L 5 AR 137/05 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 51 AS 615/05 ER
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 AR 137/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Ablehnung der Vorsitzenden der 51. Kammer des Sozialgerichts München, Richterin am Verwaltungsgericht K. , wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet.
Gründe:

I.

Der Antragsteller beantragte am 22.08.2005 bei der Antragsgegnerin, ihm Arbeitslosengeld II zu gewähren. Am 19.09.2005 hat er bei der 51. Kammer des Sozialgerichts München - SG - (Vorsitzende: Richterin am Verwaltungsgericht - RiVG - K.) beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm "Miete und Arbeitslosengeld II" zu zahlen und ihn "bei der AOK Bayern anzumelden bzw. weiterhin zu versichern". Mit Schriftsatz vom 30.09.2005 hat die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzuweisen, weil der Antragsteller erst am 29.09.2005 wesentliche, für die Bearbeitung des Antrags auf Arbeitslosengeld II erforderliche Unterlagen beigebracht habe.

Der Antragsteller hat sich gegen die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin gewandt und sein Begehren mit Schriftsatz vom 06.10.2005 an das SG weiter begründet.

Am 13.10.2005 hat er einen Bescheid der Antragsgegnerin vom 06.10.2005 vorgelegt. Darin versagt diese die Zahlung von Arbeitslosengeld II, weil der Antragsteller einen am 29.09.2005 ausgefüllten und unterschriebenen Clearingbogen bzw. Grundantrag sowie eine Vollmacht zur Anforderung von Kontoauszügen bei der Bank noch am gleichen Tage widerrufen habe, so dass ein Leistungsanspruch wegen fehlender Mitwirkung nicht habe festgestellt werden können. Zugleich mit dem Bescheid vom 06.10.2005 hat der Antragsteller den Abdruck eines Urteils des Arbeitsgerichts M. vom 27.01.2005 sowie sein Konto bei der R.bank E. betreffende Umsatzlisten für die Zeit vom 01.08. bis 07.10.2005 überreicht.

Die Kammervorsitzende hat der Antragsgegnerin am 14.10.2005 eine Abschrift des Schreibens vom 13.10.2005 zukommen lassen mit der Bitte um Stellungnahme bis 18.10.2005, ob und ggf. mit welcher Begründung auf der "Einbeziehung der Bezirkssozialarbeit, der Betreuungsstelle sowie des Psychologischen Dienstes in die Teambildung" bestanden werde.

Mit Schriftsatz vom 15.10.2005 hat der Antragsteller daraufhin RiVG K. "mit sofortiger Wirkung" wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt ("Verdacht auf Begünstigung und Strafvereitelung im Amt"). Da dem SG bekannt sei, dass er unter keinen Umständen mit "der Bezirkssozialarbeit, der Betreuungsstelle und dem Sozialpsychologischen Dienst" zusammenarbeite, gebe es von Seiten des Gerichts nichts mehr aufzuklären.

Die Kammervorsitzende hat sich zu dem Ablehnungsgesuch am 17.10.2005 dienstlich geäußert. Der Kläger hat dazu am 25.10.2005 Stellung genommen und sein Vorbringen im Wesentlichen wiederholt.

II.

Für die Entscheidung über Gesuche, mit welchen Richter der Sozialgerichtsbarkeit abgelehnt werden, ist das Landessozialgericht zuständig (§ 60 Abs.1 S.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Das zulässige Ablehnungsgesuch erweist sich als unbegründet.

Nach § 60 SGG i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§§ 60 Abs.1 S.1 SGG, 42 Abs.2 ZPO). Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 35, 171, 172; NJW 1999, 132, 133). Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Auflage, S.186/14). Es kommt weder darauf an, ob die Befürchtung eines Prozessbeteiligten, der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen, begründet ist, noch auf die subjektive Meinung des abgelehnten Richters, ob er befangen sei oder nicht (vgl. BVerfG, a.a.O.; Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Auflage, § 42 Rdnr.9). Der Gesetzgeber hat durch die Möglichkeit der Richterablehnung nämlich nicht nur eine tatsächlich parteiliche Rechtspflege verhindern, sondern darüber hinaus auch schon den für einen Prozessbeteiligten nach den Umständen naheliegenden oder doch verständlichen Argwohn vermeiden wollen, der Richter werde nicht unparteilich entscheiden.

Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Antragsteller keinen Anlass, die Unvoreingenommenheit und objektive Einstellung der RiVG K. in Zweifel zu ziehen.

Die Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist - was der Antragsteller offensichtlich verkennt - kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige bzw. für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen oder gegen vermeintlich fehlerhafte Verfahrenshandlungen eines Richters bzw. eines Gerichts zu wehren, es sei denn, die mögliche Fehlerhaftigkeit beruhte auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder auf Willkür (vgl. BAG, MDR 1993, 383; BayObLG, MDR 1988, 1063; OLG Zweibrücken, MDR 1982, 940; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 42 Rdnr.28; Münchener Kommentar-Feiber, ZPO, 2. Auflage, § 42 Rdnrn.28, 30). Der geeignete Weg, um sich gegen vermeintlich unrichtige Entscheidungen bzw. Verfahrenshandlungen zu wehren, ist vielmehr die Einlegung eines Rechtsmittels. Von einer auf Willkür beruhenden Verfahrenshandlung kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken schlechterdings nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BAG, a.a.O.; BayObLG, a.a.O.; OLG Zweibrücken, a.a.O.). Objektive Anhaltspunkte hierfür vermag der Senat dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu entnehmen und werden von dem Antragsteller auch keinesfalls vorgebracht.

Das Gericht bzw. dessen Vorsitzender ist gemäß § 103 SGG verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und die Beteiligten dabei heranzuziehen. In diesem Zusammenhang liegt es jedoch im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden, welche Maßnahmen bei der Ermittlung der Tatsachen durchzuführen sind, die für die Entscheidung in prozessualer oder materieller Hinsicht entscheidungserheblich sind (vgl. BSGE 30, 192, 205). Hierbei ist der Vorsitzende an den Vortrag, an eventuelle Beweisanträge oder an die Auffassungen der Beteiligten nicht gebunden (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 103 Rdnrn.9, 12b, 12c). Das Sozialgericht darf den Verwaltungsakt nicht allein aufgrund der zur Begründung angegebenen Tatsachen prüfen, es muss feststellen, ob der Verwaltungsakt nach dem gesamten Sachverhalt unter Einbeziehung aller entscheidungserheblichen Umstände und aller relevanten Tatbestände gerechtfertigt ist (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr.9). Es muss grundsätzlich auch Tatsachen berücksichtigen, welche die Beteiligten nicht vorgetragen haben, und bestimmt frei und ohne Rücksicht auf die Beteiligtenauffassung, welcher Beweismittel es sich bedienen will (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O.). Das Gericht muss bei der Ermittlung notwendig von seiner rechtlichen Beurteilung ausgehen. Es verletzt § 103 SGG nur dann, wenn es Ermittlungen unterlässt, die es von seiner Rechtsauffassung ausgehend hätte anstellen und zu denen es sich hätte gedrängt fühlen müssen (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr.5 m.w.N.).

Wenn es daher RiVG K. in Ausführung ihrer Pflicht zur Amtsaufklärung und im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung der Streitsache des Klägers für geboten erachtet, bei der Antragsgegnerin - unter Berücksichtigung einer im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sehr angemessenen kurzen Frist - nachzufragen, ob und ggf. mit welcher Begründung diese auf der Einbeziehung der Bezirkssozialarbeit, der Betreuungsstelle sowie des Psychologischen Dienstes in die Teambildung bestehe, so ist das - wie dargetan - befangenheitsrechtlich in keiner Weise zu beanstanden. Die insoweit gegenteilige Meinung des Antragstellers ist unerheblich. Hier - wie der Antragsteller - von einem Verdacht auf Begünstigung und Strafvereitelung im Amt zu sprechen, ist abwegig, beleidigend und nicht nachvollziehbar.

Gründe für die Ablehnung der RiVG K. wegen Besorgnis der Befangenheit bestehen somit nach allem nicht.

Der Antrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Diese Entscheidung ist kostenfrei (§ 183 SGG) und endgültig (§ 177 SGG). Eine Beschwerde dagegen findet nicht statt.
Rechtskraft
Aus
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