L 10 VS 42/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 V 22/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 VS 42/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 VS 1/02 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 22. Mai 1998 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der 1973 geborene Kläger begehrt die Anerkennung von Wehrdienstbeschädigungsfolgen nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG).

Während seines Wehrdienstes in der deutschen Bundeswehr (01.10.1993 bis 30.09.1994) erlitt er am 15.04.1994 bei einem privaten Unfall eine Bandruptur am linken oberen Sprunggelenk (Ruptur des Ligamentum fibulo talare anterius), die am 21.04.1994 im Evangelischen Krankenhaus Rxxxx operativ (Bandnaht) und nachfolgend mit Knöchelschiene behandelt wurde. Anfang Juni 1994 wurde ihm vom Truppenarzt geraten, vorsichtig wieder mit sportlichen Tätigkeiten zu beginnen. Am 28.06.1994 knickte der Kläger bei privatem Krafttraining mit dem linken Fuß um. Nach truppenärztlicher Erstbehandlung wurde am 05.07.1994 im Bundeswehrkrankenhaus Kxxx eine rezidivierende Außen bandläsion links festgestellt. Die Möglichkeiten eines operativen oder eines konservativen Vorgehens wurden mit dem Kläger besprochen; er wünschte eine operative Versorgung im heimatnahen Bundeswehrkrankenhaus Hxxx. Unter Hinweis darauf, dass er auch in Kiel operativ behandelt werden könne, wenn eine zeitgemäße operative Versorgung in Hxxx nicht möglich sei, wurde er zur Truppe entlassen. Noch am gleichen Tag leitete der Truppenarzt eine konservative Behandlung - u.a. mit Gelcast-Schiene und Schonung - ein. Unter dem 27.07.1994 beschreibt er ein hervorragendes konservatives Ergebnis; er verordnete eine Mallelocbandage und für 2 Wochen Innendienst. Bei der Kontrolluntersuchung am 22.08.1994 gab der Kläger an, noch mäßige Beschwerden zu haben und regelmäßig zu joggen.

Nach Entlassung aus der Bundeswehr wurde der Kläger wegen bestehen der Beschwerden und Instabilität des linken oberen Sprunggelenks am 22.02.1995 im Evangelischen Krankenhaus Rxxxx operativ behandelt; es erfolgte eine Versorgung mit einer Periostlappenplastik. Wegen weiterhin bestehender Instabilität des linken oberen Sprunggelenkes wurde der Kläger am 29.11.1995 wiederum zur stationären Behandlung im Evangelischen Krankenhaus Rxxxx aufgenommen. Die Periostlappen plastik wurde dort als Therapieversager bewertet; am 30.11.1995 wurde eine Peronaeussehnenplastik durchgeführt.

Am 18.11.1994 beantragte der Kläger bei dem Beklagten Versorgung nach dem SVG, weil bei der ärztlichen Betreuung im Rahmen des Wehrdienstverhältnisses ein ärztlicher Behandlungsfehler unterlaufen sei. Obwohl bei der Untersuchung im Bundeswehrkrankenhaus Kxxx am 05.07.1994 eine sofortige Operation für erforderlich gehalten worden sei, habe der Truppenarzt eine konservative Behandlung vorgenommen. Der Beklagte zog die WDB-Akte des Wehrbereichsgebührnisamtes III und Behandlungsunterlagen des Krankenhauses Rxxxx bei; ferner holte er einen Befundbericht von dem Chirurgen Dr. Rxxxxxxx und eine Auskunft der Allgemeinen Ortskrankenkasse Gxxxxxxxx über beim Kläger behandelte Gesundheitsstörungen ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung dieser Unterlagen lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 13.10.1995 und Widerspruchsbescheid vom 07.02.1996 ab, weil es nicht wahrscheinlich sei, dass die in Erscheinung getretene chronische Außenbandinstabilität nachteilige Folge truppenärztlicher Behandlung einer wehrdienstunabhängigen Gesundheitsstörung sei.

