L 14 R 4152/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 RA 425/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 4152/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 42/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15. Juni 2004 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe einer Erstattungsforderung aus überzahlter Witwenrente.

Die 1884 geborene und am 18.09.1980 gestorbene Großmutter des Klägers, S. R. , bezog von der Beklagten bis zu ihrem Tode Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes. In Unkenntnis des Todesfalles überwies die Beklagte die Witwenrente über den Todesmonat hinaus bis einschließlich Februar 1997 auf das weiter bestehende Konto der Verstorbenen und bewilligte darüber hinaus anlässlich des vermeintlichen 100. und der weiteren Geburtstage zwischen 1984 und 1991 sogenannte Ehrengaben von je 300,- DM.

Im Januar 1997 erfuhr die Beklagte anlässlich eines Datenabgleichs vom Ableben der Rentenberechtigten sowie davon, dass der Kläger als ihr Enkelsohn auf Grund entsprechender Vollmacht der Verstorbenen regelmäßig über das Konto verfügt hatte.

Nach Rücklauf der noch auf dem Konto vorhandenen letzten Rentenzahlung von 2.298,39 DM für Februar 1997 und nach Anhörung des Klägers forderte die Beklagte von diesem mit Bescheid vom 24.04.1997 die über den Sterbemonat hinaus bis einschließlich Januar 1997 gezahlten Rentenbeträge und die gezahlten Ehrengaben gem. § 118 Abs.4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in Höhe von insgesamt 375.699,75 DM zurück. Von der Geltendmachung einer Verzinsung sah sie wegen der Aussichtslosigkeit eines Gesamtausgleichs im Hinblick auf das Lebensalters des Klägers (Jahrgang 1933) ab.

Mit seinem Widerspruch erklärte sich der Kläger hinsichtlich der für die Zeit vom 01.01.1993 bis 31.01.1997 bestehenden Erstattungsforderung zur Rückzahlung in monatlichen Raten bereit; bezüglich des darüber hinaus gehenden Erstattungsanspruchs für die Zeit bis 31.12.1992 erhob er die Einrede der Verjährung entsprechend § 45 Abs.1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).

Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02.07.1998). Die Beklagte verneinte eine Verjährung der streitigen Forderung nach § 45 SGB I, da diese Vorschrift ausschließlich die Verjährung von Ansprüchen auf Sozialleistungen im Sinne des § 40 SGB I regle, nicht jedoch von Erstattungsansprüchen, die ein Leistungsträger gegenüber einem Schuldner geltend mache.

Mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) verfolgte der Kläger sein auf Reduzierung der Rückforderung wegen teilweiser Verjährung entsprechend § 45 Abs.1 SGB I gerichtetes Begehren weiter. Er vertrat die Auffassung, die vierjährige Verjährung stelle ein allgemeines Prinzip des Sozialrechts dar, dem auch der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch unterliege; der Gesetzgeber habe dies auch mit den Regelungen der §§ 25 Abs.1 Satz 1, 27 Abs.2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) und 50 Abs.4 sowie 113 Abs.1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verdeutlicht.

Während des Klageverfahrens erhob die Beklagte im Hinblick auf die zu § 118 Absätze 3 und 4 SGB VI ergangene Rechtsprechung (u.a. BSG in SozR 3-2600 Nrn. 2 und 3 zu § 118) im Wege der Widerklage Leistungsklage auf Zahlung des Betrages von 375.699,75 DM und nahm gleichzeitig den Bescheid vom 24.04.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.07.1998 zurück (Schriftsatz vom 01.02.2001).

Das SG gab der Widerklage mit Urteil vom 15.06.2004 statt und verpflichtete den Kläger, an die Beklagte den Gesamtbetrag von 192.092,23 Euro zu zahlen. Es bejahte zunächst die Zulässigkeit der in der Form der Widerklage erhobenen Leistungsklage. § 118 Abs. 4 SGB VI in der am 29.06.2002 in Kraft getretenen Fassung, der in Satz 2 die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen des Leistungsträgers aus § 118 Abs.4 Satz 1 SGB VI durch Verwaltungsakt festlege, finde keine Anwendung. Die im Zeitpunkt der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs geltende Fassung des § 118 Abs.4 SGB VI habe keine gesetzliche Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes gegen den Empfänger der Leistung enthalten; nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei zur Geltendmachung nur die allgemeine Leistungsklage zulässig gewesen. Die einmal zulässig erhobene Leistungsklage bleibe auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 118 Abs.4 SGB VI zulässig (BSG, Urteil vom 11.12.2002 - B 5 RJ 42/01 R).

