S 2 V 16/02

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 2 V 16/02
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 V 13/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9a/9 V 6/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren L 6 V 13/03 zu erstatten.
IV. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
V. Die Revision wird für den Beklagten im ursprüngli- chen Verfahren L 6 V 13/03 zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Heraufsetzung der MdE von 90 auf 100 wegen Phantomschmerzen und die Höhe des Alterserhöhungsbetrages nach § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG.

Der Kläger ist der Auffassung, die MdE müsse wegen Phantomschmerzen von 90 auf 100 heraufgesetzt werden; der Beklagte meint, dass dem bereits ein gerichtlicher Vergleich entgegenstehe, in welchem die MdE auf 90 festgelegt worden war. Hinsichtlich des Alterserhöhungsbetrages meint der Kläger, aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.03.2000 (Aktenzeichen: 1 BvR 284/96) folge, dass auch dieser Betrag ohne die Anwendung des § 84a BVG, also auf "Westniveau", zu berechnen sei; der Beklagte ist der Ansicht, dass sich diese Konsequenz gerade nicht aus dem erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergebe.

Der am ...1922 geborene Kläger wurde als Angehöriger der Deutschen Wehrmacht bei Stalingrad schwer verwundet. Mit Bescheid des Versorgungsamtes Leipzig vom 17.04.1944 wurde nach dem Fürsorge- und Versorgungsgesetz für die ehemaligen Angehörigen der Wehrmacht bei besonderem Einsatz vom 06.07.1939 als "Beschädigung bei besonderem Einsatz" anerkannt:

Verlust des linken Beines und ausgedehnte Narbe mit Muskelschädigung am rechten Oberschenkel durch Granatsplitterverwundung

Auf seinen Antrag zum wiedergegründeten Versorgungsamt Leipzig vom 21.09.1990 erkannte dieses zunächst mit Vorbehaltsbescheid vom 16.07.1991 lediglich "Verlust des linken Beines im Oberschenkel" mit einer MdE von 70 an; nach weiterer Ermittlung wurden dann mit Bescheid von 09.12.1992 der Vorbehalt aufgehoben und folgende Schädigungsfolgen anerkannt:

Verlust des linken Beines im Oberschenkel mit kurzem Stumpf Narbenbildung mit Muskeldefekt am rechten Oberschenkel und Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes Narbenbildung rechter Ellenbogen

Die MdE wurde ab 01.01.1991 mit 80 bewertet. Widerspruch und Klageverfahren (Sozialgericht Leipzig, Aktenzeichen: S 2 V 161/93) endeten mit einem Vergleich, in welchem sich der Beklagte verpflichtete, rückwirkend ab 01.01.1991 Beschädigtenversorgung nach einer MdE von 90 v.H. zu leisten. Grundlage dieses Verfahrens in medizinischer Hinsicht war ein Gutachten des Dr. G1 ..., L ..., gewesen, in welchem die MdE entsprechend eingeschätzt worden war. In diesem Gutachten war auf verschiedene Komplikationen hingewiesen worden. Wegen des kurzen und muskelschwachen Oberschenkelstumpfes sowie wegen auftretender lokaler Beschwerden sei der Kläger seit Jahrzehnten nicht in der Lage, über einen längeren Zeitraum mit einer Oberschenkelprothese zu gehen. Er sei auf die Verwendung von 2 Unterarmgehstützen für die Fortbewegung angewiesen. Hieraus resultierten Überlastungen der Handgelenke, der Ellenbogengelenke sowie der Schultergelenke. Die große Verletzungsfläche mit Weichteildefekt am rechten Oberschenkel liege im Abstromgebiet der großen Venen des rechten Beines, so dass hieraus eine Störung des venösen Abstromes durch Schädigungsfolgen anzunehmen sei. Phantomschmerzen wurden in dem Gutachten nicht erwähnt.

Unmittelbar nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in der Sache 1 BvR 284/96 beantragte der Kläger mit Schreiben vom 20.03.2000 "rückwirkend zum 01.01.1999 die Kriegsbeschädigtenrente (Aktenzeichen: 96/20/003 189) in Höhe der Westrente anzugleichen". Außerdem legte er dar, dass die MdE um 10 Prozent zu erhöhen sei, da er auch immer schon unter Phantomschmerzen gelitten habe. Mit Bescheid vom 29.05.2000 kam der Beklagte dem Begehren des Klägers insoweit nach, als ein Anspruch auf Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG ab dem 01.01.1999 in Höhe der in den alten Bundesländern geltenden Beträge anerkannt wurde. Dies genügte dem Kläger jedoch nicht, wie er mit Schreiben vom 02.06.2000 verdeutlichte: Seines Erachtens ergebe sich die Grundrente aus dem Grundrentenbetrag und dem Erhöhungsbetrag ab dem 65. Lebensjahr für Schwerbeschädigte gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG.