Mit seiner Klage vom 04.03.1996 hat der Kläger vorgetragen, er habe am 28.06.1994 am linken Fuß einen dreifachen Bänderriss erlitten. Bei der am 05.07.1994 im Bundeswehrkrankenhaus Kxxx erfolgten Untersuchung sei ihm eine möglichst sofort anzusetzende Operation empfohlen worden. Dessen ungeachtet habe der Truppenarzt eine dreiwöchige operationsvorbereitende Gymnastik zur Stärkung der Muskulatur verschrieben und sodann am 27.07.1994 geäußert, dass eine Operation nicht erforderlich sei, da das Fußgelenk absolut stabil sei. Nach Ende der Wehrdienstzeit hätten die ihn behandelnden Ärzte festgestellt, dass durch das Unterlassen der Operation erhebliche Bänderschäden vorhanden seien. Auf die Falschberatung bzw. -behandlung des Truppenarztes sei es zurückzuführen, dass er erneut habe operiert werden müssen. Die Peronaeussehnenplastik wäre nicht erforderlich gewesen, wenn er bereits nach dem Bänderriss am 28.06.1994 operativ behandelt worden wäre. Am 30.01.1995 habe auf die vorgenannte Operationsmethode zurückgegriffen werden müssen, weil sich zu diesem Zeitpunkt die Bänder im linken Fußgelenk schon zurückgebildet hätten.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13.10.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.1996 zu verurteilen, im Sinne der Verschlimmerung ab Oktober 1994 bis 30.11.1995 eine Bandinstabilität am linken Sprunggelenk und ab 30.11.1995 geringe Bewegungseinschränkungen im unteren Sprunggelenk links, diskrete Sensibilitätsstörungen im Bereich des Nervus suralis nach Bandersatzplastik am linken Fußaußenknöchel als Wehrdienstbe schädigungsfolgen anzuerkennen.

Der Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, bei dem Kläger lägen keine nach teiligen Folgen der truppenärztlichen Behandlung einer wehrdienstunabhängigen Gesundheitsstörung vor. Das zunächst konservative Vorgehen des Truppenarztes sei aus medizinischer Sicht nicht zu beanstanden. Eine Operationsindikation sei in erster Linie von dem klinischen Befund abhängig; dieser habe aber am 27.07.1994 stabile Verhältnisse gezeigt, so dass keine Operationsindikation mehr bestanden habe. Auch ein truppenärztliches Fehlverhalten im Sinne einer Verzögerung des operativen Vorgehens sei nicht mit ausreichen der Wahrscheinlichkeit nachzuweisen.

Das Sozialgericht (SG) Detmold hat einen Befundbericht von Dr. R ... eingeholt und weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr. Schxxxxx, Unfallchirurgische Klinik am Klinikum L ...- L ... (19.08.1997), und durch Vernehmung des Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.05.1998. Dieser hat ausgeführt, dass Dreiband- und Zweitrupturen regelmäßig eine Operation indizieren. Die hingegen erfolgte - konservative - Behandlung durch den Truppenarzt sei nicht ausreichend gewesen, um einen entsprechenden Heilerfolg herbeizuführen. Auch bei rechtzeitiger Operation sei wahrscheinlich eine Bandplastik nötig gewesen, die dann auch in der Periostlappen- oder auch in der Peronaeusehnenplastik hätte bestehen können. Die bis November 1995 vorhandene Bandinstabilität sei zwar primär durch das Umknicken entstanden; die fehlende Operation habe diese Situation aber verschlimmert. Die auch jetzt noch bestehende geringe Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk sei auf die Peronaeussehnenplastik, die diskrete Sensibilitätsstörung auf eine leichte Schädigung des Nervus suralis im Rahmen der Operation zurückzuführen. Ursächlich dafür sei, dass die Operation nicht zeitnah durchgeführt worden sei; im Juli 1994 wären noch Bandstümpfe vorhanden gewesen, die eine Operation hätten einfacher gestalten können. Das Untersuchungsergebnis des Truppenarztes vom 27.07.1994 zweifele er im Ürigen an, da ein entsprechender Befund nur dann erhoben werden könne, wenn - anderes als geschehen - eine zur Feststellung der Bandfestigkeit geeignete klinische und röntgenologische Untersuchungsmethode angewandt werde.

