S 12 AS 82/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AS 82/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für den Antragsteller rückständige Stromkosten in Höhe von 978,41 Euro zu übernehmen, wird abgelehnt. Die Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Stromkostenschulden des Antragstellers bei der S in Höhe von 978,41 Euro zu übernehmen und diesen Betrag unmittelbar an das Energieversorgungsunternehmen auszuzahlen. Die Beigeladene trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Übernahme von Stromkostenschulden im Wege der einstweiligen Anordnung.

Der am 00.00.1976 geborene Antragsteller bezieht aufgrund eines Bescheides der Antragsgegnerin vom 10.08.2005 für sich, seine Ehefrau und die am 28.05.2000 geborene Tochter Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 1180,00 Euro monatlich. Darin enthalten sind 505,00 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung. Der Antragsteller bewohnte mit seiner Familie ab Dezember 2003 eine Wohnung in der N-Straße in C. Ab dem 01.03.2005 ist er wohnhaft in L-straße ebenfalls in C. Während der Zeit in der N-straße ist es zu Stromkostenrückständen gekommen, die nach einem Schreiben des S nicht auf einem Wärmespeichervertrag beruhen. Am 19.08.2005 wies das Versorgungsunternehmen den Antragsteller darauf hin, dass trotz zahlloser Erinnerungen Stromkosten in Höhe von 978,41 Euro nicht beglichen worden seien. Es wurde letztmalig Gelegenheit eingeräumt, die Forderung bis zum 25.08.2005 auszugleichen. Gleichzeitig wurde angedroht, dass nach Ablauf dieser Frist die Energieversorgung ohne eine erneute Benachrichtigung eingestellt werde. Daraufhin beantragte der Antragsteller am 22.08.2005 bei der Antragsgegnerin die darlehensweise Übernahme der Stromkostenrückstände und erklärte sich bereit, das Darlehen mit monatlich 50,00 Euro zurückzuzahlen. Mit Bescheid vom 25.08.2005 lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme von Stromrückständen ab und führte zur Begründung aus, in den maßgebenden Regelsätzen nach dem SGB II seien bereits Pauschbeträge für Strom enthalten, so dass zusätzlich anfallende Stromkosten aufgrund eines Mehrverbrauchs nicht berücksichtigt werden könnten. Nach der Rechtsprechung sei die Übernahme von Stromschulden nach dem SGB II nicht möglich. Daraufhin stellte der Antragsteller einen Antrag auf Übernahme von Stromrückständen bei der Beigeladenen. Diese lehnte mit Bescheid vom 26.080.2005 den Antrag des Antragstellers ebenfalls ab. Energiekostenrückstände für Strom seien bei Unabweichbarkeit des Bedarfs und wenn dieser auf andere Weise nicht gedeckt werden könne nach § 23 Abs. 1 SGB II von der Agentur für Arbeit zu übernehmen. § 34 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches, 12. Buches (SGB XII) sehe keine Schuldenübernahme vor, da hier keine Wohnungslosigkeit drohe. Nach § 43 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches, 1. Buch (SGB I) habe im Übrigen der zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen zu erbringen. Dies sei hier ebenfalls die Agentur für Arbeit.

Am 30.08.2005 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er trägt vor, weder er noch seine Ehefrau seien in der Lage, die von der S geforderte Nachzahlung selbst zu leisten. Beide seien zahlungsunfähig und hätten Anträge auf Eröffnung der Verbraucherinsolvenzverfahren beim Insolvenzgericht Paderborn unterzeichnet. Aus den entsprechenden Insolvenzanträgen ergebe sich, dass kein wesentliches Einkommen und Vermögen zur Verfügung stehe. Die Leistungen nach dem SGB II würden zum Bestreiten des täglichen Lebensunterhalts benötigt. Wegen des Insolvenzantrages sei die Vereinbarung von Ratenzahlungen mit der S nicht möglich. Diese sei aber zu einer solchen Vereinbarung auch nicht bereit. Der Antragsteller habe die Stromkostenrückstände nicht durch einen erheblich erhöhten Verbrauch selbst verschuldet. Eine von der Antragsgegnerin vorgetragene Verbrauchssteigerung von 685 Prozent ruhe auf einer Fehlinterpretation der vorgelegten Abrechnungen. Ein Vergleich der Verbrauchszahlen für die maßgebenden Abrechnungszeiträume sei vielmehr im Moment nicht möglich, weil es im Januar 2005 nicht zu einer Ablesung gekommen sei. Bei dem vom Versorgungsunternehmen dargestellten Verbrauch für das Jahr 2004 handele es sich deshalb um eine Schätzgröße. Eine Nachforschung nach den Ursachen des tatsächlichen hohen Stromverbrauchs in der Mietwohnung N-straße habe ergeben, dass die vermutlich darin begründet liege, dass der Antragsteller und seine Familie zusätzlich zu der vorhandenen Gas-Heizung zeitweilig eine mit Elektrizität betriebenen Heizkörper über die vorhandenen Steckdosen genutzt habe. Der Energieverbrauch des Gerätes sei unterschätzt worden. Ein solches Heizgerät finde nunmehr keine Verwendung mehr, so dass eine Wiederholung nicht zu besorgen sei.