Hinsichtlich der Höherbewertung der MdE legte der Beklagte die Akte Frau Dr. K1 ... vom Versorgungsärztlichen Dienst vor, welche in einer Stellungnahme vom 09.05.2000 zu der Einschätzung kam, Stumpfbeschwerden und Phantomschmerzen seien bei der Höhe der MdE bereits berücksichtigt worden. Phantomschmerzen seien bei der Untersuchung im November 1992 nicht geltend gemacht worden und Schmerzmittel würden nicht eingenommen. Die Wundrose am rechten Unterschenkel könne nicht als Schädigungsfolge angesehen werden, da sie im Bescheid von 1944 nicht erwähnt worden sei und da über den Beginn der Beschwerden nur eigenanamnestische Angaben vorlägen. Auch das Gutachten von Dr. G1 ... spreche gegen die Anerkennung von einer Wundrose. Bei einer Leistenbruchoperation sei der links atrophische Hoden mit entfernt worden, da dieser mit Teilen des Bruchsackes verwachsen war. Die Entstehung des Leistenbruches sei nicht bekannt, es könne keine Verbindung zu den anerkannten Schädigungsfolgen festgestellt werden. Unter Übernahme dieser Argumente erließ der Beklagte am 17.07.2000 einen "Bescheid nach § 44 in Verbindung mit § 48 SGB X" mit welchem eine Höherbewertung der MdE abgelehnt wurde. Zur Untermauerung seines dagegen erhobenen Widerspruchs legte der Kläger ein Schreiben des Herrn W ... B ... aus L ... vor, in welchem dieser aussagte, dass der Kläger im Zeitraum von 1985 bis 1989 oft im Zusammenhang mit seiner Amputation unter starken Schmerzen gelitten habe. Er habe sich dann vom Arbeitsplatz entfernt und sei auf die Straße gegangen, um sich abzulenken und sei ca. nach einer Stunde wieder zurückgekommen, um seine Tätigkeit fortzusetzen.

Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.07.2000 wurde mit Bescheid vom 11.06.2001 als unbegründet zurückgewiesen: Stumpfbeschwerden und Phantomschmerzen seien bereits in der Bewertung der MdE berücksichtigt worden. Außergewöhnliche Schmerzen, die eine ständige ärztliche Behandlung erforderlich machten, seien in den Befundunterlagen nicht dokumentiert.

Gleichfalls mit Bescheid vom 11.06.2001 wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 29.05.2000 (Erhöhung nur der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG auf Westniveau) zurückgewiesen. In jenem Widerspruchsbescheid wurde noch ein weiterer Widerspruch behandelt, der aber nicht mehr Bestandteil des anhängigen Berufungsverfahren ist, da der entsprechende Streitstoff durch Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 22.03.2002 abgetrennt wurde. Die Zurückweisung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29.05.2000 wurde damit begründet, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Alterszulage nach § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG nicht betreffe, da das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich nur die Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG erwähnt habe.

Das Sozialgericht Leipzig hat die Klage gegen den Bescheid vom 17.07.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2001 mit Urteil vom 17.06.2003 abgewiesen: Obwohl eine umfangreiche medizinische Dokumentation vorliege, seien Phantomschmerzen von dem Kläger selbst und von seinen behandelnden Ärzten erst nach Stellung des Antrages vom 20.03.2000 angegeben worden. Das Sozialgericht hatte eine gutachterliche Stellungnahme von Dr. V1 ..., W ...-Klinik, Bad H ..., angefordert. Dort war ausgeführt, dass im ersten Monat nach einer Amputation von 85 bis 97 Prozent der Patienten das Empfinden eines Phantomschmerzes in unterschiedlicher Ausprägung beschrieben werde. Ein Jahr nach der Amputation beschrieben 60 Prozent der Patienten einen weiterhin bestehenden Phantomschmerz. Allerdings könnten Phantomschmerzen auch erst Monate und Jahre nach einer Amputation auftreten, wobei allerdings die Wahrscheinlichkeit sehr gering sei und der Beginn eines Phantomschmerzes über ein Jahr nach der Amputation nur noch von weniger als 10 Prozent der Patienten beschrieben werde. Der Nachweis von Phantomschmerzen durch objektive Messverfahren sei nicht möglich.

