L 10 SB 111/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 14 SB 148/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 SB 111/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30.01.2002 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Köln zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Sozialgericht vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1950 geborene Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 40.

Mit Bescheid vom 27.10.1992 stellte der Beklagte bei ihr einen GdB von 40 fest. Dabei ging er aufgrund der gutachtlichen Stellungnahme vom 19.10.1992 von Verschleißerscheinungen im Bereich der Wirbelsäule, Bandscheibenvorfall, Kniegelenksarthrose bds. - Heilungsbewährung - (GdB 40) und chronische Bronchitis (GdB 15) aus. Im Februar 1999 leitete der Beklagte ein Nachprüfung von Amts wegen ein. Daneben beantragte die Klägerin am 08.03.1999 die Feststellung eines höheren GdB wegen einer Artrose rechtes und linkes Knie, einer Bronchitis, eines Tennisarms rechts und einer Arthrose der LWS und BWS.

Der Beklagte holte Befundberichte der Ärzte Pxxxxxxxxxx und Dr. Mxxxxxxx ein. In Auswertung dieser Berichte beurteilte der Arzt für Sozialmedizin Dr. Dxxxxxxxxx in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 08.06.1999 den "Gesamt-GdB" weiterhin mit 40. Dabei legte er zugrunde:

1. Verschleißerscheinungen im Bereich der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden mit Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 20)

2. Hüft- und Kniearthrose beiderseits, Meniskopathie (GdB 30)

3. Chronisch-obstruktive Bronchitis (GdB 20 ).

Mit Schreiben vom 16.06.1999 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sich die Behinderung seit dem Bescheid vom 27.10.1992 nicht geändert habe und es deshalb bei den seinerzeit getroffenen Feststellungen verbleibe. Sodann lehnte der Beklagte mit auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestütztem Bescheid vom 13.01.2000 den Antrag auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung ab. Auf ihren Widerspruch, der eine Bescheinigung des Orthopäden Pxxxxxxxxxx beigefügt war, veranlaßte der Beklagte eine Untersuchung. Der Gutachter Dr. Mxxxxxxx bezeichnete die Behinderungen wie Dr. Dxxxxxxxxx. Die Behinderung zu 2. bewertete er allerdings mit einem GdB von 20. Den Gesamt-GdB bewertete er mit 40 und vertrat die Auffassung, dass die Hüft- und Kniearthrose mit einem GdB von 30 deutlich überhöht sei. Mit Bescheid vom 10.04.200 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, der GdB von 40 sei zu niedrig; sie habe inzwischen drei Bandscheibenvorfälle im HWS-Bereich gehabt und sei seit 07.04.2000 arbeitsunfähig.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2000 und des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2000 zu verurteilen, bei ihr ab 08.03.1999 das Vorliegen eines GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat darauf hingewiesen, dass Dienst- oder Arbeitsunfähigkeit keine Rückschlüsse auf den Grad der Behinderung zulasse. Im Übrigen hat er sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides bezogen.