Das SG Detmold ist dem Sachverständigen gefolgt und hat den Beklagten mit Urteil vom 22.05.1998 antragsgemäß verurteilt.

Gegen das am 13.08.1998 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 11.09.1998 Berufung eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, eine frühzeitigere Operationsindikation habe nicht bestanden, da der klinische Befund vom 27.07.1994 ein hervorragendes konservatives Ergebnis ergeben habe; bereits deshalb könnten nachteilige Folgen einer truppenärztlichen Behandlung nicht anerkannt werden. Im Übrigen seien die Angaben des Sachverständigen Dr. Schxxxxx widersprüchlich, da er in seinem Gutachten vom 19.08.1997 ausgeführt habe, dass das Ergebnis einer frühzeitiger durchgeführten Operation mit großer Wahrscheinlichkeit heute dasselbe sei, also heute keinerlei aktuelle Folgen aufgrund der nach Ansicht des Sachverständigen verzögerten Operation bestünden. Aus medizinischer Sicht wäre lediglich über eine potentielle zeitliche Verzögerung zu diskutieren.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 22.05.1998 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene schließt sich dem Antrag des Beklagten an. Sie weist ergänzend darauf hin, dass im Operationsbericht vom 22.02.1995 eine "Rezidiv-Außenbandruptur vor wenigen Wochen" aufgeführt sei. Da die in Rede stehende Rezidiv-Ruptur sich aber am 28.06.1994 ereignet habe, müsse nach der Entlassung aus der Bundeswehr ein weiteres privates Trauma erfolgt sein.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 22.05.1998 zurückzuweisen.

Der Senat hat die vollständigen Behandlungsunterlagen des Evangelischen Krankenhauses Rheda beigezogen. Dr. Mxxxxxxx hat aufgrund sei ner Untersuchung des Klägers (05.07.1994) mitgeteilt, dass die an gesprochene Bandplastik ein planbarer Eingriff sei, der erst nach intensivem Muskelaufbau-Training und dennoch bestehender Außenband- instabilität empfohlen werden sollte. In vielen Fälle finde eine Stabilisierung des Sprunggelenkes statt, wodurch eine Operationsnotwendigkeit entfalle. Deshalb sei dem Kläger auch eine konservative Behandlung empfohlen worden.

Ferner wurde ein Gutachten von Prof. Dr. Nxxx-Kxxx, Direktor der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinikum E ... eingeholt. Dieser hat unter dem 18.04.2000 die Auffassung ver treten, dass andere Behandlungsmethoden als die von dem Truppenarzt vorgenommene nicht dringend indiziert gewesen seien. Es gäbe zwar Empfehlungen, nach denen eine Reruptur eine Operationsindikation darstelle, in der Praxis würden aber auch häufig inkomplette Rerupturen konservativ therapiert. Der eingeschlagene Weg der primären konservativen Behandlung nach der erneuten Verletzung sei ohne jeglichen Zweifel eine mögliche Alternative zur sofortigen operativen Behandlung gewesen. Zum Zeitpunkt der Rezidivverletzung und auch nach derzeitigem Kenntnisstand habe sowohl eine konservative als auch eine operative Behandlung den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen. Eine frühzeitige Reoperation hätte mit großer Wahrscheinlichkeit zu keinem abweichenden Behandlungsergebnis geführt. Bei konsequenter Behandlungsdurchführung sei auch im Falle einer Reruptur kein schlechteres Behandlungsergebnis zu erwarten.

