Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RA 75/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 4241/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 7. Oktober 2002 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2001 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist eine im Juni 2000 beantragte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (bzw. Berufsunfähigkeit), zu deren Zahlung das Sozialgericht die Beklagte für die Zeit ab 01.06.2002 (Leistungsfall Mai 2002) verurteilt hatte.
Die im Jahre 1951 geborene Klägerin durchlief von 1966 bis 1969 im Bereich Seifen und Parfümerien eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau und war nach Erwerb des Kaufmannsgehilfenbriefs - laut ihren Angaben - bis zum Jahre 1978 als Verkäuferin tätig, nach Inhalt der noch vorhandenen Versicherungskarten zu- erst im ehemaligen Ausbildungsbetrieb, dann in zwei Kaufhäusern und in einer Bäckerei und Konditorei. In der Akte des Arbeitsamts P. ist zum Berufsweg vermerkt: April 1969 bis September 1974 Verkäuferin, Dezember 1974 bis Oktober 1975 Kassiererin, März 1976 bis April 1979 Verkauf/Kasse und April 1979 bis April 1985 Hausfrau. Laut Angaben der Klägerin wurde die letzte Beschäftigung wegen Umzugs aufgegeben.
Vom 01.09.1985 bis 31.08.1987 war sie nach dreimonatiger Anlernzeit als "Pflegerin für Hauswirtschaft"/Hauswirtschaftshilfe in einer Diakoniestation beschäftigt. Die vom Arbeitsamt angebotene Umschulung zur Altenpflegerin in der Zeit vom 02.11.1987 bis 31.10.1988 brach die Klägerin nach wenigen Tagen wegen zu hoher Anforderung des ersten theoretischen Ausbildungsblocks ab. Ab 01.09.1987 bezog sie zunächst Arbeitslosengeld, dann Arbeitslosenhilfe und zwischenzeitlich auch Krankengeld, unterbrochen lediglich noch durch die letzte Beschäftigungszeit vom 01.04. bis 31.05.1988 als Sterilisationsgehilfin in der Universitäts-Zahnklinik W ... Wiederholte Versuche des Arbeitsamtes in den Jahren 1998 und 1999, eine berufliche Eingliederungsmaßnahme durchzuführen, scheiterten zunächst an der Befürchtung der Klägerin, dies könne sich nachteilig auf ihr Rentenverfahren (damalige Klage) auswirken, und danach an angeblicher Überforderung und Krankmeldungen.
Dem ersten Rentenantrag der Klägerin vom 16.10.1996 war kein Erfolg beschieden. Nach ablehnendem Bescheid der Beklagten vom 13.03.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.1998 folgte ein klageabweisendes Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.08.1998 - S 28 RA 47/98 -; die beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegte Berufung L 3 RA 80/98 wurde nach nochmaliger Beweisaufnahme auf medizinischem Gebiet im August 1999 zurückgenommen.
Ein im gleichen Monat beim Amt für Versorgung und Familienförderung (AVF) L. gestellter Antrag, den bisherigen Grad der Behinderung von 40 wegen Leidensverschlimmerung anzuheben, wurde mit Bescheid vom 30.11.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2000 abgelehnt. (Die im April 2000 erhobene Klage vor dem Sozialgericht Landshut S 2 SB 254/00 wurde nach Begutachtung im Januar 2002 zurückgenommen).
Ihren zweiten Rentenantrag stellte die Klägerin bei der Beklagten am 08.06.2000. Bei der von der Beklagten veranlassten Begutachtung gab die Klägerin häufige Kopfschmerzen, Schmerzen in der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung in beide Schultern und mit pelzigem Gefühl in beiden Händen, Schmerzen in der Brustwirbelsäule beim Laufen, ständige Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, die in beide Leisten und in den rechten Oberschenkel ausstrahlten, sowie Beschwerden an der rechten Schulter und beiden Handgelenken an. Der Chirurg Dr. W. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 18.07.2000 degeneratives Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom, Bandscheibenvorfall bei C3/C4, muskuläre Dysbalance, leichtes Impingement-Syndrom der rechten Schulter, initiale Gonarthrose rechts, Neigung zu Tendinitis beider Handgelenke und Neigung zu Epicondylopathie rechts. Er hielt es für zumutbar, dass die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen im Wechselrythmus, ohne häufiges Bücken und ohne Arbeiten über Kopf vollschichtig verrichte; als Altenpflegerin erscheine sie nicht mehr geeignet. Der Internist Dr. H. stellte in seinem Gutachten vom 07.08.2000 an Gesundheitsstörungen einen Diabetes mellitus Typ 2a sowie eine chronische Refluxösophagitis bei axialer Hiatushernie fest und sah deswegen eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht für gegeben.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14.09.2000 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit ab, weil die Klägerin noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verfüge und zudem auch in der Lage sei, in der ihr zumutbaren Beschäftigung als Verwaltungsangestellte (Bürohilfe) vollschichtig tätig zu sein.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, aufgrund ihrer vielseitigen schweren Erkrankungen könne sie nicht mehr vollschichtig arbeiten, immer wieder müsse sie längere Ruhepausen einlegen, um die Schmerzen zu lindern und neue Kraft zu schöpfen. Zur weiteren Klärung der Angelegenheit verwies sie auf Behandlungen bei mehreren Ärzten.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten zog daraufhin Befundberichte bei und veranlasste - offenbar wegen eines bescheinigten chronischen Schmerzsyndroms (Verdacht auf Fibromyalgiesyndrom) - eine Untersuchung durch den Neurologen und Psychiater Dr. K ... Bei diesem brachte die Klägerin vor allem rezidivierende und zunehmende Wirbelsäulenbeschwerden mit Betonung im Kreuz- und Nacken-/Schulterbereich vor, daneben häufige Kopfschmerzen. Der Sachverständige stellte aufgrund mehrerer technischer Befunde und der körperlichen Untersuchung der Klägerin in seinem Gutachten vom 15.01.2001 ein Cervicalsyndrom mit sensibler Wurzelreizung C7 rechts, einen rezidivierenden Kreuzschmerz mit älterer Wurzelirritation S1 rechts, ein cervicocephales Syndrom und einen Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung fest. Zugleich wies er aber darauf hin, dass eine floride Schädigung der Wurzel C7 mit Nachweis entsprechender Veränderungen sich im EMG nicht finde, ebensowenig hinsichtlich der Nervenwurzel S1, deren Schädigung älteren Datums und Ursache für den nicht auslösbaren Achillesehnenreflex rechts sei. Der Bandscheibenvorfall im Segmentbereich C3/C4 habe nicht zu Beeinträchtigungen auf neurologischem Gebiet geführt. Für eine organische Grundlage der geklagten Kopfschmerzen fehle es nach den Untersuchungsbefunden an Hinweisen, so dass unter zusätzlicher Berücksichtigung des psychiatrischen Befundes der Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung bestehe. Die Klägerin sei für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Altenpflegerin nicht mehr geeignet, weil sie hierbei schwerere körperliche Arbeiten verrichten müsse. Leichtere körperliche Arbeiten, möglichst im Wechsel von sitzender und stehender Tätigkeit ohne einseitige Belastung, seien vollschichtig möglich. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies daraufhin den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2001 zurück, weil die Klägerin unter Zugrundelegung des Hauptberufs als Altenpflegehelferin und des Gesundheitszustandes noch vollschichtig eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne. Es lägen weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit noch die Voraussetzungen der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Sozialgesetzbuch Teil VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung vor.
Die anschließend erhobene Klage begründete die Klägerin damit, dass außer den bisher festgestellten Behinderungen chronische Sehnenscheidenentzündungen in beiden Armen bestünden und immer wieder Herzrhythmusstörungen sowie Asthma auftreten würden. Sie sei nicht mehr in der Lage, vollschichtig erwerbstätig zu sein. Ihre bisherigen beruflichen Tätigkeiten umschrieb sie nun genau mit Verkäuferin im Kaufhaus M. , H. , und im Kaufhaus S. , U. (10.04.1969 bis 30.09.1974 mit Unterbrechungen), Kassiererin bei der Firma L. , K. (02.12.1974 bis 31.10.1975), Kassiererin und Verkäuferin in K. , K. (01.03.1976 bis 30.04.1979), Hauswirtschafterin im Altenheim H. (10.01. bis 31.08.1985) und Pflegehelferin in der Diakonie H. (01.09.1985 bis 30.08.1987).
Das Sozialgericht zog die Akten des AVF L. und des Arbeitsamts P. bei und ließ vom Orthopäden Dr. L. das Gutachten vom 17.05.2002 erstellen. Diesem gegenüber gab die Klägerin zunehmende Schmerzen im Bereich der gesamten Körperoberfläche, angefangen von der Halswirbelsäule und dem Hinterkopf mit Ausstrahlung bis in die Arme an, außerdem Schmerzen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in die Leistenregion sowie Knieschmerzen. Die Schmerzen ließen sich nicht exakt lokalisieren, es seien einfach Dauerschmerzen, die häufig an Intensität und Lokalisation wechselten und immer, auch in Ruhe, vorhanden seien. Die Greiffunktion der Hände sei durch Schmerzen, die durch Anfassen von Gegenständen entstünden, so stark herabgesetzt, dass sie keine Tätigkeit mit Einsatz von Kraft durchführen könne. Aber auch einfache Tätigkeiten im Haushalt seien wegen Schmerzen in den Händen allenfalls nur kurzfristig ausübbar. Der Schlaf sei gestört, sie müsse sich nachmittags wegen ständiger Müdigkeit hinlegen. Aufgrund der konstanten Müdigkeit und Erschöpfung sei die psychische Leistungsfähigkeit schon seit Jahren erheblich reduziert. Die Konzentrationsfähigkeit, die Merkfähigkeit, die Belastungsfähigkeit für Alltagssituationen und das Zeitgedächtnis seien schlecht geworden. Früher ein gesellschaftsorientierter Mensch, ziehe sie sich zunehmend zurück, weil sie aus Schmerzgründen eigentlich an gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht mehr teilnehmen wolle oder könne. Dr. L. stellte eine schmerzbedingte aktive, aber nicht passive Bewegungseinschränkung der Arme (Hebung bis 90 bzw. 120 Grad seitwärts und 160 Grad nach vorne), eine Schwächung der groben Kraft der Hände, eine endgradige Bewegungseinschränkung des Kopfes, eine mittelgradige Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule (u.a. Finger-Boden-Abstand 35 cm) fest, außerdem, dass 16 tender points im Bereich des oberen Rumpfabschnitts und der Arme positiv gewesen seien; ebenso fänden sich solche Zeichen bei den Kniegelenken. Er diagnostizierte anhand der ärztlichen Vorbefunde, der Angaben der Klägerin, der gezeigten Bewegungseinschränkungen und einer angenommenen allgemeinen geistigen Leistungseinbuße aufgrund chronischer Müdigkeit und Erschöpfungssyndroms eine schwerwiegende Form der Fibromyalgie. Bei der ausreichenden Bewegungsfähigkeit der meis-ten Gelenke und der ausreichenden Kraftausübung sei zu beachten, dass Fibromyalgie-Betroffene in aller Regel Dauerleistungen nicht mehr erbringen könnten. Zu berücksichtigen sei auch der Mangel an psychischer Belastungsfähigkeit, so dass die Klägerin nicht in der Lage sei, einer regelmäßigen beruflichen Tätigkeit jedweder Art nachzugehen.
Die Beklagte bemängelte an dieser Einschätzung, dass der Klägerin nach den körperlichen Befunden leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Arbeiten über Kopf und ohne besondere Anforderungen an die Kraftentfaltung möglich seien, aber sich die orthopädische Beurteilung des Dr. L. vorwiegend an einem subjektiven Schmerzsyndrom orientiere und hierzu entscheidungserhebliche einschlägige Angaben vermisst würden.
Hierzu nahm Dr. L. am 12.07.2002 dahingehend Stellung, dass es Wesen der Grunderkrankung sei, dass sich die Diskrepanz zwischen Beweglichkeit/Kraft und Dauerleistungsmöglichkeit aus der muskoskelettalen Schmerzspirale erklären lasse. Die Frage nach der Schmerzmedikation sei vorliegend ohne Belang, weil auch regelmäßig eingenommene hohe Dosen keine Wirkung bei Fibromyalgie im fortgeschrittenen Stadium zeigten. Nachdem bereits zwei neurologisch-psychiatrische Fachgutachten erstattet worden seien, die keine fachbezogene Erkrankung nennenswerter Art festgestellt hätten, sei eine Wiederholung nicht zu empfehlen. Die Fibromyalgie sei nach ärztlicher Erkenntnis keine Erkrankung, die in das Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie falle, und derartige Gutachten seien nur als Ausschlussuntersuchungen zu empfehlen.
Den Ausführungen des Dr. L. folgend verurteilte das Sozialgericht am 07.10.2002 - gemäß dem in der mündlichen Verhandlung zeitlich eingeschränkten Klageantrag - die Beklagte, unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.06.2002 (Leistungsfall im Mai 2002) zu zahlen. Es ging u.a. davon aus, dass die Fibromyalgie eben doch mehr im somatischen als im psychischen Bereich wurzele, wenngleich sie zweifellos psychische Auswirkungen habe. Die somatischen Ursachen der Erkrankung fielen aber wiederum in den Fachbereich Orthopädie, so dass die gutachterlichen Ausführungen des Dr. L. überzeugender erschienen als die der Vorgutachter.
Mit dem Rechtsmittel der Berufung wendet sich die Beklagte hiergegen und bringt vor, im Rentenverfahren habe nicht die Klassifikation oder Diagnose, sondern die Ausprägung der Funktions- bzw. Fähigkeitsstörungen vorrangige Bedeutung, wobei gerade bei der Beurteilung von Schmerzsyndromen eine Prüfung der Plausibilität der angegebenen Beschwerden gefordert werde, die Dr. L. nicht ausreichend durchgeführt habe. Im Übrigen könnten die von Dr. L. angenommenen Auswirkungen auf Konzentrationsvermögen und andere psychische Funktionen nicht nachvollzogen werden. Subjektive Angaben der Klägerin allein könnten nicht entscheidend sein, und die diesbezügliche Prüfung falle in das Fachgebiet eines Nervenarztes. Zur weiteren Begründung legt die Beklagte eine ausführliche Stellungnahme der Neurologin und Psychiaterin Dr. M. vom 18.09.2002 vor.
Der Senat hat neben der aktuellen Klageakte die Versichertenakte der Beklagten, die abgeschlossenen Streitakten des vorausgegangenen Rentenprozesses, die Schwerbehindertenakte des AVF L. , die Klageakte des Sozialgerichts Landshut S 2 SB 254/00, die Leistungsakte des Arbeitsamtes P. und 16 Röntgenfilme beigezogen. Eingeholt worden sind Befundberichte vom Allgemeinarzt Dr. O. , vom Kardiologen und Lungenarzt Dr. M. , vom Orthopäden Dr. R. und von der orthopädischen Praxis Dres. P./B./F. mit zahlreichen Arztbriefen. Der Senat hat ferner vier Fachartikel beigezogen ("Moderne Aspekte der Fibromyalgie" von Dres. Hausotter und Weiss, "Fibromyalgie - Stichworte zur Kontroverse" von Dr. Mayer, "Fibromyalgie" von Dr. Häuser und "Fibromyalgie" vom Rheumazentrum Heidelberg).