Das Sozialgericht (SG) hat ein internistisches Gutachten von Dr. Exxxxxxx (14.07.2001) und ein orthopädisches Gutachten von Dr. Bxxxx (13.09.2001) eingeholt. Der Sachverständige Exxxxxxx hat im Vergleich zu dem Gesundheitszustand, der dem Bescheid vom 17.10.1992 zugrundelag, keine wesentliche Änderung feststellen können. Hinsichtlich der Lunge habe sich kein krankhafter Organbefund ergeben. Die Befunde würden für eine chronische Raucherbronchitis mit phasenhafter, jedoch nicht dauerhafter obstruktiver Ventilationsstörung sprechen. Dies führe allenfalls zu leichten Einschränkungen für körperlich schwere Tätigkeiten und Arbeiten mit häufigem Kontakt mit Reizgasen, Stäuben oder mit häufigen Temperaturschwankungen und feuchtem Außenklima. Den GdB hat der Sachverständige mit 20 bewertet. Weitere den internistischen Bereich betreffende Behinderungen hat er nicht festzustellen vermocht. Der Sachverständige Bxxxx hat eine wesentliche Änderungen insofern angenommen, als sich im Vergleich zum Bescheid vom 27.10.1992 ein chronisches cervicales Wurzelsyndrom mit einem GdB von 30 entwickelt habe. Die Funktionsstörung beider Kniegelenke bei Knorpelaufbrauch, Gonarthrose und Retropatellararthrose beiderseits hat er mit einem GdB von 20 und eine leichtgradige Funktionsstörung beider Hüftgelenke mit einem GdB von 10 bewertet. Den "Gesamt-GdB" hat der Sachverständige B ... mit 50 eingeschätzt. Hierzu hat er für das Funktionssystem Wirbelsäule einen GdB von 30 und für das Funktionssystem Beine einen GdB von 20 zugrundegelegt sowie die chronisch-obstruktive Bronchitis mit einem GdB von 20 einbezogen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er hat darauf hingewiesen, dass der GdB für die Bronchitis bei einer Erstfeststellung an sich nur mit 10 hätte bewertet werden dürfen. Der GdB für die WS-Störung sei überhöht. Es bestünden keine schweren funktionellen Auswirkungen in einem WS-Abschnitt; lediglich im Bereich der HWS habe eine endgradige Einschränkung der Rotation und Neigung festgestellt werden können. Die Entfaltung der LWS sei zwar reduziert. Es habe aber ein Finger-Boden-Abstand von 17 cm erreicht werden können. Rotation und Neigung seien nicht altersüberschreitend reduziert. Ein GdB von 20 für die Funktionsstörung der unteren Extremitäten sei gleichermaßen zu hoch angesetzt. Lediglich die Innenrotationsfähigkeit in den Hüftgelenken sei eingeschränkt. Im Übrigen habe der Sachverständige weder hinsichtlich der Knie- noch der Hüftgelenke eine relevante Beweglichkeitseinbuße beschrieben. "Anhaltende Reizerscheinungen" seien nicht belegt. Der Gesamt-GdB von 40 sei überhöht. Eine Anhebung auf 50 komme keinesfalls in Betracht.

Mit Urteil vom 30.01.2002 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, ab 08.03.1999 einen GdB von 50 festzustellen.

Das Urteil lautet:

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung von 50 nach dem Schwerbehindertengesetz.

Mit Bescheid vom 27.10.1992 war der Behinderungsgrad der 1950 geborenen Klägerin auf 40 festgestellt worden. Dem lagen folgenden Behinderungen zu Grunde:

1. Verschleißerscheinungen im Bereich der Wirbelsäule, Bandscheibenvorfall, Kniegelenksarthrose bds. - Heilungsbewährung -

2. Chronische Bronchitis

Am 08.03.1999 beantragte die Klägerin die Neufestsetzung ihrer Behinderungen. In Übereinstimmung mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme erging der Bescheid vom 13.01.2000, mit dem der Antrag abgelehnt wurde. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2000 zurückgewiesen. Auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen.

Am 08.05.2000 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, die bei ihr bestehenden Behinderungen seien für die Einschätzung des Gesamt-GdB nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2000 und des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2000 zu verurteilen, bei ihr ab 08.03.1999 das Vorliegen eines GdB von 50 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes ist gemäß Beweisbeschluss vom 23.04.2001 Beweis erhoben worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das internistische Zusatzgutachten des Dr. Exxxxxxx vom 14.07.2001 und das orthopädische Gutachten des Dr. Bxxxx vom 13.09.2001.

Hinsichtlich des Sachverhaltes im Einzelnen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Die SchwbG-Akte des Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und auch begründet. Der angefochtene Bescheid vom 13.01.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2000 ist rechtswidrig. Die Klägerin hat gemäß §§ 2, 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX einen Anspruch auf Feststellung eines Gesamt-GdB von 50.

Ein Anspruch auf eine günstigere Feststellung des bei ihr bestehenden Gesamt-GdB wegen Hinzutretens weiterer Behinderungen und Verschlimmerung bestehender Behinderungen setzt voraus, dass gegenüber den dem vorhergehenden bindend gewordenen Bescheid zu Grunde liegenden Verhältnissen eine wesentliche Änderung (Verschlimmerung) eingetreten ist, § 48 Abs. 1 SGB X.