Zur Begründetheit der Klage führte das SG aus, die Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch nach § 118 Abs.4 Satz 1 SGB VI seien gegeben. Der Kläger habe die von der Beklagten für die Zeit nach dem Tode der S. R. zu Unrecht erbrachten Rentenleistungen in Empfang genommen bzw. über diese verfügt. Nach § 300 SGB VI sei die Vorschrift des § 118 Abs.4 Satz 1 SGB VI a.F. auch auf Geldleistungen anwendbar, die vor Inkrafttreten der Vorschrift am 01.01.1996 zu Unrecht geleistet worden seien.

Die Erstattungsforderung der Beklagte sei auch nicht verjährt. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Urteils des LSG Schleswig-Holstein vom 07.05.2003 (L 8 RA 84/02) führte das SG insoweit aus, die sozialrechtlichen Vorschriften über eine vierjährige Verjährung beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Rentenleistungen zugeflossen seien, fänden auf den Anspruch des Rentenversicherungsträgers nach § 118 Abs.4 Satz 1 SGB VI a.F. keine entsprechende Anwendung, insbesondere nicht § 45 Abs.1 SGB I. Den Regelungen der §§ 45 Abs.1 SGB I, 25 Abs.1 Satz 1 und 27 Abs.2 Satz 1 SGB IV und der §§ 50 Abs.4, 113 Abs.1 SGB X in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung könne im Wege der Gesamtanalogie kein Rechtssatz entnommen werden, wonach im Bereich des Sozialrechts allgemein eine vierjährige Verjährungsfrist zu gelten habe, welche jeweils mit dem Entstehen des Anspruchs beginne. Dies zeige bereits § 50 Abs.4 SGB X, wonach die Verjährung von Erstattungsansprüchen nach § 50 Abs.1 und 2 SGB X nicht mit dem Zeitpunkt des Zuflusses der Leistung, sondern erst mit dem Zeitpunkt beginne, zu dem die Erstattungsforderung durch Verwaltungsakt festgesetzt worden sei. Im Übrigen lasse die Klägerseite bei ihrer Bezugnahme auf § 25 Abs.1 Satz 1 SGB IV inkonsequenterweise § 25 Abs.1 Satz 2 SGB IV außer Acht, wonach für Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge eine 30-jährige Verjährungsfrist gelte; dieser Rechtsgedanke müsse auch im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen. Wenn auch der Erstattungsanspruch nach § 118 Abs.4 SGB VI verschuldensunabhängig sei, so könne - soweit die Frage der Verjährung relevant sei - die Verantwortlichkeit des Klägers für die erfolgte Überzahlung angesichts des ihm vorzuwerfenden Vorsatzes bei der Inempfangnahme der Rente der verstorbenen Versicherten nicht unberücksichtigt bleiben.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil und bringt erneut vor, die Erstattungsforderung sei im Wesentlichen verjährt. Er beruft sich auf die Kommentierung von Polster in KassKomm zu § 118 SGB VI Rdnr.20 (entsprechende Anwendung von § 45 Abs.1 SGB I im Rahmen von § 118 Abs.4 SGB VI) sowie auf die Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts vom 12.10.1999 (L 5 RJ 89/99). Die in dem vom SG zitierten Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 07.05.2003 vertretene andere Auffassung sei nicht zutreffend. Auch sei es zu einem in wesentlichen Punkten anderen Sachverhalt ergangen (Rentenzahlung auf das Konto eines Bevollmächtigten, besondere Vereinbarung zwischen diesem und dem Versicherungsträger über Mitteilungspflichten bei Änderung der Verhältnisse). Schon aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit müsse es eine angemessene Verjährungsfrist geben, welche einen Rentenversicherungsträger zwinge, seinen Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs.4 SGB VI innerhalb einer überschaubaren Zeit geltend zu machen. Dies könne nur durch entsprechende Anwendung von § 45 Abs.1 SGB I geschehen, wonach die vierjährige Verjährungsfrist des Anspruchs mit Beginn des Kalenderjahres beginne, das auf das Kalenderjahr folge, in dem der Anspruch entstanden sei. Auf den Umstand, wann der Rentenversicherungsträger vom Tode des Rentenberechtigten Kenntnis nehme, komme es dagegen nicht an. Das bedeute vorliegend, dass für die bis zum 31.12.1992 ausgezahlten Rentenbeträge dem Erstattungsanspruch die Einrede der Verjährung entgegenstehe. Der danach verbleibende Erstattungsanspruch der Beklagten in Höhe von 110.239,17 DM = 56.364,39 Euro werde vom Kläger anerkannt.

