L 1 B 193/05 KR-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 B 193/05 KR-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Anwendbarkeit der Gegenvorstellung neben der Gehörsrüge nach § 178a SGG (Anschluss an BSG, 28.07.2005 - B 13 RJ 178/05 B).
I. Die Gegenvorstellung des Beschwerdeführers gegen den Senatsbeschluss vom 13. Juli 2005 wird als unzulässig verworfen.
II. Die Beteiligten haben einander für das Verfahren der Gegenvorstellung keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer (Bf.) begehrt von der Beschwerdegegnerin (Bg.) die Gewährung von Krankengeld vom 01. Januar 2005 bis 30. April 2005.

Am 13. April 2005 hat der Bf. beim Sozialgericht Chemnitz (SG) Klage in der Hauptsache erhoben (Az. S 10 KR 244/05). Der zuvor gegen den Bescheid der Bg. vom 29. Dezember 2004 eingelegte Widerspruch ist ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005). Den am 02. Januar 2005 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf eine Verpflichtung der Bg., ihm ab 01. Januar 2005 Krankengeld zu zahlen, ist ohne Erfolg geblieben (Beschluss des SG vom 27. April 2005 – S 13 KR 108/05 ER). Die hiergegen eingelegte Beschwerde war ebenfalls erfolglos (Beschluss des erkennenden Senats vom 13. Juli 2005 – L 1 B 76/05 KR-ER): Hinsichtlich des Antrags fehle es bereits am Anordnungsgrund. Sofern der Bf. eine Eilbedürftigkeit damit begründet habe, durch die Nichtzahlung von Krankengeld entstünden "große, wesentliche Nachteile hinsichtlich des Bestreitens seines Lebensunterhaltes", sei dies nicht nachvollziehbar, da er seit 01. Januar 2005 vom Landratsamt K ... – Arbeits- und Sozialzentrum – Arbeitslo-sengeld II in Höhe von 448,67 EUR monatlich erhalte. Dieses diene gerade der Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Hei-zung. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen dann eine Entscheidung in der Hauptsache nicht vom Bf. abgewartet werden könne.

Gegen den ihm am 16. Juli 2005 zugestellten Senatsbeschluss hat der Bf. am 25. August 2005 "Beschwerde" eingelegt, mit der er im Wesentlichen vorträgt, gerade die Regelleis-tungen des "ALG II" seien zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht ausreichend. Auf-grund der viel zu niedrig angesetzten Ermittlung des Bedarfs könne er den Lebensunter-halt von "ALG II" nicht bestreiten. Das Krankengeld wäre wesentlich höher ausgefallen. II.

Die von dem Bf. erhobene Gegenvorstellung ist unzulässig.

Die vom Bf. eingelegte "Beschwerde" ist dahingehend auszulegen, dass der Bf. eine Ge-genvorstellung erheben wollte.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Beteiligter das Rechtsmittel einlegen will, das er bezeichnet hat, insbesondere wenn es sich aus der Rechtsmittelbelehrung ergibt. Dies gilt auch und gerade für nicht rechtskundig vertretene Beteiligte. Nur in Ausnahme-fällen kann angenommen werden, dass ein anderes, zulässiges Rechtsmittel gemeint war, wenn das eingelegte Rechtsmittel gar nicht in Betracht kommt oder Umstände erkennbar sind, dass ein anderes Rechtsmittel eingelegt werden sollte, wenn außer der Bezeichnung alles für ein anderes Rechtsmittel spricht. Dies gilt gerade dann, wenn ein Rechtsmittel eingelegt wird, das nicht gegeben und deswegen unzulässig, ein anderes Rechtsmittel aber statthaft ist. In diesem Fall ist im Wege der Auslegung oder Umdeutung zu prüfen, welches Rechtsmittel gewollt ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., Vor § 143 Rn. 14a und 15b).

