L 15 B 1105/05 SO ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 88 SO 5435/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 1105/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 1. Dezember 2005 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der in der Antragsschrift vom 27. Oktober 2005 sinngemäß enthaltende Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. Oktober 2005 aufschiebende Wirkung hat. Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners gegen den genannten Beschluss des Sozialgerichts wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die gesamten außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1946 geborene Antragsteller, der seit 1999 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 80 anerkannt ist, bezog vom Antragsgegner seit Jahren laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz – BSHG -, wobei davon ausgegangen wurde, dass er ein Zimmer zur Untermiete bewohnte und seine Vermieterin Frau K. für ihn verschiedene ahauswirtschaftliche Verrichtungen (Einkaufen, Kochen, Sauber machen, Wäsche waschen) im Umfang von täglich ca. 30 Minuten übernahm, für die der Antragsgegner Leistungen nach § 11 Abs. 3 BSHG gewährte. Für Dezember 2004 betrug die reguläre Hilfe zum Lebensunterhalt 536,04 EUR.

Unter dem 16. Dezember 2004 erteilte der Antragsgegner dem Antragsteller einen Bewilligungsbescheid mit im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

"Ich zahle Ihnen Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 01.01.2005 bis auf weiteres in Höhe von monatlich 588,04 EUR. Die Leistung wird monatlich im Voraus und unverändert gezahlt, solange die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sich nicht ändern.

Begründung:

Die Hilfe zum Lebensunterhalt ergibt sich aus der Differenz zwischen dem sozialhilferechtlichen Bedarf und dem anzurechnenden Einkommen sowie dem einzusetzenden Vermögen (§ 19 Abs. 1 SGB XII).

Die Berechnung ist als Anlage beigefügt.

Weitere Hinweise zum Leistungsbezug ersehen Sie aus dem beiliegenden Merkblatt. Es enthält unter anderem wichtige Informationen über ihre Rechte und Pflichten."

Nachdem ein Sonderprüfdienst des Antragsgegners anlässlich eines Hausbesuches am 23. September 2005 eine "klassische" Wohnraumaufteilung in Wohnzimmer, kleines Ess-/Arbeitszimmer und Schlafzimmer mit großem, gemeinsames Kleiderschrank und Doppelbett ohne weitere Schlafgelegenheiten vorgefunden hatte, forderte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 23. September 2005 unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflichten unter Fristsetzung bis zum 15. Oktober 2005 auf, Einkommensunterlagen der Frau K. vorzulegen, weil nach den Wohnverhältnissen eine eheähnliche Gemeinschaft anzunehmen sei. Anderenfalls werde die Leistung gemäß § 66 SGB I entzogen. Der Antragsteller und Frau K. erklärten daraufhin jeweils schriftlich, dass sie aus rein praktischen Gründen das Schlafzimmer teilten. Es bestehe keine eheähnliche Gemeinschaft, zumal der Antragsteller schwul sei.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2005 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass die bisher nach dem SGB XII gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt sowie die Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel mit Wirkung ab 1. November 2005 eingestellt würden, weil gemäß § 36 SGB XII die Vermutung der Bedarfsdeckung gelte, wenn Personen, die Sozialhilfe begehrten, mit anderen Personen gemeinsam in einer Wohnung lebten. Mit weiterem Schreiben vom 14. Oktober 2005 wies der Antragsgegner den Antragsteller darauf hin, dass bei einer erneuten Antragstellung das JobCenter für ihn zuständig sei.

Am 28. Oktober 2005 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihm ab sofort wieder laufende Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Zur Begründung hat er auf seine seit Jahren bestehende Partnerschaft mit einem namentlich benannten Freund hingewiesen und die Kopie eines Rentenbescheides der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 9. Februar 2005 vorgelegt, dem zu Folge Frau K. ab 1. April 2005 eine laufende Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 838,24 EUR bezieht und eine ihr zuerkannte Nachzahlung in Höhe von rund 7.500,00 EUR vorläufig einbehalten wurde. Die Antragsschrift vom 27. Oktober 2005 wurde dem Antragsgegner durch Fax am 31. Oktober 2005 übermittelt.