Im Hinblick auf die Ausführungen des SG zu § 25 Abs.1 Satz 2 SGB IV vertrat der Kläger u.a. die Auffassung, dass ihm im Hinblick auf den jahrelang zu Unrecht erfolgten Verbrauch der überzahlten Witwenrente im Rahmen der Verjährung Vorsatz nicht vorgeworfen werden könne. Zwischen den Verfahrensbeteiligten hätten kein besonderes Treueverhältnis oder sonstige Rechtsbeziehungen bestanden, aus denen besondere Verhaltenspflichten abzuleiten gewesen seien. Er habe bei der Verfügung über die Rentenbeträge nur im Rahmen der bestehenden Bankvollmacht gehandelt, daher stelle sich sein Verhalten auch nicht als strafbar dar. Er habe im März 1997 bei der Staatsanwaltschaft Selbstanzeige erstattet, das Ermittlungsverfahren sei am 16.04.1997 eingestellt worden. Der Beklagte sei ihrerseits der Vorwurf zu machen, dass sie bis zum vermeintlichen 113. Lebensjahr der Rentenberechtigten Leistungen erbracht habe, ohne selbst zu prüfen, ob diese noch lebe. In diesem Zusammenhang behauptet der Kläger, seine 1995 verstorbene Ehefrau habe die Beklagte seinerzeit schriftlich über den Tod der Rentenberechtigten informiert; warum sich diese Mitteilung nicht in den Akten befinde, "liege nicht in seinem Erklärungsbereich".

Zu seinem Vorbringen legt der Kläger zwei an die Staatsanwaltschaft E. gerichtete Schreiben seines Bevollmächtigten vom 04.03.1997 (Selbstanzeige) und vom 17.03.1997 (Ausführungen zur Strafbarkeit nach §§ 263, 246 und 266 Strafgesetzbuch), ferner die Mitteilung der zuständigen Staatsanwältin vom 16.04.1997 über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger vor.

Der Kläger und Widerbeklagte beantragt, das Urteil das Sozialgerichts Nürnberg vom 15.06.2004 aufzuheben, soweit er zur Rückzahlung über den Betrag von 56.364,37 Euro hinaus verurteilt wurde.

Die Beklagte und Widerklägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils sowie der Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein vom 07.05.2003 und führt aus, entgegen der Auffassung des Klägers sei den von ihm angeführten Verjährungsregelungen des SGB I, des SGB IV und des SGB X keineswegs im Wege der Gesamtanalogie ein Rechtssatz zu entnehmen, wonach im Bereich des Sozialrechts allgemein eine vierjährige Verjährungsfrist gelte, die mit dem Entstehen des jeweiligen Anspruchs beginne; aus der Vorschrift des § 50 Abs.1 SGB X sei vielmehr das Gegenteil abzuleiten. Selbst bei analoger Anwendung anderer Verjährungsregelungen sei vorliegend jedoch keine Verjährung eingetreten. Bei Orientierung an zivilrechtlichen Bereicherungsansprüchen nach § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei nach der hier noch geltenden Rechtslage vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts zum 01.01.2002 die 30-jährige Verjährungsfrist nach §§ 195, 198 BGB maßgebend gewesen, nicht dagegen die für Ausnahmefälle geltende kurze vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB. So habe das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 66, 251) festgestellt, dass der Anspruch des Dienstherrn auf Rückzahlung zuviel gezahlter Bezüge in 30 Jahren verjähre. Das Oberlandesgericht Karlsruhe habe hinsichtlich der Rückforderung einer nach dem Tode des Berechtigten vom Rentenversicherungsträger weitergezahlten Altersrente vom Erben die 30-jährige Verjährungsfrist für maßgeblich gehalten (NJW 88, 1920).

Bei Annahme einer vierjährigen Verjährung im Hinblick auf die sozialrechtliche Vorschrift des § 45 Abs.1 SGB I sei der geltend gemachte Rückforderungsanspruch ebenfalls nicht verjährt. Es handle sich dabei um einen rechtlich selbständigen Anspruch auf Erstattung der insgesamt überzahlten Rentenbeträge, den der Versicherungsträger erst nach Kenntnis vom Tode des Berechtigten einheitlich geltend machen könne; er habe nicht - wie der Rentenberechtigte bezüglich seiner Rentenansprüche - die Möglichkeit, die Erstattung der überzahlten Beträge Monat für Monat geltend zu machen. Zu Unrecht über den Todesmonat hinaus gezahlte Renten könnten daher nicht monatlich verjähren.