Die Sachverständigen Prof. Dr. Nxxx-Kxxx und Dr. Schxxxxx wurden zudem in der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2001 vernommen. Sie haben übereinstimmend angegeben, dass bei dem Kläger keine Dreiband verletzung vorgelegen habe, sondern das vordere Band gerissen sei und das seitliche Band evtl. eine Teilruptur erlitten habe. Beide Sachverständigen haben es für möglich gehalten, dass die in Rede stehenden Gesundheitsstörungen, nämlich zeitweise bestehende Band instabilität, geringe Bewegungseinschränkungen im unteren Sprunggelenk und diskrete Sensibilitätsstörungen im Bereich des Nervus suralis, in dieser Form bei einer frühzeitigeren Operation nicht eingetreten wären. Ihre unterschiedliche Auffassung über die Art der durchzuführenden Behandlung sei durch unterschiedliche "Schulen" begründet. Dr. Schxxxxx hat dazu ergänzend ausgeführt, dass nach seiner Auffassung die Zweitruptur immer Indikation zur operativen Versorgung sei. Bei einer frühzeitigeren Operation hätte man die Bandstrukturen möglicherweise noch direkt nähen können; damit hätte für den weiteren Verlauf ein weniger großes Risiko bestanden; eine zeitgerechte Operation hätte den Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit vor den beschriebenen Problemen bewahrt. Prof. Dr. Nxxx-Kxxx hat darauf hingewiesen, dass die durchgeführte konservative Behandlung dem medizinischen Kenntnisstand entsprochen habe. Die kontroverse Diskussion über konservative oder operative Behandlung zeige, dass beide Verfahren letztendlich zum selben Ergebnis führten. In der überwiegenden Anzahl der Patienten sei bei sofortiger funktioneller Therapie eine völlige Ausheilung der Bänder erreichbar, so dass sich die Frage nach einem Operationszeitpunkt nicht stelle.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.

Der Senat kann in der Sache entscheiden. Das beklagte Land ist ungeachtet der Auflösung des Landesversorgungsamtes (Art. 1 § 3 Satz 2 des gem. Art. 37 Abs. 2 zum 01.01.2001 in Kraft getretenen 2. ModernG (GVB 1. NRW S. 412 ff.)) und Übertragung von dessen Aufgaben auf die Bezirksregierung Münster jedenfalls solange prozessfähig, wie Struktur und Gefüge der Abteilung 10 im Hinblick auf die zu wahrende fachliche und personelle Qualität der Versorgungsverwaltung nicht unerheblich verändert werden (BSG vom 12.06. 2001 - B 9 V 51/00 R ; Urteil des Senats vom 31.01.2001 - L 1O VS 28/00 - in NVWBl. 10/2001 S. 401 ff.). Der Senat hat derzeit keinen Anlass zu bezweifeln, dass die Abteilung 10 der Bezirksregierung Münster den Anforderungen des § 4 des Errichtungsgesetzes entspricht.

Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstes des Klägers am 30.09.1994 bis zum Zeitpunkt der Operation im November 1995 eine Bandinstabilität am linken Sprunggelenk und für die Zeit nach dieser Operation geringe Bewegungseinschränkungen im unteren Sprunggelenk links sowie diskrete Sensibilitätsstörungen im Bereich des Nervus suralis als Wehrdienstbeschädigungsfolgen im Sinne der Verschlimmerung anzuerkennen.

Nach § 80 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, wegen deren gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Wehrdienstbeschädigung ist nach § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Zu den Wehrdienstbeschädigungen i.S. des § 81 Abs. 1 SVG aufgrund wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse gehören auch Schädigungen, die auf den besonderen Gegebenheiten des soldatischen Sozialbereichs der Bundeswehr, der sich deutlich von dem des Zivillebens unterscheidet, beruhen. Dies gilt insbesondere für den Bereich der truppenärztlichen Behandlung. Sind die wehrdiensteigen tümlichen Besonderheiten der truppenärztlichen Versorgung wenigstens wesentliche Mitursache einer gesundheitlichen Schädigung eines Soldaten, sind die Voraussetzungen für einen Versorgungsanspruch in der Regel erfüllt (BSG vom 04.10.1984 - 9a/9 KLV 1/81 - in BSGE 57, 171-178 = USK 84243; BSG vom 30.01 1991 - 9a/ 9 RV 26/89 - in USK 9049 sowie vom 12.04.2000 - B 9 VS 2/99 R - in Breithaupt 2000, 802).

Typischer Fall einer solchen Schädigung ist ein schuldhafter - truppenärztlicher - Behandlungsfehler (BSG vom 12.04.2000 - B 9 VS 2/99 R - aaO). Ein solcher ist nicht feststellbar. Der den Kläger nach dem Trauma vom 28.06.1994 behandelnde Truppenarzt hat - nach dem Kenntnis- und Wissensstand zum Zeitpunkt der Behandlung - lege artis, d.h. nach den Regeln der ärztlichen Kunst, gehandelt. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Handlungsweise des Arztes für Chirurgie und Sportmedizin Dr. Mxxxxxx (Bundeswehrkrankenhaus Kxxx), der - ggf. die Behandlung des Truppenarztes beeinflussend - am 05.07.1994 zu einer konservativen, d.h. zumindest zunächst nicht operativen Behandlung, geraten hat.

