L 13 R 4257/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RA 379/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 4257/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 239/05 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20. September 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der 1951 geborenen Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.

Die Klägerin stellte am 18.01.1999 Rentenantrag, nachdem sie ab dem 10.03.1997 bis 02.10.1998 Verletztengeld und im Anschluss daran abwechselnd Kranken- und Arbeitslosengeld erhielt. Ihre Leistungseinschränkungen führte die Klägerin auf die Folgen eines Arbeitsunfalls vom Februar 1996 (Sturz auf Glatteis mit Sprunggelenksdistorsion und Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 13.02.1996 bis 06.01.1997) sowie allergische Reaktionen gegen Arbeitsstoffe zurück. Sie könne nur im Sitzen und ohne Chemikalienbelastung tätig sein. Zum Beweis brachte sie Befunde der Unfallklinik M. vom 26.06.1998 sowie Berichte der V. Allergie- und Umweltklinik I. vom 20.10.1989 und 28.11.1990 bei.

Beruflich war Klägerin zuletzt bis 10.03.1997 als Kassiererin bzw. Verkäuferin in der Filiale der Universitätsbuchhandlung P. GmbH tätig und erhielt ein Gehalt nach Gruppe II-E des Tarifvertrages des Einzelhandels Nordrhein-Westfalen. Zuvor hatte sie den Beruf einer Grosshandelskauffrau (bis August 1969) erlernt und war anschließend bis April 1985 als Stenotypistin, Sachbearbeiterin, Kontoristin und Verkäuferin sowie als Packerin tätig.

Mit Bescheid vom 29.04.1999 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil die Klägerin entsprechend dem im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachten des Chirurgen Dr. L. vollschichtig leichte und mittelschwere, gelegentlich auch schwere Tätigkeiten verrichten könne. Dies stütze sich auch auf die Ermittlungen des Arbeitsamtes N. (Untersuchung durch die Amtsärztin Dr. B. am 11.05.1998), wonach die Klägerin noch leichte, zeitweise auch mittelschwere Tätigkeiten überwiegend sitzend, zeitweise auch stehend und gehend, vollschichtig verrichten könne. Zu vermeiden seien Arbeiten mit Staub, Rauch, Gasen und Dämpfen sowie unter erhöhter Verletzungsgefahr.

Auf den von der Klägerin erhobenen Widerspruch holte die Beklagte ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Z. ein, nachdem sie zuvor Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. P. (Attest vom 23.11.1999), Dr. K. , Dr. H. (Hautärztin und Allergologie), Dr. H. (Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Sportmedizin) jeweils mit Fremdbefunden beigezogen hatte. Dr. Z. fand ein vollschichtiges Erwerbsvermögen, hielt aber eine Begutachtung durch einen Dermatologen/Allergologen für erforderlich. Diese scheiterte, weil die Klägerin am 03.02.2000 und am 18.02.2000 Untersuchungstermine bei dem Hautarzt und Allergologen Dr. M. nicht wahrnahm und behauptete, dass nur ein Umweltmediziner die erforderliche Kompetenz zur Beurteilung einer Erkrankung der multiple chemical sensitivity (MCS) habe. Nach weiteren fruchtlosen Versuchen der Beklagten und einer schriftlichen Ablehnung der Klägerin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2000 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben, weil ihr Krankheitsbild unzutreffend bewertet worden sei. Sie forderte die Einholung eines Gutachtens auf dem Gebiet der Umweltmedizin.

Das SG hat die Schwerbehindertenakte, Sozialgerichtsakten einer Angelegenheit des Schwerbehindertenrechts (Az.: S 14 SB 214/98 und S 12 SB 291/00), Akten der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel (Az.: U 10674/96 B) nebst der Gerichtsakte im anschließenden Rechtsstreit (Az.: S 2 U 299/99), ärztliche Unterlagen des Arbeitsamtes N. , eine Auskunft der G. Ersatzkasse, eine Arbeitgeberauskunft der P. GmbH, Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. P. , Dr. K. , Dr. H. und Dr. W. , jeweils mit Fremdbefunden, und Berichte der medizinisch-psychosomatischen Klinik R. (stationäre Behandlung vom 22.11.2000 bis 13.01.2001) sowie der S.klinik I. (18.07.2001 bis 29.08.2001) beigezogen.