Der beauftragte Sachverständige Dr. M. diagnostizierte in seinem orthopädischen Gutachten vom 28.07.2003 "fortgeschrittenes Fibromyalgiesyndrom, generalisierte Muskelschmerzen, Leistungsabfall" und hielt die Klägerin für fähig, pro Arbeitstag höchstens zwei bis drei Stunden täglich leichte Arbeiten zu verrichten. Er begründete dies nicht nur mit den gefundenen schmerzhaften Druckpunkten (tender points), die von der Klägerin an vielfältigen Stellen ausreichend gegeben wären, wobei die mitgeprüften Kontrollpunkte sich als negativ erwiesen, sondern stütze sich vor allem auf die von Müller und Lautenschläger geforderten vegetativen und funktionellen Beschwerden, die sich bei der Klägerin seit 1979/80 in zahlreichen Arztbriefen fänden.
Der Neurologe und Psychiater Dr. M. führt in seinem Gutachten vom 04.05.2004 aus, mit Ausnahme eines herabgesetzten Vibrationsempfindens im Bereich der unteren Extremitäten, einer eingeschränkten Beweglichkeit im Bereich der oberen Halswirbelsäule und unteren Lendenwirbelsäule und einer Klopfschmerzhaftigkeit habe ein insgesamt regelrechter neurologischer Status erhoben werden können, ohne Hinweise für radikuläre Defizite oder eine neurologische Herdsymptomatik. Es sei auch ein regelrechter psychischer Befund erhoben worden, ohne Hinweise für eine depressive Störung von tiefer gehender Dynamik, ebenso hätten krankheitswertige Gedächtnis-, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen ausgeschlossen werden können. Im Vordergrund stehe die Schmerzsymptomatik. Dr. M. diagnostizierte "Somatisierungsstörung, Neurasthenie, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Halswirbelsäulen-Syndrom und Lendenwirbelsäulen-Syndrom ohne funktionelle Defizite sowie Verdacht auf beginnende sensible Polyneuropathie im Bereich der unteren Extremitäten. Der Sachverständige wies unter Besprechung zahlreicher ärztlicher Unterlagen seit 1980 darauf hin, dass bei der Klägerin schon sehr frühzeitig eine Reihe von Syndromen aus dem psychosomatischen bzw. somatoformen Beschwerdekreis bemerkt worden seien, wie sie sich fortgesetzt auch in dem heutigen Beschwerdebild präsentierten. Stets sei auch zu beobachten gewesen, dass sich die Klägerin (z.B. erkennbar aus dem Widerspruch vom 28.05.1980 gegen den Bescheid über die Feststellung ihrer Behinderungen mit 10 v.H.) völlig fehlbeurteilt sehe und subjektiv eine erhebliche Minderung ihrer Arbeitskraft erlebe. Auch im Rentenverfahren habe sich die Klägerin völlig unzutreffend beurteilt und völlig missverstanden gefühlt. Dokumentiert sei bereits früher und auch jetzt eine deutliche Einengung auf die Schmerzsymptomatik, wohingegen gegenüber dem Erfragen möglicher psychischer Zusammenhänge eine völlige Ablehnung festzustellen sei. Der Klägerin gehe es um die Anerkennung der vorgebrachten Beschwerden von gerichtlicher Seite und um eine Berentung, wohingegen ärztliche Anregungen einer entsprechenden Therapiemaßnahme nie aufgenommen worden seien; die Klägerin habe sich bisher weder gegenüber einem psychosomatischen Heilverfahren noch einer nervenärztlichen oder psychotherapeutischen Betreuung geöffnet, obwohl die Neurotizismen nicht derart ausgeprägt seien, dass sie nicht aufgrund eigener Willensanstrengung eine derartige Therapie in Anspruch nehmen könne. Dr. M. übte weiterhin Kritik an dem Gutachten des Dr. L. , der wiederholt fachfremde Beurteilungen auf internistischem, neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet vorgenommen habe, wobei insoweit die notwendige Objektivität und Distanz fehlten und sich die Ausführungen größtenteils im spekulativen Bereich bewegten. Hinsichtlich des Schmerzsyndroms und gegebenenfalls eines chronischen Erschöpfungssyndroms, das sich weitgehend mit dem Bild der Neurasthenie decke, sei die Erhebung der Leistungsfähigkeit wegweisend für die Beurteilung, woran es dem Gutachten des Dr. L. aber mangele. Auch Dr. M. habe sich gutachterlich auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet bewegt. Sofern, wie im vorliegenden Falle der Klägerin gegeben, allein subjektive Beschwerden im Vordergrund stünden bzw. eine erhebliche Diskrepanz zwischen subjektivem Befinden und Leistungseinschränkung einerseits und objektiven Befunden andererseits bestehe, handle es sich um ein Störungsbild, welches wesentlich auf nervenärztlichem Fachgebiet liege. Aus der Beschreibung und der Gestaltung des allgemeinen Lebensumfeldes der Klägerin seien keine schwerwiegenden Leistungseinschränkungen abzuleiten im Vergleich zu einer schweren körperlichen Behinderung. Es bestehe keine erhebliche oder schwerwiegende Einschränkung der Lebensqualität. Aufgrund der erheblichen Beeinträchtigungen durch die in erster Linie auf neurotischem Gebiet liegenden Störungsbilder sei von einer reduzierten Leistungsfähigkeit auszugehen, auch wenn organische Anteile bei der Entstehung keine Rolle spielten. Wegen des Schmerzbildes sei die Tätigkeit einer Altenpflegerin mit erheblichen körperlichen Belastungen oder die Tätigkeit einer Verkäuferin aufgrund der fast ausschließlich stehenden Tätigkeit nicht mehr zumutbar. Möglich seien der Klägerin jedoch leichte Arbeiten aus dem Berufskreis einer Einzelhandelskauffrau bzw. eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Ausgangsposition, vorwiegend in geschlossenen Räumen, wobei das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, häufiges Bücken, Arbeiten in Zwangshaltung, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie im Akkord oder am Fließband zu vermeiden seien. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die neurotische Störung sei auch nicht derart ausgeprägt, dass eine Beschränkung hinsichtlich der Leistungsmotivation anzunehmen sei.
Die Internistin und Lungenärztin Dr. L. stellte in ihrem Gutachten vom 21.06.2004 an Gesundheitsstörungen einen tablettenpflichtigen (gut eingestellten) Diabetes mellitus, eine beginnende diabetogene Nervenschädigung an den Beinen, ein medikamentös stabiles Asthma bronchiale (geringe Funktionseinschränkung der Lunge bei problematischer bzw. fehlender Mitarbeit der Klägerin), eine gut unter Kontrolle stehende Reflux- krankheit der Speiseröhre, anfallsweise auftretende Herzrythmusstörungen und eine Innenohrschwerhörigkeit links mehr als rechts (sehr gutes Verstehen von Umgangssprache) fest. Der Klägerin seien leichte und mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht und bei Vermeidung von inhalativen Reizstoffen zumutbar, die Geh- und Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Von Seiten der internistischen Leiden bestehe nur eine geringe Leistungseinschränkung, im Vordergrund stünden die Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet.
Nach Abschluss der Beweisaufnahme weist die Beklagte unter Vorlage einer Stellungnahme der Dr. B. vom 16.07.2004 darauf hin, dass die Ausführungen des Dr. L. und des Dr. M. durch die Gutachten der Dres. M. und L. widerlegt seien. Der psychiatrische Befund spräche gegen eine schwere Schmerzsymptomatik. Die Klägerin vertritt - inzwischen hatte der Bevollmächtigte das Mandat niedergelegt - die Auffassung, sie sei wegen Fibro- myalgie nicht arbeitsfähig, und beruft sich auf die Gutachten der Dres. L. und M ...
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts vom 07.10.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die oben genannten Unterlagen zur Entscheidung vor. Hierauf wird zur Ergänzung des Tatbestandes, insbesondere hinsichtlich des Inhalts der ärztlichen Unterlagen und Gutachten, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143 ff, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist zulässig und begründet.
Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass der Klägerin seit dem 01.06.2002 kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und auch nicht wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht. Teilweise erwerbsgemindert ist die Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, und voll erwerbsgemindert die Versicherte, die unter den gleichen Voraussetzungen außerstande ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 des Sozialgesetzbuches Teil VI - SGB VI - in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung). Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit erhält auch die Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist (Übergangsvorschrift des § 240 Abs. 1 SGB VI).
Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nicht erfüllt, denn sie kann seit Juni 2002 sechs Stunden und mehr leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verrichten; ein Berufsschutz kommt ihr nicht zugute. Im Vordergrund ihrer Gesundheitsstörungen stehen ein Schmerzsyndrom und eine Neurasthenie. Vorweg weist der Senat daraufhin, dass es nicht entscheidend auf die Diagnosen "Somatisierungsstörung und somatoforme Schmerzstörung" oder "Fibromyalgiesyndrom" ankommt. Hier handelt es sich um die Zuordnung der im Wesentlichen gleichen Krankheitssymptome entweder zu einem der traditionellen Krankheitsbegriffe oder zu einem mehr oder minder künstlich geschaffenen neuen Begriff. So sind nach Anfängen der Theorie über die Fibromyalgie die diagnostischen Kriterien durch das American College of Rheumatology (ACR) von 1990 rein deskriptiv gefasst worden und beschränken sich auf zwei Kardinalsymptome: Ausgebreitete persistierende (mindestens drei Monate anhaltende) Schmerzen bzw. Schmerzregionen unter Einschluss der Wirbelsäule und das Vorliegen von mindestens 11 von 18 definierten lokalen Druckschmerzpunkten (tender points) bei einem standardisierten Fingerdruck von vier Kilopond pro cm². Vorausgesetzt wird hier, dass andere Erkrankungen auf orthopädischem, neurologischem, psychiatrischem und internistischem Gebiet definitiv ausgeschlossen werden (vgl. im Einzelnen hierzu Hausotter/Weiß in "Moderne Aspekte der Fibromyalgie", und Mayer, "Fibromyalgie - Stichworte zu einer Kontroverse"). Die Ursachen der so definierten Krankheit, die als primäre oder sekundäre Gesundheitsstörung auftreten soll, sind nach wie vor unklar. Es gibt keine eindeutig objektivierbaren fassbaren Ursachen; ebensowenig ist nach bisherigem wissenschaftlich-ärztlichen Stand ein sicherer ärztlicher objektivierbarer Befund für die Symptome (der Grundkrankheit) zu erheben, weder auf radiologischem noch auf laborchemischem Wege; auch EEG, EMG und die übrige neurophysiologische Diagnostik ergeben im Regelfall keine Befunde. Weiterhin sind ohnehin Ausmaß und Schwere der Schmerzen nicht messbar.
Letztlich fußt die Fibromyalgie nur auf subjektiven Angaben des Patienten in Verbindung mit den tender points (vgl. die Zusammenstellung bei Hausotter/Weiß, a.a.O.). Hinzukommen sollen nach jüngerer Ansicht an sich unspezifische Symptome, die nicht zwangsläufig bei Fibromyalgie vorliegen müssen, aber im Zusammenhang damit gehäuft zu beobachten sind, unter anderem Abgeschlagenheit, Müdigkeit und fehlende Erholung durch den nächtlichen Schlaf, vegetative Beschwerden (funktionelle Atembeschwerden, respiratorische Arrhythmie, funktionelle kardiale Beschwerden, Dysurie, Parästhesien, Tremor, Darmstörungen usw.), Depressionen und Ängste (nach längerem Verlauf der Fibromyalgie-Erkrankung).
Wie unsicher solche "Kriterien" sind, zeigt die Zusammenstellung von Mayer, in der als Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen Somatisierungsstörung (und Schmerzstörung als Sonderform der somatoformen Störung) und Fibromyalgie letztlich nur die tender points gelten, weil viele der sonstigen Symptome bei beiden Erkrankungen gehäuft auftreten.
Bei der unklaren Ätiologie und der Funktion des Fibromyalgiesyndroms als Auffangbecken bei Ausschlussdiagnosen ist es nur verständlich, dass manche Ärzte die Krankheit ausdrücklich als körperliche und nicht als psychische Erkrankung betrachten (was den meisten Patienten entgegenkommt), und wiederum andere darin nur eine Verlegenheitsdiagnose sehen und den Begriff für entbehrlich halten. Übereinstimmung besteht aber, dass bei deutlicher Diskrepanz zwischen Art und Ausmaß des geklagten Beschwerdebilds und dem objektivierbaren Befund Patienten darunter erheblich leiden können, aber auch eine Fibromyalgie oder ein sonstiges Schmerzsyndrom nicht zwangsläufig zu einer Berufs- und Erwerbsunfähigkeit bzw. verminderter Erwerbsfähigkeit führen muss (so immerhin auch Dr. L.); eher bestehen in der Literatur Anhaltspunkte dafür, dass in der Mehrzahl der Erkrankungsfälle die Patienten mit der Diagnose Fibromyalgie erwerbstätig sind oder sein können.
Entscheidend im Rentenversicherungsrecht sind, wenn die Krankheit anhaltend und nicht mehr in absehbarer Zeit behebbar ist, allein Art und Schwere der Symptome. Es ist dann z.B. unerheblich, ob vegetative Zeichen und häufige psychische Auffälligkeiten (u.a. Depression) Ausdruck einer primär seelischen Erkrankung sind oder vielmehr Folge eines chronischen Schmerzes. Ebensowenig nutzbringend (und für die Patienten sogar schädlich) ist die Auffassung, dass eine somatische Schmerzerkrankung in den meisten Fällen einer Therapie nicht mehr zugänglich ist; wird ein durch unbekannte organische Ursachen verursachter Krankheitsprozess unterstellt, so können doch auch hier psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen entweder Sekundärfolgen bessern oder zum Abklingen bringen oder zumindest den Umgang mit dem Schmerz lehren.
Warum sich der Senat, obwohl die Krankheitsbezeichnung im Rentenversicherungsrecht letztlich belanglos war, dennoch mit den strittigen Diagnosen (bei gleichen Syndromen) befasst, so deswegen, um aufzuzeigen, dass die Meinung der Dres. L. und M. zweifelhaft und die Schlussfolgerung dieser Ärzte auf das fehlende Erwerbsvermögen der Klägerin nicht bewiesen und damit unrichtig im Rechtssinne ist.
