkeit vorlag, § 40a Abs. 3 Satz 2 BVG. Dafür sprechen die Angaben des behandelnden praktischen Arztes D. in den verschiedenen Arztberichten, worin u.a. von einer erheblichen Befundverschlechterung, von einem zunehmenden Abbau bei hinzugekommenen cerebralen Durchblutungsstörungen, Parkinsonismus sowie einer Gewichtsabnahme unklarer Genese ab 1988 die Rede ist. Dafür sprechen auch die Angaben des Prof. Dr. M ... im Befund- und Behandlungsbericht vom 14. Februar 1990, worin es heißt, der Beschädigte habe in den letzten Monaten und Jahren 23 kg an Gewicht verloren, gleichzeitig habe die vorbestehende Atemnot bei geringster körperlicher Belastung zugenommen, vor allem wohl durch die zunehmende Kachexie, verbunden mit dem Abbau von Atemmuskulatur. Auch Dr. B ..., der den Beschädigten im August 1989 untersucht hatte, hat von einer weitgehenden Bettlägerigkeit bei zunehmender Schwäche mit Entwicklung einer Kachexie berichtet. Allerdings sieht der Senat auch unter Berücksichtigung der Schwierigkeit retrospektiver Beurteilung allein aufgrund dieser Befundunterlagen den vollen Nachweis eines entsprechenden Ausmaßes der Hilflosigkeit für eine Dauer von mehr als sechs Monaten noch nicht als erbracht an, sondern hält es nach den Schilderungen der gehörten Ärzte durchaus für denkbar, dass zu dieser Zeit erst ein Zustand der Hilflosigkeit nach den Stufen I oder II vorlag.

Im Ergebnis kommt es darauf jedoch deshalb nicht entscheidend an, weil ein entsprechendes Ausmaß der Hilflosigkeit jedenfalls für den Zeitraum ab September 1989 erwiesen ist und diese im Erlebens falle mehr als sechs Monate vorgelegen hätte, VV Nr. 4 zu § 40a BVG.

Gegen die rechtliche Wirksamkeit dieser Verwaltungsvorschrift, die die Anspruchsberechtigung erweitert, bestehen keine Bedenken, so dass sich die Klägerin schon unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung des Beklagten auf sie als zusätzliche Anspruchsgrundlage berufen kann (so auch: LSG NW, Urteil vom 16.12.1993, Az. L 7 V 55/93).

Etwa ab September 1989 bestand beim Beschädigten ein Ausmaß von Hilflosigkeit, das mindestens demjenigen der Stufe III entsprach, wobei es sich im Ergebnis um eine Mischform von - beinahe - dauerndem Krankenlager und dem Erfordernis außergewöhnlicher Pflege (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 BVG in der 1990 geltenden Fassung, jetzt: § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG) handelte. Der Senat hat keine Bedenken, hiervon in Würdigung aller Umstände (vgl. VV Nr. 1 zu § 35 BVG) - wie das SG und auch der Beklagte - mit an Sicherheit grenzender vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit auszugehen. Die entsprechende in Auswertung aller verfügbaren Befundunterlagen getroffene Bewertung der Sachverständigen Dr. L ... ist stimmig und nachvollziehbar. Danach ist es im September zu einer weiteren erheblichen Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes, die wesentlich auch auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen war, gekommen, die die sofortige Anschaffung eines Sauerstoffgerätes er forderte und zu einem Antrag auf Gewährung von Leistungen bei Schwerstpflegebedürftigkeit führte. Der behandelnde Arzt D ... hat für diesen Zeitpunkt eine weitere bedeutende Befundverschlechterung infolge des progredienten Lungenemphysems und der Herzschädigung sowie des starken Gewichtsverlustes bestätigt. Das Gesamtausmaß der wesentlich auf den Schädigungsfolgen, aber zusätzlich auch auf dem progredienten Morbus Parkinson beruhenden Hilflosigkeit entsprach hiernach - wie auch die Ausführungen von Dr. B ... und insbesondere Prof. Dr. M ... belegen -, mindestens demjenigen bei Verlust beider Hände oder Arme im Unterarm (vgl. VV Nr. 10 Satz 2 zu § 35 BVG).