Anschließend hat das SG ein Gutachten nach Aktenlage von dem Internisten, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, Umweltmedizin, Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. S. vom 19.06.2002 eingeholt, weil die Klägerin die Untersuchungstermine am 11.03.2002 und 22.04.2002 unentschuldigt nicht wahrnahm. Zur Untersuchung am 15.05.2002 war sie trotz der gerichtlichen Schreiben vom 22.04.2002 und 10.05.2002, in denen auf die Erforderlichkeit der Untersuchung hingewiesen worden war, nicht erschienen, nachdem Dr. S. die Forderung der Klägerin vom 12.05.2002 auf Teilnahme einer Begleitperson an der Untersuchung und Anfertigung von Tonbandaufzeichnungen während der Untersuchung abgelehnt hatte. Nach dem Ergebnis dieses Gutachtens handele es sich nicht um echte psychische Krankheitsbilder oder echte Versagenszustände mit Krankheitswert, die die Klägerin weder unter eigener zumutbarer Willensanstrengung noch unter ärztlicher Mithilfe in absehbarer Zeit überwinden könne.

Eine in Auftrag gegebene Begutachtung durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. O. vom 11.01.2002 konnte mangels Mitwirkung der Klägerin ebenfalls nicht erfolgen, so dass deren Stellungnahme auf den beigezogenen Unterlagen sowie der Beobachtung des Verhaltens der Klägerin am 09.01.2002 in der Zeit von 14.00 Uhr bis zum Verlassen der Praxis um 14.45 Uhr beruhte.

Durch Urteil vom 20.09.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei in ihrem Erwerbsvermögen nicht in einem rentenberechtigenden Ausmaß beeinträchtigt. Soweit es den Sachverständigen möglich gewesen sei, eine Beurteilung abzugeben, habe dies nicht zum Ergebnis einer verminderten Erwerbsfähigkeit geführt. Nach den Ausführungen des Gutachters Dr. S. sei der Klägerin eine Tätigkeit in wechselnder Arbeitshaltung mit Überwiegen von Sitzen und Stehen noch vollschichtig zumutbar. Berufsunfähigkeit im Beruf einer Großhandelskauffrau bestehe nicht. Der Klägerin sei die Ausübung dieser Tätigkeit aufgrund des ihr verbliebenen Leistungsvermögens noch vollschichtig und vollwertig möglich. Denn bei diesen Tätigkeiten handele es sich um körperlich leichte kaufmännische Tätigkeiten, die in wechselnder Körperhaltung ausgeübt werden könnten. Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung, mit häufigem Gehen auf unebenem Gelände und mit atemwegsreizenden Arbeitsstoffen seien mit der Ausübung dieses Berufes in aller Regel nicht verbunden. Insbesondere werde diese Tätigkeit in geschlossenen Räumen verrichtet. Selbst wenn man davon ausgehe, dass sich die Klägerin durch die Aufnahme ihrer Tätigkeit ab Juni 1985 bis April 1992 als Packerin von ihrem erlernten Beruf als Großhandelskauffrau gelöst habe, sei sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar verweisbar. Denn sowohl diese Tätigkeit als auch die zuletzt verrichtete Tätigkeit als Kassiererin bzw. Verkäuferin, für die nach der im Hinblick auf die verrichteten Tätigkeiten überzeugenden Auskunft der P. GmbH keine Ausbildung erforderlich gewesen sei und die Anlernzeit nur wenige Stunden betragen habe, seien als ungelernte Tätigkeiten (Einarbeitungszeit von weniger als drei Monaten) zu qualifizieren.