1. Was die für eine Fibromyalgie typischen tender points (Hals, Oberkörper und Arme) betrifft, so sind bereits diese im Falle der Klägerin nicht gesichert. Dr. L. und Dr. M. haben die hinreichende Anzahl von tender points bei negativer Reaktion der Kontrollpunkte bestätigt. So sicher sind diese Ergebnisse aber nicht. So hat Dr. S. in seinem Gutachten vom 28.04.1999 für das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Diagnose Schmerzsyndrom, am ehestens erklärbar mit Fibromyalgie) darauf hingewiesen, dass die Klägerin auch schmerzhafte Kontrollpunkte angegeben habe, was auf eine fixierte neurotische Fehlhaltung oder Fehlverarbeitung hinweise; weiterführend hat bereits der Neurologe und Psychiater Dr. W. im Gutachten vom 31.05.1999 - diesem gegenüber hat die Klägerin ausnahmsweise einen tieferen Einblick in gestörte Beziehungen zu den Eltern und mehreren Partner gegeben - eine neurotische Störung herausgearbeitet. Der Senat verweist ferner auf die Feststellungen der Dr. L. im Gutachten vom 21.06.2004, dass die Klägerin eine Berührungsempfindlichkeit am ganzen Körper gezeigt habe, der Druckschmerz nicht nur an den für die Fibromyalgie typischen Triggerpunkten auslösbar gewesen sei, sondern beliebig am ganzen Körper, auch am Stamm oder Bauch oder Rücken. Anfügen will der Senat hierzu noch, dass bei organisch bedingten Störungen, z.B. einem Wirbelsäulensyndrom bei nachgewiesenen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und dem Nachweis, dass schon einmal eine Wurzelreizung bei C7 rechts und eine Wurzelirritation bei S1 rechts vorgelegen hat, empfindliche Reaktionen (u.a. an Triggerpunkten) denkbar sind, im Übrigen Schmerzempfinden bei verspannter Muskulatur auch ohne Fibromyalgie bestehen kann.
2. Auffällig ist weiterhin an den Gutachten Dres. L. und M. , dass von vorneherein Diagnosen auf anderen Fachgebieten ignoriert wurden und unterstellt wird, im Wesentlichen bestünden keine Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet oder mit organischer Ursache. Die bereits bekannten Ergebnisse allein auf psychiatrischem Gebiet (neurotische Störung) und auf neurologischem Gebiet (z.B. eine Sensibilitätsstörung im Bereich des linken Armes), wie sie Dr. W. im Gutachten vom 31.05.1999 und Dr. K. im Gutachten vom 15.01.2001 dargelegt haben, wurden als nicht existent behandelt; ebenso wurde nicht eingegangen auf Gesundheitsstörungen mit eindeutig typischer organischer Ursache auf orthopädischem Gebiet (Impingement-Syndrom der rechten Schulter laut Gutachten des Dr. W. vom 18.07.2000, beginnende Kniearthrosen beidseits bei in den letzten zehn Jahren zweimal aufgetretenen Kniegelenksergüssen sowie Bewegungseinschränkungen des Kopfes wegen Cervicalsyndroms).
Der Senat verkennt keineswegs, dass sich, dies hat unter anderem Dr. S. dargestellt, das Gesamtbild der Beschwerden der Klägerin nicht auf der Basis einer organischen Ursache erklären lässt; dann wäre es aber auch angebracht gewesen, nicht alles und jedes von vornherein unter Fibromyalgie zu erfassen und die Gesichtspunkte, die dagegen sprechen, unerwähnt zu lassen. Es geht nicht nur darum, dass viele Gesundheitsstörungen der Klägerin auf internistischem, orthopädischem und neurologischem Gebiet nicht allzu gravierend sind, sondern auch darum, dass auf psychiatrischem Gebiet Ausschlussdiagnosen durch Dr. K. und Dr. W. (später nochmals bestätigt durch Dr. M.) nicht bestanden, vielmehr wesentliche Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet vorlagen; hierüber haben sich die Dres. L. und M. nicht nur in fachärztlich inkompetenter Weise, sondern auch ohne Diskussion und Begründung hinweggesetzt.
3. Ein Fragezeichen musste der Senat auch hinter die Aussage des Dr. L. setzen, dass die funktionelle Untersuchung der Wirbelsäule allein in der Lage sei, bewegungs- und belastungsabhängige Beschwerden zu erkennen. Zunächst ist eine solche Untersuchung eine Momentaufnahme, und es können sich bei wechselndem Beschwerdezustand, den die Klägerin angegeben hat, auch wechselnde (schmerzbedingte) Bewegungsbehinderungen ergeben (vgl. z.B. den von Dr. L. angegebenen Wert des Finger-Boden-Abstands von 35 cm mit den im Krankenhausbericht der Orthopädischen Fachklinik S. wiedergegebenen 10 cm, wobei vorausgehend wiederum 30 cm festgestellt worden sind, und dies, obwohl das von der Klägerin vorgetragene Beschwerdebild seit 1996/97 stets das Gleiche ist). Auch die Wahrnehmungen über das Erscheinungsbild der Klägerin sind durchaus unterschiedlich. So wurde ihr Gangbild einmal mit kleinschrittig, etwas verlangsamt, Zehen- und Fersengang nur ansatzweise möglich wegen angegebener Schmerzen im Vorfußbereich bzw. im Fersenbereich beschrieben wie auch mit unauffällig, flüssig, raumgreifend, mit normaler Schrittgeschwindigkeit, Zehen- und Fersengang darstellbar.
Weiterhin muss beachtet werden, dass trotz eines durchaus glaubhaften Kerns des Beschwerdebilds verfahrensbezogene "Zutaten" zur Verdeutlichung und Akzentuierung des Leidenszustandes auftreten können, was nicht immer erkennbar ist, wenn der Untersuchte nur überzeugend nicht messbare Schmerzen vorträgt. An einem in der Regel Dritte überzeugenden Verhalten der Klägerin besteht nach dem Inhalt der ärztlichen Unterlagen kein Zweifel, wie sie sich darüber hinaus auch hinsichtlich ihres Rentenbegehrens und der Neufeststellung von Behinderungen durchaus durchsetzungswillig, bestimmt und ausdrucksstark zeigte. Allerdings liegen einige Punkte vor, die beim Senat Bedenken erwccken. So hat Dr. W. in seinem Gutachten vom 31.05.1999 festgestellt, dass "inhaltlich ein nachhaltiger Beschwerdedruck besteht, der mit der durchaus ungehemmten körperlichen Beweglichkeit nicht korreliert". Auch Dr. M. wies darauf hin, dass das Hauptinteresse der Klägerin nicht auf geeignete Behandlungen gerichtet gewesen sei, sondern nach dem gesamten Aktenverlauf darin bestehe, Ansprüche geltend zu machen und umzusetzen. Lässt sich hieraus noch keine (gezielte) Aggravation und Simmulation herleiten, so muss dennoch bei anderer Gelegenheit eine unstimmige "Selbstdarstellung" der Klägerin festgestellt werden. Zur Unterstützung ihres Rentenbegehrens hat sie auch energisch relativ belanglose Gesundheitsstörungen vorgetragen, z.B. ein Asthma. Hierzu hat Dr. M. in seinem Befundbericht vom 22.04.2003 festgestellt, dass im Jahre 1999 ein intrinsisches Asthma bronchiale (leichte, vollständig reversible Obstruktion) vorliege und die Klägerin nicht optimal mitgearbeitete habe, also die dargestellte Vitalkapazität der Lunge von 60 % unzutreffend sei. Anlässlich der Untersuchung des Dr. H. (Gutachten vom 02.08.2000) ergab sich seitens der Lungen ein Normalbefund, so dass der Sachverständige bei sehr wohl gesehener Medikation mit Steroiden bemerkte, das von der Klägerin angegebene "Asthmaleiden" sei nicht mehr nachvollziehbar. Bei der Untersuchung durch Dr. L. war zunächst auffällig, dass die Klägerin - bei Angabe der Gehleistung von einem Stockwerk und Atemnot bei raschem Gehen (laut Behandlungszentrum Vogtareuth vom 07.04.1999 war die Gehstrecke nicht wesentlich eingeschränkt, laut Angaben der Klägerin am 07.07.2003 gegenüber Dr. M. soll die Gehstrecke zu ebener Erde immerhin noch einen Kilometer betragen haben) - wegen angeblicher Kniebeschwerden nicht in der Lage gewesen ist, die Pedale des Fahrradergometers auch nur im Leerlauf zu bewegen, obwohl vorausgehend bei der Untersuchung alle Bewegungsabläufe flüssig und ohne Probleme von statten gingen. Hinzu kam, dass - wesentliche Lungenbefunde wurden nicht festgestellt - die Lungenfunktion bei Belastung (Prüfung des Atmungswiderstands)- bronchiuserweiternden Medikaments, wobei dies bereits auf eine gezielte mangelnde Mitarbeit hinweist.
Insgesamt betrachtet kann der Senat nicht auf alle Angaben der Klägerin zu ihren Beschwerden und damit auch nicht auf den Angaben zum Umfang und zu der Stärke des Schmerzsyndroms vertrauen, wie es Dr. L. in unkritischer Weise getan hat.
4. Unrichtig hält der Senat die Verhaltensweise des Dr. L. , zunächst alle ärztlich festgestellten wie auch nur von der Klägerin behaupteten Befindlichkeitsstörungen auf internistischem, neurologischem, psychiatrischem und orthopädischem Gebiet einem Fibromyalgiesyndrom zuzuordnen und sodann daraus wiederum zu schließen, dass aufgrund der Behauptungen der Klägerin sowohl die psychische Belastbarkeit (Konzentration, Gedächtnis usw.) fehle als auch die körperliche Belastbarkeit im Sinne einer über 10-15 Minuten hinausgehenden oder länger anhaltenden Arbeit nicht vorhanden sei, und das selbst bei banalsten Verrichtungen; gleichzeitig wurde anderen Ärzten eine fehlende Kenntnis der Fibromyalgie oder/und eine fachinkompetente Beurteilung vorgeworfen und zum Schluss auch noch entgegen dem wahren Sachverhalt behauptet, neurologische bzw. psychiatrische Gutachten hätten anderweitige Erkrankungen der Klägerin im jeweiligen Fachgebiet verneint.
Dr. L. hielt sich als Orthopäde offensichtlich allein für kompetent, den Zustand der Klägerin zu beurteilen. Zunächst ist aber nicht gesichert, dass die Fibromyalgie nach ärztlicher Erkenntnis eine Erkrankung ist, die nicht auch in den Fachbereich der Neurologie und Psychiatrie fällt, wie Dr. L. behauptet; es gibt im Meinungsstreit durchaus Ansichten, dass das Fibromyalgiesyndrom Variante einer depressiven Erkrankung bzw. eine Störung aus dem affektiven Formenkreis ist, daneben im Übrigen auch Meinungen, dass die Fibromyalgie zwar zu den somatischen Erkrankungen zähle, aber jedenfalls nicht in den orthopädischen Bereich falle (hierzu vgl. z.B. die Vertreter einer zentral-nervös bedingten Schmerzschwellenstörung laut Hausotter/Weiß, a.a.O.). Die Behauptung des Dr. L. indiziert, dass er als Orthopäde kompetenter als ein Neurologe und Psychiater und auch ein Internist sei; richtigerweise hätte er jedoch darlegen müssen, dass es nach ärztlich-wissenschaftlichem Stand auch nicht gesichert ist, ob es sich bei der Fibromyalgie um eine Gesundheitsstörung aus dem somatischen und hier wiederum aus dem orthopädischen Formenkreis handelt. Von einem Gutachten kann erwartet werden, dass es eine gewisse Objektivität wahrt.
Unabhängig von dem Bestehen oder Nichtbestehen des Fibromyalgiesyndroms muss aber festgehalten werden, dass Dr. L. in inkompetenter und im Übrigen unterstellender, nicht auf sorgfältiger Prüfung und Würdigung beruhender Weise zu Ergebnissen gekommen ist, die nicht mehr als Behauptungen darstellen. Wird entgegen dem psychiatrisch-neurologisch festgestellten Sachverhalt vom Vorhandensein eines in den orthopädischen Bereich fallenden Fibromyalgiesyndroms ausgegangen, so bliebe dennoch das neurologisch-psychiatrische Urteil hinsichtlich des Umfangs und Schweregrads des Schmerzsyndroms, der Glaubwürdigkeit des Patienten und der Willensfähigkeit, geeignete Maßnahmen (Behandlungen, Therapien) zur Besserung, Abmilderung oder Behebung zu unternehmen, das maßgebende. Weiterhin ist der Neurologe und Psy- chiater für die Beurteilung verschiedener Begleiterscheinungen (Depression, Ängste) zuständig. Darüber hinaus fällt es in den neurologisch-psychiatrischen Bereich, den Leidensdruck, den psychopathologischen Status, die krankheitsbedingte Beeinflussung der kognitiven psychosozialen Dimension, das Ausmaß der Persönlichkeitsveränderung, die Einschränkung des persönlichen Freiheitsgrads und die psychophysische Leistungsfähigkeit zu beurteilen. Dasselbe gilt im Bezug auf arbeitsrelevante Funktionen wie Konzentration, Reaktion, Schnelligkeit, Ausdauer, Zuverlässigkeit, abstraktes Denkvermögen, perspektivisches Handeln, Umstellungsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Verantwortungsgefühl, Kontaktfähigkeit und Teamfähigkeit.
Nicht zutreffend ist daher das Argument des Sozialgerichts, die Fibromyalgie sei eher den somatoformen Krankheiten zuzuordnen und daher sei dem orthopädischen Gutachten des Dr. L. mehr Überzeugungskraft beizumessen. Vielmehr fehlt dem Gutachten des Dr. L. jede schlüssige Begründung der von ihm angenommenen weitestgehenden Einschränkungen des Erwerbsvermögens der Klägerin, die ersetzt wird durch subjektive Behauptungen und den Glauben der Klägerin an ihre Arbeitsunfähigkeit sowie durch Unterstellung einer von verschiedenen Möglichkeiten der Einschränkung des Leistungsvermögens, die eben bei einem Fibromya- lgiesyndrom eintreten können, aber nicht im Einzelfall gegeben sein müssen.
Die ergänzende Beweisaufnahme des Senats führte zu einem anderen Bild. Bei der Erhebung des psychiatrischen Befunds durch Dr. M. ergab sich ein regelrechter Status. Die Klägerin zeigte sich konzentriert und orientiert, trotz subjektiver Beschwerden (Vergesslichkeit - Kurzzeitgedächtnis -) fanden sich im Gespräch keine Hinweise für eine Konzentrations- oder Merk- fähigkeitsstörung von Krankheitswert. Die Psychomotorik war unauffällig, die affektive Schwingungsfähigkeit gut erhalten; insgesamt ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine depressive Symptomatik von tiefergehender Dynamik. Im Vordergrund stand vielmehr eine neurotische Störung, gut verfolgbar an dem von Dr. W. früher erarbeiteten Lebensprofil und an den Schreiben der Klägerin in ihrer seit 1980 immer wieder betriebenen Schwerbehindertenangelegenheit, wobei - nebenbei gesagt - in diesen Verfahren teilweise insuffiziente, jedenfalls heute nicht mehr nachvollziehbare ärztliche Diagnosen wie Polyarthritis beider Hände, Nierensteinleiden, Sehstörungen und Oberbauchschmerzen auftauchen.