Bei der Beurteilung eines Behinderungsgrades ist von der Behinderung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB der Behinderung bedingt. Sodann ist im Hinblick auf alle weiteren Behinderungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also eine Steigerung des Grades der Behinderung vorzunehmen ist, um der Gesamt-Behinderung gerecht zu werden (vgl. Ziffer 19 Abs. 2 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist von folgenden Behinderungen auszugehen;

Orthopädisch:

a) Chronisches cervicales Wirbelsäulensyndrom bei gesicherten Bandscheibenvorfällen C5/6 und C6/7 mit schmerzhafter Funktionsstörung der Halswirbelsäule und chronischem Nervenwurzelreiz im Bereich des rechten Armes. Chronisches lumbales Wirbelsäulensyndrom, auch statisch-myalgisch bedingt, bei Adipositas mit leichtgradiger Funktionsstörung, ohne Nachweis peripher neurologischer Ausfallerscheinungen bzw. anhaltender radikulärer Reizerscheinungen.

b) Funktionsstörungen beider Kniegelenke bei Knorpelaufbrauch, Gonarthrose und Retropatellararthrose beidseits.

c) Leichtgradige Funktionsstörung beider Hüftgelenke.

Internistisch:

a) Chronische Bronchitis, zur Zeit ohne obstruktive Ventilationsstörung.

b) Adipositas mit Hyperlipidämie und Steatosishepatis.

c) Nierenzyste rechts.

d) Leichte Unterschenkelvarikosis beiderseits. Gesamt-GdB 50 %

Die Behinderungen stehen unabhängig nebeneinander und betreffen völlig verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens. Die Kammer schließt sich deshalb Dr. B ... an.

Die Ausführungen sind in sich schlüssig. Zudem sind sie auf Grund persönlicher Untersuchung erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG."

Das am 12.11.2002 zugestellte Urteil greift der Beklagte mit der Berufung an. Er trägt vor: Das SG habe die Feststellungen und Bewertungen der Sachverständigen kritiklos übernommen und nicht anhand der Anhaltspunkte überprüft, obwohl das beklagte Land präzise und detailliert zu allen relevanten Gesundheitsstörungen Position bezogen habe. Das SG sei hierauf mit keinem Wort eingegangen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Köln aufzuheben und den Rechtsstreit an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückverweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass das SG zutreffend einen GdB von 50 angenommen habe. Eine wesentliche Änderung sei nachgewiesen. Denn das Verschleißleiden im Bereich der Wirbelsäule sei nunmehr mit einem GdB von 30 zu bewerten. Die Funktionsstörungen würden sich gegenseitig besonders negativ auswirken. Die Einzel-GdB´s seien starke Werte.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen nimmt der Senat Bezug auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist mit dem Hilfsantrag begründet.

Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Verfahrensmangel im Sinn dieser Vorschrift ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift oder aber ein Mangel der Entscheidung selbst (vgl. Senatsurteile vom 05.09.2001 - L 10 SB 70/01 - und 23.01.2002 - L 10 SB 150/01 - sowie vom 20.02.2002 - L 10 SB 141/01 -, Urteil des 6. Senats vom 11.07.1995 - L 6 Vs 67/95 -; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, 2002, § 159 Rdn. 3 mwN; Zeihe, SGG, § 159 Rdn. 2a, 8a ). Gleichermaßen kommt eine Zurückverweisung bei Verstößen gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung (Zeihe aaO Rdn. 8d) oder bei unzureichender Begründung der angefochtenen Entscheidung in Betracht (vgl. nur Senatsurteile vom 05.09.2001 - L 10 SB 70/01 - und vom 18.12.2002

- L 10 SB 101/02 - sowie und Urteil des 7. Senats vom 14.05.1998

- L 7 SB 146/97 -).

Diese Voraussetzung sind erfüllt.

Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben, weil

1. der Tatbestand nicht den Mindestanforderungen des § 136 Abs. 2 SGG genügt,

2. das Urteil wegen der Ablaufs der 5-Monats-Frist als nicht mit Gründen versehen gilt,

3. die Entscheidungsgründe auch im übrigen nicht den Mindestanforderungen der §§ 136 Abs. 1, 202 SGG iVm § 313 Abs. 3 ZPO genügen, insbesondere keine zureichende Beweiswürdigung enthalten,

4. das SG sich zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen.

Zu 1.