Berufsunfähigkeit sei auch unter dem Gesichtspunkt einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die für die Klägerin trotz vollschichtiger Einsatzmöglichkeit als ver-schlossen erscheinen liesen, nicht zu begründen (sog. "Katalogfälle"; vgl. BSG, Urteil vom 25.06.1986, Az.: 4 a RJ 55/98; Urteil vom 18.02.1998 Az.: B 5 4 RA 58/97 R). Insbesondere seien keine außergewöhnlichen Pausen und keine außergewöhnliche Arbeitszeitgestaltung erforderlich.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Dazu gab sie an, vom 03.01.2001 bis 31.01.2003 abwechselnd Kranken- bzw. (mit geringen Unterbrechungen) Arbeitslosengeld bezogen zu haben.

Die beigezogene Arbeitgeberauskunft der Universitätsbuchhandlung P. (jetzt T.) hat die Eingruppierung in Gehaltsgruppe II für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen bestätigt. Dazu hat Beklagte in ihrer berufskundlichen Stellungnahme vom 30.07.2003 das Vorliegen eines Berufsschutzes eingeräumt, es aber für zumutbar gehalten, dass die Klägerin Tätigkeiten der oberen Anlernebene mit einer Anlern- und Ausbildungszeit von 12 bis 24 Monaten ausüben könne. Dies seien zum Beispiel Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe II im Tarifvertrag des Groß- und Außenhandels. Darunter fielen auch Tätigkeiten einer Registraturangestellten. Dazu hat die Beklagte auch entsprechende berufskundliche Gutachten der Sachverständigen Karl-H. R. und H. K. aus anderen Streitverfahren in der Sozialgerichtsbarkeit nachgereicht.

Der neue Bevollmächtigte der Klägerin hat nunmehr am 23.07.2004 die Berufung unter Hinweis auf neue Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (Dr. D. vom 19.03.2004 vom 19.03.2004) damit begründet, dass das Krankheitsgeschehen sich zwischenzeitlich verschlimmert habe. Danach bestehe Arbeitsunfähigkeit selbst für leichte körperliche Tätigkeiten, die eine medizinische Rehabilitation des Rentenversicherungsträgers erforderlich mache. Vorsorglich ist ein Antrag im Sinne von § 109 SGG auf Einholung eines Gutachtens bei Professor H. gestellt worden. Schließlich hat die Klägerin ein Gutachten des Nervenarztes Dr. B. vom 18.08.2004 in einer Unfallstreitsache vorgelegt. Danach hätten berufsbedingte Vergiftungszustände zu mehreren Sturzereignissen geführt.

Das LSG hat abschließend bei dem Orthopäden und Arzt für spezielle Schmerztherapie Dr. M. am 23.03.2005 ein Gutachten mit Untersuchung der Klägerin am 18.03.2005 eingeholt. Danach bestehe bei der Klägerin eine mäßige skoliotische Veränderung der Brust-Lendenwirbelsäule, ein Beckenschiefstand nach rechts und Beschwerden nach Verstauchungen des linken oberen Sprunggelenks 1996/1997. Dennoch sei die Klägerin noch in der Lage täglich acht Stunden zu arbeiten. Nicht zumutbar seien lediglich schwere Arbeiten, solche über Kopf und ständig gewichtsbelastende monotone Tätigkeiten mit beiden Armen. Die Klägerin könne sowohl in ihrem bisherigen Beruf als Buchverkäuferin als auch als Groß- und Außenhandelskauffrau sowie allgemein in Tätigkeiten einer ungelernten Angestellten vollschichtig berufstätig sein. Das Gutachten ist dem Klägerbevollmächtigten am 30.03.2005 zur Stellungnahme übersandt worden.

Nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 30.05.2005 hat der Klägerbevollmächtigte am 10.06.2005 seinen Beweisantrag auf Begutachtung durch Prof. Dr. H. gemäß § 109 SGG wiederholt. Gleichzeitig behauptet er eine erneute Verschlimmerung des Krankheitsgeschehens und verweist dazu auf ein Gutachten des Internisten Dr. G. vom 28.04.2005, das dieser in einem Rechtsstreit um medizinische Rehabilitation durch die Beklagte (SG Nürnberg, Az.: S 14 R 4441/04) erstattet hat. Danach hat die Klägerin noch bis zum 30.12.2004 Krankengeld bezogen. Der durch ein Leiden auf gynäkologischem Fachgebiet, insbesondere durch eine im Jahre 2003 wegen Medikamentenunverträglichkeit unterbliebene Operation, bestimmte Krankheitszustand lasse nach dem Gutachten den Rückschluss auf einen echten Krankheitswert zu. Der Erfolg einer Reha-Behandlung, die auf psychosomatischem Gebiet liegen müsse, sei aber fraglich.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.09.2002 sowie des Bescheides vom 29.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2000 zu verurteilen, Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufgrund des am 18.01.1999 gestellten Antrags zu zahlen

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen, der Beklagten, des Arbeitsamtes N. sowie der beigezogenen Akten des SG Nürnberg über Verfahren betreffend die Feststellung des Grades der Behinderung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation durch die Beklagte und Leistungen von der Berufsgenossenschaft Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch ansonsten zulässig, aber in der Sache unbegründet.

Streitgegenstand ist der von der Klägerin behauptete Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Darauf hat sie keinen Anspruch. Das SG hat die Klage gegen den ablehnen-den Bescheid der Beklagten vom 29.04.1999 zu Recht abgewiesen.

Der Anspruch auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit richtet sich bei Antragstellung vor dem 01.01.2001 (hier am 18.01.1999) nach den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 - RRG 92, soweit ein Anspruch vor dem 01.01.2001 geltend gemacht wird (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI). Für den Anspruch sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (EMRefG) maßgebend, soweit (hilfsweise) Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit nach dem 31.12.2000 begehrt wird (vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI).

Ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit steht der Klägerin aber nicht zu. Nach § 43 SGB VI RRG 92 sind zwar neben der allgemeinen Wartezeit die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 SGB VI zum Zeitpunkt der Antragstellung erfüllt und aufgrund des bis zum Rentenantrag lückenlosen Versicherungsverlaufs und der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorhanden (vgl. § 240 SGB VI RRG 92). Die Klägerin ist aber nicht berufsunfähig nach § 43 Abs. 2 SGB VI RRG 92, weil ihr eine weitere Tätigkeit im bisherigen Beruf und in zumutbaren Verweisungsberufen möglich ist.

Als "bisheriger Beruf" der Klägerin ist die Tätigkeit als Verkäuferin mit einer Eingruppierung in Gehaltsgruppe II für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen, die sie zuletzt von 01.04.1996 bis 31.05.1997 bei der Buchhandlungen P. ausgeübt hat, anzusehen. Diesen Beruf kann die Klägerin weiterhin - wenn auch unter Umständen nicht am selben Arbeitsplatz - ausüben. Zur Beurteilung des zunächst nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI festzustellenden Leistungsvermögens stützt sich der Senat auf den vom SG gehörten Internisten und Arbeitsmediziner Dr. S. sowie die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des vom Senat gehörten Sachverständigen Dr. M ... Die Sachverständigen haben die Klägerin zum Teil persönlich untersucht, eine ausführliche Anamnese erhoben und das umfangreiche Befundmaterial sorgfältig ausgewertet.

An Krankheiten oder Behinderungen bestehen bei der Klägerin die zuletzt vom Sachverständigen Dr. M. aufgeführten Diagnosen einer mäßigen skoliotischen Deformität der Brust- und Lendenwirbelsäule, eines Beckenschiefstands nach rechts und Beschwerden nach Distorsionsverletzungen des linken oberen Sprunggelenks. Angegebene Beschwerden am rechten Arm sind aus orthopädischer Sicht nicht zu erklären. Damit ist nach Ansicht des Sachverständigen die Klägerin weiterhin in der Lage, regelmäßig acht Stunden arbeitstäglich zu arbeiten. Verboten sind lediglich schwere Arbeiten und Arbeiten in ausschließlich monotoner Körperhaltung. Insbesondere kann die Klägerin damit in ihren bisherigen Berufen als Buchverkäuferin sowie als Groß- und Außenhandelskauffrau tätig sein.