Die bei der Klägerin vorliegende neurotische Störung kann, wie Dr.M. ausgeführt hat, in drei Komponenten gegliedert werden. Die erste ist eine Somatisierungsstörung. Charakteristisch hierfür sind multiple, wiederholt auftretende und häufig wechselnde körperliche Symptome, die meist bereits seit einigen Jahren bestanden haben, bevor der Patient - wenn überhaupt - zu einem Psychiater überwiesen wird. Die meisten dieser Patienten haben in der Primärversorgung und in spezialisierten medizinischen Einrichtungen eine lange und komplizierte Anamnese hinter sich, mit vielen negativen Untersuchungen und ergebnislosen Operationen. Die Symptome können sich auf jedes Körperteil und jedes Körpersystem beziehen, zu den häufigsten gehören gastrointestinale Beschwerden (Schmerz, Aufstoßen, Erbrechen, Übelkeit usw.) und abnorme Hautempfindungen. Begleitet werden diese Beschwerden teilweise auch von Depressionen und/oder Ängsten. Die Störung ist weitaus häufiger bei Frauen als bei Männern und beginnt meist im frühen Erwachsenenalter.
Aufgrund der bei der Klägerin in den letzten Jahren zunehmenden Hinwendung zu einem Schmerzbild sind jedoch auch, wie Dr. M. dargelegt hat, die Kriterien einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung erfüllt. Die vorherrschenden Beschwerden sind andauernde, schwere und zum Teil als quälend empfundene Schmerzen, die durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden können. Der Schmerz tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder auch psychosozialen Problemen auf. Diese sollten schwerwiegend genug sein, um als entscheidende, ursächliche Einflüsse zu gelten. Im vorliegenden Falle hat sich die Klägerin bei wiederholtem Nachfragen gegenüber Dr. M. in der aktuellen Situation hinsichtlich psychosozialer Belastungssituationen verschlossen, jedoch ergeben die vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere auch das Gutachten des Dr. W. , hinreichend Hinweise dafür, dass derartige Momente vorgelegen haben und vorliegen, die zu einer Akzentuierung der Symptomatik beitragen.
Zudem sind die Kriterien einer Neurasthenie erfüllt, wobei das Schwergewicht auf Gefühlen körperlicher Schwäche und Erschöpfung nach nur geringer Anstrengung, begleitet von muskulären und anderen Schmerzen und der Unfähigkeit, sich zu entspannen, liegt. Begleitet wird eine Neurasthenie häufig von Schwindelgefühlen, Spannungskopfschmerzen, dem Gefühl einer allgemeinen Unsicherheit, der Sorge über das Abnehmen des geistigen und körperlichen Wohlbefindens, Reizbarkeit, Freudlosigkeit und unter Umständen unterschiedliche Grade von Depression und Ängsten. Der Schlaf ist häufig in der anfänglichen und mittleren Phase gestört, es kann aber auch zu vermehrten Schlafphasen kommen.
Zur Schwere der neurotischen Störung insgesamt ist anzuführen, dass die häufig wechselnden körperlichen Symptome bei der Klägerin nicht allzu gewichtig sind (Somatisierungsstörung), dass die Neurotizismen nicht derart ausgeprägt sind, dass nicht aufgrund eigener Willensanstrengung eine geeignete Behandlung unternommen werden kann (somatoformes Schmerzsyndrom), und dass das "Erschöpfungssyndrom" auch nicht in den einzelnen Symptomen derart ausgeprägt ist, dass z.B. die Kriterien einer schweren depressiven Episode erfüllt sind und Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Arbeitsleistung besteht.
Eine objektive Messmethode zur Quantifizierung des Schmerzes gibt es nicht. Wenn - wie bei der Klägerin - weitreichende, evidente Folgen wie z.B. eine schmerzbedingte Persönlichkeitsveränderung oder sonstige psychopathologische Auffälligkeiten fehlen, können neben einer gründlichen Anamnese nur noch die Auswirkungen des Schmerzsyndroms im Bereich der sozialen Möglichkeiten und Aktivitäten als Anhaltspunkte herangezogen werden. Insoweit ist zunächst bei der Klägerin ein sozialer Rückzug nicht festzustellen. Es mag sein, dass sie - wie bei Dr. L. angegeben - früher gerne ausgegangen ist, gerne beim Tanzen gewesen ist und einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hatte, und nun das Fernsehen anstelle eines Theaterbesuchs vorzieht. Solche "Einschränkungen" sind aber oft alters- und lebensbedingt, treten häufig ohne Krankheitsursache auf und habe vielfältige Erklärungen, sei es durch Scheidung (bei der Klägerin 1984) oder Umzug mit der Folge des Verlustes oder Lockerung der Kontakte zu Verwandten und Bekannten, sei es durch die Lebensweise des neuen Partners oder die Lebensweise der adäquaten Altersgruppe, die in der Regel einen ruhigeren und beschaulicheren Lebensstil pflegt und daher von manchen Möglichkeiten der Lebensgestaltung nicht (mehr) Gebrauch macht. Vorliegend kommt hinzu, dass das Leben der Klägerin zuletzt in einem sehr kleinen Städtchen weniger an nahe liegenden Möglichkeiten zur Unterhaltung und Freizeitgestaltung bietet wie z.B. K., wo die Klägerin einige Zeit lebte, oder das immerhin noch gegenüber Bad B. wesentlich größere H. , wo die Klägerin den Großteil ihres Erwerbslebens zubrachte.
Ein schmerzbedingter sozialer Rückzug lässt sich nicht objektivieren. Bei Dr. W. hat die Klägerin keineswegs Interesselosigkeit und Beziehungslosigkeit angegeben, sondern als Hobbys Spazierengehen und Musik (insbesondere Schlager), außerdem ist sie nach Scheidung und Scheitern nicht nur einer Partnerschaft sowie nach Alleinleben zu einer neuen langjährigen Partnerschaft gekommen, die vor kurzem zur Heirat führte. Das von Dr. W. beschriebene Bild (sie wirkt durchaus nicht gedrückt, enttäuscht, niedergeschlagen; Aufmerksamkeit, Vigilanz, Kognition und Gedächtnis sind ohne erkennbare Defizite, im Gegenteil sind hier noch Aktiva in der Leistungsbilanz zu verzeichnen ... wendig, rasch, alert und schnell) lässt keine wesentliche Herabsetzung im Antrieb und in der Lebensqualität erkennen, ebensowenig ergaben sich Hinweise auf körperliche Ermüdung, psychische Erschöpfbarkeit oder Störungen im Sozialkontakt. Ein ähnliches Bild zeigte sich anlässlich der Untersuchung durch Dr. M ... Diesem gegenüber gab die Klägerin als Hobbys Lesen, Musikhören und verschiedene soziale Kontakte an, daneben ist ein Hund erwähnt, mit dem sie wiederholt Spaziergänge macht. Die Beziehung zum Ehemann wurde als harmonisch beschrieben. Zum Verlauf des Tages - bei gemeinsamer Wohnung mit dem Partner und jetzigem Ehemann - war unter anderem zu erfahren, dass man gegen Nachmittag Kaffee trinke, ausgehe und soziale Kontakte pflege. Bei fehlenden Konzentrations-, Merkfähigkeit- und Affektstörungen ist zwar - bedingt durch das Schmerzsyndrom - von einer subjektiv empfundenen Beeinträchtigung der Lebensgestaltung auszugehen, aber weder von einem sozialen Rückzug noch von bedeutenden Tendenzen (Antriebslosigkeit) und damit auch nicht von einer Unfähigkeit für Erwerbstätigkeiten. Auch größere Anstrengungen (mehrere Urlaubsaufenthalte in Ungarn) wurden von der Klägerin unternommen, wobei sie den dortigen Aufenthalt durchaus als angenehm empfand. Bei wesentlich kürzeren Fahrten zum Gerichtsort oder zu den gerichtlichen Sachverständigen hingegen hatte die Klägerin neben der tatsächlich schlechten Verkehrsanbindung von Bad B. gesundheitliche Gründe als Hindernis vorgeschoben. Leistungsvermögen und Leistungsbereitschaft scheinen bei ihr vom jeweiligen Gewinn gesteuert zu sein, aber nicht durch die angebliche Schwere eines Krankheitsbildes. Die Klägerin ist jedenfalls in der Lage, aktiv und zielorientiert ihren Tagesablauf und ihr Leben zu gestalten. Die sozialen Lebenswelten sind ihr mit gewissen, leichteren Einschränkungen nicht verschlossen.
Schmerzhaft oder neurotisch bedingte Hemmnisse der Willensbildung konnten ebenfalls nicht von den Sachverständigen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet festgestellt werden. Wie Dr. W. treffend beschrieben hat und im Übrigen auch mehrmals aus dem vorhandenen Aktenmaterial zu entnehmen ist, zeigte die Klägerin eine "wehrhafte Rüstigkeit" und war durchaus durchsetzungswillig, bestimmt und ausdrucksstark, wenn es um das Fortkommen ihrer eigenen Vorstellungen zur Rentensache ging.
Insgesamt gesehen kann ein schwerer Grad ihrer Gesundheitsstörung, gleich ob als neurotische Störung oder als Fibromyalgie definiert, nicht festgestellt werden. Der Senat ist sich durchaus bewusst, dass bei dem vorliegenden Krankheitsbild eine hinreichende Anzahl objektiver bzw. messbarer Kriterien nicht vorhanden ist und sein kann. Andererseits kann nicht das von der Klägerin akzentuiert vorgetragene Beschwerdebild bei vielen Zweifeln in vollem Umfang als gesichert gelten, was aber nach allgemeinen Beweisregeln der Fall sein muss; erst recht nicht ist ein subjektiver Glaube an die Arbeitsunfähigkeit oder Leistungsunfähigkeit maßgebend.
Der Fall ist nicht so zu handhaben, als ob der Vortrag der Klägerin, wenn er nicht widerlegt werden kann, als gegeben hinzunehmen ist. Vielmehr gehen fehlende Nachweise bzw. Zweifel zu Lasten des von der Klagepartei erhobenen Anspruchs. Eine umfassende fachärztliche Sichtung des seit 1980 vorhandenen Aktenmaterials und eine im Laufe der Jahre sehr umfangreich gewordene Anamnese (teilweise abgeblockt von der Klägerin in bestimmten psychiatrischen Bereichen) wurden unternommen, wodurch der Kernbereich eines Krankheitsgeschehens (Schmerzsyndrom) erfasst werden konnte; fundierte Feststellungen im Sinne einer die Erwerbstätigkeit hindernder Gesundheitsstörung waren aber nicht möglich.
Sonstige Gesundheitsstörungen der Klägerin sind nicht besonders bedeutend. Wirbelsäulensyndrome einschließlich Impingement der rechten Schulter, initiale Gonarthrose und Neigung zu Tendinitis und Epicondylopathie überlappen sich weitgehend mit dem Schmerzsyndrom. In Anbetracht all dieser Gesundheitsstörungen sind der Klägerin vollschichtig leichte körperliche Arbeiten (ohne schweres Heben und Tragen) in gelegentlichem Wechselrhythmus, ohne gehäuftes Bücken und Tragen, ohne Arbeiten über Kopf, ohne Zwangshaltungen und nicht auf Leitern und Gerüsten zumutbar; wegen der psychischen Komponente sollten Arbeiten im Akkord und am Fließband vermieden werden.
Ein Asthma bronchiale ist seit dem Jahre 1999 bekannt, hat aber zu keinen wesentlichen Einschränkungen der Lungenfunktion geführt, wie die in den Jahren 2000 und 2004 erstellten Gutachten des Dr. H. und der Dr. L. mit ihren Ergebnissen der körperlichen Untersuchung der Klägerin und den technischen Messwerten beweisen. Von einem Leiden in eigentlichem Sinne kann hier nicht gesprochen werden.
Bekannt ist auch seit langem eine durch Medikamente gut unter Kontrolle gebrachte Refluxkrankheit und ein mit Tabletten gut eingestellter Diabetes mellitus. Der Langzeitwert ist optimal, und wesentliche Folgeerscheinungen der Zuckerkrankheit sind noch nicht aufgetreten; eine beginnende Nervenschädigung an den Beinen, für deren Verursachung wohl der Diabetes in erster Linie in Betracht kommt, äußert sich in zeitweisen leichten Missempfindungen und ist noch ohne sozialmedizinische Relevanz.
Eine bedeutsame Beeinträchtigung des Herzens besteht nicht. Insoweit ist allein eine Sinustachycardie (vgl. hierzu das Langzeit-EKG des Dr. H.) festzustellen. Diese ist durch Medikamente beherrschbar. Die Klägerin hat gegenüber Dr. L. eingeräumt, dass das Herzrasen nur ca. ein- bis zweimal pro Halbjahr auftrete.
Den Gesundheitsstörungen auf internistischem Gebiet wurde bereits weitgehend durch die aus anderen Gründen bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen Rechnung getragen; zu berücksichtigen sind daher nur noch die Unzumutbarkeit von Nacharbeit und von Exposition inhalativer Reizstoffe.
Mit ihren Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ist die Klägerin nicht berufsunfähig, auch wenn sie nicht mehr als Altenpflegerin tätig sein kann. Vom Beruf der Einzelhandelskauffrau (mit dreijähriger Ausbildung, Schwerpunkt Verkaufsbereich) hat sie sich seit vielen Jahren durch persönlich bedingte Umstände und Umzug gelöst; bereits die ab 02.12.1974 ausgeübte Tätigkeit ist nicht mit der höherwertigen einer Kauffrau zu vergleichen, sondern mehr mit der Berufstätigkeit einer ungelernten oder angelernten Kassiererin und Verkäuferin mit zweijähriger Ausbildung. Die Tätigkeit einer Altenpflegehelferin ist entweder ungelernter Art oder stellt allenfalls eine angelernte Tätigkeit im unteren Bereich (Ausbildung bis zu einem Jahr) dar, so dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Verweisung auf gleichwertige wie auch nach Wertigkeit eine Stufe darunterstehende Berufstätigkeit möglich ist, damit unter anderem auf den Gesundheitszustand entsprechende ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts. In Frage kommen hier insbesondere Büroarbeiten, wofür die Klägerin sogar bestimmte Vorkenntnisse mitbringt.