Der Sachverständige Dr. Schxxxxx hat zwar ausgeführt, dass eine Zweitruptur - wie die vom 28.06.1994 - regelmäßig eine operative Versorgung indiziere und ein anderes, nämlich konservatives Behandlungsvorgehen, sei es eine rein frühfunktionelle Therapie oder eine völlige Ruhigstellung, nicht geeignet sei, einen entsprechenden Behandlungserfolg herbeizuführen. Diese Aussage steht aber unter zwei Einschränkungen, nämlich dass eine solche Operationsindikation "immer noch" und "für uns in unserer Klinik" besteht. Schon hieraus folgt, dass dazu andere Auffassungen in der medizinischen Wissenschaft vertreten werden. Dementsprechend haben auch beide Sachverständigen zunächst zwar übereinstimmend ausgeführt, dass sich schon in den 80-er Jahren bei der ärztlichen Versorgung der Aussenbandknöchelverletzungen ein Therapiewandel vollzogen habe; vom zunächst bevorzugten operativen Vorgehen sei zugunsten der konservativen Behandlung abgewichen worden, da hierdurch die gleichen Ausheilungsergebnisse zu erzielen seien wie bei einer operativen Behandlung; kontrovers diskutiert werde nur noch die Behandlungsmethode bei einer Dreibandruptur, die hier nicht vorliege, und einer Reruptur. Diese divergierenden medizinischen Auffassungen und der Umstand, dass sich insoweit keine der alternativen Vorgehensweisen als führend, d.h. den angestrebten Heilungserfolg eher bzw. besser erreichend, durchgesetzt hat, belegen, dass sowohl die von dem Sachverständigen Prof. Dr. Nxxx-Kxxx - stellvertretend für seine "Schule" - favoritisierte konservative als auch die u.a. vom Sachverständigen Dr. Schxxxxx bevorzugte operative Therapie grundsätzlich geeignete und der ärztlichen Kunst entsprechende Behandlungsmethoden bei einer Reruptur sind. Die Entscheidung eines behandelnden Arztes für eine von zwei geeigneten Behandlungsmethoden ist damit - wie hier - nicht fehlerhaft.

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn - ungeachtet der grundsätzlichen Auffassung über das "richtige" Vorgehen - im konkreten Fall zum Zeitpunkt der Behandlung nur eine bestimmte Behandlungsweise geboten gewesen wäre. Das aber kann der Senat nicht feststellen. Die Äußerungen des Sachverständigen Dr. Schxxxxx werden in soweit ausschließlich von seiner Auffassung bestimmt, dass bei Rerupturen grundsätzlich eine operative Behandlung zu erfolgen hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger frühzeitiger hätte operiert werden müssen, hat er jedoch nicht aufgezeigt. Der Sachverständige Prof. Dr. Nxxx-Kxxx hat ausgeführt, dass sowohl eine operative als auch eine konservative Behandlung des Klägers den Regeln der ärzt lichen Kunst entsprochen hat und insbesondere eine andere als die von dem Truppenarzt vorgenommene Behandlung nicht dringend indiziert war.