Wegen der übrigen Gesundheitsstörungen stützt sich der Senat auf die in erster Instanz eingeholten Gutachten. Dabei ist insbesondere auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet entsprechend dem Gutachten der Fachärztin Dr. O. vom 11.01.2002 davon auszugehen, dass aus psychiatrischer Sicht kein Anlass zu der Annahme besteht, dass die Verhaltensauffälligkeiten der Klägerin ihrer bewussten Kontrolle entzogen sind oder krankheitswertige Befunde vorliegen, die die freie Willensentfaltung beeinträchtigen könnten. Angesichts des von der Sachverständigen dargelegten Verhaltens im Rahmen der später abgebrochenen Untersuchung bestand keine Veranlassung, weitere Begutachtungen vorzunehmen. Der Sachverhalt war auf diesem Fachgebiet insoweit auch schon im Verwaltungsverfahren klar ermittelt durch die Begutachtung bei der Psychiaterin Dr. Z ... Auch in Zusammenschau mit den Feststellungen des Amtes für Versorgung und Familienförderung liegt demnach bei der Klägerin zwar ein - wie dort bezeichnet - psychovegetativer Symptomenkomplex vor, der im letzten Feststellungsbescheid mit einem einzelnen GdB von 40 bewertet wird, maßgebliche erwerbsmindernde Leistungseinschränkungen ergeben sich aber nach derzeitiger Sachlage daraus nicht. Denn die Klägerin ist deswegen nicht in entsprechender fachärztlicher Behandlung und lehnt auch selbst die Feststellung derartiger Erkrankungsbilder ab.

Sie selbst glaubt, an einer ganzkörperlichen Vergiftung zu leiden, die nur von fachlich besonders versierten Ärzten begutachtet werden könne. Daher hat bereits die Beklagte versucht, eine Begutachtung durch den Arzt für Dermatologie, Hautarzt, Allergologie Dr. M. herbeizuführen, um in Zusammenschau mit dem Gutachten der Neurologin eine zutreffende Beurteilung vornehmen zu können. Insoweit hat sich die Beklagte auch ärztlich beraten lassen. Darüber ist die Klägerin mit Schreiben vom 18.02.2000 aufgeklärt worden. Die Beklagte hat dann nochmals ihre Entscheidung betreffend die Auswahl des Sachverständigen mit Schreiben vom 20.04.2000 begründet. Der gleiche Vorgang hat sich dann im Verfahren beim SG zugetragen. Die Klägerin ist jedoch weder zur Untersuchung bei Dr. M. noch bei dem Internisten, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, Umweltmedizin, Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. S. erschienen. Sie ist auf ihre Mitwirkungsverpflichtung und die Beweislage hingewiesen worden (Schreiben vom 22.04.2002 und 10.05.2002).

Bei dieser Sachlage war der Senat nicht verpflichtet, eine weitere Beweiserhebung von Amts wegen durch Einholung eines weiteren internistischen Gutachtens - ein solches des Internisten, Facharzt für Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin, Dr. S. lag bereits vor - durchzuführen. Der Klägerin ist die Konsequenz ihrer Weigerung aus dem Urteil des Sozialgerichts bekannt.