Unter diesen Umständen ist Berufsunfähigkeit nicht gegeben; umso mehr fehlt es auch an den Voraussetzungen für die teilweise oder volle Erwerbsminderung. Daher musste die Berufung der Beklagten Erfolg haben und war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist eine im Juni 2000 beantragte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (bzw. Berufsunfähigkeit), zu deren Zahlung das Sozialgericht die Beklagte für die Zeit ab 01.06.2002 (Leistungsfall Mai 2002) verurteilt hatte.
Die im Jahre 1951 geborene Klägerin durchlief von 1966 bis 1969 im Bereich Seifen und Parfümerien eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau und war nach Erwerb des Kaufmannsgehilfenbriefs - laut ihren Angaben - bis zum Jahre 1978 als Verkäuferin tätig, nach Inhalt der noch vorhandenen Versicherungskarten zu- erst im ehemaligen Ausbildungsbetrieb, dann in zwei Kaufhäusern und in einer Bäckerei und Konditorei. In der Akte des Arbeitsamts P. ist zum Berufsweg vermerkt: April 1969 bis September 1974 Verkäuferin, Dezember 1974 bis Oktober 1975 Kassiererin, März 1976 bis April 1979 Verkauf/Kasse und April 1979 bis April 1985 Hausfrau. Laut Angaben der Klägerin wurde die letzte Beschäftigung wegen Umzugs aufgegeben.
Vom 01.09.1985 bis 31.08.1987 war sie nach dreimonatiger Anlernzeit als "Pflegerin für Hauswirtschaft"/Hauswirtschaftshilfe in einer Diakoniestation beschäftigt. Die vom Arbeitsamt angebotene Umschulung zur Altenpflegerin in der Zeit vom 02.11.1987 bis 31.10.1988 brach die Klägerin nach wenigen Tagen wegen zu hoher Anforderung des ersten theoretischen Ausbildungsblocks ab. Ab 01.09.1987 bezog sie zunächst Arbeitslosengeld, dann Arbeitslosenhilfe und zwischenzeitlich auch Krankengeld, unterbrochen lediglich noch durch die letzte Beschäftigungszeit vom 01.04. bis 31.05.1988 als Sterilisationsgehilfin in der Universitäts-Zahnklinik W ... Wiederholte Versuche des Arbeitsamtes in den Jahren 1998 und 1999, eine berufliche Eingliederungsmaßnahme durchzuführen, scheiterten zunächst an der Befürchtung der Klägerin, dies könne sich nachteilig auf ihr Rentenverfahren (damalige Klage) auswirken, und danach an angeblicher Überforderung und Krankmeldungen.
Dem ersten Rentenantrag der Klägerin vom 16.10.1996 war kein Erfolg beschieden. Nach ablehnendem Bescheid der Beklagten vom 13.03.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.1998 folgte ein klageabweisendes Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.08.1998 - S 28 RA 47/98 -; die beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegte Berufung L 3 RA 80/98 wurde nach nochmaliger Beweisaufnahme auf medizinischem Gebiet im August 1999 zurückgenommen.
Ein im gleichen Monat beim Amt für Versorgung und Familienförderung (AVF) L. gestellter Antrag, den bisherigen Grad der Behinderung von 40 wegen Leidensverschlimmerung anzuheben, wurde mit Bescheid vom 30.11.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2000 abgelehnt. (Die im April 2000 erhobene Klage vor dem Sozialgericht Landshut S 2 SB 254/00 wurde nach Begutachtung im Januar 2002 zurückgenommen).
Ihren zweiten Rentenantrag stellte die Klägerin bei der Beklagten am 08.06.2000. Bei der von der Beklagten veranlassten Begutachtung gab die Klägerin häufige Kopfschmerzen, Schmerzen in der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung in beide Schultern und mit pelzigem Gefühl in beiden Händen, Schmerzen in der Brustwirbelsäule beim Laufen, ständige Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, die in beide Leisten und in den rechten Oberschenkel ausstrahlten, sowie Beschwerden an der rechten Schulter und beiden Handgelenken an. Der Chirurg Dr. W. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 18.07.2000 degeneratives Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom, Bandscheibenvorfall bei C3/C4, muskuläre Dysbalance, leichtes Impingement-Syndrom der rechten Schulter, initiale Gonarthrose rechts, Neigung zu Tendinitis beider Handgelenke und Neigung zu Epicondylopathie rechts. Er hielt es für zumutbar, dass die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen im Wechselrythmus, ohne häufiges Bücken und ohne Arbeiten über Kopf vollschichtig verrichte; als Altenpflegerin erscheine sie nicht mehr geeignet. Der Internist Dr. H. stellte in seinem Gutachten vom 07.08.2000 an Gesundheitsstörungen einen Diabetes mellitus Typ 2a sowie eine chronische Refluxösophagitis bei axialer Hiatushernie fest und sah deswegen eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht für gegeben.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14.09.2000 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit ab, weil die Klägerin noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verfüge und zudem auch in der Lage sei, in der ihr zumutbaren Beschäftigung als Verwaltungsangestellte (Bürohilfe) vollschichtig tätig zu sein.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, aufgrund ihrer vielseitigen schweren Erkrankungen könne sie nicht mehr vollschichtig arbeiten, immer wieder müsse sie längere Ruhepausen einlegen, um die Schmerzen zu lindern und neue Kraft zu schöpfen. Zur weiteren Klärung der Angelegenheit verwies sie auf Behandlungen bei mehreren Ärzten.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten zog daraufhin Befundberichte bei und veranlasste - offenbar wegen eines bescheinigten chronischen Schmerzsyndroms (Verdacht auf Fibromyalgiesyndrom) - eine Untersuchung durch den Neurologen und Psychiater Dr. K ... Bei diesem brachte die Klägerin vor allem rezidivierende und zunehmende Wirbelsäulenbeschwerden mit Betonung im Kreuz- und Nacken-/Schulterbereich vor, daneben häufige Kopfschmerzen. Der Sachverständige stellte aufgrund mehrerer technischer Befunde und der körperlichen Untersuchung der Klägerin in seinem Gutachten vom 15.01.2001 ein Cervicalsyndrom mit sensibler Wurzelreizung C7 rechts, einen rezidivierenden Kreuzschmerz mit älterer Wurzelirritation S1 rechts, ein cervicocephales Syndrom und einen Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung fest. Zugleich wies er aber darauf hin, dass eine floride Schädigung der Wurzel C7 mit Nachweis entsprechender Veränderungen sich im EMG nicht finde, ebensowenig hinsichtlich der Nervenwurzel S1, deren Schädigung älteren Datums und Ursache für den nicht auslösbaren Achillesehnenreflex rechts sei. Der Bandscheibenvorfall im Segmentbereich C3/C4 habe nicht zu Beeinträchtigungen auf neurologischem Gebiet geführt. Für eine organische Grundlage der geklagten Kopfschmerzen fehle es nach den Untersuchungsbefunden an Hinweisen, so dass unter zusätzlicher Berücksichtigung des psychiatrischen Befundes der Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung bestehe. Die Klägerin sei für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Altenpflegerin nicht mehr geeignet, weil sie hierbei schwerere körperliche Arbeiten verrichten müsse. Leichtere körperliche Arbeiten, möglichst im Wechsel von sitzender und stehender Tätigkeit ohne einseitige Belastung, seien vollschichtig möglich. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies daraufhin den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2001 zurück, weil die Klägerin unter Zugrundelegung des Hauptberufs als Altenpflegehelferin und des Gesundheitszustandes noch vollschichtig eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne. Es lägen weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit noch die Voraussetzungen der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Sozialgesetzbuch Teil VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung vor.
Die anschließend erhobene Klage begründete die Klägerin damit, dass außer den bisher festgestellten Behinderungen chronische Sehnenscheidenentzündungen in beiden Armen bestünden und immer wieder Herzrhythmusstörungen sowie Asthma auftreten würden. Sie sei nicht mehr in der Lage, vollschichtig erwerbstätig zu sein. Ihre bisherigen beruflichen Tätigkeiten umschrieb sie nun genau mit Verkäuferin im Kaufhaus M. , H. , und im Kaufhaus S. , U. (10.04.1969 bis 30.09.1974 mit Unterbrechungen), Kassiererin bei der Firma L. , K. (02.12.1974 bis 31.10.1975), Kassiererin und Verkäuferin in K. , K. (01.03.1976 bis 30.04.1979), Hauswirtschafterin im Altenheim H. (10.01. bis 31.08.1985) und Pflegehelferin in der Diakonie H. (01.09.1985 bis 30.08.1987).
Das Sozialgericht zog die Akten des AVF L. und des Arbeitsamts P. bei und ließ vom Orthopäden Dr. L. das Gutachten vom 17.05.2002 erstellen. Diesem gegenüber gab die Klägerin zunehmende Schmerzen im Bereich der gesamten Körperoberfläche, angefangen von der Halswirbelsäule und dem Hinterkopf mit Ausstrahlung bis in die Arme an, außerdem Schmerzen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in die Leistenregion sowie Knieschmerzen. Die Schmerzen ließen sich nicht exakt lokalisieren, es seien einfach Dauerschmerzen, die häufig an Intensität und Lokalisation wechselten und immer, auch in Ruhe, vorhanden seien. Die Greiffunktion der Hände sei durch Schmerzen, die durch Anfassen von Gegenständen entstünden, so stark herabgesetzt, dass sie keine Tätigkeit mit Einsatz von Kraft durchführen könne. Aber auch einfache Tätigkeiten im Haushalt seien wegen Schmerzen in den Händen allenfalls nur kurzfristig ausübbar. Der Schlaf sei gestört, sie müsse sich nachmittags wegen ständiger Müdigkeit hinlegen. Aufgrund der konstanten Müdigkeit und Erschöpfung sei die psychische Leistungsfähigkeit schon seit Jahren erheblich reduziert. Die Konzentrationsfähigkeit, die Merkfähigkeit, die Belastungsfähigkeit für Alltagssituationen und das Zeitgedächtnis seien schlecht geworden. Früher ein gesellschaftsorientierter Mensch, ziehe sie sich zunehmend zurück, weil sie aus Schmerzgründen eigentlich an gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht mehr teilnehmen wolle oder könne. Dr. L. stellte eine schmerzbedingte aktive, aber nicht passive Bewegungseinschränkung der Arme (Hebung bis 90 bzw. 120 Grad seitwärts und 160 Grad nach vorne), eine Schwächung der groben Kraft der Hände, eine endgradige Bewegungseinschränkung des Kopfes, eine mittelgradige Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule (u.a. Finger-Boden-Abstand 35 cm) fest, außerdem, dass 16 tender points im Bereich des oberen Rumpfabschnitts und der Arme positiv gewesen seien; ebenso fänden sich solche Zeichen bei den Kniegelenken. Er diagnostizierte anhand der ärztlichen Vorbefunde, der Angaben der Klägerin, der gezeigten Bewegungseinschränkungen und einer angenommenen allgemeinen geistigen Leistungseinbuße aufgrund chronischer Müdigkeit und Erschöpfungssyndroms eine schwerwiegende Form der Fibromyalgie. Bei der ausreichenden Bewegungsfähigkeit der meis-ten Gelenke und der ausreichenden Kraftausübung sei zu beachten, dass Fibromyalgie-Betroffene in aller Regel Dauerleistungen nicht mehr erbringen könnten. Zu berücksichtigen sei auch der Mangel an psychischer Belastungsfähigkeit, so dass die Klägerin nicht in der Lage sei, einer regelmäßigen beruflichen Tätigkeit jedweder Art nachzugehen.
Die Beklagte bemängelte an dieser Einschätzung, dass der Klägerin nach den körperlichen Befunden leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Arbeiten über Kopf und ohne besondere Anforderungen an die Kraftentfaltung möglich seien, aber sich die orthopädische Beurteilung des Dr. L. vorwiegend an einem subjektiven Schmerzsyndrom orientiere und hierzu entscheidungserhebliche einschlägige Angaben vermisst würden.
Hierzu nahm Dr. L. am 12.07.2002 dahingehend Stellung, dass es Wesen der Grunderkrankung sei, dass sich die Diskrepanz zwischen Beweglichkeit/Kraft und Dauerleistungsmöglichkeit aus der muskoskelettalen Schmerzspirale erklären lasse. Die Frage nach der Schmerzmedikation sei vorliegend ohne Belang, weil auch regelmäßig eingenommene hohe Dosen keine Wirkung bei Fibromyalgie im fortgeschrittenen Stadium zeigten. Nachdem bereits zwei neurologisch-psychiatrische Fachgutachten erstattet worden seien, die keine fachbezogene Erkrankung nennenswerter Art festgestellt hätten, sei eine Wiederholung nicht zu empfehlen. Die Fibromyalgie sei nach ärztlicher Erkenntnis keine Erkrankung, die in das Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie falle, und derartige Gutachten seien nur als Ausschlussuntersuchungen zu empfehlen.
Den Ausführungen des Dr. L. folgend verurteilte das Sozialgericht am 07.10.2002 - gemäß dem in der mündlichen Verhandlung zeitlich eingeschränkten Klageantrag - die Beklagte, unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.06.2002 (Leistungsfall im Mai 2002) zu zahlen. Es ging u.a. davon aus, dass die Fibromyalgie eben doch mehr im somatischen als im psychischen Bereich wurzele, wenngleich sie zweifellos psychische Auswirkungen habe. Die somatischen Ursachen der Erkrankung fielen aber wiederum in den Fachbereich Orthopädie, so dass die gutachterlichen Ausführungen des Dr. L. überzeugender erschienen als die der Vorgutachter.
Mit dem Rechtsmittel der Berufung wendet sich die Beklagte hiergegen und bringt vor, im Rentenverfahren habe nicht die Klassifikation oder Diagnose, sondern die Ausprägung der Funktions- bzw. Fähigkeitsstörungen vorrangige Bedeutung, wobei gerade bei der Beurteilung von Schmerzsyndromen eine Prüfung der Plausibilität der angegebenen Beschwerden gefordert werde, die Dr. L. nicht ausreichend durchgeführt habe. Im Übrigen könnten die von Dr. L. angenommenen Auswirkungen auf Konzentrationsvermögen und andere psychische Funktionen nicht nachvollzogen werden. Subjektive Angaben der Klägerin allein könnten nicht entscheidend sein, und die diesbezügliche Prüfung falle in das Fachgebiet eines Nervenarztes. Zur weiteren Begründung legt die Beklagte eine ausführliche Stellungnahme der Neurologin und Psychiaterin Dr. M. vom 18.09.2002 vor.
Der Senat hat neben der aktuellen Klageakte die Versichertenakte der Beklagten, die abgeschlossenen Streitakten des vorausgegangenen Rentenprozesses, die Schwerbehindertenakte des AVF L. , die Klageakte des Sozialgerichts Landshut S 2 SB 254/00, die Leistungsakte des Arbeitsamtes P. und 16 Röntgenfilme beigezogen. Eingeholt worden sind Befundberichte vom Allgemeinarzt Dr. O. , vom Kardiologen und Lungenarzt Dr. M. , vom Orthopäden Dr. R. und von der orthopädischen Praxis Dres. P./B./F. mit zahlreichen Arztbriefen. Der Senat hat ferner vier Fachartikel beigezogen ("Moderne Aspekte der Fibromyalgie" von Dres. Hausotter und Weiss, "Fibromyalgie - Stichworte zur Kontroverse" von Dr. Mayer, "Fibromyalgie" von Dr. Häuser und "Fibromyalgie" vom Rheumazentrum Heidelberg).
