L 6 RJ 65/03

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 65/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Der Anspruch auf unbeschränkte Beiordnung eines neuen Rechtsanwalts scheidet aus, wenn der Rechtsanwaltswechsel mutwillig erfolgt ist oder hierfür ein wichtiger Grund fehlt, der auch einen verständigen und auf eigene Kosten klagenden Kläger zur Kündigung des Mandats veranlasst hätte (vgl. Thüringer Landessozialgericht vom 11. Juli 2002 - Az.: L 6 RA 606/97).

2. In diesem Fall kann der andere Rechtsanwalt nur unter Beschränkung seines Gebührenanspruchs auf die von dem ersten Rechtsanwalt nicht geltend gemachten Gebühren beigeordnet werden.
Der Beschluss vom 24. April 2003 wird insoweit abgeändert, als der Klägerin ab dem 10. März 2003 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das Berufungsverfahren bewilligt und ihr gleichzeitig bis zum 22. April 2003 (Zeitpunkt der Mitteilung über die Beendigung des Mandatsverhältnisses) Rechtsanwältin L. beigeordnet wird.

Auf den Antrag der Klägerin hin wird ihr ab dem 29. Juli 2004 Rechtsanwalt W., unter Beschränkung seines Gebührenanspruchs auf die von Rechtsanwältin L. nicht geltend gemachten Gebühren beigeordnet.

Im Übrigen wird der Beiordnungsantrag abgelehnt.

Der Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar.

Gründe:

I.

Im Hauptsacheverfahren streiten die Beteiligten, ob die Klägerin Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit, ab dem 1. Februar 1997 auf Dauer, das heißt über den 31. Juli 1999 hinaus hat.

Das Sozialgericht Meiningen hat die Beklagte mit Urteil vom 20. August 2002 verpflichtet, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Februar 1997 befristet bis zum 31. Juli 1999 zu zahlen. Für die gegen die Befristung der Rente eingelegte Berufung der Klägerin hat die bereits erstinstanzlich bevollmächtigte Rechtsanwältin L. unter dem 10. März 2003 Prozesskostenhilfe (PKH) sowie ihre Beiordnung beantragt und gleichzeitig die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.

Am 14. April 2003 hat der damals zuständige Berichterstatter des erkennenden Senats einen Erörterungstermin durchgeführt, an dem neben einem Vertreter der Beklagten auch die Klägerin und Rechtsanwältin L. teilgenommen haben.

Mit am 22. April 2003 bei Gericht eingegangenem Schreiben hat Rechtsanwältin L. unter Übersendung einer entsprechenden Erklärung der Klägerin die Mandatsbeendigung angezeigt und um Entscheidung über den PKH-Antrag gebeten.

Mit Beschluss vom 24. April 2003 hat der Senat der Klägerin für das Berufungsverfahren unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin L. "Prozesskostenhilfe vom 10. März bis 22. April 2003 (Zeitpunkt der Mitteilung über die Beendigung des Mandatsverhältnisses) ohne Ratenzahlung bewilligt".

Am 14. Juli 2003 hat Rechtsanwalt K. von der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH E. in S. die Vertretung der Klägerin angezeigt, ohne jedoch seine Beiordnung zu beantragen. Unter dem 5. November 2003 hat er gegenüber dem Senat erklärt, die Klägerin nicht mehr zu vertreten. Unter dem 6. November 2003 hat die Klägerin dem Gericht mitgeteilt, Rechtsanwalt K. das Mandat entzogen zu haben und unter dem 17. November 2003 die Mandatsentziehung im Wesentlichen mit ihrer Weigerung, an weiteren medizinischen Begutachtungen teilzunehmen, begründet.

Im Rahmen der Begründung eines Befangenheitsantrags gegen den damals zuständigen Berichterstatter des erkennenden Senats, hat die Klägerin mit Schreiben vom 13. Juni 2004 u.a. ausgeführt, dass sie Rechtsanwältin L. auch wegen des Verlaufs des Erörterungstermins vom 14. April 2003 "das Mandat fristlos gekündigt habe". Zu den angeblich unsachlichen Äußerungen des Berichterstatters habe es ihre Bevollmächtigte vorgezogen, "lieber keinen Kommentar dazu abzugeben".

Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2004 hat Rechtsanwalt W. die weitere Vertretung der Klägerin angezeigt und um seine Beiordnung gebeten. Auf gerichtlichen Hinweis vom 2. September 2004, dass eine Beiordnung derzeit nicht in Betracht komme, weil kein triftiger Grund für einen Rechtsanwaltswechsel erkennbar sei, hat er der Klägerin unter dem 15. September 2004 geltend gemacht, dass der Anwaltswechsel nicht mutwillig sei, weil er sich aus den Beschwerden der Klägerin in Verbindung mit einer von ihr unverschuldeten extremen Belastung ihrer sozialen Situation durch Krankheit erkläre. Auf entsprechende gerichtliche Nachfrage hat er ergänzend vorgetragen, die Klägerin habe das Mandatsverhältnis mit Rechtsanwältin L. deshalb beendet, weil sie sich gegenüber dem Berichterstatter im Erörterungstermin vom 14. April 2003 und auch sonst in der Sache nicht ausreichend durch Rechtsanwältin L. vertreten gesehen habe.