Der Klage gegen den Bescheid vom 29.05.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2001 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 29.07.2003 stattgegeben. Das Bundessozialgericht habe in den Verfahren B 9 V 2/02 R und B 9 V 7/02 R die Träger der Versorgungsverwaltung verurteilt, die Schwerstbeschädigtenzulage ebenfalls rückwirkend ab 01.01.1999 ohne Absenkung nach § 84a BVG zu leisten. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts bestehe eine übereinstimmende Funktion von Beschädigtengrundrente und Schwerstbeschädigtenzulage. Dies spreche dafür, die Alterserhöhung der Grundrente gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG in die Angleichung auf das Niveau in den alten Bundesländern ab 01.01.1999 einzubeziehen. Auch die Schwerstbeschädigtenzulage habe, wie das Bundessozialgericht entschieden habe, eine ausgeprägte immaterielle Komponente. Diese sei dann zwangsläufig auch der Alterserhöhung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG zuzuschreiben, da sie nicht dazu diene, konkrete Mehrkosten abzudecken.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, die damit begründet wird, aus einem Aufsatz von Förster in "Der Versorgungsbeamte" 1981, Seite 18, ergebe sich, dass die Alterserhöhung auf fürsorgerischen Erwägungen beruhe; sie solle dazu beitragen, altersbedingte Mehraufwendungen auszugleichen.

Der Senat hat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BMGS, beigeladen.

Gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17.06.2003 richtet sich die Berufung des Klägers. Er legt dar, dass er bewusst keine Schmerzmittel gegen die Phantomschmerzen, welche durch Zeugenbeweis zu beweisen seien, eingenommen habe. Aus seiner Tätigkeit beim Versorgungsamt Leipzig im Jahre 1944 wisse er noch, dass die Schmerzen in der Wertung grundsätzlich mit einbezogen seien. Deswegen habe er die Schmerzen gegenüber dem Versorgungsamt nicht erwähnt. Aus seiner Tätigkeit als Richter im Ehrenamt seit März 1993 habe er allerdings die Erkenntnis gezogen, dass ihm sein Zustand in Bezug auf die ständigen starken Phantomschmerzen das Recht gebe, den Antrag auf Anerkennung zu stellen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Juni 2003 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17.07.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.06.2001 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm als weitere Schädigungsfolge "Phantomschmerzen" anzuerkennen und ihm Beschädigtenversorgung auf der Grundlage einer MdE von 100 zu bewilligen sowie die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29.07.2003 zurückzuweisen.

Der Beklagtenvertreter beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17.06.2003 zurückzuweisen sowie das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29.07.2003 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 29.05.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.06.2001 abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die Akte des SG Leipzig, Az. S 2 V 161/93 sowie die beigezogene Akte des Beklagten Grundlisten-Nr. 96/20/003 189 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17.06.2003 ist unbegründet.

