L 6 B 12/05 R

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 B 12/05 R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Gegenvorstellungen sind seit dem 1. Januar 2005 nicht mehr statthaft (vgl. Thüringer Landessozialgericht vom 7. März 2005 - Az.: L 6 KR 516/04 WA und vom 11. Juli 2005 - Az.: L 6 KR 516/04 WA; OVG Lüneburg vom 3. Mai 2005 - Az.: 11 ME 131/05, VGH Baden-Württemberg vom 2. Februar 2005 - Az.: 3 S 83/05 in: NJW 2005, 920; a.A. BFH vom 30. März 2005 - Az.: VII S 13/05).
Die Gegenvorstellung des Beschwerdeführers wird als unzulässig verworfen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer begehrt in der Sache die Berichtigung des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2004 vor dem Sozialgericht Gotha (Az.: S 5 RA 55/03), in der er seine Klage zurückgenommen hatte. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Protokollberichtigung durch den Vorsitzenden der 5. Kammer des Sozialgerichts hat der Senat mit Beschluss vom 17. Mai 2005, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 28. Mai 2005, als unzulässig verworfen.

Mit am 29. Juni 2005 beim Senat eingegangenen Schriftsatz hat der Beschwerdeführer um eine "nochmalige umfassendere Überprüfung" gebeten und Ausführungen zum Grund seiner Klagerücknahme gemacht.

II.

Nachdem sich der Beschwerdeführer ausschließlich gegen die Richtigkeit des Senatsbeschlusses vom 17. Mai 2005 wendet, kommt eine sinngemäße Auslegung als Anhörungsrüge nach § 178a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht in Betracht. Das Begehren kann nur als Gegenvorstellung ausgelegt werden.

Diese ist zumindest seit dem 1. Januar 2005 jedoch nicht statthaft und entsprechend § 178a Abs. 4 Satz 1 SGG zu verwerfen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. März 2005 – Az.: L 6 KR 516/04 WA und vom 11. Juli 2005 – Az.: L 6 KR 516/04 WA; OVG Lüneburg vom 3. Mai 2005 – Az.: 11 ME 131/05, nach juris, VGH Baden-Württemberg vom 2. Februar 2005 – Az.: 3 S 83/05 in: NJW 2005, 920; a.A. BFH vom 30. März 2005 – Az.: VII S 13/05, nach juris).

In seinem Beschluss vom 7. März 2005 hat der Senat hierzu u.a. Folgendes ausgeführt:

" Bis zu diesem Zeitpunkt waren sie als außergesetzlicher Rechtsbehelf allgemein anerkannt (vgl. u.a. Gummer in Zöller, Zivilprozessordnung, 22. Auflage 2002, § 567 Rdnr. 22 ff., Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 7. Auflage 2002, Vor § 143 Rdnr. 16 ff.; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Auflage 2003, Vorb § 124 Rdnr. 9 ff.). Mit der Gegenvorstellung sollte ein Gericht veranlasst werden, seine eigene durch die Parteien nicht mehr anfechtbare Entscheidung von Amts wegen im Wege der Selbstkontrolle zu überprüfen und gegebenenfalls abzuändern. Damit sollte verhindert werden, dass die Unanfechtbarkeit zu grobem prozessualen Unrecht führte (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 12. Januar 1983 – Az.: 2 BvR 964/82 in: BVerfGE 63, 77, 78). Möglich war die Änderung eines Beschlusses auf eine Gegenvorstellung nur dann, wenn dieser in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz stand, insbesondere gegen Grundrechte verstieß (vor allem gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs) und andernfalls nur im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden konnte (vgl. BVerfG vom 12. Januar 1983, a.a.O.).

Zum 1. Januar 2005 ist das Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 9. Dezember 2004 (BGbl. I S 3220, 3224) in Kraft getreten. Sein Artikel 9 beinhaltet u.a. den neuen § 178a SGG. Mit diesem Gesetz ist der Gesetzgeber der Verpflichtung des Bundesverfassungsgerichts im Plenumsbeschluss vom 30. April 2003 (Az.: 1 PBvU 1/02) nachgekommen, eine gesetzliche Regelung zur Korrektur einer fehlerhaften Entscheidung bei einer Verweigerung rechtlichen Gehörs bis zum 31. Dezember 2004 zu schaffen.

Neben § 178a SGG kommt – ebenso wie neben § 321a der Zivilprozessordnung (ZPO), § 152a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) - die Gegenvorstellung grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Vollkommer in Zöller, Zivilprozessordnung, 25. Auflage 2005, § 321a Rdnr. 4; Voßkuhle "Bruch mit einem Dogma: Die Verfassung garantiert Rechtsschutz gegen den Richter" in NJW 2003, 2193, 2198) Allenfalls im Bereich nicht Rechtskraft fähiger Entscheidungen (Verfügungen, verfahrensleitende Beschlüsse) wird die Weitergeltung erwogen (vgl. Gummer in Zöller, Zivilprozessordnung, 25. Auflage 2005, § 567 Rdnr. 25). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Insofern kann der Senat diesbezüglich auf weitere Ausführungen verzichten.

Wegen des o.g. Beschlusses des BVerfG vom 30. April 2003 sind die zum früheren Recht ergangenen Gerichtsentscheidungen (z.B. BVerwG vom 16. Mai 2002 – Az.: 6 B 28/02 und 6 B 29/02 in: NJW 2002, 2657) nicht mehr relevant. Auch der Beschluss des BFH vom 6. Mai 2004 (Az.: I S 13/03, nach juris) spricht nicht zugunsten des Klägers; er erging vor dem Inkrafttreten des Anhörungsrügengesetzes.

Soweit Teile der Literatur weiterhin die Gegenvorstellung bejahen, verweisen sie zur Begründung in der Hauptsache ebenfalls auf die vor dem 30. April 2003 ergangene und daher nicht mehr einschlägige Rechtsprechung (so Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 26. Auflage 2004, Vorbem § 567 Rdnr. 13; Albers in Baumbach, Zivilprozessordnung, 63. Auflage 2005, Grundz § 567 Rdnr. 5 ff.).

Gegen die vom Senat vertretene Ansicht spricht auch nicht, dass nach dem Entwurf des Anhörungsrügengesetzes (BT-Drucksache 15/3706; S. 14) die bisherigen "außerordentlichen Rechtsbehelfe wie die außerordentliche Beschwerde oder die Gegenvorstellung" nicht ausgeschlossen werden sollten. An die Intention (und die rechtliche Bewertung) des Gesetzgebers ist der Senat nicht gebunden. Nachdem das Gesetz (das die Abhilfe bei einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör regelt) in Kraft getreten ist, würde die Aufrechterhaltung eines über § 178a SGG hinausgehenden und im Gesetz nicht geregelten Rechtsbehelfs gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtsmittelklarheit verstoßen (vgl. BVerfG vom 30. April 2004, a.a.O.)."

An dieser Ansicht hält der Senat fest.

Im Übrigen wäre die Gegenvorstellung selbst bei der Gegenansicht unstatthaft, weil sie nicht in der Frist des analog anzuwendenden § 178a Abs. 2 SGG (zwei Wochen seit Zustellung des Beschlusses am 28. Mai 2005) eingegangen ist (vgl. BFH vom 5. Dezember 2002 – Az.: IV B 190/02 in: NJW 2003, 919, 920).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 178a Abs. 4 Satz 3 SGG analog).
Rechtskraft
Aus
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