Der Tatbestand beurkundet das schriftliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten (§ 202 SGG i.V.m. 314 ZPO). Er beweist, das wieder gegebene Tatsachen vorgetragen und nicht wiedergegebene nicht vorgetragen worden sind (BGH NJW 1983, 885; Zöller/Vollkommer, ZPO, 19. Auflage, § 313a Rdn. 11; Meyer-Ladewig aaO § 136 Rdn. 6). Nach § 136 Abs. 2 Satz 1 SGG kann die Darstellung des Tatbestandes durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zur Sitzungsniederschrift erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. Als Mindestanforderung verlangt § 136 Abs. 2 Satz 2 SGG, dass die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben sind. Bezugnahmen dürfen keine Unklarheiten zur Folge haben; der Tatbestand muss noch in sich verständlich sein (Meyer-Ladewig § 136 Rdn. 6c). Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinn des § 136 Abs. 2 Satz 2 SGG sind die des § 282 Abs. 2 ZPO. Dabei handelt es sich um jegliche zur Begründung des Sachantrags oder zur Verteidigung gegen diesen vorgebrachte tatsächliche und rechtliche Behauptungen, Einwendungen, Bestreiten, Einreden und Beweisanträge, nicht aber um allgemeine Rechtsausführungen (Zöller/Greger, ZPO, 22. Auflage, § 282 Rdn. 2 ff).

a) Den Mindestanforderungen des § 136 Abs. 2 SGG genügt der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils nicht. Er ist unvollständig, weil das SG das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mitgeteilt hat (hierzu Meyer-Ladewig aaO Rdn. 6). Es hat lediglich dargelegt, dass eine Beweisaufnahme durchgeführt worden ist und hierzu Gutachten der Sachverständigen Eigemann und B ... eingeholt worden sind. Zwar soll der Tatbestand nur eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes enthalten. Das Ergebnis der Beweisaufnahme ist (knapp) mitzuteilen, da ansonsten die Verständlichkeit leidet (Senatsurteile vom 05.09.2001 - L 10 SB 70/01 - und vom 20.02.2002 - L 10 V 41/01 -; vgl. auch Meyer-Ladewig § 136 Rdn. 6). Hiervon kann allenfalls dann abgesehen werden, wenn das Ergebnis der Beweisaufnahme in den Entscheidungsgründen mitgeteilt und gewürdigt wird. Hieran fehlt es jedoch (dazu unter 3.).

b) Der Tatbestand ist ferner deswegen unvollständig, weil das SG nicht deutlich gemacht hat, dass der Beklagte sich mit ausführlichen Erwägungen gegen das Ergebnis der Beweisaufnahme gewandt hat. Die fehlende Darstellung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln im Tatbestand beinhaltet als Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift einen Verfahrensfehler (LSG NRW vom 18.04.1994 - L 4 J 66/93 -). Der Beklagte hat substantiiert vorgetragen, aus welchen Gründen den Vorschlägen der gerichtlichen Sachverständigen nicht gefolgt werden kann. Er hat insbesondere im Einzelnen dargelegt, dass die vom Sachverständigen B ... mitgeteilten Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule keinesfalls einen GdB von 30 rechtfertigen. Hier bei handelt es sich um ein Verteidigungsmittel im Sinn des § 282 Abs. 2 ZPO, das im Tatbestand zu dokumentieren sind. Es ist rechtserheblich. Jedenfalls aufgrund dieses Vorbringens hätte das SG die Sachverständigengutachten einer eingehenden Überprüfung unterziehen müssen und wäre zum Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für einen GdB von 30 für den Wirbelsäulenbereich nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) Nr. 26.18 jedenfalls nicht auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen B ... nachgewiesen sind.

c) Die aufgezeigten Mängel werden auch nicht dadurch geheilt, dass das SG hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Prozess- und Verwaltungsvorgänge Bezug genommen hat. Hierdurch hat das SG nämlich allenfalls erreicht, dass der gesamte Akteninhalt Gegenstand der Entscheidung geworden ist (vgl. BGH NJW 1992, 2148; a.A. Schumann NJW 1993, 2786). Hiervon losgelöst ist dem Gericht aber auferlegt, Angriffs- und Verteidigungsmittel zu bezeichnen (§ 136 Abs. 2 Satz 2 SGG) und das Ergebnis der Beweisaufnahme nach Maßgabe der § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG jedenfalls in gedrängter Form im Tatbestand zu dokumentieren. Der hiermit verbundenen Beurkundungs- und Darstellungsfunktion genügt ein solcher Tatbestand nicht, der sich - wie hier - auf die Mitteilung beschränkt, dass eine Beweisaufnahme durch Einholung von Sachverständigengutachten durchgeführt worden ist und das erhebliche Beteiligtenvorbringen vollends übergeht.

