L 6 KR 516/04 WA

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 4 KR 438/95
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 516/04 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage des Klägers auf Wiederaufnahme des Berufungsrechtsstreits Az.: L 3 KR 10/97 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Urteil des Thüringer Landessozialgerichts abgeschlossenen Berufungsverfahrens Az.: L 3 KR 10/97.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 6. Dezember 1994 die Übernahme zusätzlicher Kosten für eine auf hochgoldhaltiger Legierung (Typ: Degunorm R) basierende Zahnersatzversorgung für fünf Zähne der rechten Kieferhälfte ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. März 1995).

Das Sozialgericht Gotha hat auf die Klage (Az.: S 3 KR 438/95) ein Sachverständigengutachten des Prof. Dr. L. vom 2. Februar 1996 eingeholt. Demnach sei die von der Beklagten beabsichtigte Versorgung mit Palladiumbasis-Legierungen wegen der Korrosionsgefahr nicht angezeigt. Als Alternativen kämen Goldbasis-Legierungen (insbesondere hochgoldhaltige Legierungen), Kobaltbasis-Legierungen und Titan in Betracht. Darauf hin hat das Gericht die Beklagte mit Urteil vom 21. August 1996 (Az.: S 3 KR 438/95) unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, dem Kläger 185,16 DM zu zahlen. Die Versorgung mit einem hochgoldhaltigen Zahnersatz (Typ: Degunorm R) sei u.a. medizinisch erforderlich, um Wechselwirkungen von durch die Beklagte als ausreichend erachteten geringwertigeren Legierungen mit bereits im November 1993 eingegliederten hochgoldhaltigem Zahnersatz zu vermeiden. Auf die mit Beschluss des Sozialgerichts vom 11. Dezember 1996 zugelassene Berufung hat der 3. Senat des Thüringer Landessozialgerichts mit Urteil vom 28. Februar 2002 das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen (Az.: L 3 KR 10/97). Die Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 17. Oktober 2003 (Az.: B 1 KR 30/02 B) als unzulässig verworfen.

Zuvor war der Kläger aufgrund eines Heil- und Kostenplans vom 16. Juli 1993 im November 1993 mit vier Kronen hochgoldhaltiger Legierung (Typ: Herador SG) in der linken Kieferhälfte versorgt worden. Die beklagte AOK – Die Gesundheitskasse in Thüringen lehnte die Bewilligung der Mehrkosten mit Bescheid vom 15. November 1993 und Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 1994 ab. Das Sozialgericht Gotha verpflichtete die beklagte AOK mit Urteil vom 11. April 1997 (Az.: S 3 KR 294/94) unter Abänderung ihrer Bescheide, der behandelnden Zahnärztin des Klägers als Beigeladene 80,00 DM nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 1. Juni 1994 als Kostenerstattung für eine goldhaltige Zahnersatzlegierung zu zahlen und wies im Übrigen die Klage ab. Die Berufung des Klägers wies der 3. Senat des Thüringer Landessozialgerichts mit Urteil vom 28. Februar 2002 (altes Az.: L 3 KR 311/97) zurück. Das Bundessozialgericht hob das Urteil auf die Beschwerde mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 (Az.: B 1 KR 5/03 B) auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Thüringer Landessozialgericht zurück. Zuständig war nunmehr der erkennende Senat. Das Verfahren (Az.: L 6 KR 70/04 ZVW) wurde auf Anregung des Senatsvorsitzenden ("Vor Vernehmung der Zeugin T. ist der Ausgang für den Senat offen. Insofern bin ich der Ansicht, dass zur Erledigung des Rechtsstreits eine Übernahme der beantragten Kosten von 50 v.H. sinnvoll wäre. Umgerechnet ergibt dies einen Betrag von ca. 50,00 Euro. Ich bitte die Beteiligten bereits im Vorfeld zu klären, ob ein solcher Vorschlag angenommen wird. In diesem Fall würde sich die Vernehmung der Zeugin erübrigen.") durch außergerichtlichen Vergleich beendet, wonach die Beklagte 50,00 EUR an die beigeladene und behandelnde Zahnärztin des Klägers ohne Anerkennung eines Anspruchs zu zahlen hatte.

Mit Schriftsätzen vom 28. Juni und 18. Juli 2004 hat der Kläger um Wiederaufnahme des Verfahrens Az.: L 3 KR 10/97 und hilfsweise Neubescheidung durch die Beklagte beantragt.

Er ist der Auffassung seine Restitutionsklage sei gemäß § 179 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 580 Nr. 6 der Zivilprozessordnung (ZPO) zulässig, weil das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 28. Februar 2002 (Az.: L 3 KR 311/97) durch Beschluss des Bundessozialgerichts vom 16. Dezember 2003 (Az.: B 1 KR 5/03 R) aufgehoben und durch den Vergleich im Berufungsverfahren (Az.: L 6 KR 70/04 ZVW) "endgültig beseitigt" und damit sein Kostenerstattungsanspruch bestätigt worden sei. Das Urteil Az.: L 3 KR 10/97 stütze sich ausdrücklich auf das Urteil Az.: L 3 KR 311/97.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das mit Urteil vom 28. Februar 2002 und Beschluss des Bundessozialgerichts vom 17. Oktober 2003 (Az.: B 1 KR 30/02 R) rechtskräftig abgeschlossene Berufungsverfahren Az.: L 3 KR 10/97 wieder aufzunehmen und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 21. August 1996 (Az.: S 3 KR 438/95) zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Wiederaufnahmeklage als unzulässig zu verwerfen.