Für die Vergangenheit kann der Kläger schon deswegen nicht die Anerkennung von Phantomschmerzen verlangen, da einem solchen Ansinnen der am 18.05.1994 vor dem Sozialgericht Leipzig geschlossene Vergleich entgegensteht. Mit diesem Vergleich hat der Kläger nämlich gleichzeitig auf einen eventuell gegebenen Anspruch auf eine höhere MdE als 90 v.H. wirksam verzichtet.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Diese Norm gilt auch für Ausführungsbescheide, soweit damit Urteile oder Vergleiche umgesetzt worden sind. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass durch Urteile oder Vergleiche das zwischen den Beteiligten bestehende Rechtsverhältnis bereits so weitgehend konkretisiert worden ist, dass ein nachträgliches sich Berufen auf die angeblich davon abweichende normative Rechtslage grundsätzlich nicht mehr möglich ist. Zweifelsohne ist es in § 44 vorgesehen, dass ein Verwaltungsakt, welcher ein Urteil oder einen Vergleich unrichtig, das heißt im Widerspruch zu dem Inhalt des Urteils oder Vergleichs umsetzt, auch nach Eintreten der formellen Bestandskraft nicht nur korrigiert werden darf, sondern auch korrigiert werden muss. Andererseits ist § 44 SGB X nicht das Perpetuum Mobile des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrensrechts in dem Sinne, dass Verwaltungsakte, Vergleiche, Urteile immer dann wertlos sind, wenn sie nach Auffassung der Verwaltung "rechtswidrig" sind. Anerkannt ist, dass die zur Leistung verurteilte Verwaltung sich nicht kraft "besserer Erkenntnis" über die Rechtskraft eines Urteils hinwegsetzen darf (vgl. Dörr, zur Abgrenzung von Korrekturtatbeständen, DAngVers 88, 452, 454; BSG, Urt. v. 26.09.1986, 2 RU 45/85, NJW 1987, 2038, 2039). Nichts anderes gilt, wenn ein Leistungsträger sich in einem Vergleich zur Zahlung einer Dauerrente verpflichtet hat und er nachträglich dann auf Grund Vertragsreue bzw. "besserer Erkenntnis" den Ausführungsbescheid nach § 45 SGB X zurücknehmen will. Er kann dann auch nicht die Leistung nach § 48 Abs. 3 SGB X "aussparen" (vgl. Schleswig-Holsteinisches-LSG, Urteil vom 01.09.1999 - L 8 U 23/99 - E-LSG U 119). Als einseitig abzulehnen ist allerdings die in dieser Entscheidung vertretene Auffassung, wonach zu Gunsten eines Sozialleistungsberechtigten die Durchbrechung der vertraglichen Bindungswirkung eines Vergleiches möglich sein soll, nicht aber zu seinen Ungunsten. Diese Auffassung geht auf ein verkürztes Verständnis der Rechtsprechung des BSG zurück, wonach "nach Wortlaut im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X einer Rücknahme nicht entgegensteht, dass der Rentenentziehungsbescheid in der Form des Prozessvergleichs unanfechtbar geworden ist" (BSG, 2. Senat, Urteil vom 23.06.1983, 2 RU 2/82, VersorgB 1983, 143). Das BSG hat diese Auffassung dann in einer späteren Entscheidung dahingehend präzisiert, dass die Erledigung eines Anspruchs durch gerichtlichen Vergleich einen Anspruch auf Neufeststellung nach § 44 SGB X nicht ausschließt, soweit der Vergleich keinen Verzicht auf das materielle Recht im Sinne des § 46 SGB I enthält (Urteil vom 15.10.1985 - 11 ARa 58/84 - SozR 2200 § 1251 Nr. 115). Hierzu muss allerdings gesagt werden, dass ein solcher Verzicht in gerichtlichen Vergleichen, in welchen der Kläger sich mit weniger als seinem ursprünglichen Klageziel zufrieden gibt, nicht die Ausnahme, sondern die Regel darstellt. Grundsätzlich ist es auch möglich, dass ein Vergleich nur zur Erledigung des Rechtsstreits geschlossen wird, also lediglich prozessuale, aber keine materiell-rechtliche Wirkung hat. Dies müsste dann aber ausdrücklich vorbehalten werden. Wird nicht ein entsprechender Vorbehalt aufgenommen, so gilt der Prozessvergleich auch als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne der §§ 53 ff. SGB X. Das Verbot des Abschlusses öffentlich-rechtlicher Verträge über Sozialleistungen (§ 53 Abs. 2 SGB X) gilt bei Vergleichsverträgen nicht. Grundsätzlich gilt, dass im Zweifel der Prozessvergleich eine Doppelnatur hat und sowohl Prozesshandlung als auch öffentlich-rechtlicher Vertrag ist (vgl. BSG SozR 1500 § 101 Nr. 8, Bundesverwaltungsgericht [BVerwG] NJW 94, 2306; BGH 79, 71; Wannagat NJW 61, 1191; PSW § 111 SGG Anm. 1a; Meyer-Hesemann DVBl 80, 869). Wenn nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, wollten die Beteiligten also nicht nur den Streit beilegen, sondern auch eine materiell-rechtliche Vereinbarung treffen. Wenn also - wie hier - der Kläger erklärt hat, dass er mit einer MdE von 90 einverstanden ist, so meint er das im Zweifel auch im "materiell-rechtlichen Sinne", das heißt er verzichtet auf eine höhere MdE.