Zu 2)

Es liegt ein Verstoß gegen §§ 136 Abs. 1 Nr. 6, 128 Abs. 1 Satz 2 SGG vor. Hiernach muss ein Urteil Entscheidungsgründe enthalten, in denen die für die richterliche Überzeugungsbildung maßgebenden Gründe anzugeben sind.

Hierzu hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes entschieden, dass ein Urteil i.S. des § 138 Nr. 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht mit Gründen versehen ist, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind (Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 = SozR 3-1750 § 551 Nr 4). Nach Ablauf dieser Zeit ist nicht mehr gewährleistet, dass die Urteilsbegründung den Verlauf der mündlichen Verhandlung sowie das Beratungsergebnis zutreffend wiedergibt. Die mit der schriftlichen Urteilsabfassung erstrebte Sicherung der Beurkundungsfunktion ist so lange Zeit nach Verkündung des Urteils nicht mehr erreichbar (s. dazu z.B. BSG, Urteil vom 22.09.1993 - 12 RK 39/93 -; Urteil vom 22.09.1993 - 12 RK 93/92 -, Urteil vom 03.03.1994 - 1 RK 61/93 -; Urteil vom 10.03.1994 - 12 RK 47/93 - ). So liegt es hier. Das Urteil ist am 30.01.2002 verkündet und erst am 08.11.2002 der Geschäftsstelle übergeben worden. Es gilt damit als nicht mit Gründen versehen. Ein wesentlicher Verfahrensfehler im Sinn des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG liegt demnach vor.

Zu 3)

a) Das Sozialgerichtsgesetz sagt über die Entscheidungsgründe nichts. Das Urteil muss sie nur enthalten (§ 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG). Deswegen ist über § 202 SGG die Regelung des § 313 Abs. 3 ZPO maßgebend. Die Beteiligten sollen Kenntnis erhalten, von welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Gericht ausgegangen ist (Meyer-Ladewig aaO § 136 Rdn. 7c). Eine kurze Begründung für jeden einzelnen für den Urteilsausspruch rechtlich erheblichen Streitpunkt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ist geboten und ausreichend (BSG SozR 1500 § 136 Nr. 10; Bayer. LSG in NZS 1996, 48). Es ist verfahrensfehlerhaft, wenn in keiner Weise erkennbar ist, welche Gründe für die richterliche Überzeugung maßgebend waren. Hierzu sind die entscheidungserheblichen Erwägungen des Gerichts in den Entscheidungsgründen kurz zu formulieren (BSGE 76, 233; Meyer-Ladewig aaO § 136 Rdn. 7; Baumbach/Hartmann aaO § 313 Rdn. 14). Das Gericht muss sich dazu zwar nicht mit jedem Beteiligtenvorbringen auseinandersetzen, insbesondere wenn es offensichtlich unerheblich ist oder wenn sich aus dem Urteil zweifelsfrei ergibt, dass das Gericht das Vorbringen auch ohne ausdrückliche Erwähnung für unerheblich hält. Mindestinhalt ist aber eine ausreichende Angabe der angewendeten Rechtsnormen, der für erfüllt oder nicht erfüllt gehaltenen Tatbestandsmerkmale und der dafür ausschlaggebenden tatsächlichen oder rechtlichen Gründe (BSG SozR 1500 § 136 Nr. 10; LSG NRW vom 30.10.1997 - L 7 Vs 41/97 - und vom 05.09.2001 - L 10 SB 70/01 -; Meyer-Ladewig aaO § 136 Rdn. 7a; Baumbach/Hartmann aaO § 313 Rdn. 14 ff).