Die Klägerin hat in Ergänzung hierzu mit Schreiben vom 30. Januar 2005 im Wesentlichen ausgeführt, dass sich Rechtsanwältin L. ständig auf ihre Zuarbeit verlassen habe. Sie sei inkompetent gewesen und es habe ständig die Gefahr von Fristversäumnissen seitens Rechtsanwältin L. bestanden.

In einer weiteren Stellungnahme vom 9. März 2005 hat die Klägerin auf eine entsprechende gerichtliche Anfrage vorgetragen, dass sie das anschließende Mandatsverhältnis mit Rechtsanwalt K. aus verschiedenen Gründen beendet habe. In einem Zivilrechtsstreit sei sie von ihm falsch beraten worden, so dass das Urteil zu ihren Ungunsten ausgegangen sei. Außerdem habe Rechtsanwalt K. sie am Telefon im Zusammenhang mit ihrem Krankheitsbild beleidigt. Er habe sich nicht an Abmachungen im Hinblick auf die Abfassung von Schriftsätzen gehalten und sie habe ihm auch ständig zuarbeiten müssen. Da Rechtsanwalt K. keine Prozesskostenhilfe beantragt habe, könne es im vorliegenden Falle aber letztlich nicht darauf ankommen, weshalb sie das Mandatsverhältnis mit ihm beendet habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

ihr im Rahmen der mit Beschluss vom 24. April 2003 bewilligten Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht Rechtsanwalt W., hilfsweise unter Beschränkung seines Gebührenanspruchs auf die von Rechtsanwältin L. nicht geltend gemachten Gebühren, beizuordnen.

Die Beklagte hat sich zur beantragten Beiordnung nicht geäußert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Prozesskostenhilfehefts Bezug genommen.

II.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe (PKH), wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Da eine Befristung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gesetzlich nicht vorgesehen ist, war der Bewilligungsbeschluss vom 24. April 2003 entsprechend abzuändern und nur die Beiordnung von Rechtsanwältin L. zu befristen. Der Senat war hierzu auch ohne ausdrücklichen Antrag der Klägerin von Amts wegen befugt, da die Änderung allein zu ihren Gunsten erfolgt und deshalb kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot in Betracht kommt. Die Abänderung ist auch nicht als ein – unzulässiger – Eingriff in die Rechtskraft des Beschlusses vom 24. April 2003 anzusehen, denn der Rechtskraft fähig können hier nur die Feststellung der Bedürftigkeit sowie der hinreichenden Erfolgsaussicht des Rechtsmittels sein (also die Voraussetzungen der PKH-Bewilligung), nicht jedoch eine, mangels gesetzlicher Ermächtigung unstatthafte, Befristung der Bewilligung.

Im Übrigen ist der Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt W. – entsprechend dem Hilfsantrag – nur unter Beschränkung seines Gebührenanspruchs auf die von Rechtsanwältin L. nicht geltend gemachten Gebühren begründet.

Nach § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint und PKH – wie hier – erhält.

Der Klägerin war bereits mit Bewilligung der PKH Rechtsanwältin L. beigeordnet worden, sie hat daher keinen Anspruch auf eine unbeschränkte Beiordnung von Rechtsanwalt W. Ohne Einfluss auf den neuerlichen Beiordnungsantrag bleibt dabei die vorgenommene Befristung der ursprünglichen Beiordnung, denn diese hat im Ergebnis lediglich die Wirkung einer für eine weitere Beiordnung erforderlichen Aufhebung der Beiordnung nach § 48 Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) aus wichtigem Grund. Ihr Antrag war deshalb aufgrund der nachfolgenden Erwägungen insoweit abzulehnen.