Die vom Bf. eingelegte "Beschwerde" ist dahingehend auszulegen, dass der Bf. eine Ge-genvorstellung erheben wollte. Entscheidungen des Landessozialgerichts können nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Die Einlegung einer Beschwerde gegen einen Beschluss des Landessozialgerichts ist daher mangels Statthaftigkeit unzulässig.

Eine Anhörungsrüge hat der Bf. auch nicht erhoben. Sie wäre auch schon deshalb nicht zulässig, weil sie nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen 2-Wochen-Frist (vgl. § 178a Abs. 2 Satz 1 SGG) erhobenen worden ist. Der Beschluss des erkennenden Senats vom 13. Juli 2005 ist dem Bf. am 16. Juli 2005 zugestellt worden, "Beschwerde" hat er am 25. August 2005 beim Sächsischen Landessozialgericht erhoben. Im Übrigen wird von ihm auch nicht geltend gemacht, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör durch den Senat in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden wäre.

Auch die vom Bf. erhobene Gegenvorstellung ist unzulässig. Zwar ist eine Gegenvorstel-lung auch nach Einführung der Anhörungsrüge durch Einfügung des § 178a SGG zum 01. Januar 2005 mit Anhörungsrügengesetz vom 09. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) wei-terhin zulässig, weil die Gegenvorstellung das Ziel verfolgt, den Fachgerichten die Mög-lichkeit zu eröffnen, ihr Verhalten unter bestimmten rechtlichen Gesichtspunkten nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Eine Änderung eines an sich unanfecht-baren Beschlusses auf Gegenvorstellung hin ist vor allem möglich, wenn die getroffene Entscheidung im offensichtlichen Widerspruch zum Gesetz steht und insbesondere unter Verletzung von Grundrechten ergangen ist, so dass sie sonst im Wege der Verfassungsbe-schwerde angegriffen werden könnte, oder wenn die Entscheidung zu einem groben pro-zessualen oder sozialen Unrecht führte (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr. 24; Meyer-Ladewig, 7. Auflage, Vor § 143 Rn. 16 b m.w.N.). Demgegenüber beschränkt sich die Anhörungsrü-ge des § 178a Abs. 1 SGG auf die Fortführung des Verfahrens, wenn ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den grund-rechtlich gesicherten Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungs-erheblicher Weise verletzt hat (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Juli 2005, Az. B 13 RJ 178/05 B; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 178a Rn. 1).

Die von dem Bf. vorgebrachten Gründe für eine erhobene Gegendarstellung zeigen keine derartige schwerwiegende Rechtsverletzung auf. Der Bf. hat seine Gegenvorstellung allein damit begründet, von dem ihm gewährten Arbeitslosengeld II könne er seinen Lebensun-terhalt nicht bestreiten, weil dieses zu niedrig angesetzt sei. Dies verstoße gegen das Grundgesetz. Derartige plakative, pauschale Behauptungen sind nicht einmal ansatzweise geeignet, die Möglichkeit eines gravierenden Rechtsverstoßes im Einzelfall darzutun. Das Leistungssystem des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) ist grundsätzlich ausrei-chend, um das Existenzminimum eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen abzusichern. Der Senat durfte daher davon ausgehen, dass auch das Existenzminimum des Bf. gesichert und eine Vorwegnahme der Hauptsache schon mangels Eilbedürftigkeit ausgeschlossen ist.

Nach alledem ist nicht erkennbar, dass die Entscheidung des Senats vom 13. Juli 2005 in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz steht und insbesondere unter Verletzung von Grundrechten ergangen ist oder zu einem groben prozessualen oder sozialen Unrecht führ-te. Der Senat hat lediglich entschieden, dass die Gewährung von Krankengeld für den Zeit-raum vom 01. Januar 2005 bis 30. April 2005 nicht im Wege des einstweiligen Rechts-schutzes vorweggenommen werden kann, bevor eine Entscheidung in der Hauptsache ge-troffen worden ist.

Bei alledem ist die Gegenvorstellung unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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