Allerdings wäre dadurch die Verwaltung noch nicht endgültig gehindert, freiwillig Mehrleistungen zu erbringen, also trotz Abschlusses eines Vergleichsvertrages nachträglich noch einmal zu Gunsten des Sozialleistungsberechtigten von der Zusage im Vertrag abzuweichen. Das bestehende Rücknahmeermessen kann sich nach allgemeinen Grundsätzen der Ermessensausübung auch zu einer Rücknahmepflicht verdichten (vgl. Heilemann, Die Korrektur aus einem Rechtsbehelfsverfahren hervorgegangener Verwaltungsakt, SGb 95, 240, 243), beispielsweise wenn die Behörde den Verwaltungsakt in gleichgelagerten Fällen zurückgenommen hat oder seine Aufrechterhaltung schlechthin unerträglich wäre. Ein Anspruch des Sozialleistungsberechtigten auf eine solche Entscheidung besteht aber nicht schon unter Hinweis auf die bloße (eventuell sogar tatsächlich zu bejahende) Behauptung, nach materiellem Recht stehe ein Anspruch auf mehr zu. Voraussetzung für den Abschluss eines Vergleichsvertrages ist, dass bei verständiger Würdigung eine Ungewissheit über die Rechtslage beziehungsweise über den Sachverhalt besteht (vgl. § 54 Abs. 1 SGB X). Diese ungewisse Sach- oder Rechtslage wird durch die getroffene Vereinbarung ersetzt (vgl. v. Wulffen/Engelmann § 54 SGB X Rdnr. 11). Grundlage für die Rechtsbeziehung in dem geregelten Fall ist dann dieser Vergleichsvertrag; auf eine andere Causa kann sich keiner der Beteiligten mehr berufen. Es kann offen bleiben, ob in den Fällen, in denen hinsichtlich der Erbringung von freiwilligen Mehrleistungen eine Ermessensreduzierung auf Null stattgefunden hat (vgl. Heilemann a.a.O.), auch ein entsprechender Anspruch des Sozialleistungsberechtigten besteht. Für den vorliegenden Fall ist diese Streitfrage nicht von Bedeutung, da weder gleichgelagerte Fälle ersichtlich sind noch im Hinblick auf die Gleichbehandlung (unter gleichgelagerten Fällen sind hier nur Fälle zu verstehen, in denen auch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen wurde und nicht etwa lediglich Fälle, in denen ein Anspruchsteller mit etwa gleichen Verletzungen möglicherweise eine MdE von 100 zuerkannt bekommen hat) ein Anspruch auf Abänderung zu Gunsten des Klägers hergeleitet werden könnte. Ein rückwirkende Korrektur ist daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt möglich.