Ein Anspruch auf – unbeschränkte – Beiordnung eines neuen Rechtsanwalts scheidet immer dann aus, wenn der Rechtsanwaltswechsel mutwillig erfolgt ist oder hierfür ein triftiger (wichtiger) Grund fehlt, der auch einen verständigen und auf eigene Kosten klagenden Kläger zur Kündigung des Mandats veranlasst hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 2002 – Az.: L 6 RA 606/97, LSG Chemnitz vom 31. Januar 2000 – Az.: L 3 AL 158/97; OLG Hamm vom 30. November 1993 – Az.: 13 WF 395/93 in FamRZ 1995, S. 748, 749; OLG Düsseldorf vom 5. Juli 1994 – Az.: 1 WF 112/94 in FamRZ 1995, 241; OLG Frankfurt vom 17. Februar 1988 – Az.: 14 W 17/88 in MDR 1988, 501; Philippi in Zöller, Zivilprozessordnung, 25. Auflage 2005, § 121 Rdnr. 34; Bork in Stein/Jonas, Zivilprozessordnung, 21. Auflage 1992, § 78c Rdnr, 31; Reichold in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 26. Auflage 2004, § 121 Rdnr. 3). Ein bedürftiger Kläger soll gegenüber einem vermögenden Kläger nicht schlechter aber auch nicht besser gestellt werden.

Ein solcher triftiger Grund ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin und ihres jetzigen Bevollmächtigten nicht. Mit ihren umfangreichen Ausführungen zu den Gründen des Anwaltswechsels versucht die Klägerin letztlich die Störung des Vertrauensverhältnisses zu der ihr ursprünglich beigeordneten Rechtsanwältin L. zu belegen. Die hierfür vorgetragenen Umstände stellen allerdings nach Auffassung des Senats keine nachvollziehbaren Gründe dar, weshalb der Klägerin ein Festhalten an der Bevollmächtigung nicht mehr zumutbar gewesen sein soll.

Beispielhaft seien hier die Behauptungen der Klägerin genannt, Rechtsanwältin L. habe sich überwiegend auf ihre Zuarbeit verlassen und sei im Erörterungstermin vor dem damaligen Berichterstatter des Senats nicht bestimmt genug aufgetreten. Zum einen ist es offenkundig, dass ein Bevollmächtigter in einem Rentenstreitverfahren, bei dem es wesentlich auf die persönlichen, insbesondere gesundheitlichen und beruflichen Umstände des jeweiligen Klägers ankommt, auf dessen entsprechende Angaben und Zuarbeiten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung angewiesen ist. Zum anderen handelt es sich bei dem Passivitätsvorwurf um eine erkennbar subjektive Einschätzung der Klägerin, der weder anhand des Protokolls über den Erörterungstermin noch des sonstigen Akteninhalts nachvollziehbar ist. Auch die sonstigen Beanstandungen der Klägerin hinsichtlich der anwaltlichen Tätigkeit von Rechtsanwältin L. sind stark subjektiv geprägt und finden im Inhalt der Gerichtsakten keine objektive Entsprechung. Es sind keine Fristversäumnisse von deren Seiten oder sonstige von ihr zu vertretende Verzögerungen des Rechtsstreits erkennbar. Der Senat geht daher davon aus, dass sich die Klägerin aufgrund der von ihr an das Verhalten ihrer Bevollmächtigten gestellten Anforderungen von subjektiven Einschätzungen leiten lässt, die einen verständigen und auf eigene Kosten klagenden Kläger jedenfalls nicht zur Kündigung des Mandats veranlasst hätten. Gestützt wird dies durch den Umstand, dass die Klägerin nach der Beendigung des Mandats mit Rechtsanwältin L. und vor Mandatierung ihres jetzigen Bevollmächtigten einen weiteren Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hatte. Dieses Mandat wurde seitens der Klägerin nach einem halben Jahr beendet, ohne dass auch hierfür Anhaltspunkte in den Gerichtsakten erkennbar wären. Zwar hatte dieser Bevollmächtigte keine Beiordnung beantragt, jedoch lassen die Umstände dieses erneuten Anwaltswechsels – entgegen der Auffassung der Klägerin – Rückschlüsse darauf zu, dass sie auch geringfügige Umstände zum Anlass nimmt, die Vertrauensbasis infrage zu stellen. Eine gesteigerte Sensibilität der Klägerin kann jedoch nicht zu Lasten der Staatskasse gehen.

Schließlich sind auch die Ausführungen ihres jetzigen Bevollmächtigten, der den Anwaltswechsel im Wesentlichen mit der schwierigen persönlichen Situation der Klägerin erklärt, nicht geeignet, vernünftige Gründe hierfür zu belegen. Im Gegenteil stützen dessen Ausführungen die Einschätzung des Senats, dass der Anwaltswechsel allein auf die Klägerin zurück geht und einen verständigen und auf eigene Kosten klagenden Kläger nicht zur Kündigung des Mandats veranlasst hätte.

Allerdings war Rechtsanwalt W., wie hilfsweise beantragt, unter Beschränkung seines Gebührenanspruchs auf die von Rechtsanwältin L. nicht geltend gemachten Gebühren beizuordnen, da der Staatskasse durch diese beschränkte Beiordnung keine höheren Ausgaben entstehen (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, a.a.O., § 121 Rdnr. 3).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved