L 16 KR 232/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 26 KR 191/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 232/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 1/06 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17. August 2004 geändert. Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, enterale Ernährung i. S. v. § 31 Abs. 1 S. 2 SGB V nach dem für Arzneimittel geltenden Abrechnungsverfahren gemäß § 300 SGB V mit der Beklagten abzurechnen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 275.000 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist (nur noch) streitig, ob die Klägerin verpflichtet ist, enterale Ernährung im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nach dem für Arzneimittel geltenden Abrechnungsverfahren gemäß § 300 SGB V mit der Beklagten abzurechnen. Bezüglich der Frage, ob für die Abrechnung von enteraler Ernährung und der für die Applikation erforderlichen Hilfsmittel getrennte ärztliche Verordnungen vorzulegen sind, hat das Sozialgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.08.2004 das Verfahren abgetrennt.

Bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen, das sich seit Jahren auf die Versorgung Laryngektomierter und Tracheotomierter mit enteraler Ernährung, Applikationsmitteln und Zubehör (Überleitsysteme, Ernährungspumpen, etc.) spezialisiert hat. Sie verfügt über eine bundesweite Zulassung als Leistungserbringerin von Hilfsmitteln gemäß § 126 SGB V und versorgt u. a. Versicherte der Beklagten. Eine Rahmenvereinbarung zur Versorgung Versicherter mit enteraler Ernährung und/oder eine entsprechende Hilfsmittelvereinbarung nach § 127 SGB V bestehen nicht. Gegenüber der Beklagten wurden die Produkte der enteralen Ernährung einschließlich der Applikationsmittel und des Zubehörs in der Vergangenheit zunächst in Papierform, seit ca. 2002 mittels einer Kombination aus elektronischem Abrechnungsverfahren und Papierform nach § 302 SGB V abgerechnet.

Mit Schreiben vom 26.03.2002 und 04.09.2002 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass für den 01.02.2003 eine Umstellung der gesamten Abrechnung von enteraler Ernährung und Blutzuckerteststreifen auf das Datenträgeraustauschverfahren nach § 300 V (DTA) geplant sei. Bei diesem Verfahren wird komplett auf Papierform verzichtet; beispielsweise sind auch die Verordnungen in elektronischer Form als sog. Images zu übersenden. Die Beklagte kündigte an, dass Abrechnungen, die diesen Anforderungen nicht entsprächen, nach der Umstellung unbearbeitet zurückgegeben werden müssten.

Da die Klägerin weiter in herkömmlicher Weise gegenüber der Beklagten abrechnete, teilte ihr diese mit weiterem Schreiben vom 17.03.2003 mit, dass die im Februar 2003 eingehenden Rechnungen, die nicht dem DTA entsprächen, letztmalig bezahlt würden. Ab dem 01.03.2003 könne eine Abrechnung nur erfolgen, wenn die Klägerin die Anforderungen des DTA erfülle.

Dagegen wandte die Klägerin mit Schreiben vom 06.05.2003 ein, es bestehe ihr gegenüber keine durchsetzbare Verpflichtung, nach § 300 SGB V abzurechnen. Maßgeblich sei für sie, die Klägerin, ausschließlich die Abrechnung nach § 302 SGB V, da sie "sonstiger Leistungserbringer" sei. Darunter seien Leistungserbringer zu verstehen, die die mit dem Heil- und Hilfsmittelmarkt eng verbundenen Komplementärprodukte, wie enterale Ernährung, vertrieben. § 300 SGB V setze dagegen voraus, dass eine Apotheke Leistungen erbringe. Dies treffe auf sie jedoch nicht zu. Sie sei auch kein weiterer Anbieter von Arzneimitteln; denn Produkte der enteralen Ernährung seien nicht als Arzneimittel zu qualifizieren. Dies ergebe sich aus § 31 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V. Danach lege der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den Richtlinien fest, "in welchen medizinisch notwendigen Fällen Sondennahrung ausnahmsweise in die Versorgung mit Arzneimitteln mit einbezogen" werde. Sondennahrung werde danach Arzneimitteln zwar gleichgestellt, sei aber kein Arzneimittel. Auch habe sie keine Abrechnungsvereinbarung gemäß § 300 SGB V mit der Beklagten geschlossen.

Zugleich forderte die Klägerin die Beklagte auf, nicht beglichene Rechnungsbeträge in Höhe von insgesamt rd. 9.700 EUR zu zahlen. Dieser Forderung entsprach die Beklagte, hielt aber mit Schreiben vom 20.05.2003 weiter an der Einführung des DTA fest.

Daraufhin hat die Klägerin am 10.06.2003 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben, die zum örtlich zuständigen Sozialgericht Köln verwiesen wurde. Zur Begründung hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, die erhobene Feststellungsklage sei zulässig, da Rechtsverletzungen in Form der konkret in Aussicht gestellten Verweigerung der Abrechnung für zukünftig erbrachte Leistungen zu befürchten seien. Auch habe sie erst im Jahre 2002 hohe Investitionen in eine Software tätigen müssen, um die Anforderungen u. a. der Beklagten an eine maschinenlesbare Abrechnung gemäß § 302 SGB V erfüllen zu können. Die Einführung des DTA sei mit weiteren Kosten für Software und Umstrukturierungsmaßnahmen in Höhe von ca. 275.000 Euro verbunden. Innerbetrieblich müssten völlig unterschiedliche Abrechnungsverfahren - den übrigen Kassen gegenüber sei in Papierform bzw. nach § 302 SGB V abzurechnen - bedient werden. Dies sei nur mit zusätzlichem Personal möglich.

Es bestehe keine materiell-rechtliche Verpflichtung, auf das DTA umzustellen. Sie biete keine Arzneimittel an. Bei den Produkten der enteralen Ernährung handele es sich um diätische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke. Die Krankenkassen hätten seit 1989 die Kosten für die spezielle Form der Krankenkost gemäß § 27 SGB V i. V. m. den seinerzeit gültigen Arzneimittelrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (AMRL) vom 31.08.1993, BAnz 1993 Nr. 246, übernommen. Auf Grund einer Entscheidung des Bundessozialgerichts -BSG- (Urt. vom 09.12.1997, Az.: 1 RK 23/95, Sozialrecht -SozR- 3-2500 § 27 Nr. 9) seien jedoch Unsicherheiten aufgekommen, ob die Vorgehensweise rechtmäßig sei. Deshalb habe der Gesetzgeber § 31 Abs. 1 SGB V um S. 2 ergänzt. Er habe die Rechtsgrundlage für die Aufrechterhaltung der bisherigen Ausnahmeregelung in den AMRL schaffen wollen. Dennoch habe durchgehend Einigkeit bestanden, dass es sich bei den in § 31 Abs. 1 S. 2 SGB V genannten Produkten eindeutig nicht um Arzneimittel handele, sondern dass diese lediglich ausnahmsweise in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen werden sollten. Gegen eine Verpflichtung zur Abrechnung nach § 300 SGB V spreche weiter, dass sich die gemäß § 300 Abs. 3 SGB V geschlossene Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V vom 04.11.1994 (Arzneimittelabrechnungsvereinbarung), veröffentlicht bei www.datenaustausch.de - Leistungserbringerverfahren - Apotheken - Vereinbarungen, ausschließlich an öffentliche Apotheken wende, nicht aber an die weiteren Anbieter von Arzneimitteln im Sinne von § 300 Abs. 1 SGB V. Im Anschluss an die Ergänzung von § 300 Abs. 1 SGB V um die weiteren Anbieter von Arzneimitteln durch Art. 1 Nr. 78 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 -GKV-GRG 2000-) vom 22.12.1999 (BGBl I S. 2626) zum 01.01.2000 sei die aus dem Jahre 1994 stammende Arzneimittelabrechnungsvereinbarung nicht angepasst worden.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, enterale Ernährung im Sinne des § 31 Abs. 1 S. 2 SGB V nach den für Arzneimittel geltenden Abrechnungsverfahren gemäß § 300 SGB V abzurechnen, sondern dass sie die Abrechnung nach § 302 SGB V vorzunehmen hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei zur Abrechnung nach § 300 SGB V verpflichtet. Der Gesetzgeber habe mit dem Einfügen von S. 2 in § 31 Abs. 1 SGB V durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Solidariätsstärkungsgesetz -GKV-SolG-) vom 16.12.1998 (BGBl I 3853) zum 01.01.1999 Produkte enteraler Ernährung als arzneimittelähnliche Produkte der Arzneimittelversorgung unterstellt und - in jeder Beziehung - Arzneimitteln gleichgestellt. Damit sei die Klägerin als weitere Anbieterin von Arzneimitteln im Sinne von § 300 Abs. 1 SGB V zu klassifizieren. Für diese Auslegung spreche, dass gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1.6 der Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 302 Abs. 2 SGB V über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens mit "Sonstigen Leistungserbringern" sowie mit Hebammen und Entbindungspflegern vom 09.05.1996 in der geänderten Fassung vom 15.12.2003 (Richtlinie -RL- nach § 302 SGB V), veröffentlicht bei www.datenaustausch.de - Leistungserbringerverfahren - Sonstige Leistungserbringer - Richtlinie, die Abrechnung der Direktlieferanten von Arznei- und Verbandmitteln entsprechend der Arzneimittelabrechnungsvereinbarung nach § 300 SGB V erfolgen solle. Dagegen sei unschädlich, dass diese Vereinbarung nur öffentliche Apotheken erwähne. Die verbindliche Geltung der Arzneimittelabrechnungsvereinbarung werde durch § 300 Abs. 1 SGB V in der seit dem 01.01.2000 geltenden Fassung ausdrücklich auf "weitere Anbieter" erstreckt, ohne dass es einer Anpassung der Vereinbarung bedurft habe. Die niederrangigere Vertragsregelung sei gegenüber der höherrangigen bundesrechtlichen Regelung unwirksam, soweit sie den Geltungsbereich des DTA auf Apotheken beschränke.

In dem unter dem Aktenzeichen S 26 KR 153/03 ER SG Köln (L 16 B 10/04 KR ER, LSG NRW) geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahren haben die Parteien am 06.05.2004 vor dem erkennenden Senat einen Vergleich geschlossen, mit dem sie das Abrechnungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache geregelt haben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Prozessakte L 16 KR 10/04 KR ER verwiesen.

Mit Urteil vom 17. August 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, die Klägerin sei als weitere Anbieterin von Arzneimitteln im Sinne von § 300 Abs. 1 SGB V anzusehen. Die Norm richte sich an alle Anbieter von Produkten, die in die Arzneimittelversorgung einbezogen seien. Dies treffe gemäß § 31 Abs. 1 S. 2 SGB V auch auf Produkte der enteralen Ernährung zu. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihren Bevollmächtigten am 01.09.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.09.2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie auf ihren bisherigen Vortrag Bezug genommen. Sie weist ergänzend darauf hin, dass inzwischen weitere Krankenkassen dazu übergegangen seien, eine Abrechnung nach § 300 SGB V zu fordern, andere Kassen jedoch weiterhin in Papierform bzw. gemäß § 302 SGB V abrechneten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17. August 2004 zu ändern und festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, enterale Ernährung i. S. d. § 31 Abs. 1 S. 2 SGB V nach dem für Arzneimittel geltenden Abrechnungsverfahren gemäß § 300 SGB V mit der Beklagten abzurechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Ergänzend teilt sie mit, dass sie aus rechtlichen Gründen auf die Abrechnung nach § 300 SGB V umgestellt habe, aber auch praktische Vorteile dafür sprächen. Der überwiegende Teil der Abrechnung enteraler Ernährung erfolge bislang bundesweit jedoch weder nach § 300 noch nach § 302 SGB V, sondern in Papierform, weil kleinere Kassen vielfach nicht in der Lage seien, die aufwändigen Verfahren nach § 300 bzw. § 302 SGB V zu bewältigen. Allerdings könnten die betroffenen Kassen - wie im Übrigen die Anbieter von Produkten enteraler Ernährung auch - alternativ die Abrechnung durch private Dienstleister auf dem allgemeinen Markt durchführen lassen; einer Investition in eigene Software bedürfe es dann nicht. Weshalb die betroffenen kleineren Kassen von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machten, entziehe sich ihrer Kenntnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Prozessakte sowie der unter dem Aktenzeichen L16 B 10/04 KR ER geführten Prozessakte Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17. August 2004 hat in vollem Umfang Erfolg. Das Sozialgericht hat zu Unrecht mit Urteil vom 17. August 2004 die Klage abgewiesen.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere bestehen keine Bedenken, dass die Klägerin eine Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben hat. Zur Begründung nimmt der Senat auf die insoweit zutreffenden Ausführungen in den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen Bezug. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Klage ein konkretes Rechtsverhältnis im Sinne von § 55 Abs. 1 S. 1 SGG betrifft, nämlich die Anwendung bzw. Anwendbarkeit einer Rechtsnorm auf einen bestimmten Lebenssachverhalt und eine daraus resultierende Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten (vgl. zu diesem Erfordernis: BSG, Urt. vom 25.08.1999, Az.: B 6 KA 34/98 R, jurisweb, Kenn-Nr.: KSRE077361518, RdNr. 11 m. w. N. = SozR 3-2500 § 85 Nr. 32 S. 245), und zwar, ob die Klägerin seit dem 01.02.2003 verpflichtet ist, der Beklagten gegenüber Produkte der enteralen Ernährung nach § 300 SGB V abzurechnen. Die Beteiligten haben nicht die streitige Rechtsnorm - losgelöst von einem konkreten Sachverhalt - zur gerichtlichen Überprüfung gestellt. Ein solches Normenkontrollverfahren ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen (vgl. BSG, a. a. O.).

Die Berufung ist auch begründet. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, enterale Ernährung im Sinne des § 31 Abs. 1 S. 2 SGB V nach dem für Arzneimittel geltenden Abrechnungsverfahren gemäß § 300 SGB V abzurechnen. Der Senat vermag dem Gesetz eine solche Verpflichtung nicht zu entnehmen, zumal eine solche - zwingende - Verpflichtung, folgte man der Auffassung der Beklagten, bereits zum 01.01.2000 und nicht erst, wie von der Beklagten gefordert, zum 01.02.2003 hätte entstehen müssen, abgesehen davon, dass eine Vielzahl von Krankenkassen und Lieferanten von enteraler Ernährung auch gegenwärtig - nach Auffassung der Beklagten rechtswidrig - noch in Papierform bzw. gemäß § 302 SGB V abrechnen. Eine Übergangsvorschrift, innerhalb derer bis zur Umstellung auf das elektronische Abrechnungsverfahren noch wie bisher in Papierform abgerechnet werden kann, sieht § 300 SGB V nicht vor.

Im Übrigen:

Nach § 300 Abs. 1 SGB V sind Apotheken und weitere Anbieter von Arzneimitteln verpflichtet,
- bei Abgabe von Fertigarzneimitteln für Versicherte das nach Abs. 3 Nr. 1 zu verwendende Kennzeichen maschinenlesbar auf das für die kassen- und vertragsärztliche Versorgung verbindliche Verordnungsblatt zu übertragen,
- die Verordnungsblätter an die Krankenkassen weiterzuleiten und diesen die nach Maßgabe der nach Abs. 3 Nr. 2 getroffenen Vereinbarungen erforderlichen Abrechnungsdaten zu übermitteln.

Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker regeln gemäß Abs. 3 der Vorschrift in einer Arzneimittelabrechnungsvereinbarung das Nähere, insbesondere über
- die Verwendung eines bundeseinheitlichen Kennzeichens für das verordnete Fertigarzneimittel als Schlüssel zu Handelsname, Hersteller, Darreichungsform, Wirkstoffstärke und Packungsgröße des Arzneimittels,
- die Einzelheiten der Übertragung des Kennzeichens und der Abrechnung, die Voraussetzungen und Einzelheiten der Übermittlung der Abrechnungsdaten auf Datenbändern oder anderen maschinell verwertbaren Datenträgern sowie die Weiterleitung der Verordnungsblätter an die Krankenkassen,
- die Übermittlung des Apothekenverzeichnisses nach § 293 Abs. 5.

Die Voraussetzungen des § 300 Abs. 1 SGB V liegen nicht vor. Die Klägerin unterfällt nicht dem Geltungsbereich der Norm. Unstreitig ist die Klägerin keine Apothekerin, aber auch keine sog. weitere Anbieterin von Arzneimitteln; denn Produkte der enteralen Ernährung fallen nicht unter den Begriff des Arzneimittels im Sinne der Vorschrift.

Zwar ist der Wortlaut der Norm nicht eindeutig. Der Begriff "Arzneimittel" wird weder in § 300 SGB V noch sonst im SGB V definiert. Der krankenversicherungsrechtliche Arzneimittelbegriff knüpft auch nicht an das Arzneimittelgesetz (AMG) und das dort geregelte Zulassungsverfahren an (Krauskopf-Wagner, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, Loseblattsammlung, Stand: April 2005, § 31 SGB V RdNr. 4 m. w. N.). Die AMRL enthalten ebenfalls keine Definition; denn die Befugnis des Gemeinsamen Bundesausschusses aus § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V beschränkt sich auf den Ausschluss von Arzneimitteln aus den in § 92 Abs. 1 S. 1 SGB V genannten Gründen (Fehlen des diagnostischen oder therapeutischen Nutzens, der medizinischen Notwendigkeit, der Wirtschaftlichkeit), während die Befugnis, den Begriff "Arzneimittel" zu definieren, beim Gesetzgeber verblieben ist (vgl. Kasseler Kommentar-Höfler, Sozialversicherungsrecht, Loseblattsammlung, Stand: 01.06.2005, § 31 RdNr. 8 m. w. N.; Krauskopf-Wagner, a. a. O., § 31 SGB V RdNr. 5 m. w. N.). Ein Normgeber ist jedoch nicht zu Legaldefinitionen aller von ihm verwendeten Begriffe verpflichtet. Rechtsstaatlichen Anforderungen ist Genüge getan, wenn die Begriffe durch weitere Auslegung konkretisiert werden können (Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, BVerfGE 82, 209, 224 ff; 110, 370, 396 f). Nach Auffassung des Senates ist aus der systematischen Auslegung und aus den Gesetzesmaterialien ein klares Ergebnis ableitbar: Dass Sondennahrung nicht unter den Begriff "Arzneimittel" fällt und die Klägerin deshalb nicht verpflichtet ist, diese nach § 300 SGB V abzurechnen.

Der Gesetzgeber hat § 300 SGB V zum 01.01.2000 neu gefasst und u. a. den ursprünglichen Anwendungsbereich (Apotheker) um "weitere Anbieter von Arzneimitteln" erweitert. Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs 14/1245 S. 105) ergibt sich, dass aufgrund der RL nach § 302 Abs. 2 SGB V, die im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung für die sog. Direktlieferanten von Arzneimitteln keine Abrechnung nach § 302, sondern eine solche nach § 300 SGB V vorsehen, die Direktlieferanten in die Verpflichtung nach § 300 Abs. 1 SGB V einbezogen werden sollten. Dass darin eine Erweiterung des Begriffs des Arzneimittels liegt, wie die Beklagte vorträgt, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Es ist dem Gesetzgeber vielmehr erkennbar darum gegangen, alle Lieferanten von Arzneimitteln, seien es Apotheken oder Direktlieferanten, in die Pflicht zu nehmen, Fertigarzneimittel gegenüber den Kassen gemäß § 300 SGB V abzurechnen. Dass der Gesetzgeber unter "Arzneimittel" keine Sondennahrung verstanden hat, ergibt sich aus einer systematischen und historischen Auslegung. Auch ist zu berücksichtigen, dass § 300 SGB V als Eingriffstatbestand - bestimmten Leistungserbringern wird die Pflicht auferlegt elektronisch abzurechnen und damit in die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eingegriffen - inhaltlich hinreichend klar sein muss. Die Verpflichtung zur elektronischen Abrechnung ist aber auf Fertigarzneimittel beschränkt worden.

Bei der Ergänzung von § 31 Abs. 1 SGB V um Satz 2 zum 01.01.1999, mithin ein Jahr vor der Änderung des § 300 Abs. 1 SGB V, hat der Gesetzgeber Sondennahrung nach Auffassung des Senates nicht unter den Begriff des (Fertig-)Arzneimittels gefasst und hat auch nicht fassen wollen. Mit der genannten Vorschrift hat der Gesetzgeber dem Gemeinsamen Bundesausschuss mit Wirkung zum 01.01.2000 die Befugnis übertragen, in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen u. a. Sondennahrung ausnahmsweise in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen werden kann. Produkte enteraler Ernährung werden damit - im Falle medizinischer Notwendigkeit - Arzneimitteln gleichgestellt. Darin liegt gerade keine Einbeziehung in den Begriff "Arzneimittel". Ansonsten hätte der Gesetzgeber Satz 2 von § 31 Abs. 1 SGB V anders gefasst, wie "zu den Arzneimitteln zählen auch Sondennahrung, ", zumal ihm die Problematik bei der Neufassung des § 31 Abs. 1 SGB V bekannt gewesen ist. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs 14/157 S. 33) zu dem zum 01.01.1999 neu eingefügten Satz 2 von § 31 Abs. 1 SGB V. Der Gesetzgeber wollte durch die Ergänzung der Vorschrift Unsicherheiten klären, die nach dem Urteil des BSG vom 09.12.1997 (a. a. O.) entstanden waren. Im Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (heute: Gemeinsamer Bundesausschuss) waren Zweifel daran entstanden, ob insbesondere Sondennahrung weiterhin zu Lasten der Krankenkassen verordnungsfähig sei; denn das BSG hatte in der o. g. Entscheidung bekräftigt, dass Diätnahrungsmittel keine Arzneimittel im krankenversicherungsrechtlichen Sinne seien. Durch die neue Vorschrift wollte der Gesetzgeber eine Rechtsgrundlage für die Aufrechterhaltung der bisherigen Ausnahmeregelungen in den AMRL schaffen. Es sollte bei dem auch vom BSG bestätigten Grundsatz verbleiben, dass Aufwendungen, die den allgemeinen Lebenshaltungskosten zuzurechnen sind, von den vom Bundesausschuss beschlossenen Ausnahmefällen abgesehen nicht von den Krankenkassen übernommen werden dürfen.

Dass der Gesetzgeber begrifflich zwischen "Arzneimittel" einerseits und u. a. Sondennahrung andererseits trennt, ergibt sich im Übrigen auch aus § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB V. Der Formulierung "für die insgesamt von den Vertragsärzten nach § 31 veranlassten Leistungen", eingefügt durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbugets (Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz -AMAG-) vom 19.12.2001 (BGBl I 3773) mit Wirkung zum 31.12.2001, hätte es nicht bedurft, wenn die in § 31 Abs. 1 S. 2 SGB V genannten Produkte, wie u. a. Sondennahrung, unter den Begriff des Arzneimittels im Sinne von § 84 Abs. 1 S. 1 SGB V fielen (zur Einbeziehung der Produkte nach § 31 Abs. 1 S. 2 SGB V: Krauskopf-Krauskopf, a. a. O., § 84 SGB V RdNr. 11). Der Gesetzgeber hat es jedoch auch zum 31.12.2001 nicht für notwendig erachtet, also bewusst unterlassen, den Anwendungsbereich von § 300 Abs. 1 um Produkte u. a. der enteralen Ernährung zu erweitern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen, vgl. § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG.

Der Streitwert war gemäß § 1 Nr. 4, § 3 Abs. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) auf 275.000 Euro entsprechend den voraussichtlichen Kosten der Klägerin bei Umstellung auf das Abrechnungsverfahren nach § 300 SGB V festzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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