Der Antragsgegner hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass jedenfalls eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 36 SGB XII vorliege und der Antragsteller seine Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht habe. Sozialhilfe sei Notfallhilfe und keine rentengleiche Dauerleistung mit Versorgungscharakter. Im Übrigen habe der Antragsteller mögliche Ansprüche nicht bei ihm, sondern beim JobCenter nach dem SGB II geltend zu machen.

Das Sozialgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 1. Dezember 2005 im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 1. November 2005 bis 28. Februar 2006 Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von monatlich 250,00 EUR zu zahlen und den weitergehenden Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, in dieser Höhe seien existenzsichernde Leistungen nach Prüfung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund im Sinne des § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – und der aus verfassungsrechtlichen Gründen vorzunehmenden Folgenabwägung vorläufig zu gewähren.

Es sei zunächst nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsgegner die Zuständigkeit des JobCenter für die begehrten Leistungen annehme. Angesichts der hochgradigen Behinderung des Antragstellers ergebe sich dessen ausreichende Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 SGB II nicht schlüssig aus den Akten und sei gegebenenfalls vom Antragsgegner in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Jedenfalls habe er bis zur Aufnahme tatsächlicher Leistungen durch das JobCenter weiter Hilfe zu leisten.

Das Prüfergebnis des Hausbesuches am 23. September 2005 spreche hingegen eindeutig für eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des § 20 SGB XII, zumindest aber für eine Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 36 SGB XII, sodass Einkommen und Vermögen von Frau K. grundsätzlich einsatzfähig seien. Die hierzu ergangene Anhörung des Antragtellers und die Aufforderung zur Mitwirkung bei der Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Frau K. entsprächen bisher aber nicht den gesetzlichen Vorschriften. Der Antragsgegner verkenne insoweit auch seine Amtsermittlungspflicht, denn er müsse dem Antragsteller und Frau K. unter Setzung angemessener Fristen konkret mitteilen, welche Unterlagen zur Klärung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse benötigt würden. Der eingereichte Rentenbescheid sei insoweit nicht ausreichend. Es sei aber nicht überwiegend wahrscheinlich, dass Frau K. unter Berücksichtigung ihr zuzugestehender Freibeträge und möglicher Belastungen zugemutet werden könne, den gesamten bisherigen sozialhilferechtlichen Bedarf des Antragstellers zu übernehmen.

Zur Begründung der am 12. Dezember 2005 eingegangenen Beschwerde hat der Antragsteller geltend gemacht, dass seine Erwerbsunfähigkeit vom Antragsgegner anerkannt worden sei, wie sich aus der – ansonsten rechtswidrigen – Leistungsgewährung nach dem SGB XII ergebe. Das JobCenter sei nur in Zweifelsfällen zuständig. Mit Frau K. bestehe auch keine Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 36 SGB XII. Er erhalte weder Geld noch Sachmittel von ihr, wirtschafte für sich und teile mit ihr lediglich die Miete und Stromkosten.

Der Antragsgegner hat am 29. Dezember 2005 ebenfalls Beschwerde eingelegt und vorgetragen, dass der Antragsteller nach seiner Kenntnis nicht erwerbsunfähig sei. Warum er nicht früher an das für ihn zuständige JobCenter verwiesen worden sei, das seine Erwerbsminderung allein zu prüfen und bis zur Klärung jedenfalls vorläufige Leistungen zu erbringen habe, sei nicht mehr nachvollziehbar. Dieses Versäumnis könne jedoch nicht zu einem Anspruch auf weitere Hilfeleistungen nach dem SGB XII führen, denn diese seien auch dann ausgeschlossen, wenn der Hilfebedürftige sich weigere, den nach § 37 Abs. 1 SGB II für den Bezug der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erforderlichen Antrag zu stellen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts richten sich die Voraussetzungen des vom Antragsteller begehrten vorläufigen Rechtsschutzes hier allerdings nicht nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO, denn nach § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nur dann in Betracht, wenn keine Anfechtungssache vorliegt, für die der Eilrechtsschutz in § 86 b Abs. 1 SGG geregelt ist. Das aber ist hier der Fall.