Es liege eine Bedürftigkeit vor, denn die Stromsperrung stehe unmittelbar bevor. Diese werde noch dadurch untermauert, dass S im Falle der Sperrung für den Wiederanschluss zusätzlich die Vorabbezahlung der Sperr- und Wiederanschlusskosten zur Voraussetzung mache. Ohne Strom gerate die Familie des Antragstellers in eine erhebliche Notlage. Eine Wohnung ohne ausreichende Elektrizitätsversorgung könne letztlich nicht genutzt werden. Während der Nachtzeit bestehe in diesem Fall keine Versorgung mit Licht. Die Benutzung von Kerzen könne wegen der damit verbunden Brandgefahr nicht zugemutet werden. Ferner sei Elektrizität zum Betreiben des Kühlschrankes sowie der Gefriertruhe erforderlich. Die Familie erwerbe möglichst Lebensmittel in größerem Umfang auch zur konsequenten Nutzung von Sonderangeboten und Vermeidung von Fahrtkosten. Diese Lebensmittel drohten bei einer Stromsperre zu verderben. Ferner sei eine Zubereitung von Nahrungsmitteln auf dem Elektroherd ohne elektrische Energie nicht möglich. Gleiches gelte für die Wäschepflege und die Warmwasserbereitung, welche über eine mit elektrischem Strom betriebenen Durchlauferhitzer erfolge. Die Körperpflege – insbesondere auch des Kindes – ausschließlich mit kaltem Wasser sei nur eingeschränkt möglich und letztlich unzumutbar. Der Antragsteller hat sein Einverständnis mit einer direkten Zahlung an die S erklärt.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung ohne vorherige Anordnung im schriftlichen Verfahren zu verpflichten, für den Antragsteller rückständige Stromkosten in Höhe von 978,41 Euro zu übernehmen,

hilfsweise,

die Beigeladene im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für den Antragsteller rückständige Stromkosten in Höhe von 978,41 Euro zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Antragsgegnerin trägt vor, die Stromschulden seien nicht von ihr, sondern ggf. vom Sozialhilfeträger zu übernehmen. Leistungen nach § 34 SGB XII seien von dem gesetzlich normierten Vorrang der SGB II-Leistungen ausgenommen. Der Gesetzgeber habe also eindeutig die Übernahme von Schulden gemäß § 34 SGB XII zu Lasten des Sozialhilfeträgers vorgesehen. Lediglich Mietschulden unter der weiteren Voraussetzung der Vereitelung einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung seien gemäß § 22 Abs. 5 SGB II zu übernehmen. Es handele sich vorliegend jedoch nicht um Mietschulden. Auch ein Darlehen nach § 23 SGB II komme nicht in Betracht nach § 23 SGB II komme nur die Gewährung von Darlehen für einen aktuellen erhöhten und nicht durch die Regelleistung gedeckten Betrag in Betracht. Die Übernahme von Schulden falle nicht unter § 23 SGB II. Ausweislich der vom Antragsteller vorgelegten Zwischenabrechnungen sei der Verbrauch gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 685 Prozent gestiegen. Eine Erklärung für diese immense Verbrauchssteigerung sei vom Antragsteller mehrfach verweigert worden. Im Übrigen sei der Bedarf des Antragstellers auf andere Weise zu decken. Er könne nämlich im Wege der einstweiligen Anordnung gegen das Energieversorgungsunternehmen vorgehen, wenn er die Zwischenabrechnung und die damit bestehende Forderung für falsch und überhöht halte.

Die Beigeladene ist der Auffassung, eine Übernahme der Stromrückstände durch sie nach § 34 SGB XII scheide aufgrund der Nachrangvorschrift des § 2 Abs. 2 SGB XII sowie aufgrund der Tatsache, dass die ARGE Paderborn zweifelsohne zuerst angegangener Leistungsträger im Sinne des § 43 SGB I sei aus. Ferner seien die formellen Voraussetzungen einer Übernahme der Stromkosten nach § 23 Abs. 1 SGB II grundsätzlich erfüllt. Bei laufenden Stromkosten handele es sich unstrittig um einen Bedarf, der von der Regelleistung umfasst werde. Hieran ändere sich auch nichts durch die Tatsache, dass der Hilfebedürftige diese als laufende Zahlung gedachten Bestandteil nicht an den Energieversorger weiterleitet und damit Rückstände entstünden. Das Sozialgericht Köln habe in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für Recht erkannt, dass rückständige Stromkosten nach § 23 SGB II darlehensweise übernommen werden können.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und in der Form des Hilfsantrages auch begründet.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung im Bezug auf den Streitgegenstand treffen, um einen vorläufigen Zustand im Bezug auf eine Rechtsverhältnis zu regeln, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Voraussetzung ist, dass dem Antragsteller eine Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund zusteht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 86b Rd-Nr. 27).

Nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist es unter dem Vorbehalt der Überprüfung im Hauptsacheverfahren ausreichend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf Übernahme des Stromkostenrückstandes gegen die Beigeladene und nicht gegen die Antragsgegnerin zusteht. Die Beigeladene ist daher in entsprechender Anwendung des § 75 Abs. 5 SGG zu verpflichten.

Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 34 Abs. 1 SGB XII. Zwar gehört der Antragsteller zum Kreis der Personen, die nach SGB II als Erwerbstätige dem Grunde nach Leistungsberechtigt sind und deshalb grundsätzlich keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten. Von diesen in den §§ 2 und 21 SGB XII und § 5 Abs. 2 SGB II normierten Grundsatz des Vorrangs der SGB II-Leistungen sind jedoch sowohl nach § 21 SGB XII als auch nach § 5 Abs. 2 SGB II ausdrücklich Leistungen nach § 34 SGB XII ausgenommen worden soweit sie nicht nach § 22 Abs. 5 SGB II zu übernehmen sind.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn Stromkostenrückstände sind keine Mietschulden im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II. Die vorliegenden Stromkostenrückstände sind nicht im Rahmen des Mietvertrages sondern aufgrund des Vertrages mit dem Energieversorgungsunternehmen entstanden. Soweit die Beigeladene zutreffend darauf hinweist, dass eine Kostentragung für den eigentlich mit der Regelungsleistung abgedeckten Bedarf an Haushaltsenergie auf diese Weise in ihre Risikospähre geschoben werde, entspricht dies dem Willen des Gesetzgebers und dies ist ersichtlich aus § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB II, wonach vom Regelbedarf nicht umfasst sind die in § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II genannten Leistungen nach dem SGB XII und damit insbesondere die Leistungen nach § 34 SGB XII (LSG Hamburg, Beschluss vom 19.7.2005 – L 4 B 209/05 ER SO).

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII können Schulden übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Eine mit dem Verlust der Unterkunft vergleichbare Notlage ist in der Regel dann gegeben, wenn die Belieferung eines Haushalts mit Energie in Frage gestellt wird, also eine Sperre der Strom- oder Heizungsversorgung wegen vorhandener Schulden oder anderer offener Zahlungsverpflichtungen gegenüber einem Energieversorgungsunternehmen droht oder bereits eingetreten ist, weil die Versorgung mit Energie nach den Lebensverhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard gehört (Grube/Warendorf, Streichsbier, Kommentar zum SGB XII § 34 Rd-Nr. 6 m.b.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, denn die Stromsperre steht nach dem Mahnschreiben der S unmittelbar bevor. Die Energieversorgungsunternehmen haben nach § 33 Abs. 2 der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung vom Tarifkunden (AVBEltV) das Recht, insbesondere bei Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung die Versorgung zwei Wochen nach Androhung einzustellen. Die S hat die Zahlung der Stromschulden mit Schreiben vom 19.08.2005 angemahnt, eine letzte Frist gesetzt und auf die Einstellung der Versorgung hingewiesen. Da der Antragsteller auch dieser Zahlungsaufforderung nicht nachkam, hat sie gemäß § 33 Abs. 2 AVBEltV das Recht die Stromversorgung zur Wohnung des Antragstellers einzustellen.