Sie ist der Auffassung, dass keine Wiederaufnahmegründe vorliegen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 5. Juli 2005 entschieden, dass die vom Kläger am 4. Juli 2005 beantragte Streitverkündung nicht statthaft sei und die Beiladung der E. & R. Rechtsanwaltsgesellschaft E. abgelehnt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Gerichtsakten des Thüringer Landessozialgerichts (Az.: L 3 KR 10/97 und L 3 KR 311/97) sowie der Verwaltungsakte der Beklagten (Az.: ) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens Az.: L 3 KR 10/97 ist unzulässig (§ 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 589 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat nach § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben worden ist. Mangelt es an einem dieser Formerfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen (§ 589 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Gemäß § 179 Abs. 1 SGG kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren nach den Vorschriften des Vierten Buches der ZPO wieder aufgenommen werden. Gemäß § 578 Abs. 1 ZPO kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen. Da der Kläger keinen Nichtigkeitsgrund nach § 579 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 ZPO dargelegt hat, kommt die Nichtigkeitsklage gegen das nach Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftige Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 28. Februar 2002 (Az.: L 3 KR 10/97) nicht in Betracht.

Die Voraussetzungen einer Restitutionsklage nach § 580 ZPO liegen ebenfalls nicht vor. Sie ist nicht statthaft, weil der einzig nach dem Vorbringen in Betracht kommende Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 6 ZPO nicht gegeben ist. Voraussetzung dazu ist, dass das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts – dazu zählt auch das Sozialgericht (vgl. Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 23. Auflage 2002, § 580, Rn. 13 m. w. Nachw.) -, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben worden ist.

Das mit Beschluss des Bundessozialgerichts vom 16. Dezember 2003 (Az.: B 1 KR 5/03 R) aufgehobene Urteil des Thüringer Landessozialgerichts (Az.: L 3 KR 311/97) hatte keine präjudizielle Wirkung zu dem vom Kläger angegriffenen Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 28. Februar 2002 (Az.: L 3 KR 10/97). Zwischen den Urteilen besteht keine Kausalbeziehung in der Weise, dass die tatsächlichen Feststellungen oder die rechtlichen Erwägungen der aufgehobenen Entscheidung für das Urteil mit bestimmend waren (vgl. Greger in Zöller, a.a.O.).

Das angegriffene Urteil stützt sich in keiner Weise auf die aufgehobene Entscheidung, sondern basiert auf einer umfangreichen und eigenständigen Ermittlung sowie Bewertung des für den Streitgegenstand relevanten Sachverhaltes. Der seinerzeit erkennende 3. Senat hat zu diesem Zweck das vom Sozialgericht eingeholte Sachverständigengutachten des Dr. L. vom 2. Februar 1996 beigezogen und entsprechend verwertet. Dass in dem aufgehobenen wie in dem angegriffenen Urteil zugrunde liegenden Verfahren die Versorgung mit hochgoldhaltigen Kronen bzw. Brücken - wenn auch an anderer Stelle des Kiefers - streitig war und das Sachverständigengutachten nach Ansicht des damals entscheidenden Senats hierzu verwertbare Tatsachen erbracht hat, ist unerheblich. Denn es handelt sich nur um einen Parallelfall.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den Umständen, die zu der Aufhebung des Urteils Az.: L 3 KR 311/97 geführt haben. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung lediglich auf einen Verfahrensfehler (unrichtige Nachricht an den Kläger, der Termin zur mündlichen Verhandlung sei aufgehoben) abgestellt. Eine inhaltliche Bewertung des Urteils (anhand der übrigen möglichen Revisionsgründe) hat es nicht vorgenommen und somit auch keine Aussagen zu der materiellen Rechtslage getroffen und erst Recht kein Präjudiz zum angegriffenen Urteil geschaffen.

Die Tatsache, dass sich die Beteiligten im Rahmen des Verfahrens Az.: L 6 KR 70/04 ZVW auf Anregung des Vorsitzenden außergerichtlich über die Zahlung eines Betrages von 50,00 EUR geeinigt und den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist unerheblich. Ausweislich des Vergleichs hat die Beklagte den mit der Berufung weiter verfolgten Anspruch des Klägers ausdrücklich nicht anerkannt, so dass bereits nach dem Willen der Beteiligten und damit auch des Klägers kein Präjudiz für gleiche oder ähnliche Fallgestaltungen und so auch nicht zum angegriffenen Urteil Az.: L 3 KR 10/97 geschaffen wurde. Im Übrigen war dem Kläger bekannt, dass der Vergleichsvorschlag des Senatsvorsitzenden mit der Vermeidung der zusätzlichen Zeugeneinvernahme einer Mitarbeiterin der AOK im Termin zur mündlichen Verhandlung begründet war.

Eine nochmalige gesonderte Entscheidung über die bereits abgelehnte und vom Kläger wiederholte Beiladung der E. & R. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH war nicht erforderlich. Änderungen haben sich gegenüber dem Beschluss vom 5. Juli 2005 nicht ergeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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