Der beauftragte Sachverständige Dr. M. diagnostizierte in seinem orthopädischen Gutachten vom 28.07.2003 "fortgeschrittenes Fibromyalgiesyndrom, generalisierte Muskelschmerzen, Leistungsabfall" und hielt die Klägerin für fähig, pro Arbeitstag höchstens zwei bis drei Stunden täglich leichte Arbeiten zu verrichten. Er begründete dies nicht nur mit den gefundenen schmerzhaften Druckpunkten (tender points), die von der Klägerin an vielfältigen Stellen ausreichend gegeben wären, wobei die mitgeprüften Kontrollpunkte sich als negativ erwiesen, sondern stütze sich vor allem auf die von Müller und Lautenschläger geforderten vegetativen und funktionellen Beschwerden, die sich bei der Klägerin seit 1979/80 in zahlreichen Arztbriefen fänden.
Der Neurologe und Psychiater Dr. M. führt in seinem Gutachten vom 04.05.2004 aus, mit Ausnahme eines herabgesetzten Vibrationsempfindens im Bereich der unteren Extremitäten, einer eingeschränkten Beweglichkeit im Bereich der oberen Halswirbelsäule und unteren Lendenwirbelsäule und einer Klopfschmerzhaftigkeit habe ein insgesamt regelrechter neurologischer Status erhoben werden können, ohne Hinweise für radikuläre Defizite oder eine neurologische Herdsymptomatik. Es sei auch ein regelrechter psychischer Befund erhoben worden, ohne Hinweise für eine depressive Störung von tiefer gehender Dynamik, ebenso hätten krankheitswertige Gedächtnis-, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen ausgeschlossen werden können. Im Vordergrund stehe die Schmerzsymptomatik. Dr. M. diagnostizierte "Somatisierungsstörung, Neurasthenie, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Halswirbelsäulen-Syndrom und Lendenwirbelsäulen-Syndrom ohne funktionelle Defizite sowie Verdacht auf beginnende sensible Polyneuropathie im Bereich der unteren Extremitäten. Der Sachverständige wies unter Besprechung zahlreicher ärztlicher Unterlagen seit 1980 darauf hin, dass bei der Klägerin schon sehr frühzeitig eine Reihe von Syndromen aus dem psychosomatischen bzw. somatoformen Beschwerdekreis bemerkt worden seien, wie sie sich fortgesetzt auch in dem heutigen Beschwerdebild präsentierten. Stets sei auch zu beobachten gewesen, dass sich die Klägerin (z.B. erkennbar aus dem Widerspruch vom 28.05.1980 gegen den Bescheid über die Feststellung ihrer Behinderungen mit 10 v.H.) völlig fehlbeurteilt sehe und subjektiv eine erhebliche Minderung ihrer Arbeitskraft erlebe. Auch im Rentenverfahren habe sich die Klägerin völlig unzutreffend beurteilt und völlig missverstanden gefühlt. Dokumentiert sei bereits früher und auch jetzt eine deutliche Einengung auf die Schmerzsymptomatik, wohingegen gegenüber dem Erfragen möglicher psychischer Zusammenhänge eine völlige Ablehnung festzustellen sei. Der Klägerin gehe es um die Anerkennung der vorgebrachten Beschwerden von gerichtlicher Seite und um eine Berentung, wohingegen ärztliche Anregungen einer entsprechenden Therapiemaßnahme nie aufgenommen worden seien; die Klägerin habe sich bisher weder gegenüber einem psychosomatischen Heilverfahren noch einer nervenärztlichen oder psychotherapeutischen Betreuung geöffnet, obwohl die Neurotizismen nicht derart ausgeprägt seien, dass sie nicht aufgrund eigener Willensanstrengung eine derartige Therapie in Anspruch nehmen könne. Dr. M. übte weiterhin Kritik an dem Gutachten des Dr. L. , der wiederholt fachfremde Beurteilungen auf internistischem, neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet vorgenommen habe, wobei insoweit die notwendige Objektivität und Distanz fehlten und sich die Ausführungen größtenteils im spekulativen Bereich bewegten. Hinsichtlich des Schmerzsyndroms und gegebenenfalls eines chronischen Erschöpfungssyndroms, das sich weitgehend mit dem Bild der Neurasthenie decke, sei die Erhebung der Leistungsfähigkeit wegweisend für die Beurteilung, woran es dem Gutachten des Dr. L. aber mangele. Auch Dr. M. habe sich gutachterlich auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet bewegt. Sofern, wie im vorliegenden Falle der Klägerin gegeben, allein subjektive Beschwerden im Vordergrund stünden bzw. eine erhebliche Diskrepanz zwischen subjektivem Befinden und Leistungseinschränkung einerseits und objektiven Befunden andererseits bestehe, handle es sich um ein Störungsbild, welches wesentlich auf nervenärztlichem Fachgebiet liege. Aus der Beschreibung und der Gestaltung des allgemeinen Lebensumfeldes der Klägerin seien keine schwerwiegenden Leistungseinschränkungen abzuleiten im Vergleich zu einer schweren körperlichen Behinderung. Es bestehe keine erhebliche oder schwerwiegende Einschränkung der Lebensqualität. Aufgrund der erheblichen Beeinträchtigungen durch die in erster Linie auf neurotischem Gebiet liegenden Störungsbilder sei von einer reduzierten Leistungsfähigkeit auszugehen, auch wenn organische Anteile bei der Entstehung keine Rolle spielten. Wegen des Schmerzbildes sei die Tätigkeit einer Altenpflegerin mit erheblichen körperlichen Belastungen oder die Tätigkeit einer Verkäuferin aufgrund der fast ausschließlich stehenden Tätigkeit nicht mehr zumutbar. Möglich seien der Klägerin jedoch leichte Arbeiten aus dem Berufskreis einer Einzelhandelskauffrau bzw. eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Ausgangsposition, vorwiegend in geschlossenen Räumen, wobei das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, häufiges Bücken, Arbeiten in Zwangshaltung, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie im Akkord oder am Fließband zu vermeiden seien. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die neurotische Störung sei auch nicht derart ausgeprägt, dass eine Beschränkung hinsichtlich der Leistungsmotivation anzunehmen sei.
Die Internistin und Lungenärztin Dr. L. stellte in ihrem Gutachten vom 21.06.2004 an Gesundheitsstörungen einen tablettenpflichtigen (gut eingestellten) Diabetes mellitus, eine beginnende diabetogene Nervenschädigung an den Beinen, ein medikamentös stabiles Asthma bronchiale (geringe Funktionseinschränkung der Lunge bei problematischer bzw. fehlender Mitarbeit der Klägerin), eine gut unter Kontrolle stehende Reflux- krankheit der Speiseröhre, anfallsweise auftretende Herzrythmusstörungen und eine Innenohrschwerhörigkeit links mehr als rechts (sehr gutes Verstehen von Umgangssprache) fest. Der Klägerin seien leichte und mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht und bei Vermeidung von inhalativen Reizstoffen zumutbar, die Geh- und Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Von Seiten der internistischen Leiden bestehe nur eine geringe Leistungseinschränkung, im Vordergrund stünden die Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet.
Nach Abschluss der Beweisaufnahme weist die Beklagte unter Vorlage einer Stellungnahme der Dr. B. vom 16.07.2004 darauf hin, dass die Ausführungen des Dr. L. und des Dr. M. durch die Gutachten der Dres. M. und L. widerlegt seien. Der psychiatrische Befund spräche gegen eine schwere Schmerzsymptomatik. Die Klägerin vertritt - inzwischen hatte der Bevollmächtigte das Mandat niedergelegt - die Auffassung, sie sei wegen Fibro- myalgie nicht arbeitsfähig, und beruft sich auf die Gutachten der Dres. L. und M ...
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts vom 07.10.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die oben genannten Unterlagen zur Entscheidung vor. Hierauf wird zur Ergänzung des Tatbestandes, insbesondere hinsichtlich des Inhalts der ärztlichen Unterlagen und Gutachten, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143 ff, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist zulässig und begründet.
Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass der Klägerin seit dem 01.06.2002 kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und auch nicht wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht. Teilweise erwerbsgemindert ist die Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, und voll erwerbsgemindert die Versicherte, die unter den gleichen Voraussetzungen außerstande ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 des Sozialgesetzbuches Teil VI - SGB VI - in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung). Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit erhält auch die Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist (Übergangsvorschrift des § 240 Abs. 1 SGB VI).
Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nicht erfüllt, denn sie kann seit Juni 2002 sechs Stunden und mehr leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verrichten; ein Berufsschutz kommt ihr nicht zugute. Im Vordergrund ihrer Gesundheitsstörungen stehen ein Schmerzsyndrom und eine Neurasthenie. Vorweg weist der Senat daraufhin, dass es nicht entscheidend auf die Diagnosen "Somatisierungsstörung und somatoforme Schmerzstörung" oder "Fibromyalgiesyndrom" ankommt. Hier handelt es sich um die Zuordnung der im Wesentlichen gleichen Krankheitssymptome entweder zu einem der traditionellen Krankheitsbegriffe oder zu einem mehr oder minder künstlich geschaffenen neuen Begriff. So sind nach Anfängen der Theorie über die Fibromyalgie die diagnostischen Kriterien durch das American College of Rheumatology (ACR) von 1990 rein deskriptiv gefasst worden und beschränken sich auf zwei Kardinalsymptome: Ausgebreitete persistierende (mindestens drei Monate anhaltende) Schmerzen bzw. Schmerzregionen unter Einschluss der Wirbelsäule und das Vorliegen von mindestens 11 von 18 definierten lokalen Druckschmerzpunkten (tender points) bei einem standardisierten Fingerdruck von vier Kilopond pro cm². Vorausgesetzt wird hier, dass andere Erkrankungen auf orthopädischem, neurologischem, psychiatrischem und internistischem Gebiet definitiv ausgeschlossen werden (vgl. im Einzelnen hierzu Hausotter/Weiß in "Moderne Aspekte der Fibromyalgie", und Mayer, "Fibromyalgie - Stichworte zu einer Kontroverse"). Die Ursachen der so definierten Krankheit, die als primäre oder sekundäre Gesundheitsstörung auftreten soll, sind nach wie vor unklar. Es gibt keine eindeutig objektivierbaren fassbaren Ursachen; ebensowenig ist nach bisherigem wissenschaftlich-ärztlichen Stand ein sicherer ärztlicher objektivierbarer Befund für die Symptome (der Grundkrankheit) zu erheben, weder auf radiologischem noch auf laborchemischem Wege; auch EEG, EMG und die übrige neurophysiologische Diagnostik ergeben im Regelfall keine Befunde. Weiterhin sind ohnehin Ausmaß und Schwere der Schmerzen nicht messbar.
Letztlich fußt die Fibromyalgie nur auf subjektiven Angaben des Patienten in Verbindung mit den tender points (vgl. die Zusammenstellung bei Hausotter/Weiß, a.a.O.). Hinzukommen sollen nach jüngerer Ansicht an sich unspezifische Symptome, die nicht zwangsläufig bei Fibromyalgie vorliegen müssen, aber im Zusammenhang damit gehäuft zu beobachten sind, unter anderem Abgeschlagenheit, Müdigkeit und fehlende Erholung durch den nächtlichen Schlaf, vegetative Beschwerden (funktionelle Atembeschwerden, respiratorische Arrhythmie, funktionelle kardiale Beschwerden, Dysurie, Parästhesien, Tremor, Darmstörungen usw.), Depressionen und Ängste (nach längerem Verlauf der Fibromyalgie-Erkrankung).
Wie unsicher solche "Kriterien" sind, zeigt die Zusammenstellung von Mayer, in der als Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen Somatisierungsstörung (und Schmerzstörung als Sonderform der somatoformen Störung) und Fibromyalgie letztlich nur die tender points gelten, weil viele der sonstigen Symptome bei beiden Erkrankungen gehäuft auftreten.
Bei der unklaren Ätiologie und der Funktion des Fibromyalgiesyndroms als Auffangbecken bei Ausschlussdiagnosen ist es nur verständlich, dass manche Ärzte die Krankheit ausdrücklich als körperliche und nicht als psychische Erkrankung betrachten (was den meisten Patienten entgegenkommt), und wiederum andere darin nur eine Verlegenheitsdiagnose sehen und den Begriff für entbehrlich halten. Übereinstimmung besteht aber, dass bei deutlicher Diskrepanz zwischen Art und Ausmaß des geklagten Beschwerdebilds und dem objektivierbaren Befund Patienten darunter erheblich leiden können, aber auch eine Fibromyalgie oder ein sonstiges Schmerzsyndrom nicht zwangsläufig zu einer Berufs- und Erwerbsunfähigkeit bzw. verminderter Erwerbsfähigkeit führen muss (so immerhin auch Dr. L.); eher bestehen in der Literatur Anhaltspunkte dafür, dass in der Mehrzahl der Erkrankungsfälle die Patienten mit der Diagnose Fibromyalgie erwerbstätig sind oder sein können.
Entscheidend im Rentenversicherungsrecht sind, wenn die Krankheit anhaltend und nicht mehr in absehbarer Zeit behebbar ist, allein Art und Schwere der Symptome. Es ist dann z.B. unerheblich, ob vegetative Zeichen und häufige psychische Auffälligkeiten (u.a. Depression) Ausdruck einer primär seelischen Erkrankung sind oder vielmehr Folge eines chronischen Schmerzes. Ebensowenig nutzbringend (und für die Patienten sogar schädlich) ist die Auffassung, dass eine somatische Schmerzerkrankung in den meisten Fällen einer Therapie nicht mehr zugänglich ist; wird ein durch unbekannte organische Ursachen verursachter Krankheitsprozess unterstellt, so können doch auch hier psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen entweder Sekundärfolgen bessern oder zum Abklingen bringen oder zumindest den Umgang mit dem Schmerz lehren.
Warum sich der Senat, obwohl die Krankheitsbezeichnung im Rentenversicherungsrecht letztlich belanglos war, dennoch mit den strittigen Diagnosen (bei gleichen Syndromen) befasst, so deswegen, um aufzuzeigen, dass die Meinung der Dres. L. und M. zweifelhaft und die Schlussfolgerung dieser Ärzte auf das fehlende Erwerbsvermögen der Klägerin nicht bewiesen und damit unrichtig im Rechtssinne ist.