Die Umdeutung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG in einen Antrag auf Gewährung vorliegenden Rechtsschutzes nach § 86 Abs. 1 SGG ist zulässig und hier zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage 2005, S. 17 m. w. N., ferner zur entsprechenden Rechtslage nach §§ 80 Abs. 5, 123 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – Kopp/Schenke, VwGO 13. Auflage 2003, Rdn. 21 zu § 80, Rdn. 4 zu § 123).

Bei dem oben zitierten bestandskräftigen Bewilligungsbescheid des Antragsgegners vom 16. Dezember 2004 handelt es sich nach seinem objektiven Erklärungsinhalt für einen juristisch nicht gebildeten Empfänger um einen Bescheid mit Dauerwirkung, denn dem Antragsteller wird damit eine bestimmte Leistung (Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ) in bestimmter Höhe ( monatlich 588,04 EUR ) ohne zeitliche Begrenzung – nämlich "bis auf Weiteres" – bewilligt. Eine Neufeststellung ist nur für den Fall einer Änderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgesehen.

Soweit der Antragsgegner geltend macht, dass es sich bei der Sozialhilfe lediglich um eine "Notfallhilfe" handele, steht dies der Annahme eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung zumindest im vorliegenden Fall nicht entgegen.

Zwar galt für die frühere Sozialhilfe nach dem am 31. Dezember 2004 außer Kraft getretenen BSHG als ungeschriebener Grundsatz, dass sie keine "rentengleiche Dauerleistung" darstellte und nur zeitabschnittsweise (in der Regel monatsweise) gewährt wurde. Dies wurde auch dann angenommen, wenn eine Bewilligung "bis auf Weiteres" erfolgte, weil damit lediglich weitere Leistungen bei Fortbestand der Bewilligungsvoraussetzungen "in Aussicht gestellt worden seien" (vgl. Bundesverwaltungsgericht - BverwG -, Urteil vom 24. August 1972 - V C 49.72 -, zitiert nach Juris). Als Rechtsgrundlage für eine Weiterzahlung in den Folgemonaten wurde nicht der mit einer solchen Formulierung versehene Bescheid angenommen, sondern der Erlass von weiteren Verwaltungsakten jeweils für den Folgemonat fingiert, indem die Auszahlung als Bekanntgabe des konkludent zugrunde liegenden Verwaltungsaktes angesehen wurde (vgl. Armborst in LPK-BSHG, 6. Auflage, Rdn. 36 zu Anhang III m. w. N.). Diese – gekünstelte-Konstruktion wurde während der Geltung des BSHG schon seit langem kritisiert, weil sie eine Fiktion von einem sich gleichsam täglich neu zu prüfenden Sachverhalt aufbaute, die mit der Lebenswirklichkeit nicht übereinstimmte und verfahrensrechtlich erhebliche Nachteile für den Hilfesuchenden mit sich brachte. Ob sie gleichwohl grundsätzlich zumindest auf die hier streitige Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII übertragbar ist – für die Hilfegewährung im Rahmen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel erscheint dies schon wegen der regelmäßigen Bewilligung für zwölf Monate gemäß § 44 SGB XII ausgeschlossen – bedarf hier keiner abschließenden Beurteilung. Jedenfalls bei dem in Rede stehenden Bescheid vom 16. Dezember 2004 konnte der Antragsteller nach dem objektiven Erklärungsinhalt aus der – insoweit maßgebenden – Sicht eines juristisch nicht gebildeten Empfängers davon ausgehen, dass ihm die bewilligten Leistungen nicht nur für den nächsten Monat, sondern längerfristig bewilligt wurden, eben "bis auf Weiteres", solange sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht änderten.