Obgleich der Senat einen schuldhaften Behandlungs- oder Beratungsfehler nicht hat feststellen können, haftet der Beklagte für die Folgen der vom Kläger geltend gemachten Schädigung. Die Anerkennung von Schädigungsfolgen infolge truppenärztlicher Behandlung kommt nämlich nicht nur dann in Betracht, wenn die ärztliche Behandlung entgegen den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen worden ist (vgl. BSG vom 12.04.2000 - B 9 VS 2/99 R - in Breithaupt 2000, 802: Behandlungsfehler als typischer Fall einer wesentlichen Schädigung). Für den versorgungsrechtlichen Schutz gegen die Risiken einer truppenärztlichen Behandlung reicht es vielmehr aus, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei freier Arztwahl die konkret eingetretene Schädigung in dieser Form nicht eingetreten wäre, das Krankheitsgeschehen damit keinen unabänderlichen, schicksalhaften Verlauf genommen hat. Denn bei truppenärztlicher Betreuung ist insbesondere wehrdiensteigentümlich, dass der Soldat den behandelnden Arzt grundsätzlich nicht frei wählen kann. Im Rahmen der ihm zustehenden freien Heilfürsorge besteht vielmehr der Zwang, sich ausschließlich von Offizieren des Sanitätsdienstes behandeln zu lassen (BSG vom 04.10.1984 - 9a/9 KLV 1/81 - aaO). Damit entfällt für den Soldaten die im Zivilleben bestehende Möglichkeit, sich eingehend und ggf. auch bei mehreren Ärzten über in Betracht kommende Behandlungsmethoden und damit verbundene Risiken zu unterrichten, sich auf dieser Grundlage für die ein oder andere Behandlungsweise frei zu entscheiden und letztlich den Arzt mit seiner Behandlung zu beauftragen, der ihm am geeignetsten erscheint (BSG vom 04.10.1984 - 9a/9 KLV 1/81 - aaO und vom 30.01.1991 - 9a/9 RV 26/89 - aaO). Danach dürfte es nicht darauf ankommen, ob die truppenärztliche Behandlung schuldhaft zu einem Gesundheitschaden geführt hat. Allerdings scheint die Entscheidung des BSG vom 12.04.2000 - B 9 VS 2/99 R - hiermit nicht in Einklang zu stehen. Das BSG hat ausgeführt:

"Ob selbst dann ein Anspruch auf Versorgung besteht, wenn die ein getretene Schädigung nicht auf einem schuldhaften Kunstfehler, der einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch begründen würde, beruht, hat das BSG bisher offengelassen (vgl. BSGE 57, 171, 178 = SozR 3200 § 81 Nr. 20)."

Richtig hieran ist, dass das BSG sich im Urteil vom 04.10.1984 - 9a/9 KLV 1/81 - (BSGE 57, 171 ff) zur Frage, ob die Haftung nur eintritt, wenn ein schuldhafter Behandlungsfehler nachgewiesen werden kann, nicht ausdrücklich geäußert hat. In der Sache hat das BSG in jener Entscheidung allerdings diese Auffassung vertreten, wehrdiensteigentümlich sei nicht die schuldhafte truppenärztliche Fehlbehandlung sondern schon allein der Umstand, dass ein Soldat kraft gesetzlicher Anordnung für seine Gesundheit zu sorgen und sich einer notwendigen Behandlung ebenso unterziehen müsse wie er seinen Dienst auszuüben habe, dessen schädigende Folgen ausdrücklich durch § 81 Abs. 1 SVG geschützt seien; versorgungsrechtlich genüge für einen wehrdiensteigentümlichen Umstand daher, dass ein Soldat bei einer Behandlung durch einen Offizier des Sanitätsdienstes auf Grund nicht unvernünftiger Überlegungen im allgemeinen die Vorstellung haben wird und haben werde und haben könne, er lasse sich nicht allein im eigenen Interesse behandeln, sondern erfülle damit zu gleich seine gesetzliche Pflicht zur gesteigerten Gesundheitspflege (so BSG vom 04.10.1984 - 9a/9 KLV 1/81 -). Die Verpflichtung des Soldaten, sich gesund zu halten, und insoweit ohne freie Arzt- und Krankenhauswahl die Weisungen des truppenärztlichen Dienstes zu befolgen, reicht hiernach aus, Schäden von Behandlungen dem Wehrdienst zuzurechnen (BSG vom 09.12.1998 - B 9 VS 6/98 B - NVwZ-RR 1999, 323 -324; BSG SozR 3-3200 § 81 Nr 1). Unterzieht sich z.B. ein Soldat bei nicht lebensbedrohender, wehrdienstunabhängiger Erkrankung einer truppenärztlichen Behandlung, kann die Wehrdiensteigen tümlichkeit derselben schon deshalb bejaht werden, weil der Soldat dabei seiner gesetzlich gesteigerten Pflicht zur Gesundheitspflege nachgekommen ist, um seine Dienstfähigkeit auf möglichst hohem Niveau zu halten. Der sich aus einer solchen truppenärztlichen Behandlung (Operation) ergebende Verlust der Sehkraft eines Auges ist auch dann als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen, wenn die Behandlung lege artis erfolgt ist (Bayer. LSG vom 28.01.1998 - L 18 VS 48/97 - VersR 1998, 104).