1. Was die für eine Fibromyalgie typischen tender points (Hals, Oberkörper und Arme) betrifft, so sind bereits diese im Falle der Klägerin nicht gesichert. Dr. L. und Dr. M. haben die hinreichende Anzahl von tender points bei negativer Reaktion der Kontrollpunkte bestätigt. So sicher sind diese Ergebnisse aber nicht. So hat Dr. S. in seinem Gutachten vom 28.04.1999 für das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Diagnose Schmerzsyndrom, am ehestens erklärbar mit Fibromyalgie) darauf hingewiesen, dass die Klägerin auch schmerzhafte Kontrollpunkte angegeben habe, was auf eine fixierte neurotische Fehlhaltung oder Fehlverarbeitung hinweise; weiterführend hat bereits der Neurologe und Psychiater Dr. W. im Gutachten vom 31.05.1999 - diesem gegenüber hat die Klägerin ausnahmsweise einen tieferen Einblick in gestörte Beziehungen zu den Eltern und mehreren Partner gegeben - eine neurotische Störung herausgearbeitet. Der Senat verweist ferner auf die Feststellungen der Dr. L. im Gutachten vom 21.06.2004, dass die Klägerin eine Berührungsempfindlichkeit am ganzen Körper gezeigt habe, der Druckschmerz nicht nur an den für die Fibromyalgie typischen Triggerpunkten auslösbar gewesen sei, sondern beliebig am ganzen Körper, auch am Stamm oder Bauch oder Rücken. Anfügen will der Senat hierzu noch, dass bei organisch bedingten Störungen, z.B. einem Wirbelsäulensyndrom bei nachgewiesenen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und dem Nachweis, dass schon einmal eine Wurzelreizung bei C7 rechts und eine Wurzelirritation bei S1 rechts vorgelegen hat, empfindliche Reaktionen (u.a. an Triggerpunkten) denkbar sind, im Übrigen Schmerzempfinden bei verspannter Muskulatur auch ohne Fibromyalgie bestehen kann.
2. Auffällig ist weiterhin an den Gutachten Dres. L. und M. , dass von vorneherein Diagnosen auf anderen Fachgebieten ignoriert wurden und unterstellt wird, im Wesentlichen bestünden keine Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet oder mit organischer Ursache. Die bereits bekannten Ergebnisse allein auf psychiatrischem Gebiet (neurotische Störung) und auf neurologischem Gebiet (z.B. eine Sensibilitätsstörung im Bereich des linken Armes), wie sie Dr. W. im Gutachten vom 31.05.1999 und Dr. K. im Gutachten vom 15.01.2001 dargelegt haben, wurden als nicht existent behandelt; ebenso wurde nicht eingegangen auf Gesundheitsstörungen mit eindeutig typischer organischer Ursache auf orthopädischem Gebiet (Impingement-Syndrom der rechten Schulter laut Gutachten des Dr. W. vom 18.07.2000, beginnende Kniearthrosen beidseits bei in den letzten zehn Jahren zweimal aufgetretenen Kniegelenksergüssen sowie Bewegungseinschränkungen des Kopfes wegen Cervicalsyndroms).
Der Senat verkennt keineswegs, dass sich, dies hat unter anderem Dr. S. dargestellt, das Gesamtbild der Beschwerden der Klägerin nicht auf der Basis einer organischen Ursache erklären lässt; dann wäre es aber auch angebracht gewesen, nicht alles und jedes von vornherein unter Fibromyalgie zu erfassen und die Gesichtspunkte, die dagegen sprechen, unerwähnt zu lassen. Es geht nicht nur darum, dass viele Gesundheitsstörungen der Klägerin auf internistischem, orthopädischem und neurologischem Gebiet nicht allzu gravierend sind, sondern auch darum, dass auf psychiatrischem Gebiet Ausschlussdiagnosen durch Dr. K. und Dr. W. (später nochmals bestätigt durch Dr. M.) nicht bestanden, vielmehr wesentliche Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet vorlagen; hierüber haben sich die Dres. L. und M. nicht nur in fachärztlich inkompetenter Weise, sondern auch ohne Diskussion und Begründung hinweggesetzt.
3. Ein Fragezeichen musste der Senat auch hinter die Aussage des Dr. L. setzen, dass die funktionelle Untersuchung der Wirbelsäule allein in der Lage sei, bewegungs- und belastungsabhängige Beschwerden zu erkennen. Zunächst ist eine solche Untersuchung eine Momentaufnahme, und es können sich bei wechselndem Beschwerdezustand, den die Klägerin angegeben hat, auch wechselnde (schmerzbedingte) Bewegungsbehinderungen ergeben (vgl. z.B. den von Dr. L. angegebenen Wert des Finger-Boden-Abstands von 35 cm mit den im Krankenhausbericht der Orthopädischen Fachklinik S. wiedergegebenen 10 cm, wobei vorausgehend wiederum 30 cm festgestellt worden sind, und dies, obwohl das von der Klägerin vorgetragene Beschwerdebild seit 1996/97 stets das Gleiche ist). Auch die Wahrnehmungen über das Erscheinungsbild der Klägerin sind durchaus unterschiedlich. So wurde ihr Gangbild einmal mit kleinschrittig, etwas verlangsamt, Zehen- und Fersengang nur ansatzweise möglich wegen angegebener Schmerzen im Vorfußbereich bzw. im Fersenbereich beschrieben wie auch mit unauffällig, flüssig, raumgreifend, mit normaler Schrittgeschwindigkeit, Zehen- und Fersengang darstellbar.
Weiterhin muss beachtet werden, dass trotz eines durchaus glaubhaften Kerns des Beschwerdebilds verfahrensbezogene "Zutaten" zur Verdeutlichung und Akzentuierung des Leidenszustandes auftreten können, was nicht immer erkennbar ist, wenn der Untersuchte nur überzeugend nicht messbare Schmerzen vorträgt. An einem in der Regel Dritte überzeugenden Verhalten der Klägerin besteht nach dem Inhalt der ärztlichen Unterlagen kein Zweifel, wie sie sich darüber hinaus auch hinsichtlich ihres Rentenbegehrens und der Neufeststellung von Behinderungen durchaus durchsetzungswillig, bestimmt und ausdrucksstark zeigte. Allerdings liegen einige Punkte vor, die beim Senat Bedenken erwccken. So hat Dr. W. in seinem Gutachten vom 31.05.1999 festgestellt, dass "inhaltlich ein nachhaltiger Beschwerdedruck besteht, der mit der durchaus ungehemmten körperlichen Beweglichkeit nicht korreliert". Auch Dr. M. wies darauf hin, dass das Hauptinteresse der Klägerin nicht auf geeignete Behandlungen gerichtet gewesen sei, sondern nach dem gesamten Aktenverlauf darin bestehe, Ansprüche geltend zu machen und umzusetzen. Lässt sich hieraus noch keine (gezielte) Aggravation und Simmulation herleiten, so muss dennoch bei anderer Gelegenheit eine unstimmige "Selbstdarstellung" der Klägerin festgestellt werden. Zur Unterstützung ihres Rentenbegehrens hat sie auch energisch relativ belanglose Gesundheitsstörungen vorgetragen, z.B. ein Asthma. Hierzu hat Dr. M. in seinem Befundbericht vom 22.04.2003 festgestellt, dass im Jahre 1999 ein intrinsisches Asthma bronchiale (leichte, vollständig reversible Obstruktion) vorliege und die Klägerin nicht optimal mitgearbeitete habe, also die dargestellte Vitalkapazität der Lunge von 60 % unzutreffend sei. Anlässlich der Untersuchung des Dr. H. (Gutachten vom 02.08.2000) ergab sich seitens der Lungen ein Normalbefund, so dass der Sachverständige bei sehr wohl gesehener Medikation mit Steroiden bemerkte, das von der Klägerin angegebene "Asthmaleiden" sei nicht mehr nachvollziehbar. Bei der Untersuchung durch Dr. L. war zunächst auffällig, dass die Klägerin - bei Angabe der Gehleistung von einem Stockwerk und Atemnot bei raschem Gehen (laut Behandlungszentrum Vogtareuth vom 07.04.1999 war die Gehstrecke nicht wesentlich eingeschränkt, laut Angaben der Klägerin am 07.07.2003 gegenüber Dr. M. soll die Gehstrecke zu ebener Erde immerhin noch einen Kilometer betragen haben) - wegen angeblicher Kniebeschwerden nicht in der Lage gewesen ist, die Pedale des Fahrradergometers auch nur im Leerlauf zu bewegen, obwohl vorausgehend bei der Untersuchung alle Bewegungsabläufe flüssig und ohne Probleme von statten gingen. Hinzu kam, dass - wesentliche Lungenbefunde wurden nicht festgestellt - die Lungenfunktion bei Belastung (Prüfung des Atmungswiderstands)- bronchiuserweiternden Medikaments, wobei dies bereits auf eine gezielte mangelnde Mitarbeit hinweist.
Insgesamt betrachtet kann der Senat nicht auf alle Angaben der Klägerin zu ihren Beschwerden und damit auch nicht auf den Angaben zum Umfang und zu der Stärke des Schmerzsyndroms vertrauen, wie es Dr. L. in unkritischer Weise getan hat.
4. Unrichtig hält der Senat die Verhaltensweise des Dr. L. , zunächst alle ärztlich festgestellten wie auch nur von der Klägerin behaupteten Befindlichkeitsstörungen auf internistischem, neurologischem, psychiatrischem und orthopädischem Gebiet einem Fibromyalgiesyndrom zuzuordnen und sodann daraus wiederum zu schließen, dass aufgrund der Behauptungen der Klägerin sowohl die psychische Belastbarkeit (Konzentration, Gedächtnis usw.) fehle als auch die körperliche Belastbarkeit im Sinne einer über 10-15 Minuten hinausgehenden oder länger anhaltenden Arbeit nicht vorhanden sei, und das selbst bei banalsten Verrichtungen; gleichzeitig wurde anderen Ärzten eine fehlende Kenntnis der Fibromyalgie oder/und eine fachinkompetente Beurteilung vorgeworfen und zum Schluss auch noch entgegen dem wahren Sachverhalt behauptet, neurologische bzw. psychiatrische Gutachten hätten anderweitige Erkrankungen der Klägerin im jeweiligen Fachgebiet verneint.
Dr. L. hielt sich als Orthopäde offensichtlich allein für kompetent, den Zustand der Klägerin zu beurteilen. Zunächst ist aber nicht gesichert, dass die Fibromyalgie nach ärztlicher Erkenntnis eine Erkrankung ist, die nicht auch in den Fachbereich der Neurologie und Psychiatrie fällt, wie Dr. L. behauptet; es gibt im Meinungsstreit durchaus Ansichten, dass das Fibromyalgiesyndrom Variante einer depressiven Erkrankung bzw. eine Störung aus dem affektiven Formenkreis ist, daneben im Übrigen auch Meinungen, dass die Fibromyalgie zwar zu den somatischen Erkrankungen zähle, aber jedenfalls nicht in den orthopädischen Bereich falle (hierzu vgl. z.B. die Vertreter einer zentral-nervös bedingten Schmerzschwellenstörung laut Hausotter/Weiß, a.a.O.). Die Behauptung des Dr. L. indiziert, dass er als Orthopäde kompetenter als ein Neurologe und Psychiater und auch ein Internist sei; richtigerweise hätte er jedoch darlegen müssen, dass es nach ärztlich-wissenschaftlichem Stand auch nicht gesichert ist, ob es sich bei der Fibromyalgie um eine Gesundheitsstörung aus dem somatischen und hier wiederum aus dem orthopädischen Formenkreis handelt. Von einem Gutachten kann erwartet werden, dass es eine gewisse Objektivität wahrt.
Unabhängig von dem Bestehen oder Nichtbestehen des Fibromyalgiesyndroms muss aber festgehalten werden, dass Dr. L. in inkompetenter und im Übrigen unterstellender, nicht auf sorgfältiger Prüfung und Würdigung beruhender Weise zu Ergebnissen gekommen ist, die nicht mehr als Behauptungen darstellen. Wird entgegen dem psychiatrisch-neurologisch festgestellten Sachverhalt vom Vorhandensein eines in den orthopädischen Bereich fallenden Fibromyalgiesyndroms ausgegangen, so bliebe dennoch das neurologisch-psychiatrische Urteil hinsichtlich des Umfangs und Schweregrads des Schmerzsyndroms, der Glaubwürdigkeit des Patienten und der Willensfähigkeit, geeignete Maßnahmen (Behandlungen, Therapien) zur Besserung, Abmilderung oder Behebung zu unternehmen, das maßgebende. Weiterhin ist der Neurologe und Psy- chiater für die Beurteilung verschiedener Begleiterscheinungen (Depression, Ängste) zuständig. Darüber hinaus fällt es in den neurologisch-psychiatrischen Bereich, den Leidensdruck, den psychopathologischen Status, die krankheitsbedingte Beeinflussung der kognitiven psychosozialen Dimension, das Ausmaß der Persönlichkeitsveränderung, die Einschränkung des persönlichen Freiheitsgrads und die psychophysische Leistungsfähigkeit zu beurteilen. Dasselbe gilt im Bezug auf arbeitsrelevante Funktionen wie Konzentration, Reaktion, Schnelligkeit, Ausdauer, Zuverlässigkeit, abstraktes Denkvermögen, perspektivisches Handeln, Umstellungsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Verantwortungsgefühl, Kontaktfähigkeit und Teamfähigkeit.
Nicht zutreffend ist daher das Argument des Sozialgerichts, die Fibromyalgie sei eher den somatoformen Krankheiten zuzuordnen und daher sei dem orthopädischen Gutachten des Dr. L. mehr Überzeugungskraft beizumessen. Vielmehr fehlt dem Gutachten des Dr. L. jede schlüssige Begründung der von ihm angenommenen weitestgehenden Einschränkungen des Erwerbsvermögens der Klägerin, die ersetzt wird durch subjektive Behauptungen und den Glauben der Klägerin an ihre Arbeitsunfähigkeit sowie durch Unterstellung einer von verschiedenen Möglichkeiten der Einschränkung des Leistungsvermögens, die eben bei einem Fibromya- lgiesyndrom eintreten können, aber nicht im Einzelfall gegeben sein müssen.
Die ergänzende Beweisaufnahme des Senats führte zu einem anderen Bild. Bei der Erhebung des psychiatrischen Befunds durch Dr. M. ergab sich ein regelrechter Status. Die Klägerin zeigte sich konzentriert und orientiert, trotz subjektiver Beschwerden (Vergesslichkeit - Kurzzeitgedächtnis -) fanden sich im Gespräch keine Hinweise für eine Konzentrations- oder Merk- fähigkeitsstörung von Krankheitswert. Die Psychomotorik war unauffällig, die affektive Schwingungsfähigkeit gut erhalten; insgesamt ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine depressive Symptomatik von tiefergehender Dynamik. Im Vordergrund stand vielmehr eine neurotische Störung, gut verfolgbar an dem von Dr. W. früher erarbeiteten Lebensprofil und an den Schreiben der Klägerin in ihrer seit 1980 immer wieder betriebenen Schwerbehindertenangelegenheit, wobei - nebenbei gesagt - in diesen Verfahren teilweise insuffiziente, jedenfalls heute nicht mehr nachvollziehbare ärztliche Diagnosen wie Polyarthritis beider Hände, Nierensteinleiden, Sehstörungen und Oberbauchschmerzen auftauchen.