Auf internistischem Fachgebiet besteht bereits eine Leistungsbeeinträchtigung, die der Internist Dr. G. in seinem Gutachten vom 28.04.2005 dargestellt hat. Dieses Gutachten diente aber nicht der Feststellung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit hinsichtlich der Versicherungsfälle der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. einer teilweisen Erwerbsminderung. Dort war in mehr pauschalierender Betrachtungsweise festzustellen, ob die persönlichen Voraussetzungen eine präventiven Maßnahme zur Vermeidung eines Versicherungsfalls der verminderter Erwerbsfähigkeit vorliegen. Nach dem Gutachten von Dr. G. handelte es sich bei der Klägerin um einen aktuellen, akuten Zustand mit der Folge einer Arbeitsunfähigkeit. Das Grundleiden eines unbehandelten Frauenleidens war bereits aus den Berichten seit dem Jahre 2003 bekannt. Die daraus resultierende Blutarmut ist auch im Gutachten von Dr. M. dokumentiert. Eine dauerhafte Erwerbsminderung daraus hat aber bislang noch kein Sachverständiger abgeleitet. Auch nach den jüngsten Feststellungen des Amtes für Versorgung und Familienförderung im Bescheid vom 20.12.2004 wird erst unter Ziffer 4 die Behinderungen der Blutarmut mit einem Einzel-GdB von 20 festgestellt. Auch im Gutachten des MDK vom März 2004 wird diesem Leiden keine besondere Bedeutung beigemessen.

Dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. H. ist nicht stattzugeben. Er wurde vom Klägerbevollmächtigten erst am 09.06.2005 wiederholt. Diesem war aber das Gutachten des Dr. M. bereits am 30.03.2005 "zur Stellungnahme" übersandt worden. Der anwaltliche Bevollmächtigte hätte daraus innerhalb einer angemessenen Frist nach Übersendung des Gutachtens erkennen müssen, dass die Beweiserhebung aus Sicht des Senats abgeschlossen war. Schließlich hat der Senat seit dem 30.03.2005 bis zur Terminierung am 30.05.2005 zwei Monate zugewartet. In der Regel ist, wenn das Gericht keine Frist setzt, eine solche von einem Monat ausreichend (vgl. Meyer-Ladewig, 8. Aufl., Rndr. 11 zu § 109 SGG). Damit liegt eine Verzögerung im Sinne von § 109 Abs. 2 SGG vor. Die Bezugnahme auf den bereits im Juli 2004 gestellten Antrag genügt nicht mehr, um noch von der Zulässigkeit eines weiteren Beweisantrags nach § 109 SGG ausgehen zu können. Im Übrigen liegt ein missbräuchliches Prozessverhalten vor, wenn die Klägerin zwar zu der bei der Begutachtung von Amts wegen anberaumten Untersuchung (Dr. S.) nicht erscheint, wohl aber bereit ist, auf demselben Fachgebiet durch einen Sachverständigen ihrer Wahl eine Untersuchung vornehmen zu lassen.

Nach allem hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Bei einem vollschichtigen Vermögen zur Ausübung des bisherigen Berufs (im Rahmen des damals geltenden Rechts von acht Stunden) ergibt sich damit auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Denn nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht ist Voraussetzung für einen solchen Anspruch, dass das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder im Falle der Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI auf unter sechs Stunden täglich abgesunken ist (vgl. § 43 Abs. 1 SGB VI).

Erst recht liegt damit kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder voller Erwerbsminderung vor. Nach der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechtslage (§ 44 SGB VI RRG 92) setzte ein Anspruch auf Erwerbsunfähigkeit voraus, dass das Erwerbsvermögen des Versicherten keine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit mehr zulässt bzw. er außer Stande ist ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen von monatlich 630,00 DM zu erzielen (§ 44 Abs. 2 SGB VI RRG 92). Bei dem gegebenen vollschichtigen Leistungsvermögen besteht auch kein Anspruch auf eine sogenannte Arbeitsmarktrente. Denn ein Versicherter, der eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, ist nicht berufsunfähig; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI in der Fassung des 2. SGB VI-Änderungsgesetzes). Das gleiche gilt für den Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI in der Fassung des 2. SGB VI-Änderungsgesetzes). Diese Rechtslage ist auch nach dem EM-RefG beibehalten worden.

Damit hat die Beklagte zu Recht Rentenansprüche der Klägerin abgelehnt und das SG zu Recht die Klage abgewiesen.

Die Berufung gegen das zutreffende Urteil des SG ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Klägerin ist unterlegen; ihr steht damit keine Kostenerstattung durch die Beklagte zu.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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