Diesen Anforderungen genügen die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nicht. Das SG hätte anhand der Begriffsbestimmungen des § 2 Abs. 1 SGB IX und unter Würdigung der erhobenen Beweise im Einzelnen darlegen müssen, warum es glaubt, die Klägerin sei mit einem GdB von 50 schwerbehindert (§ 2 Abs. 2 SGB IX). Ferner hat das SG in den Entscheidungsgründen den Vergleichsmaßstab nicht dargestellt. Liegt dem Rechtsstreit - wie hier - ein Verfahren nach § 48 SGB X zugrunde, sind Feststellungen darüber zu treffen, inwiefern und warum eine wesentliche Änderung nach § 48 SGB X vorliegt oder nicht vorliegt, welche Funktionsstörungen durch die einzelnen Behinderungen verursacht werden, wie sie sich wechselseitig beeinflussen und zu welcher Gesamtbehinderung sie führen (LSG NRW vom 14.08.1998 - L 7 SB 25/98 -; Senatsurteil vom 23.01.2002 - L 10 SB 142/01 -). Zwar hat das SG den Sachverständigen Beweisfragen gestellt, die geeignet sind, entsprechende Feststellungen zu treffen. In den Entscheidungsgründen findet sich hierzu indes nichts wieder. Das SG hat sich auf die Benennung der anspruchsbegründenden Normen (§§ 2, 69 Abs. 1 SGB IX i.V.m. § 48 SGB X) beschränkt und sodann lediglich die von den Sachverständigen bezeichneten Normabweichungen einschließlich deren Bewertung des GdB wiederholt. Die Prüfung einer Änderung im Sinn des § 48 SGB X verlangt jedoch, dass die Verhältnisse, die bei dem Erlaß des letzten bindenden Bescheides vorgelegen haben, mit denen verglichen werden, die nunmehr vorliegen (Senatsurteil vom 23.01.2002 - L 10 SB 142/01 -.) Es fehlen jegliche nachvollziehbare Äußerungen dazu, ob und inwieweit in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung eingetreten ist.

Soweit es die Bildung des "Gesamt-GdB" für die bei der Klägerin vorliegende Behinderung anlangt, ist überdies nicht erkennbar, dass das SG eine eigene Entscheidung getroffen hat. Der Grad der Behinderung ist ein rechtlicher Begriff, dessen Festlegung nicht die Aufgabe von Sachverständigen ist und auch nicht auf medizinischer Erfahrung beruht, sondern sich als rechtliche Wertung von Tatsachen darstellt. Diese Tatsachen sind zwar mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen; zu diesen Tatsachen gehört neben dem Krankheitsbild auch das Leistungsvermögen bzw. die Beschreibung der Funktionsstörung (so BSG vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - SozR 3 § 4 SchwbG Nr. 1, Senatsbeschluß vom 16.09.2002 - L 10 B 13/02 SB -). Das ändert aber nichts daran, dass das Gericht gehalten ist, den "Gesamt-GdB" unter Berücksichtigung von Ziffer 19 Abs. 3 der Anhaltspunkte eigenständig, d.h. mittels eigener Wertung der von den Sachverständigen mit geteilten Tatsachen festzulegen. Das ist nicht geschehen. Das SG hat sich auf die apodiktische Aussage beschränkt, der Gesamt-GdB betrage 50. Soweit es diese Bewertung damit begründet hat, dass die Behinderungen unabhängig nebeneinander stehen und völlig unterschiedliche Bereich im Ablauf des täglichen Lebens betreffen, ist hinsichtlich der orthopädischen Beeinträchtigung ersichtlich das Gegenteil der Fall. Im Übrigen fehlen jegliche nachvollziehbare Ausführungen dazu, wie das SG zu diesem Ergebnis gelangt ist (hierzu LSG NRW vom 30.10.1997 - L 7 Vs 41/97 -).

b) Wesentlicher Teil der Entscheidungsgründe ist ferner die Beweiswürdigung. Ein grober Verfahrensfehler liegt vor, wenn eine Beweiswürdigung völlig fehlt (BGHZ 39, 333, 337; Meyer-Ladewig aaO § 136 Rdn. 7 f.) oder wenn den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen ist, auf Grund welcher Tatsachen und Erwägungen das Gericht zu seinen Tatsachenfeststellungen und rechtlichen Folgerungen gekommen ist (BGH vom 07.03.2001 - X ZR 176/99 -; BFHE 86, 219; Meyer-Ladewig aaO § 136 Rdn. 7 f.). Das SG hat nach § 202 SGG i.V.m. 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Streitstoff in tatsächlicher Hinsicht erschöpfend zu prüfen und zu würdigen (Senatsurteil vom 23.01.2002 - L 10 SB 142/01 -). Denn die Aufgabe des Sachverständigen ist darauf beschränkt, dem Richter aufgrund seines Erfahrungswissens die Kenntnis von Tatsachen zu verschaffen, zu denen dieser wegen seiner fehlenden - beispielsweise medizinischen Sachkunde - nicht kommen kann. Dem Richter obliegt es sodann, aufgrund seiner juristischen Kenntnisse zu entscheiden, ob die ihm vom Sachverständigen vermittelten Tatsachen den gesetzlichen Tatbestand erfüllen (BSG vom 24.06.1981 - 9 RVs 2/81 -). Von einer eigenen Bewertung ist das Gericht daher auch dann nicht enthoben, wenn es - wie hier - Sachverständigenbeweis erhebt. Dessen Ergebnisse dürfen nicht ohne Weiteres übernommen werden. Auch sachverständige Äußerungen sind eigenverantwortlich darauf zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein vom erkennenden Gericht zu beantwortenden Fragen zu bieten vermögen (BGH vom 07.03.2001 - X ZR 176/99 -, Senatsurteil vom 23.01.2002 - L 10 SB 142/01 -).

Das SG hat die erhobenen Beweise nur unzureichend und nicht nach vollziehbar gewürdigt. Aufgabe des Gerichts ist die Prüfung, ob die Sachverständigen von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen sind und diesen vollständig berücksichtigt haben. Sodann sind die medizinischen Befunderhebungen der Sachverständigen - soweit möglich - zu überprüfen. Das wird im orthopädischen Bereich anhand von Messdaten eher möglich sein als vergleichsweise bei inneren Erkrankungen oder neurologisch-psychiatrischen Beeinträchtigungen. In einem nächsten Schritt ist zu klären, welche Teilhabedefizite (§ 69 SGB IX) mit den vom Sachverständigen festgestellten Normabweichungen einhergehen (hierzu Senatsentscheidung vom 04.02.2002 - L 10 B 30/01 SB - LS in SGb 2002, 676). Aufgabe des Sachverständigen ist es, diese aus medizinischer Sicht unter Berücksichtigung von Anamnese und Befund zu beschreiben. Wiederum hat das Gericht die Äußerungen des Sachverständigen auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Stimmigkeit zu überprüfen und dies im Urteil nachvollziehbar zu begründen. Sodann hat das Gericht zu klären, ob sich die Meinungsäußerungen und Bewertungen der Sachverständigen auf der Grundlage der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz bewegen. Die einzelnen Schritte der vorgenommenen Prüfung und Würdigung müssen in dem daraufhin ergehenden Urteil zwar nicht in allen Einzelheiten dargelegt werden (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO); das Urteil muss jedoch erkennen lassen, dass das Gericht die erforderlichen Schritte vollzogen hat; es muss die tragenden Gründe für die der Entscheidung zugrunde liegenden Überzeugung in der Begründung nachvollziehbar darlegen (BGH vom 07.03.2001 - X ZR 176/99 -, Senatsurteil vom 20.02.2002 - L 10 SB 141/01 -). An alledem fehlt es. Statt dessen hat das SG in den Entscheidungsgründen sogleich das Ergebnis der Beweisaufnahme mitgeteilt. Lediglich der Hinweis auf die Feststellungen der Sachverständigen ist keine Beweiswürdigung. Die fehlende Beweiswürdigung lässt sich auch nicht dadurch ersetzen, dass das SG - pauschal - darauf verweist, die Ausführungen der Sachverständigen würden auf einer persönlichen Untersuchung beruhen. Soweit das SG ausführt, dass die Gutachten schlüssig seien, ist auch dies keine ausreichende Beweiswürdigung. Derartige Formulierungen sind nur geeignet, das Teilergebniss der Beweiswürdigung zusammenzufassen. Sie machen sie aber weder entbehrlich, noch kann deswegen auf eine nachvollziehbare Beweiswürdigung des Gerichts verzichtet werden.

Zu 4.

Das SG hat den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt. Das SG hätte sich zu einer weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen müssen. Auf die erheblichen Einwände des Beklagten hätte das SG die Sachverständigen nochmals befragen müssen. Das SG hat die insoweit gebotene weitere Sachaufklärung unterlassen und auch in den Entscheidungsgründen nicht kenntlich gemacht, warum es glaubt, hiervon absehen zu können.

Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind wesentlich. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das SG bei ordnungsgemäßer Beweisaufnahme und Beweiswürdigung eine andere Entscheidung getroffen hätte.

Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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