Bei diesem Ansatz ist die Frage nach einer schuldhaften truppenärztlichen Fehlbehandlung nicht rechtserheblich. Konsequenterweise hat das BSG im Urteil vom 30.01.1991 - 9a/9 RV 26/89 - die Auffassung vertreten, auf Verschulden komme es grundsätzlich nicht an, denn der versorgungsrechtliche Schutz solle den Soldaten nicht nur gegen typische Risiken des Wehrdienstes, sondern gegen alle Risiken schützen, die im Zusammenhang mit dem Wehrdienst stehen. Der erkennende Senat stimmt dem zu. Ein haftungsbegründendes Tatbestandsmerkmal "Verschulden" ist dem Sozialen Entschädigungsrecht (SER) nicht nur wesensfremd, es existiert nicht. Der Versorgungsanspruch ist ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch eigener Art aus staatlicher Risikohaftung (Wilke/Fehl, BVG, 7. Auflage, 1992, § 1 Rdn. 1; Bley in SGb 1974, 52). Das SER dient dem Ausgleich für das dem Staat an Gesundheit oder Leben gebrachte besondere Opfer (BVerfG in E 48, 281 ff, E 17, 38 ff; E 38, 154 ff). Selbst nach den Grundsätzen des Gesetzes über die Entschädigung von Opfern für Gewalttaten (OEG) muss der Täter nicht schuldhaft gehandelt haben, um einen Entschädigungsanspruch auszulösen (vgl. Wilke/Sailer aaO § 1 OEG Rdn. 7). Denn auch insoweit haftet der Staat, weil er eine entsprechende Straftat nicht verhindern konnte (BSG vom 28.07.1999 - B 9 VG 5/98 R -). Auch die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des ärztlichen Eingriffs, die von einer gebotenen Belehrung (Aufklärung des Patienten) abhängt, ist deswegen für das SER nicht bedeutsam (BSG vom 09.12.1998 - B 9 VS 6/98 B - NVwZ-RR 1999, 323-324).Ein anspruchsbegründendes Verschulden des Staates oder der Personen, für die er im Sinne einer Garantenstellung einzustehen hat, kann zur Überzeugung des Senats daher auch dann nicht verlangt werden, wenn ein Soldat sich pflichtgemäß einer ärztlichen Behandlung unterzieht. Ein etwaiges Verschulden ist irrelevant; haftungsauslösend ist - wie dargestellt - das besondere (wehrdiensteigentümliche) Risiko. Als Ausgleich für den Zwang, sich truppenärztlicher Behandlung zu unterziehen, reicht es für den versorgungsrechtlichen Schutz gegen die Risiken einer solchen Behandlung aus, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei freier Arztwahl die konkret eingetretene Schädigung in dieser Form nicht eingetreten wäre, das Krankheitsgeschehen damit keinen unabänderlichen, schicksalhaften Verlauf genommen hat (BSG vom 30.01.1991 - 9a/9 RV 26/89 - USK 9049).

Dass jeder andere als der tätig gewordene Truppenarzt ebenfalls nach der Zweitruptur am 28.06.1994 eine konservative Behandlung für geboten erachtet hätte, ist nicht nur nicht anzunehmen (vgl. dazu Urteil des BSG vom 04.10.1984 aaO); wie der Senat bereits ausgeführt hat, steht vielmehr fest, dass eine Vielzahl von Ärzten - dem ausdrücklich erklärten Willen des Klägers entsprechend - unmittelbar nach der Feststellung einer Reruptur diese operativ behandelt hätten. Damit hat sich der Zwang, sich durch den Truppenarzt in bestimmter Weise behandeln zu lassen, zumindest mitursächlich für die bei dem Kläger eingetretene Schädigung ausgewirkt.