Dieses Ausmaß der Hilflosigkeit hätte im Erlebensfalle auch mehr als sechs Monate vorgelegen. Entscheidend ist nicht, ob die tatsächliche Dauer dieses Zustandes länger als sechs Monate betrug, sondern ob diese Pflegebedürftigkeit ihrem Wesen nach einen Dauerzustand darstellte, also auf eine längere Dauer als sechs Monate angelegt war (vgl. Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 23. Februar 1973, abgedruckt in BVBl. 1973 S. 36 Nr. 31; Vorberg-van Nuis, Das Recht der Kriegs beschädigten und Kriegshinterbliebenen, V. Teil: Hinterbliebenenversorgung, S. 37 f.), ob also zu erwarten gewesen wäre, dass ohne den Tod dauernde Hilflosigkeit mindestens der Stufe III für mehr als sechs Monate vorgelegen hätte. Die danach gebotene prognostische Einschätzung des hypothetischen Verlaufs ergibt in Auswertung der gutachterlichen Stellungnahmen der Dres. Bremer und Prof. M ... gerade nicht, dass es sich bei dem ab etwa September 1989 nachgewiesen schlechten Gesundheitszustand um ein vorübergehendes Durchgangsstadium, an das sich zeitnahe der Tod anschließen würde, handelte (so lag der Fall beim Urteil des Senats vom 11. November 1986, Az. L 6 V 51/86; vgl. auch Ziff. 21 (8), 18 (6) der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AP) 1983 und 1996), sondern dass im Gegenteil noch eine Lebenserwartung von etwa ein bis zwei Jahren vorlag. Damit bestand - was der Beklagte offenbar als bedeutend einstuft - für die Klägerin spätestens im September 1989 die Notwendigkeit, sich auf einen längeren, jedenfalls mehr als sechs Monate andauernden Zustand erheblich gesteigerter Pflegebedürftigkeit ihres Mannes einzustellen. Selbst 14 Tage vor dem Tod - also bei der stationären Einweisung am 04. Januar 1990 - war dieser keinesfalls als zeitnah eintretend abzusehen, wie Prof. Dr. M ... bescheinigt.

Anders als das SG und der Beklagte meinen, kommt es nicht darauf an, ob der Tod auf Umständen beruht, die mit den Schädigungsfolgen und der durch diese wesentlich mitbedingten Hilflosigkeit in keinem Zusammenhang stehen, der Tod also plötzlich und unvorhergesehen also z.B. durch einen Verkehrsunfall eingetreten ist. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob der Tod innerhalb der genannten Sechsmonatsfrist voraussichtlich eingetreten wäre, ob also gemäß Ziff. 18 (6) AP die die Hilflosigkeit wesentlich bedingende Gesundheitsstörung in so rascher Entwicklung zum Tode führt, dass bei natürlicher Betrachtungsweise der Eintritt der Gesundheitsstörung und der Tod einen einheitlichen Vorgang darstellen. Erst wenn eine derartige Prognose gerechtfertigt ist, ist die Folgerung berechtigt, es habe sich i.S. der gesetzlichen Wertung um einen nur vorübergehenden Zustand gehandelt.

Schließlich ist das in § 40a Abs. 3 BVG vorgesehene VE für die Klägerin auch günstiger, obwohl sie bereits Schadensausgleich nach einem dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 15 zuzüglich des Ortszuschlags nach Stufe 2 BBesG berechneten VE erhält. Denn anders als dieses wird jenes nicht in Anwendung von § 8 Ziff. 1 Berufsschadensausgleichsverordnung nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Beschädigten auf 75 v.H. gekürzt (einhellige, offenbar unbestrittene Auffassung infolge des Rundschreibens des BMA vom 16. Juli 1970, abgedruckt in BVBl. 1970, S. 83 Nr. 41: Vorberg-van Nuis S. 36 unten; Rohr-Strässer, Bundesversorgungsgesetz mit Verfahrensrecht, Handkommentar, Band II, 6. Aufl., Stand April 1998, § 14a K 18 unten; Wilke-Förster, Soziales Entschädigungsrecht, Kommentar, 7. Aufl. 1992, § 40a Rdn. 6).

Der Anspruch ist auch unmittelbar auf die von der Klägerin sinngemäß begehrte Rechtsfolge gerichtet. Zwar handelt es sich bei der Leistungsgewährung nach der VV Nr. 5 zu § 40 a BVG i.V.m. § 89 BVG um eine Ermessensentscheidung, indes gilt die erforderliche Zustimmung des BMA für die vorliegende Fallkonstellation unabhängig von einem wirtschaftlichen Bedürfnis als allgemein erteilt, § 89 Abs. 2 BVG i.V.m. der VV Nr. 4 a zu § 89 BVG. Für diesen Fall ist eine zusätzliche Ermessensbetätigung weder erforderlich noch vor gesehen (vgl. Wilke-Fehl, § 89 Rdn. 15).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.

Anlaß, die Revision zuzulassen, sieht der Senat nicht, § 160 Abs. 2 SGG. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung, weil für die Entscheidung die konkreten Umstände des Einzelfalles maßgeblich sind, § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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