Die bei der Klägerin vorliegende neurotische Störung kann, wie Dr.M. ausgeführt hat, in drei Komponenten gegliedert werden. Die erste ist eine Somatisierungsstörung. Charakteristisch hierfür sind multiple, wiederholt auftretende und häufig wechselnde körperliche Symptome, die meist bereits seit einigen Jahren bestanden haben, bevor der Patient - wenn überhaupt - zu einem Psychiater überwiesen wird. Die meisten dieser Patienten haben in der Primärversorgung und in spezialisierten medizinischen Einrichtungen eine lange und komplizierte Anamnese hinter sich, mit vielen negativen Untersuchungen und ergebnislosen Operationen. Die Symptome können sich auf jedes Körperteil und jedes Körpersystem beziehen, zu den häufigsten gehören gastrointestinale Beschwerden (Schmerz, Aufstoßen, Erbrechen, Übelkeit usw.) und abnorme Hautempfindungen. Begleitet werden diese Beschwerden teilweise auch von Depressionen und/oder Ängsten. Die Störung ist weitaus häufiger bei Frauen als bei Männern und beginnt meist im frühen Erwachsenenalter.
Aufgrund der bei der Klägerin in den letzten Jahren zunehmenden Hinwendung zu einem Schmerzbild sind jedoch auch, wie Dr. M. dargelegt hat, die Kriterien einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung erfüllt. Die vorherrschenden Beschwerden sind andauernde, schwere und zum Teil als quälend empfundene Schmerzen, die durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden können. Der Schmerz tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder auch psychosozialen Problemen auf. Diese sollten schwerwiegend genug sein, um als entscheidende, ursächliche Einflüsse zu gelten. Im vorliegenden Falle hat sich die Klägerin bei wiederholtem Nachfragen gegenüber Dr. M. in der aktuellen Situation hinsichtlich psychosozialer Belastungssituationen verschlossen, jedoch ergeben die vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere auch das Gutachten des Dr. W. , hinreichend Hinweise dafür, dass derartige Momente vorgelegen haben und vorliegen, die zu einer Akzentuierung der Symptomatik beitragen.
Zudem sind die Kriterien einer Neurasthenie erfüllt, wobei das Schwergewicht auf Gefühlen körperlicher Schwäche und Erschöpfung nach nur geringer Anstrengung, begleitet von muskulären und anderen Schmerzen und der Unfähigkeit, sich zu entspannen, liegt. Begleitet wird eine Neurasthenie häufig von Schwindelgefühlen, Spannungskopfschmerzen, dem Gefühl einer allgemeinen Unsicherheit, der Sorge über das Abnehmen des geistigen und körperlichen Wohlbefindens, Reizbarkeit, Freudlosigkeit und unter Umständen unterschiedliche Grade von Depression und Ängsten. Der Schlaf ist häufig in der anfänglichen und mittleren Phase gestört, es kann aber auch zu vermehrten Schlafphasen kommen.
Zur Schwere der neurotischen Störung insgesamt ist anzuführen, dass die häufig wechselnden körperlichen Symptome bei der Klägerin nicht allzu gewichtig sind (Somatisierungsstörung), dass die Neurotizismen nicht derart ausgeprägt sind, dass nicht aufgrund eigener Willensanstrengung eine geeignete Behandlung unternommen werden kann (somatoformes Schmerzsyndrom), und dass das "Erschöpfungssyndrom" auch nicht in den einzelnen Symptomen derart ausgeprägt ist, dass z.B. die Kriterien einer schweren depressiven Episode erfüllt sind und Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Arbeitsleistung besteht.
Eine objektive Messmethode zur Quantifizierung des Schmerzes gibt es nicht. Wenn - wie bei der Klägerin - weitreichende, evidente Folgen wie z.B. eine schmerzbedingte Persönlichkeitsveränderung oder sonstige psychopathologische Auffälligkeiten fehlen, können neben einer gründlichen Anamnese nur noch die Auswirkungen des Schmerzsyndroms im Bereich der sozialen Möglichkeiten und Aktivitäten als Anhaltspunkte herangezogen werden. Insoweit ist zunächst bei der Klägerin ein sozialer Rückzug nicht festzustellen. Es mag sein, dass sie - wie bei Dr. L. angegeben - früher gerne ausgegangen ist, gerne beim Tanzen gewesen ist und einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hatte, und nun das Fernsehen anstelle eines Theaterbesuchs vorzieht. Solche "Einschränkungen" sind aber oft alters- und lebensbedingt, treten häufig ohne Krankheitsursache auf und habe vielfältige Erklärungen, sei es durch Scheidung (bei der Klägerin 1984) oder Umzug mit der Folge des Verlustes oder Lockerung der Kontakte zu Verwandten und Bekannten, sei es durch die Lebensweise des neuen Partners oder die Lebensweise der adäquaten Altersgruppe, die in der Regel einen ruhigeren und beschaulicheren Lebensstil pflegt und daher von manchen Möglichkeiten der Lebensgestaltung nicht (mehr) Gebrauch macht. Vorliegend kommt hinzu, dass das Leben der Klägerin zuletzt in einem sehr kleinen Städtchen weniger an nahe liegenden Möglichkeiten zur Unterhaltung und Freizeitgestaltung bietet wie z.B. K., wo die Klägerin einige Zeit lebte, oder das immerhin noch gegenüber Bad B. wesentlich größere H. , wo die Klägerin den Großteil ihres Erwerbslebens zubrachte.
Ein schmerzbedingter sozialer Rückzug lässt sich nicht objektivieren. Bei Dr. W. hat die Klägerin keineswegs Interesselosigkeit und Beziehungslosigkeit angegeben, sondern als Hobbys Spazierengehen und Musik (insbesondere Schlager), außerdem ist sie nach Scheidung und Scheitern nicht nur einer Partnerschaft sowie nach Alleinleben zu einer neuen langjährigen Partnerschaft gekommen, die vor kurzem zur Heirat führte. Das von Dr. W. beschriebene Bild (sie wirkt durchaus nicht gedrückt, enttäuscht, niedergeschlagen; Aufmerksamkeit, Vigilanz, Kognition und Gedächtnis sind ohne erkennbare Defizite, im Gegenteil sind hier noch Aktiva in der Leistungsbilanz zu verzeichnen ... wendig, rasch, alert und schnell) lässt keine wesentliche Herabsetzung im Antrieb und in der Lebensqualität erkennen, ebensowenig ergaben sich Hinweise auf körperliche Ermüdung, psychische Erschöpfbarkeit oder Störungen im Sozialkontakt. Ein ähnliches Bild zeigte sich anlässlich der Untersuchung durch Dr. M ... Diesem gegenüber gab die Klägerin als Hobbys Lesen, Musikhören und verschiedene soziale Kontakte an, daneben ist ein Hund erwähnt, mit dem sie wiederholt Spaziergänge macht. Die Beziehung zum Ehemann wurde als harmonisch beschrieben. Zum Verlauf des Tages - bei gemeinsamer Wohnung mit dem Partner und jetzigem Ehemann - war unter anderem zu erfahren, dass man gegen Nachmittag Kaffee trinke, ausgehe und soziale Kontakte pflege. Bei fehlenden Konzentrations-, Merkfähigkeit- und Affektstörungen ist zwar - bedingt durch das Schmerzsyndrom - von einer subjektiv empfundenen Beeinträchtigung der Lebensgestaltung auszugehen, aber weder von einem sozialen Rückzug noch von bedeutenden Tendenzen (Antriebslosigkeit) und damit auch nicht von einer Unfähigkeit für Erwerbstätigkeiten. Auch größere Anstrengungen (mehrere Urlaubsaufenthalte in Ungarn) wurden von der Klägerin unternommen, wobei sie den dortigen Aufenthalt durchaus als angenehm empfand. Bei wesentlich kürzeren Fahrten zum Gerichtsort oder zu den gerichtlichen Sachverständigen hingegen hatte die Klägerin neben der tatsächlich schlechten Verkehrsanbindung von Bad B. gesundheitliche Gründe als Hindernis vorgeschoben. Leistungsvermögen und Leistungsbereitschaft scheinen bei ihr vom jeweiligen Gewinn gesteuert zu sein, aber nicht durch die angebliche Schwere eines Krankheitsbildes. Die Klägerin ist jedenfalls in der Lage, aktiv und zielorientiert ihren Tagesablauf und ihr Leben zu gestalten. Die sozialen Lebenswelten sind ihr mit gewissen, leichteren Einschränkungen nicht verschlossen.
Schmerzhaft oder neurotisch bedingte Hemmnisse der Willensbildung konnten ebenfalls nicht von den Sachverständigen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet festgestellt werden. Wie Dr. W. treffend beschrieben hat und im Übrigen auch mehrmals aus dem vorhandenen Aktenmaterial zu entnehmen ist, zeigte die Klägerin eine "wehrhafte Rüstigkeit" und war durchaus durchsetzungswillig, bestimmt und ausdrucksstark, wenn es um das Fortkommen ihrer eigenen Vorstellungen zur Rentensache ging.
Insgesamt gesehen kann ein schwerer Grad ihrer Gesundheitsstörung, gleich ob als neurotische Störung oder als Fibromyalgie definiert, nicht festgestellt werden. Der Senat ist sich durchaus bewusst, dass bei dem vorliegenden Krankheitsbild eine hinreichende Anzahl objektiver bzw. messbarer Kriterien nicht vorhanden ist und sein kann. Andererseits kann nicht das von der Klägerin akzentuiert vorgetragene Beschwerdebild bei vielen Zweifeln in vollem Umfang als gesichert gelten, was aber nach allgemeinen Beweisregeln der Fall sein muss; erst recht nicht ist ein subjektiver Glaube an die Arbeitsunfähigkeit oder Leistungsunfähigkeit maßgebend.
Der Fall ist nicht so zu handhaben, als ob der Vortrag der Klägerin, wenn er nicht widerlegt werden kann, als gegeben hinzunehmen ist. Vielmehr gehen fehlende Nachweise bzw. Zweifel zu Lasten des von der Klagepartei erhobenen Anspruchs. Eine umfassende fachärztliche Sichtung des seit 1980 vorhandenen Aktenmaterials und eine im Laufe der Jahre sehr umfangreich gewordene Anamnese (teilweise abgeblockt von der Klägerin in bestimmten psychiatrischen Bereichen) wurden unternommen, wodurch der Kernbereich eines Krankheitsgeschehens (Schmerzsyndrom) erfasst werden konnte; fundierte Feststellungen im Sinne einer die Erwerbstätigkeit hindernder Gesundheitsstörung waren aber nicht möglich.
Sonstige Gesundheitsstörungen der Klägerin sind nicht besonders bedeutend. Wirbelsäulensyndrome einschließlich Impingement der rechten Schulter, initiale Gonarthrose und Neigung zu Tendinitis und Epicondylopathie überlappen sich weitgehend mit dem Schmerzsyndrom. In Anbetracht all dieser Gesundheitsstörungen sind der Klägerin vollschichtig leichte körperliche Arbeiten (ohne schweres Heben und Tragen) in gelegentlichem Wechselrhythmus, ohne gehäuftes Bücken und Tragen, ohne Arbeiten über Kopf, ohne Zwangshaltungen und nicht auf Leitern und Gerüsten zumutbar; wegen der psychischen Komponente sollten Arbeiten im Akkord und am Fließband vermieden werden.
Ein Asthma bronchiale ist seit dem Jahre 1999 bekannt, hat aber zu keinen wesentlichen Einschränkungen der Lungenfunktion geführt, wie die in den Jahren 2000 und 2004 erstellten Gutachten des Dr. H. und der Dr. L. mit ihren Ergebnissen der körperlichen Untersuchung der Klägerin und den technischen Messwerten beweisen. Von einem Leiden in eigentlichem Sinne kann hier nicht gesprochen werden.
Bekannt ist auch seit langem eine durch Medikamente gut unter Kontrolle gebrachte Refluxkrankheit und ein mit Tabletten gut eingestellter Diabetes mellitus. Der Langzeitwert ist optimal, und wesentliche Folgeerscheinungen der Zuckerkrankheit sind noch nicht aufgetreten; eine beginnende Nervenschädigung an den Beinen, für deren Verursachung wohl der Diabetes in erster Linie in Betracht kommt, äußert sich in zeitweisen leichten Missempfindungen und ist noch ohne sozialmedizinische Relevanz.
Eine bedeutsame Beeinträchtigung des Herzens besteht nicht. Insoweit ist allein eine Sinustachycardie (vgl. hierzu das Langzeit-EKG des Dr. H.) festzustellen. Diese ist durch Medikamente beherrschbar. Die Klägerin hat gegenüber Dr. L. eingeräumt, dass das Herzrasen nur ca. ein- bis zweimal pro Halbjahr auftrete.
Den Gesundheitsstörungen auf internistischem Gebiet wurde bereits weitgehend durch die aus anderen Gründen bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen Rechnung getragen; zu berücksichtigen sind daher nur noch die Unzumutbarkeit von Nacharbeit und von Exposition inhalativer Reizstoffe.
Mit ihren Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ist die Klägerin nicht berufsunfähig, auch wenn sie nicht mehr als Altenpflegerin tätig sein kann. Vom Beruf der Einzelhandelskauffrau (mit dreijähriger Ausbildung, Schwerpunkt Verkaufsbereich) hat sie sich seit vielen Jahren durch persönlich bedingte Umstände und Umzug gelöst; bereits die ab 02.12.1974 ausgeübte Tätigkeit ist nicht mit der höherwertigen einer Kauffrau zu vergleichen, sondern mehr mit der Berufstätigkeit einer ungelernten oder angelernten Kassiererin und Verkäuferin mit zweijähriger Ausbildung. Die Tätigkeit einer Altenpflegehelferin ist entweder ungelernter Art oder stellt allenfalls eine angelernte Tätigkeit im unteren Bereich (Ausbildung bis zu einem Jahr) dar, so dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Verweisung auf gleichwertige wie auch nach Wertigkeit eine Stufe darunterstehende Berufstätigkeit möglich ist, damit unter anderem auf den Gesundheitszustand entsprechende ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts. In Frage kommen hier insbesondere Büroarbeiten, wofür die Klägerin sogar bestimmte Vorkenntnisse mitbringt.
Unter diesen Umständen ist Berufsunfähigkeit nicht gegeben; umso mehr fehlt es auch an den Voraussetzungen für die teilweise oder volle Erwerbsminderung. Daher musste die Berufung der Beklagten Erfolg haben und war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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