Auch als "langjährig erfahrener" Sozialhilfeempfänger musste er nicht von einer dem Wortlaut entgegengesetzten monatsweisen Bewilligung ausgehen, denn es handelte sich um Leistungen auf Grund eines neuen Gesetzes, in anderer Höhe und – abweichend vom bisherigen Rechtszustand – unter pauschaler Abgeltung einmaliger Bedarfe. Insbesondere letzteres lässt die Annahme begründet erscheinen, dass keine monatsweise Prüfung und Bewilligung (mehr) erfolgt. Auch dem Merkblatt, das der Antragsteller mit dem Bescheid vom 16. Dezember 2004 erhalten hat, lässt sich kein für einen juristischen Laien verständlicher Hinweis auf eine jeweils nur monatliche Hilfegewährung entnehmen.

Das SGB XII enthält keine verbindliche Regelung für die regelmäßige Bezugsdauer der Hilfe zum Lebensunterhalt nach seinem Dritten Kapitel. Es steht dem Antragsgegner deshalb frei, die Hilfe für einen längeren Zeitraum zu bewilligen (vgl. ebenso für die Sozialhilfe nach dem BSHG Urteil des BVerwG vom 19. Januar 1972 – V C 10.71 -, zitiert nach Juris). Wenn er aber, insbesondere im Hinblick auf eine für die Behörde einfachere Möglichkeit der Leistungseinstellung durch schlichtes Verwaltungshandeln, die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nur Monat für Monat gewähren will, muss er dies im Bewilligungsbescheid durch entsprechende, für den Hilfeempfänger verständliche Formulierungen deutlich machen, an denen es hier gänzlich fehlt.

Handelt es sich nach alledem bei dem Bewilligungsbescheid vom 16. Dezember 2004 um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, darf der Antragsgegner eine Änderung der bewilligten Leistungen nur unter den Voraussetzungen der §§ 24 Abs. 1, 45 ff. SGB X vornehmen. Ein danach ergehender Änderungs- oder Aufhebungsbescheid ist ein belastender Verwaltungsakt, der vom Leistungsberechtigten mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden kann. Diese Rechtsbehelfe haben nach § 86 a Abs. 1 S. 1 SGG kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung, da ein Ausnahmefall gemäß Abs. 2 Nr. 1-4 der genannten Vorschrift nicht vorliegt (vgl. Rothkegel, Sozialhilferecht, 1. Auflage 2005, Teil V, S. 104, Rdn. 9 m. w. N.).

In die dem Antragsteller mit Bescheid vom 16. Dezember 2004 "bis auf Weiteres" zuerkannten Ansprüche auf Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von monatlich 588,04 EUR hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 12. Oktober 2005 eingegriffen, indem er die Leistungen unter Hinweis auf § 36 SGB XII mit Wirkung ab 1. November 2005 eingestellt hat. Die Antragsschrift im vorliegenden Verfahren vom 27. Oktober 2005, mit der der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners zur Weitergewährung der laufenden Leistungen begehrt hat, enthält konkludent einen Widerspruch im Sinne der §§ 83 ff. SGG, der dem Antragsgegner innerhalb der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 SGG zugegangen ist (vgl. zur Einlegung eines Widerspruches durch Klageerhebung Meyer – Ladewig/Keller/Leiterer, SGG, 8. Auflage, Rdn. 3 b zu § 78, Rdn. 2 zu § 84 jeweils m. w. N.).

Dieser Widerspruch entfaltet aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass die Hilfe zum Lebensunterhalt dem Antragsteller in bisheriger Höhe vorläufig weiterzugewähren ist, denn der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Leistungseinstellung nicht angeordnet. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen des §§ 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG dürften auch nicht vorliegen, zumal die bisherige Begründung für die Einstellung der Hilfegewährung rechtlichen Bedenken begegnet.