Auch die inzwischen mit Wirkung vom 01.01.2002 in § 118 Abs.4 Satz 3 SGB VI aufgenommene Verjährungsregelung stelle demgemäß hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist u.a. auf die Kenntnis von der Überzahlung ab. Auch vorliegend habe daher die Verjährungsfrist erst nach Kenntnis vom Ableben der S. R. und mit Geltendmachung der Erstattungsforderung im Jahre 1997 ab 01.10.1998 zu laufen begonnen.

Weiter vertrat die Beklagte die Auffassung, die Erhebung der Einrede der Verjährung stelle vorliegend eine unzulässige Rechtsausübung dar. Es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn der Kläger einerseits 17 Jahre lang eine ihm nicht zustehende Hinterbliebenenrente und Ehrengaben in vollem Unrechtsbewusstsein in Empfang nehme und sie für sich verbrauche, bis die Rentenzahlung eingestellt werde, und sich dann wegen des Zeitablaufs auf Verjährung berufe.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der beigezogenen Rentenakten der Beklagte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, erweist sich aber nicht als begründet.

Zutreffend hat das Erstgericht den Kläger zur Rückzahlung auch der über den Betrag von 56.364,57 Euro hinausgehenden überzahlten Rentenleistungen verpflichtet.

Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Todes eines Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sind nach § 118 Abs.4 Satz 1 SGB VI in der hier maßgeblichen ab 01.01.1996 geltenden Fassung Personen, die die Geldleistung in Empfang genommen oder über den entsprechenden Betrag verfügt haben, ... dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Es handelt sich um einen eigenständigen Rückforderungsanspruch, der selbständig neben den Vorschriften des SGB X über die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen steht. Die Beklagte hat demnach gegen den Kläger Anspruch auf Erstattung sämtlicher über den Tod der Rentnerin S. R. hinaus zu Unrecht und gemäß § 118 Abs.3 Satz 1 SGB VI nur unter Vorbehalt erfolgten Zahlungen einschließlich der als Bestandteile der Gesamtrentenleistung ausgezahlten Sonderleistungen ("Ehrengaben").

Die Erstattungsforderung ist entgegen seiner Auffassung nicht teilweise, nämlich bezüglich der in der Zeit vom 01.10.1980 bis 31.01.1997 erbrachten Rentenleistungen, verjährt.

Eine eigenständige Verjährungsregelung bestand für den Anspruch aus § 118 Abs.4 Satz 1 SGB VI im Jahre 1997 bei Kenntniserlangung der Beklagten von der Rentenüberzahlung und Geltendmachung der Erstattungsforderung nicht. Die erst mit Wirkung zum 01.01.2002 eingeführte Regelung des § 118 Abs.4 Satz 3 SGB VI über die vierjährige Verjährung des Anspruchs, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Träger der Rentenversicherung Kenntnis von der Überzahlung erlangt hat, ist für Zeiten vorher nicht anwendbar. Sie zeigt aber, dass Erstattungsansprüche nach dem Willen des Gesetzgebers auch noch dann geltend gemacht werden können und sollen, wenn der Versicherungsträger erst lange Zeit nach dem Tode des Rentenempfängers die Möglichkeit der Rückforderung der Überzahlung erhält. Auch für die Zeit vor Inkrafttreten der neuen Regelung sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, dass insoweit wesentlich andere Gesichtspunkte zu gelten hätten.

Eine teilweise Verjährung der Erstattungsforderung ist - in Ermanglung einer eigenständigen Verjährungsregelung - weder den sonstigen Verjährungsvorschriften des Sozialrechts noch den vor Inkrafttreten des § 118 Abs.4 Satz 1 SGB VI herangezogenen Vorschriften des Zivilrechts über die Verjährung von Bereicherungsansprüchen nach §§ 812 ff. BGB (vgl. dazu OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.12.1987 in NJW 1988, 1290) zu entnehmen.

Die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Ersten, Vierten und Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs über vierjährige Verjährungsfristen für bestimmte gesetzliche Ansprüche auf den hier streitigen Erstattungsanspruch nach § 118 Abs.4 Satz 1 SGB VI in dem vom Kläger aufgezeigten Sinn kommt nicht in Betracht. Den in Voraussetzungen und Zielsetzung letztlich sehr unterschiedlichen Regelungen der §§ 45 Abs.1 SGB I, 25 Abs.1 Satz 1 und 27 Abs.2 Satz 1 SGB IV, 50 Abs.4 und 113 Abs.1 SGB X kann entgegen seiner Auffassung nicht im Wege der Gesamtanalogie ein allgemeines Prinzip des Sozialrechts des Inhalts entnommen werden, dass in diesem Bereich allgemein von einer vierjährigen Verjährung, jeweils beginnend mit dem materiellen Entstehen eines Anspruchs bzw. mit dem Zufluss einer Leistung, grundsätzlich unabhängig von jeglicher Kenntniserlangung oder Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs, auszugehen sei. Einen allgemeinen Rechtsgedanken dieses Inhalts, der allgemein und damit z.B. auch auf Rückforderungsansprüche der vorliegenden Art anzuwenden wäre, gibt es im Sozialrecht nicht. Dies zeigt bereits § 50 Abs.4 SGB X, der für den Beginn der vierjährigen Verjährung des Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen nach § 50 Abs.1 und 2 SGB X auf die Unanfechtbarkeit des die Erstattungsleistung festsetzenden Bescheides abstellt.