Ebenso sind die bei dem Kläger nunmehr vorliegenden Gesundheitsstörungen (zeitweise Instabilität, Bewegungseinschränkung, Sensibilitätsstörung) nicht zwangsläufig Folge einer Reruptur bzw. deren operativen Behandlung und damit auch nicht schicksalhaft. Beide Sachverständigen haben vielmehr übereinstimmend angegeben, es sei möglich, dass diese Gesundheitsstörungen bei einer frühzeitigen Operation in dieser Form nicht eingetreten wären. Damit hat sich das Risiko der truppenärztlichen Behandlung verwirklicht. Der Sachverständige Dr. Schxxxxx hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass eine zeitgerechte Operation der Zweitruptur den Kläger sogar mit großer Wahrscheinlichkeit vor diesen Gesundheitsstörungen bewahrt hätte.

Der Senat hat zudem die Überzeugung gewonnen, dass mehr dafür als dagegen spricht, dass bei einer der Reruptur unmittelbar nachfolgenden Operation die anzuerkennenden Wehrdienstbeschädigungsfolgen nicht bzw. nicht in dieser Form eingetreten wären. Bei der bis zur letzten Operation am 30.11.1995 bestehenden Bandinstabilität liegt dies auf der Hand; mit einer schon früher erfolgten Operation hätte die Instabilität beseitigt werden können. Hinsichtlich der Bewegungseinschränkung und Sensibilitätsstörung überzeugt die Auffassung des Sachverständigen Dr. Schxxxxx. Dieser hat nämlich - unter retrospektiver Betrachtungsweise - ausgeführt, dass bei zeitnaher Operation noch Bandstümpfe vorhanden gewesen wären und sich eine Operation damit einfacher, d.h. risikoloser, gestaltet hätte. Diese Beurteilung wird auch durch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Nxxx-Kxxx bestätigt. Die von ihm bevorzugte konservative Behandlung geht nämlich von einer völligen Ausheilung der Bänder ohne Operation aus und setzt damit zumindest noch suffiziente Bandstümpfe - sowie eine hinreichende Durchblutungssituation - voraus. Dementsprechend gibt er dann auch an, dass aufgrund des geringen Zeitraums zwischen Erst- und Reruptur von einer unveränderten Vaskularität im Bereich des verletzten Außenknöchels auszugehen ist und dass aufgrund des noch im August 1994 mit "hervorragend" beschriebenen konservativen Ergebnisses zu diesem Zeitpunkt noch suffizienten Bandstruktuxen vorgelegen haben. Bei der Operation am 22.02.1995 war das Ligamentum fibulo talare anterius hingegen nur noch als Narbenstrang und rudimentär erhalten.

Soweit Beigeladene und auch Beklagter vermuten, dass der Kläger zwischen dem 28.06.1994 und der Operation im Februar 1995 ein weiteres Trauma erlitten habe, ergibt sich dafür kein objektiver Anhaltspunkt. Diese Vermutung beruht allein auf der in dem Operationsbericht vom 22.02.1995 gestellten Diagnose "Rezidiv-Außenband-rupturre. OSG vor mehreren Wochen" (wobei die Seitenverwechslung bereits durch das Schreiben des Dr. Mxxxxxx vom 20.02.1999 korrigiert wurde). Aus dem Befundbericht des Dr. Rxxxxxxx und den vollständigen Behandlungsunterlagen des Evangelischen Krankenhauses Rxxxx, insbesondere dem Behandlungsbericht vom 20.03.1995 und dem ausführlichen Schreiben des Dr. Mxxxxxx vom 01.04.1996, ergibt sich unzweifelhaft, dass der Kläger nur die zwei bekannten Traumen erlitten hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Angesichts der Entscheidung des BSG vom 12.04.2000 - B 9 VS 2/99 R - ist nunmehr wieder grundsätzlich klärungsbedürftig, ob der Beklagte nur dann für die Schädigung einzutreten hat, wenn der truppenärztlichen Behandlung ein schuldhafter Kunstfehler zugrunde liegt.
Rechtskraft
Aus
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