Allerdings ist der Verzicht nach § 46 Abs. 1 SGB I frei widerruflich, das heißt, der Antrag des Klägers vom 21.03.2000, mit welchem er die Anerkennung von Phantomschmerzen beantragte, beseitigte als Widerruf des Verzichtes die Bindungswirkung dieses Verzichtes. Hierdurch ist eine Änderung in den rechtlichen Verhältnissen eingetreten, welche grundsätzlich die Möglichkeit zur Abänderung nach § 48 SGB X erlaubt, auch wenn in den tatsächlichen Verhältnissen keine Änderung eingetreten ist. Der Senat ist jedoch überzeugt, dass bei dem Kläger nicht als Folge der Amputation eine selbstständige Schmerzerkrankung eingetreten ist und noch besteht, die eine Heraufsetzung der MdE auf 100 rechtfertigen würde. Hierzu hat das Sozialgericht bereits ausgeführt, dass die Umstände, unter denen das Thema Phantomschmerz erstmals Erwähnung fand, nämlich die offensichtlich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.03.2000 zurückgehende Antragstellung vom 20.03.2000 dagegen spricht, dass tatsächlich kontinuierlich Phantomschmerzen in einer Weise bestanden haben, die die Heraufsetzung der MdE rechtfertigen. Zwar hat der Kläger eine Zeugenaussage vorgelegt, wonach er auch in den achtziger Jahren immer wieder auf Grund von Schmerzen seine Arbeit unterbrechen musste. Es spricht jedoch vieles dafür, dass es sich bei diesen Schmerzen um Stumpfschmerzen gehandelt hat, die nämlich dann auch dazu führten, dass er zwei Unterarmstützen benutzen musste, nachdem er von 1944 bis 1975 nur mit Prothese gelaufen war. Eine völlige Negation jeglicher Phantomschmerzen, wie sie das Sozialgericht vorgenommen hat, ist indes nicht erforderlich. Es mag durchaus so sein, dass der Kläger unter Phantomschmerzen gelitten hat, diese aber, wie er selbst angab, auf Grund seiner Kenntnis des Versorgungsrechts - er war bereits im Jahre 1944 beim Versorgungsamt Leipzig tätig - als für den Anspruch irrelevant ansah. Nach wie vor gilt, dass die in der GdB/MdE-Tabelle angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit einschließen und auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände mit berücksichtigen (AHP 2004, Nr. 18 Abs. 8 S. 24). Erst wenn eine "über das übliche Maß hinausgehende, eine spezielle ärztliche Behandlung erfordernde Schmerzhaftigkeit anzunehmen ist, können höhere Werte angesetzt werden" (AHP 2004 a.a.O.). Ein Auseinanderklaffen von "Erforderlichkeiten" einer Schmerzbehandlung und deren tatsächlichem Stattfinden dürfte in diesem Zusammenhang regelmäßig nicht anzunehmen sein. Eine objektive Schmerzmessskala, an der sich die Erforderlichkeit einer Schmerzbehandlung ablesen ließe, existiert nicht. Eine Schmerzbehandlung ist also immer dann erforderlich, wenn sie vom Patienten für erforderlich gehalten wird, dies gilt für Schmerzen bei drastischen Verletzungen gleichermaßen wie für das Fibromyalgiesyndrom. Es ist nachvollziehbar, wenn der Kläger darlegt, er habe sich nach dem Grundsatz: "Entweder die Krankheit hat mich im Griff oder ich habe die Krankheit im Griff" von Anfang an gegen eine Schmerzbehandlung und auch gegen die Einnahme von Schmerzmedikamenten entschieden. Damit ist aber auch schon gleichzeitig das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Schmerzerkrankung abzulehnen. Nicht die Intensität des Schmerzes bestimmt die Höhe der MdE, sondern seine Auswirkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Eine höhere Schmerztoleranz oder auch schon ein "charakterfesterer" Umgang mit dem Schmerz führt daher zu einer geringeren Bewertung des Schmerzes im Rahmen der Festsetzung von MdE/GdB-Werten. Es ist hierbei ähnlich wie bei der MdE-Bewertung des Tinnitus, der durchaus gewisse Parallelen mit dem Phantomschmerz aufweist: Auch der Tinnitus kann, wenn er im Zusammenhang mit einer cochleobasalen Lärmschwerhörigkeit auftritt, Folge der verlorengegangenen Wahrnehmungsfähigkeit sein. Der Ausfall der Haarzellen, die dem Gehirn Tonfrequenzen um die 4000 Hertz melden, kann eben auch dazu führen, dass ein Dauerton in dieser Höhe "gesendet" wird. Auch hier ist nicht etwa eine Intensitäts- (also Lautstärken-)Messung Maßstab für die MdE beziehungsweise den GdB, sondern die konkreten psychischen Begleiterscheinungen, wobei die Wertungsmaßstäbe für neurotische Störungen entsprechend herangezogen werden müssen (vgl. Sächsisches LSG, 2. Senat, Urteil vom 11.08.1998 - L 2 KN 42/97 U -). Eine eigenständige und in dem Sinne behandlungsbedürftige Schmerzerkrankung, dass der Kläger alleine nicht mehr mit den Symptomen fertig geworden wäre, liegt zur Überzeugung des Senates nicht vor. Eine nennenswerte "Beeinträchtigung der Befähigung zur üblichen auf Erwerb gerichteten Arbeit" (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG) wäre auch durch die vom Kläger erst nachträglich geschilderten und ins Spiel gebrachten Phantomschmerzen nicht zu begründen. Wenn der Kläger sich - mit guten Gründen - gegen die langjährige Einnahme von Schmerzmedikamenten entschieden hat und auch eine an sich mögliche nichtmedikamentöse Schmerzbehandlung nicht für erforderlich gehalten hat und sich stattdessen die Schmerzen "verbissen" haben sollte, so kann das nicht allein deswegen mit einer Heraufsetzung der MdE honoriert werden. Es kommt immer auf die konkreten Auswirkungen an. Wenn eine bestimmte Verletzung bei einem anders strukturierten Menschen oder auch bei einem gedachten Durchschnittsmenschen eine Schmerzbehandlung erforderlich machen würde, hat dies keine Auswirkungen auf die MdE. Diese hat sich nämlich nicht nach einer "normativen" oder "fiktiven" Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu orientieren.