Darüber hinaus kommt auch eine entsprechende Anwendung des § 45 Abs.1 SGB I als möglicherweise sachnächste Regelung des allgemeines Teils des Sozialgesetzbuches - wie sie der Kläger befürwortet - nicht oder jedenfalls nicht ohne Abweichung in Betracht. Die Regelung betrifft Ansprüche auf Sozialleistungen. Der Erstattungsanspruch aus § 118 Abs.4 Satz 1 SGB VI ist kein solcher Anspruch, er ist auch nicht als Kehrseite eines Leistungsanspruchs zu sehen. Zwischen den Beteiligten ist ein Leistungsverhältnis nicht entstanden (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.).

Zudem ist keineswegs - wie Kläger meint - aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit geboten, dass der Rentenversicherungsträger in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Kläger von Anfang an seine Nichtberechtigung bei der Inempfangnahme der nach dem Tode der Berechtigten unter Vorbehalt gezahlten Rentenleistungen kannte und mit ihrer Rückforderung rechnen musste, den Rückforderungsanspruch unabhängig von jeglicher Kenntnis des zugrunde liegenden Sachverhalts innerhalb eines "überschaubaren" Zeitraumes nach dem materiellen Entstehen des Anspruchs (hier: der monatlich neu entstandenen angesammelten Erstattungsansprüche) geltend zu machen habe. Dies würde zu einem ungerechtfertigten Vorteil des nicht berechtigten und häufig bösgläubigen Empfängers der Leistung gegenüber dem die Interessen der Versichertengemeinschaft vertretenden Versicherungsträger führen. Erst bei angemessener Berücksichtigung auch der Interessenlage des Versicherungsträgers (Möglichkeit der Kenntniserlangung vom Bestehen des Anspruchs oder Unanfechtbarkeit des durch Bescheid festgesetzten Erstattungsbetrages) könnte insoweit die analoge Anwendung von Vorschriften mit kurzer Verjährungsfrist als sachgerecht und sinnvoll in Betracht kommen. Dies würde jedoch im vorliegenden Fall den Eintritt einer Verjährung nicht bewirken, da die Beklagte ihren Erstattungsanspruch unmittelbar nach Kenntnis vom Tode der Rentenberechtigten geltend gemacht hat.

Auch der Rückgriff auf die zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften für Bereicherungsansprüche nach §§ 812 ff. BGB, die vor Inkrafttreten des § 118 Abs.4 Satz 1 SGB VI mit Wirkung vom 01.01.1996 für Erstattungsforderungen der vorliegenden Art herangezogen wurden, führt nicht zur teilweisen Verjährung der hier streitigen Forderung.

Bereicherungsansprüche nach §§ 812 ff. BGB verjährten in der hier maßgeblichen Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts zum 01.01.2002 gemäß §§ 195, 198 BGB dem Grundsatz nach in 30 Jahren nach der rechtsgrundlosen bzw. rechtswidrigen Vermögensverschiebung. Eine Verjährung der Forderung der Beklagten könnte danach frühestens im Jahre 2011 eintreten. Die daneben bestehende Ausnahmeregelung der kurzen vierjährigen Verjährung von regelmäßig wiederkehrenden Leistungen (§ 197 BGB) ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht entsprechend anwendbar. Schon mangels eines Leistungsverhältnisses zwischen den Beteiligten liegt hier eine andere Fallgestaltung vor. Der Rückforderungsanspruch der Beklagten stellt - wie bereits dargelegt - nicht die Kehrseite eines Leistungsanspruchs auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen dar, die allein auch als Leistung i.S. von § 197 BGB angsehen werden könnte (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; Schleswig-Hosteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 07.05.2003 - L 8 RA 84/02).

Bei dieser Sachlage ist unter keinem der angesprochenen Gesichtspunkte die vom Kläger eingewandte teilweise Verjährung des Erstattungsanspruchs der Beklagten eingetreten. Im Übrigen hält auch der Senat, wie von den Beklagten vorgetragen, die Einrede der Verjährung für treuwidrig. Damit konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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