Zwar bezieht sich der Antragsgegner nunmehr im Ansatz zutreffend auf § 36 SGB XII, wonach grundsätzlich an das bloße Zusammenleben einer hilfesuchenden Person mit anderen Personen in einer Wohnung die – widerlegbare – gesetzliche Vermutung geknüpft wird, dass ein gemeinsames Wirtschaften vorliegt. Diese Annahme ist beim Antragsteller und Frau K. angesichts der konkreten Wohnverhältnisse wie auch der von Frau K. übernommenen hauswirtschaftlichen Verrichtungen für den Antragsteller zweifellos begründet. Weitere Voraussetzung für die vermutete Bedarfsdeckung ist jedoch, dass von ihr unter Berücksichtung ihres Einkommens und Vermögens entsprechende Leistungen an den Antragsteller "erwartet" werden können. Abgesehen davon, dass ihre wirtschaftlichen Verhältnisse bisher nicht ausreichend geklärt sind, wobei das Sozialgericht den Antragsgegner zutreffend auf seine Amtsermittlungspflichten hingewiesen hat, dürften Frau K. mindestens die hohen Freibeträge beim Einkommen und Vermögen zuzubilligen sein, die die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung bisher beim Zusammenleben eines Hilfesuchenden mit nicht gesteigert oder gar nicht unterhaltspflichtigen Verwandten oder Verschwägerten angenommen hat (vgl. die Rechtsprechungshinweise bei Grube/Warendorf, SGB XII, § 36 Rdn. 8, 11, 12).

Während es insoweit offen erscheint, ob das Zusammenleben mit Frau K. eine Einschränkung oder Einstellung der Hilfe zum Lebensunterhalt für den Antragteller nach dem SGB XII rechtfertigt, macht der Antragsgegner im Übrigen unter Hinweis auf § 21 SGB XII zutreffend geltend, dass der Antragsteller vorrangig etwaige Ansprüche nach dem SGB II beim JobCenter geltend zu machen hat, denn diese schließen die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII aus. Ansprüche des Antragstellers auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erscheinen keineswegs ausgeschlossen. Mit der bisherigen Leistungsgewährung nach dem SGB XII – und zwar nach dessen Dritten und nicht etwa Vierten Kapitel – hat der Antragsgegner weder eine fehlende Erwerbsfähigkeit des Antragstellers im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II rechtsverbindlich angenommen, noch ist er zu einer Prüfung dieses Merkmals selbst befugt. Denn nach der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage hat grundsätzlich vorrangig die Bundesagentur für Arbeit nach § 44 a SGB II festzustellen, ob ein Hilfesuchender erwerbsfähig ist und bis zu einer amtsärztlichen Feststellung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 SGB II vorläufig Leistungen zu gewähren. Allein der Umstand, dass der Antragsteller schwerbehindert mit einem GdB von 80 ist, führt nicht dazu, dass der Antragsgegner nach § 45 Abs. 1 SGB XII verfahren und den zuständigen Träger der Rentenversicherung zur Prüfung einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII veranlassen müsste.

Ist der Antragsgegner danach nicht nur berechtigt, sondern gemäß § 21 SGB XII sogar verpflichtet, den Antragsteller darauf zu verweisen, seine etwaigen Ansprüche nach dem SGB II vom JobCenter prüfen zu lassen, muss er ihm gleichwohl vorläufig weiterhin die zuerkannten Leistungen gewähren, solange er nicht den Bewilligungsbescheid vom 16. Dezember 2004 mit dieser Begründung und unter Beachtung der §§ 24, 45 ff. SGB X mit Wirkung für die Zukunft unter Einräumung einer angemessenen Frist ändert. Stellt der Antragsteller den nach § 37 SGB II erforderlichen Antrag nicht, kann der Antragsgegner die Hilfegewährung wegen des Nachranges seiner Leistungspflicht einstellen.

Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners konnte aus den oben dargelegten Gründen keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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