Die Möglichkeit eines Anspruchs wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach § 48 SGB X schließt der Senat aus. Ein erstmaliges Auftreten der Phantomschmerzen erst im Jahre 2000, also mehr als 50 Jahre nach der Verletzung ist, wie sich aus dem Kurzgutachten von Dr. V1 ... vom 31.12.2002 ergibt, extrem unwahrscheinlich und wurde darüber hinaus auch nicht vom Kläger behauptet. Die - ebenfalls vom Kläger nicht konkret behauptete - Möglichkeit, dass die kontinuierlich vorhandenen Phantomschmerzen (der Kläger müsste dann also zu den 10 % der Amputierten gehören, bei welchen die Phantomschmerzen auch über Jahrzehnte noch anhalten) im Alter wegen des Nachlassens der Widerstandskraft als intensiver empfunden werden, besteht nur abstrakt. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte, das bei dem Kläger im Alter von ca. 78 Jahren eine Schmerzbehandlung erforderlich geworden wäre.

Im Übrigen wurde das Gutachten von Dr. G1 ..., welches vom Kläger hier auch in medizinischer Hinsicht insoweit aktzeptiert wurde, als er den Vergleich vom 18.05.1994 abschloss, nicht weiter angegriffen. Es sind keine weiteren - von dem Kläger nicht erwähnten - Gesichtspunkte ersichtlich, wonach die seinerzeit von den Beteiligten übereinstimmend mit 90 v.H. bewertete MdE den tatsächlichen Verhältnissen nicht - mehr - entsprechen sollte.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 19.07.2003 ist ebenfalls nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide für die Zeit ab dem 01.01.1999 wegen Änderung der Verhältnisse gemäß § 48 Abs. 1 SGB X insoweit aufgehoben, als der Beklagte die Absenkungsregelung des § 84a BVG weiterhin auf den Alterserhöhungsbetrag nach § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG angewendet hat. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichtes, wonach schon die sprachliche Fassung des Gesetzes klarstellt, dass der Alterserhöhungsbetrag nach § 31 Abs. 1 Satz 2 Bestandteil der Grundrente nach § 31 Abs.1 Satz 1 BVG ist. Anders als die Schwerstbeschädigtenzulagen nach § 31 Abs. 5 BVG, welche nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSGE 91, 114) wegen der weitgehenden Funktionsübereinstimmung mit der Beschädigtengrundrente ebenfalls von der Absenkungsregelung auszunehmen ist, handelt es sich bei dem Alterserhöhungsbetrag schon nicht um ein aliud gegenüber der Grundrente, sondern um einen Bestandteil derselben. § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG bestimmt, dass sich "die Grundrente" bei bestimmten Voraussetzungen um einen bestimmten Betrag "erhöht"; eine Aufspaltung in "Grundrente nach Satz 1" und "Zusatzbetrag nach Satz 2" ist daher nicht möglich. Der Auszahlungsbetrag der Grundrente ist immer das Ergebnis einer Rechenoperation; die einzelnen Faktoren oder Summanden dabei in Einzelleistungen sui generis aufzuspalten, wäre nicht nur lebensfremd, sondern auch systemwidrig. Im Gegensatz zur Schwerstbeschädigtenzulage, die als Versorgungsanspruch eigener Art nicht mit dem Anspruch auf Beschädigtengrundrente indentisch ist (vgl. BSG, Urteil vom 10.06.1976 - SozR 3100 § 65 Nr. 1 S. 1, 3) ergibt sich also beim Alterserhöhungsbetrag die Ausnahme von der Absenkung gemäß § 84a BVG "ohne weiteres". Der Alterserhöhungsbetrag ist streng genommen Bestandteil der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG, denn in dieser Vorschrift ist der Anspruch auf die Grundrente als solcher normiert. Wenn eine bestimmte Berechnungsmodalität in einem anderen Abschnitt oder einem anderen Satz des Gesetzes normiert ist, wird dadurch nicht automatisch eine Leistungsart kreiert. Man mag aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität vom (im Gesetz nicht genannten) "Alterserhöhungsbetrag" reden, hierdurch entsteht allerdings keine "andere Leistung nach dem Bundesversorgungsgesetz" die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.03.2000 (BVerfGE 102, 41, 62) ausdrücklich von der Absenkung auszunehmen wäre. Dadurch, dass bestimmte Berechnungsvorschriften in einer anderen Norm als dem von dem Bundesverfassungsgericht genannten § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG stehen, sind sie nicht zwangsläufig von einer Erstreckung des § 84a Absatz 3 (in der Fassung vom 06.12.2000 - BGBl. I, 1676 -) ausgenommen. Auch die jährlichen Anpassungen der Grundrente sind in einer anderen Vorschrift als § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG geregelt, nämlich in § 56 BVG. Gleichwohl wäre es widersinnig, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.03.2000 so auszulegen, dass der geforderte Gleichstand sich nur auf die "Grundrenten nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG" bezieht und also die jährlichen Anpassungen davon nicht umfasst sind. Dies hätte bedeutet, dass zum 01.01.1999 zwar zunächst eine völlige Gleichstellung mit den Westgrundrenten erfolgt, die jährliche Erhöhung aber dann jeweils mit der Begründung, dies sei eine andere Leistung als die Grundrente, weiterhin in der Gemäßheit des § 84a BVG berechnet worden wäre, was zu einer defakto Abschmelzung geführt hätte.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Beklagten, wonach der "Alterserhöhungsbetrag" dazu diene, "altersbedingte Mehraufwendungen" auszugleichen und somit eher der rein materiell ausgerichteten Kleiderverschleißpauschale nach § 15 BVG entspreche. Diese Auffassung findet sich - ohne Begründung - in dem Kommentar zum BVG von Wilke u.a. (Wilke-Förster § 31 BVG Rdnr. 9) mit Verweis auf einen Aufsatz von Förster in "Der Versorgungsbeamte" 1981, S. 18. Allerdings ist auch in jenem Aufsatz nicht weiter ausgeführt, warum der Alterserhöhungsbetrag diesen Zweck haben soll und vor allem, was unter "altersbedingten Mehraufwendungen" zu verstehen ist. Schädigungsbedingte Mehraufwendungen können im Alter zunehmen, müssen aber nicht. Tatsächlich stellt der Alterserhöhungsbetrag von seiner Funktion her einen Ersatz für das Ausfallen der Erwerbseinkommen dar. Das biologische Alter, welches man möglicherweise in den Zusammenhang mit Mehraufwendungen bringen könnte, beginnt nicht mit dem 65. Lebensjahr und schon gar nicht schlagartig. Schlagartig findet aber mit Vollendung des 65. Lebensjahres - zumindest nach der Vorstellung des Gesetzgebers des BVG war das so - das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben statt. Die Möglichkeit des Hinzuverdienstes, die auch bei einem im Sinne des BVG Erwerbsunfähigen gesehen wird, entfällt mit Vollendung des 65. Lebensjahres; die Rente des Erwerbsunfähigen soll dann also einschließlich des Alterserhöhungsbetrages eine echte existenzsichernde Vollrente sein, die Renten nach einer niedrigeren MdE ein entsprechender Anteil davon. Deswegen berechnen sich - prozentual - auch die Alterserhöhungsbeträge in Abhängigkeit von der MdE. Grundsätzlich gilt, dass die Genugtuungsfunktion der Grundrente für Beschädigte, die keinen Anspruch auf Rentenberufsschadensausgleich haben, im Alter nur dann gewährleistet ist, wenn eine pauschale Anhebung zu dem Zeitpunkt erfolgt, zu dem typischerweise das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben stattfindet.