Die Übernahme der Energiekostenschulden durch die Beigeladene ist auch gerechtfertigt, da nur auf diese Weise die Stromzufuhr zur Wohnung des Antragstellers gesichert werden kann. Denn die S hat es auf ausdrückliches Befragen des Bevollmächtigten des Antragstellers abgelehnt, einer Ratenzahlung zuzustimmen. Ob der Antragsteller eine Hohe Stromrechnung durch einen überhöhten Verbrauch mitverursacht hat, kann dahinstehen. Zwar ist es für die Rechtfertigung der Übernahme auch von Bedeutung, wie es zu der Notlage gekommen ist. Allerdings scheidet eine Rechtfertigung im Sinne des § 34 SGB XII nicht schon deshalb aus, weil die Notlage vom Leistungsberechtigten selbst verschuldet worden ist (vgl. Rube/Warendorf, Streichsbier, Kommentar zum SGB XII, § 34 Rd-Nr. 7). Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller auch zukünftig im Hinblick auf eventuelle Schuldenübernahmen in vorwerfbarer Weise seinen Energieverbrauch vermehren wird. Vielmehr hat er glaubhaft versichert, zukünftig keine elektrische Heizsonde zusätzlich zu verwenden. Weder von der Beigeladenen noch von der Antragsgegnerin wurden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass für einen Energiekostenrückstand bereits in der Vergangenheit Leistungen erbracht werden mussten. Unter diesen Umständen ist das durch § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII eingeräumte Ermessen auf null reduziert und die Beigeladene ist verpflichtet, die Schulden zu übernehmen. Die Entscheidung darüber, ob die Leistungen als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden soll, bleibt gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 SGB XII dem Ermessen der Beigeladenen vorbehalten.

Der Antragsteller hat keine Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Übernahme der Stromkostenrückstände gemäß § 23 Abs. 1 SGB II. Danach kann dem Bedürftigen ein Darlehen gewährt werden, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweichbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes weder durch Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann. § 23 Abs. 1 SGB II entspricht § 37 Abs. 1 SGB XII. § 37 SGB XII bezieht sich auf den von den Regelsätzen umfassten gegenständlichen aktuellen Bedarf. Nicht zum Regelbedarf im Sinne dieser Vorschrift gehören danach unter anderem die Schuldenübernahme nach § 34 SGB XII (Grube/Warendorf, Grube, a.a.O., § 37 Rd-Nr. 6). § 23 Abs. 1 SGB II ist in gleicher Weise auszulegen und enthält deshalb sowie § 37 SGB XII keine Anspruchsgrundlage für eine Schuldenübernahme (LSG NRW, Beschluss vom 24.06.2005 – L 12 B 15/05 AS ER). Daraus folgt, dass Stromschulden nach dem SGB II unberücksichtigt bleiben (LSG Hamburg, Beschluss vom 19.07.2005 – L 4 B 209/05 ER SO).

Aus § 43 SGB I ergibt sich ebenfalls keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin. Danach kann der zuerst angegangene Leistungsträger vorläufige Leistungen erbringen, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, welcher von ihnen zuständig ist. Er hat entsprechende Leistungen zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt. Hat ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger nach § 102 SGB X erstattungspflichtig. Die Vorschrift setzt voraus, dass in verschiedenen Bereichen des Sozialgerichts von verschiedenen Leistungsträgern teilweise gleiche Leistungen zur Verfügung gestellt werden , ein Anspruch auf diese Leistung feststeht und lediglich umstritten ist, welcher Leistungsträger zuständig ist. Zur Vorleistung kann also prinzipiell jeder Leistungsträger verpflichtet sein. Voraussetzung ist allerdings, dass der Leistungsträger angesichts eines konkret bestehenden Zuständigkeitsstreits die beanspruchte Leistung nach seinem Leistungsrecht überhaupt erbringen kann (Peter Mrozynski, die Vorleistungspflicht im Sozialrecht, SGb 1987 140 f., 142; Hauck/Heyne, Rolf, Kommentar zum SGB I § 43 Rd-Nr. 11, 15). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, denn die zuerst angegangene Antragsgegnerin kann nach dem für sie einschlägigen Leistungsrecht des SGB II Stromschuldenrückstände – wie oben dargestellt – nicht übernehmen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach § 43 SGB I der Leistungsträger selbst, also die Exekutive, über die vorläufige Leistungserbringung entscheiden soll. Es handelt sich mithin um eine Regelung der vorläufigen Leistungserbringung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Sobald ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht anhängig wird, besteht eine Konkurrenz zwischen dieser Vorschrift und § 86b Abs. 2 SGG, wobei für den Erlass einer einstweiligen Anordnung teilweise abweichende Voraussetzungen bestehen (vgl. Krodel, das sozialgerichtliche Eilverfahren, Rd-Nr. 385 ff.). Im Hinblick auf den andernfalls drohenden Erstattungsstreit nach § 102 SGB X hält es das Gericht für sachgerechter, den nach der materiellen Rechtslage für die Leistungserbringung zuständigen und nicht den nach § 43 SGB I zuerst angegangenen Leistungsträger zu verpflichten.

Der Antragsgrund ergibt sich daraus, dass eine Stromsperre unmittelbar bevorsteht. Dem Antragsteller ist nicht zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, denn hierdurch würden ihm unzumutbare Nachteile entstehen. Das Gericht nimmt insoweit auf die vom Antragsteller in glaubhaft und nachvollziehbar geschilderten Folgen einer Stromsperre Bezug.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Rechtskraft
Aus
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