Der Senat zieht aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführer der Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (1 BvR 284/96, 1 BvR 1659/96) Alterserhöhungsbeträge bezogen, nicht den Schluss, dass diese in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.03.2000 nicht ausdrücklich genannten Beträge ausdrücklich von der Gleichstellung ausgenommen werden sollten. Zwar ist es legitim, wenn das BSG in der Entscheidung vom 12.06.2003 (B 9 V 2/02 R, SozR 4-3100 § 84a Nr. 1) den Umstand, dass die Beschwerdeführer jener Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht keine Schwerstbeschädigtenzulage bezogen, als Argument dafür ansah, dass das Bundesverfassungsgericht diese Leistung nicht ausdrücklich von der Anpassung ausgenommen sehen wollte. Der Umkehrschluss ist allerdings nicht zulässig: Der Alterserhöhungsbetrag ist so selbstverständlich Bestandteil der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG, dass er keiner gesonderten Erwähnung bedurfte. Auch wenn die Grundrente als anrechnungsfreie Leistung erwähnt wird (beispielsweise in § 25d Abs. 1 BVG), ist immer die Grundrente einschließlich des Alterserhöhungsbetrages gemeint (vgl. Wilke, Leisner § 25d BVG Rdnr. 5).

Eine Leistung des Alterserhöhungsbetrages "auf Westniveau" für den Kläger, der am 18.05.1990 seinen Wohnsitz in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatte, ist daher geboten und ergibt sich bereits aus der verständigen wortgetreuen Auslegung des § 84a Satz 3 BVG n.F. für die Zeit ab dem 01.01.1999.

Soweit die Berufung des Beklagten zurückgewiesen wurde, hat der Senat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen; Gründe für die Zulassung der Revision auch im Falle der Berufung des Klägers liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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